10/2985.

An Friedrich Heinrich Jacobi

Im Lager bey Marienborn vor Maynz

d. 7. Juni 93.

Dein lieber Brief trift mich hier und giebt mir einen guten Morgen eben als ich mich von meinem Strohlager erhebe und die freundlichste Sonne in mein Zelt scheint. Ich schreibe gleich wieder und wünsche euch Glück zu dem schönen Frühling in Pempelfort, da mir indeß zwischen zerrissnen Weinstöcken, auf zertretnen, zu früh abgemähten Ähren uns herumtummeln, stündlich den Tod unsrer Freunde und Bekannten erwarten und ohne Aussicht was es werden könne von einem Tage zum andern leben. Das Wetter ist sehr schön, die Tage heiß, die Nächte [72] himmlisch. Das werdet ihr auch so haben und den lieben Frieden dazu, den euch ein guter Geist erhalte und ihn auch dieser Gegend wiedergebe.

Der Beyfall den du meinem Bürgergeneral giebst ist mir viel werth. So ein alter Pracktikus ich bin, weiß ich doch nicht immer was ich mache, und dießmal besonders war es ein gefährliches Unternehmen. Bey der Vorstellung nimmt sich das Stückchen sehr gut aus. Da du die vorhergehenden Stücke nicht kennst muß ich dir Auskunft geben. Die beyden Billets sind ein Nachspiel nach dem französchen, von einem der sich Anton Wall nennt, ich weiß nicht ob er so heißt. Darin spielen Röse, Gürge, Schnaps. Derselbe Autor schrieb eine Fortsetzung der Stammbaum in welcher zu genannten Personen der alte Martin hinzukommt. Da nun diese Stücke besonders das erste, ziemlich beliebt sind und die Characktere schon bekannt, ich auch keine Exposition brauchte, so nahm ich die Figuren als Masken, und that noch den Richter und den Edelmann hinzu, hielt mich aber so daß das Stück auch ohne die vorigen bestehen kann.

Die farbigen Zeichnungen sind alle drey Copien nach Meyer von einem jungen Künstler Nahmens Horny der sich besonders auf die Landschaften legt. Die Mädchen mit dem Korbe sind Meyers Erfindung. Der Raub der Leucippiden nach einem alten Basrelief nur daß sich dort die Mädchen nicht anfassen und [73] dadurch gewissermaßen ganz neu. Leider daß der Krieg auch meinen kleinen Kunstkreis stört, den ich so artig in Bewegung sehe und an dem ich so lange arbeite.

Den zweiten Gesang Reinickens sende ich wohl, auch, wenn ich meine Faulheit überwinden kann eine Elegie. Wenn du jenes Gedicht im Ganzen sehen wirst, hoff ich soll es dir Freude machen. Ich sollte nur zu euch schiffen, so könnt ich es in den gewöhnlichen Betstunden vortragen. Wenn nur ein Rhein durch Westphahlen nach Thüringen flösse.

Schreibe mir balde, nur grade hierher und besorge die Einlage mit meiner schönsten Empfehlung. Grüße die deinigen. Liebt mich.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1793. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-89F7-6