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An Carl Friedrich Zelter

Die Ankündigung, daß du zum Ritterfeste eingeladen seyst, hat mir freylich viel Freude gemacht; dich sodann Nr. 17 in der Zeitung aufzufinden und in so guter Gesellschaft, vermehrte mein Behagen, und nun erzählst du selbst das Nähere; dabey mag es denn sein freundliches Bewenden haben.

[137] Was den Menschen auf irgend eine Weise aus der Menge hervorgeht, gereicht immer zu seinem Vortheil; wird er auch dadurch in eine neue Menge versenkt, so geräth er doch in ein frisches Element, worin er wieder schwimmen und waten muß. Diese Ehrenzeichen gereichen eigentlich nur zu gesteigerten Mühseligkeiten, wozu man aber sich und andern Glück wünschen darf, weil das Leben immerfort, wenn es gut geht, als ein stets kämpfend-überwindendes zu betrachten ist.

Verzeih diesen abstrusen Worten, ich weiß mich aber nicht anders auszudrücken; denn wie ich mich immer besser zu verstehn glaube, schein ich andern undeutlich zu werden. Du bist ja aber auch ein so wunderlicher Kauz, daß dir von der Art nichts unerklärlich seyn kann.

Ich bin seit acht Wochen kaum aus dem Zimmer gegangen, doch hat es mir da nicht an Anregungen zur Thätigkeit gefehlt. Die nächsten Anforderungen macht das verrückte Volk, das es auf's Wandern angelegt hat. Bis ich sie ausstatte, die Mobilen einschiffe und die Zurückbleibenden unterbringe, hab ich nicht mehr viel, aber Beschwerliches zu thun. Mehr darf ich nicht sagen; zu Ostern wird ein jeder sehn, was er sich von meinem Krame zuzueignen beliebt.

Der Schauspieler Winterberger hat sich heute früh mir vorgestellt, es ist eine angenehme Gegenwart; meine Kinder und Genossen sprechen gut von seinem Auftreten; daß man ihn engagirt hat, beweist, er [138] gefalle doch im Allgemeinen. Und so wollen wir abwarten, wie es ihm ferner gelingt.

Die neue Direction ist bis jetzt auf guten Wegen, nicht negativ und ablehnend wie die vorige, und da ist schon alles gewonnen. Wenn man hübschen Männern und Frauen die Bretter gönnt, so ist schon viel gethan, und wenn man in Gastrollen von Zeit zu Zeit ein vorzügliches Talent auftreten läßt, so findet sich unser kleiner Kreis schon zufrieden. Dieß scheint man zu verstehn. Mit neuen Stücken muß man's wagen; was auf dem Repertoir bleibt dankbar bewahren, alte Stücke, die an den Schauspieler starke Forderungen machen, auch wohl einmal als Aufgabe aufstellen, mehr braucht es nicht, in unserm Verhältniß fortzuwirken, wovon doch jetzt nur die Rede seyn kann. Übrigens steht die allgemein ästhetische Bildung so hoch, daß es an Schauspielern nicht fehlen kann, weil sich so manches Talent schon in geselligen Kreisen entwickelt; wenn nur noch halbweg etwas von Handwerk übrig bleibt, so ist das deutsche Theater schon geborgen. In Berlin muß man freylich schon viel Knicken in die Karte machen, wenn man nur einigermaßen Gewinn hoffen und ziehen will.

Wenn ich nun Gegenwärtiges am stillen Abend an dich dictire, ohne mich weiter zu bekümmern, wie Schnee und Kälte draußen ihr Wesen treiben.

Und so fort an!

Weimar den 26. Januar 1829.

J. W. v. Goethe. [139]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B6F-4