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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

Die sogenannte Pietra fungaja wird in Wörterbüchern und sonst als ein Kalktuff beschrieben, auf welchem Schwämme wachsen. Die mir aus Italien zugesendete 15 1/2 Pfund schwere Waffe ist aber ganz eigentlich eine colossale Trüffel, deren um sich greifendes Wachsthum manche fremden Körper, Wurzeln, Steine u.d.g. in sich aufgenommen hat und welche die Eigenschaft zu haben scheint, nach und nach ihre Vegetabilität mit einem steinhaften Wesen zu vertauschen. Kalkartiges ist nichts dabey. Nun kommt es aber hauptsächlich darauf an, ob diese harte Waffe, die sich wie ein Thonklumpen schaben läßt, wenn man sie im Keller mit feuchter Erde bedeckt hält, wenigstens auf ihrer Oberfläche wieder zu quellen, zu vegetiren, fortzuwachsen und, wie man behauptet, eßbar zu werden anfängt. Der Versuch soll nächstens angestellt werden.

Der Versuch ward angestellt, fiel aber ganz unerwartet aus. Man hatte diese steinähnliche Waffe in feuchte Erde in den Keller gestellt, wo sie nach und nach aufschwoll, riß und zerfiel. Die Trümmer wurden gesammelt. Davon sende hiebey etwas und zwar hauptsächlich deswegen, weil, so lange die Pietra fungaja unter der Erde war und schwoll, auf der Oberfläche des Humus mehrfarbige Schimmel hervorwuchsen, [81] die wahrscheinlicher Weise wieder entstehen, wenn Ew. Wohlgeb. den Körper der Feuchtigkeit und Finsterniß abermals aussetzten. Man würde daraus auf die Eigenschaft des problematischen Gewächses selbst wohl näher schließen können.

Soviel in Gefolg einer weitern Betrachtung Ihres schätzbaren Wertes in Eil, da ich eben im Begriff bin eine Reise nach dem Rhein anzutreten.

Das Beste wünschend

ergebenst

Weimar d. 10. July 1816.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9025-0