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An Carl Ludwig von Giesecke

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

Schreiben vom 4. dieses Monats aus Straßburg erhalte zu meiner Beruhigung, da es mich einer besondern Verlegenheit entzieht. Ende Mays des laufenden Jahrs erhielt ich von denen Herrn Gruhner und Dörstling zu Wien die Anzeige eines an mich auf Deroselben Ordre abgegangenen Kästchens mit Mineralien, welches mir denn auch zu gerechter Zeit durch Herren Heinz und Hausner in Leipzig übersendet wurde. Der höchstwerthe Inhalt machte mir das größte Vergnügen und ich sah manche Lücke meiner Sammlung ausgefüllt, allein ich fand keinen Brief dabey und keine nähere Bezeichnung. Da aber ich die Sendung von Wien kam und Herr Director von Schreibers mir kurz vorher die umständliche Nachricht von den herrlichen Schätzen gegeben hatte, welche durch Ew. Hochwohlgeboren Fürsorge dem K. K. Kabinett gegenwärtig zur größten Zierde gereichen; so glaubte ich nicht besser meinen verbindlichen Dank abstatten zu können, als daß ich [99] ein Schreiben mit beygelegtem Diplom der Mineralogische Gesellschaft zu Jena dort hin gelangen ließ. Da ich nun aber seit der Zeit nichts weiter deshalb vernommen; so freut es mich doppelt, daß ich Anlaß finde auch in die weiteste Ferne meinen unmittelbaren Dank gelangen zu lassen.

Sie haben durch Ihre Sendung so recht eigentlich die Wünsche des Liebhabers erfüllt: die grönländ'schen Mineralien waren für meine Sammlung wahrhafte Neuigkeiten, die Zinnstufen geben diesem Fache eine abschließende Vollständigkeit. Ich hatte noch nicht Kenntniß, daß die Zinnseifen so derbe, tüchtige Stücke frühren, auch das Zinn von Malaga fehlen mir ganz. Da mich nicht allzu weit ausbreiten darf; so habe ich mir einzelne geologische und oryktognostische Puncte erwählt, und da ist die Zinnformation wohl von der größten Bedeutung. Ich behandele sie monographisch und werde jeden Beytrag in irgend einem Exemplar oder auch nachrichtlich dankbar anerkennen.

Da Sie selbst die Welt so weit und breit gesehen und erkennt haben; so darf ich kaum anbieten irgend etwas Erfreuliches aus unserer und nahgelegener Gegend. Daher scheint es mir beynahe zudringlich, wenn ich ein Gesuch hier beyfüge.

In Schottland finden sich verschieden gefärbte Bergcrystalle, dem Rauchtopase angenähert, durch gelbliche Mischung in's Bräunlich-Grüne fallend, auch wohl rein gelb, unter dem Namen Citrin bezeichnet. [100] Nach Herrn Mawe kommen sie in Aberdeenshire im Berge Cairngorm vor. Sollten Sie mir dergleichen, nach ihrem natürlichen Vorkommen, in unverletzter Crystallisation, gefällig mittheilen; so würde ich es mit dem aufrichtigsten Dank erkennen.

So eben erhalten von St. Petersburg die sich in Farb' und Bildung dem Amethyst nähernden Bergcrystalle von Kamtschatka, dem Ural und dem Quluezkischen. Sie belehren mich auf dem Stützpuncte der Betrachtung, wie der so eigensinnige und hartnäckige Bergcrystall sich doch in seiner Bildung auf mehr als eine Weise bedingen und stören läßt.

Da ich aber, wie Sie gewiß aufnehmen, von Ihrem Lebensgange unterrichtet, mit wahrer Theilnahme dessen schönes und erfreuliches Fortschreiten bemerke; so erlauben Sie, daß ich auch fernerhin mich um Ihre nähern Zustände befrage und Sie ersuche, mit besonders von den geologischen Merkwürdigkeiten Ihrer Umgegend, von der ich nur die allgemeinsten Kenntnisse haben kann, näheren Aufschluß zu geben.

[Weimar den 22. November 1819.]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Carl Ludwig von Giesecke. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CB3-2