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An Georg August Christian Kestner

Ich hätte Ihnen, mein theuerster und altbefreundeter Mann, schon längst für manche bedeutende Sendung und wiederholte Gefälligkeiten zu danken gehabt; die Zustände bewegen sich aber in meinen alten Tagen etwas zu geschwind um mich her als daß ich auch in die Ferne alle Geneigtheit gehörig erwidern könnte. Jetzt tritt ein hübscher junger Mann bey mir ein, für Rom Abschied nehmend, und wenn ich denke daß[3] dieser nun bald in die Porta del Popolo einfahren wird, so werden mir jene Bezirke bis zur Rührung lebendig.

Dieser junge Mann ist der Sohn des hiesigen Hofbildhauer Kaufmann, welcher vor etwa 14 Jahren hier einwanderte, sich leidlich befand und manches zu unserem beyfälligen Vergnügen arbeitete. Er starb frühzeitig und sein Sohn geht nun in Rom bey der Mutter zu leben, welcher eine billige Pension zugestanden ist.

Durch Gegenwärtiges wünsche ihn nur in dem Sinne einzuführen daß Ihnen ein wohlgestalteter, soviel ich weiß, wohlgesitteter junger Mensch bekannt werde, und daß er in jener weiten Welt, die er als Kind verlassen, einen freundlichen zusprechenden Mann geneigt antreffen möge.

Er verließ, wie ich zu bemerken hatte, das plastische Feld, worin sein Vater meisterhaft wirkte, und legte sich auf eine Art Zeichnerey die mir nicht gefallen wollte, weil auch er, durch junge Gesellen, mit dem alterthümlich-frommen und zugleich sogenannten patriotisch-natürlichen, aber immer doch nur steif-und mumienhaften Wesen angesteckt war. Vielleicht mögen Sie etwas von seinen Arbeiten ansehen und, indem Sie ihn nachsichtiger beurtheilen, zu seiner Förderniß etwas Günstiges beytragen. Übrigens soll er Ihnen in keinem Sinne zur Last seyn.

Der verehrlichen Gesellschaft, die sich zu Aufklärung des Alterthums zusammen gefunden hat, bitte mich [4] bestens empfehlen. Ich habe einige kleine Dinge, die mir wenigstens interessant scheinen, welche nächstens mitzutheilen gedenke, indessen ich von ihren bedeutenden Arbeiten im Stillen Vortheil zu ziehen weiß.

Auch die mir vorlängst übersendeten Zeichnungen begegnen mir, bey Durchsicht meiner Mappen, öfters auf das freundlichste; finden Sie irgend etwas der Art, wovon Sie sich gewiß überzeugen daß es mir Freude macht, so senden Sie es gelegentlich. Eben jetzt ist es mir eine Herzensangelegenheit noch so viel Blumen und Blüten der Zeit und Vorzeit gewahr zu werden als möglich.

Und nun bitte noch gefälligst meine besten Empfehlungen an Gräfin Julie v. Egloffstein zu übernehmen, welche gegenwärtig das Glück hat an Ihrer Seite der größten Herrlichkeiten der Welt zu genießen. Auch Herrn Bunsen wünsche auf's angelegentlichste von mir gegrüßt. Durch Herrn Canzler v. Müller werd ich oft in Ihre Mitte versetzt, dessen Erzählung vom römischen Aufenthalt eigentlich nur als eine Lobrede auf die dortigen deutschen Freunde angesehen werden kann. Womit ich mich unter den aufrichtigsten Wünschen unterzeichne.

treu ergeben

Weimar den 5. April 1830.

J. W. v. Goethe. [5]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Georg August Christian Kestner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9278-C