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An Christiane von Goethe

Carlsbad. Sonntag den 27. May 1810.

Wir sind nunmehr acht Tage hier und haben also schon etwas zu erzählen. Wir haben uns vor allen Dingen überall umgesehen und die alten und neuentstandenen Wege des Sprudels, der sich vorm Jahre im September ereignete, und die Bemühungen die man sich giebt, die Quelle wieder herzustellen, hat auch meine Aufmerksamkeit sehr beschäftigt. Auch bin ich so ziemlich fleißig im Zeichnen gewesen. Dabey ist manches dictirt worden, wenigstens zur Vorbereitung für künftige Arbeiten.

Das schöne Wetter, das wir auf der Reise gehabt, hielt auch hier die ersten Tage noch an, zu unserm größten Vergnügen, indem wir uns bey so guter zeit und fröhlichem Sonnenschein, überall umsehen konnten. Nun aber ist seit 3-4 Tagen Regenwetter eingetreten, welches mich weniger genirt als andre, weil ich den Brunnen aussetzen kann. Ich befinde mich übrigens recht wohl, wie ich lange nicht gewesen: denn ich will nun gern gestehn, daß mir's auf die letzte Zeit in Jena sehr übel zu Muthe war.

Das Papiergeld steht sehr niedrig. Wir haben für 100 fl. sächsisch, 362 Gulden in Bancozetteln erhalten. Allein dießmal kommt es uns nicht zu Gute,[313] indem die Victualien und Waaren in gleicher Maße gestiegen sind, ja die Leute wissen gar nicht mehr was sie fordern sollen, um sich sicher zu stellen, weil die Bancozettel immer noch fallen, so daß man z.B. das Quartier und alles was feste Preise hat in der Folge immer wohlfeiler bezahlt. Und so macht es die Menschen durchaus, wie gesagt, verwirrt und man wird es selbst, wenn man die Summen hört, die man ausgegeben hat. Reducirt man sie auf Silbergeld, so verschwindet freylich das Übertriebene; aber doch ist, wie gesagt, alles theurer als vor zwey Jahren. Wenn du Gelegenheit hast, dieß Herrn Geheimen Hofrath Starke wissen zu lassen; so thue es ja, damit er sich darnach einrichte.

Die Portionen Essen sind gleichfalls kleiner als jemals. Man muß ihrer drey nehmen statt zwey. Der Kaffee wird in den nächsten Monaten so gut wie völlig verboten und wird wenigstens theuer genug zu bezahlen seyn. Dem allen ungeachtet wird mein hiesiger Aufenthalt nicht theurer als in Jena zu stehen kommen. Wenn ein paar Wochen herum sind, will ich dir darüber einmal etwas ausführlicheres schicken.

Wein werden wir wohl von Prag kommen lassen. Ich habe einen Auftrag für Madam Hanbury und werde bey dieser Gelegenheit auch für mich einige Sorge tragen. Curgäste sind noch nicht viel hier. Die Prinzeß Marianne von Sachsen, ist [314] sehr freundlich und gesprächig am Brunnen und unterhält sich mit Jedermann; so auch auf der Promenade. Sie sieht aber Niemand bey sich, wodurch man den aller Aufwartung und aller gêne überhoben ist. Sodann fehlt es nicht an schönen und interessanten Personen und täglich kommen neue Gesichter. Die Kaiserinn von Östreich kommt den 6. und wohnt schräg gegen uns über. Sie ist aber sehr krank und wird keine große Differenz im öffentlichen Leben machen. So viel für dießmal. Grüße Carolinchen und August, und lebe recht wohl!

G.


Seyd ja so gut und antwortet gleich auf diesen Brief und meldet mir den Tag wann er angekommen, damit man einigermaßen weiß, inwiefern man sich communiciren kann.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D63-E