10/3125.

An Friedrich Heinrich Jacobi

Welches Gefühl von Unglauben oder Aberglauben mich abgehalten dir ein Exemplar des Romans zu schicken, warum ich es erst jetzt thue auf Maxens Erinnerung und auf Schillers Veranlaßung? weiß ich nicht zu sagen. Hier kommt er, mit den Horen. Mögen sie beyde zur guten Stunde anlangen.

Mit Max habe ich fast 14 Tage in Jena mein anatomisches Wesen erneuert. Er kam morgens sieben Uhr vor mein Bette, ich dicktirte ihm bis achte und in den letzten Tagen nahmen wir um 10 die Materie wieder vor, wobey sich auch Humbold einfand, und ich habe in der Zeit meine Ideen fast alle aphoristisch von mir gegeben, und werde wahrscheinlich noch dieses Jahr ans Ausarbeiten gehen. Max wird uns immer werther, und wir bedauern daß er uns Ostern verlassen will. Kann ich mit ihm dich besuchen, so wird mirs die größte Freude seyn. Biß jetzt sehe ich kein Hinderniß als die Autorschaft, die freylich dieß Jahr sehr lebhaft gehen muß, wenn ich alles wegarbeiten will, was mich schon lange lastet und was mich hindern könnte nochmals eine italiänische Reise zu unternehmen.

[232] Daß dir Reinhold nicht behagt giebt mich nicht Wunder, er konnte nie aus sich herausgehen und mußte um etwas zu seyn sich in einem sehr engen Kreise halten. Ein Gespräch war nicht mit ihm zu führen, ich habe nie etwas durch ihn, oder von ihm lernen können.

Dagegen ist Fichte, obgleich auch ein wunderlicher Kauz, ein ganz andrer Mensch für Gespräch und Mittheilung. Er hat bey einem sehr rigiden Sinne, doch viel Behendigkeit des Geistes und mag sich gern in alles einlassen. Leider geht er auch nur meist mit jungen Leuten um, die zu sehr unter ihm sind, daher entsprang auch Reinholds Unglück.

Mit Schiller und Humbold setze ich ein ganz vergnügliches Leben fort, die Kreise unsers Denckens und Wirckens laufen in einander und wir begegnen uns oft. Mein häusliches Wesen dreht sich auch still auf seiner Axe und so bleibt mir nichts zu wünschen übrig.

Grüße Clärchen und die Tanten. Laß mich unter den deinigen fortleben und lebe recht wohl.

W. d. 2. Febr. 1795.

Laß doch Schillern nicht zu lange auf einen Aufsatz von dir warten. Nur durch Manigfaltigkeit können uns die Stunden ergötzen.

G. [233]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1795. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A4C-D