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An Joseph von Hormayr

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

ansehnliches Geschenk blickt schon lange von meinem Repositorium freundlich auf mich herunter und erinnert [214] mich, bey allem Vergnügen, auf eine gewissermaßen schmerzliche Weise an meine schuldig gebliebene Danksagung.

Erlauben Sie in einer ruhigen Stunde soviel zu sagen: daß ich mich niemals überwinden konnte, für ein würdiges mir gegönntes Geschenk mich durch allgemeine Worte und leicht niederzuschreibende Phrasen eilig und schicklich abzufinden. Ich trachtete, insofern es möglich war, den Geber zu überzeugen, daß ich an seinen Bemühungen wahrhaften Theil genommen und mich von dem Werthe derselben wirklich durchdrungen habe. Darüber kam ich in so manchen Rückstand, daß mir schon öfters am Ende des Jahrs nichts übrig blieb, als mich für insolvent zu erklären.

In Bezug auf Ihr wichtiges Werk find ich mich nun in einer ganz eignen Lage. So wie ich mich in meinen Jahren scheuen müßte die hohe Kaiserstadt zu betreten, ihren Umfang zu beschauen, den bedeutenden Personen aufzuwarten und die gehäuften Schätze aller Art, welche dem Menschen überhaupt, sodann auch dem Freunde der Natur und Kunst höchst wichtig sind, zu besuchen und mit Augen zu schauen; eben so ergeht es mir mit Ihrem Werke, ja vielleicht empfind ich noch eine größere Scheu davor als vor der Gegenwart selbst. Denn hier werd ich ja, ohne den Vortheil des unmittelbaren Anschauens zu genießen, in die Tiefen der Vergangenheit gefordert. Das mannichfaltigst Geschichtliche der verschiedensten Localitäten[215] tritt mir vor die Seele, ohne daß die Örtlichkeit selbst mir jemals gegenwärtig gewesen wäre und also auch durch die Einbildungskraft wieder hervorgerufen werden könnte.

Denken Ew. Hochwohlgeboren aber nicht, daß hiernach Ihr vortreffliches Werk auf mich und meine Freunde ganz unwirksam geblieben wäre; gar manchen Abend, seitdem ich mich im Besitze dieses Schatzes befinde, haben wir uns gemeinsam an manchen Einzelnheiten erfreut, besonders, wie es zu gehen pflegt, durch die das Werk auch vorzüglich belebenden Kupfer angelockt und bestimmt.

In diesem Sinne daher haben Sie uns einen wahrhaften Schatz zu wichtigen theils ganz neuen, theils unsre Kenntnisse vermehrenden Unterhaltungen in unserm Kreise niedergelegt und können überzeugt seyn, daß uns nicht ein vorübergehender Antheil an diesem Werke leichtsinnig hinführt, sondern daß wir es oft genug in gewissen Stunden, wo genaue Kenntniß abwesender Zustände uns vorzüglich anlockt, immer wieder vornehmen und uns an dessen genauer und gründlicher Behandlung höchlich erfreuen.

Möge dieses aufrichtige Bekenntniß das unangenehme Gefühl völlig auslöschen, das mein verzögerter Dank für eine so wichtige Gabe bey Denenselben erregt haben muß. Von meiner Seite kann ich versichern, daß ich mich nur von dem Schwersten dieser Schuld für den gegenwärtigen Augenblick als erleichtert fühle [216] und erst an einigen Zeichen einer fortgesetzten Wohlgewogenheit von Ihrer Seite mich wieder völlig getröstet werde empfinden können.

Weimar den 22. März 1829.

Zum Schlusse darf ich jedoch nicht säumen, zu der hohen Bestimmung Glück zu wünschen, welche Denenselben zu Theil geworden. Sie sind berufen, innerhalb der unermüdlichen Thätigkeit eines erhabenen Fürsten mitzuwirken, deren Einfluß auf die Zukunft sich nicht berechnen läßt, uns andern aber, die wir vom Schauplatze abzutreten uns anschicken, höchst erfreulich und segenreich erscheinen muß.

Hochachtungsvoll mich unterzeichnend.

Weimar den 28. März 1829.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Joseph von Hormayr. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F5C-0