40/122.
An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck
Über zwey emetische Wurzeln.
Mit der in den Zeitungen auf's neue angepriesenen, besonders gegen die Wassersucht von Herrn v. Langsdorf empfohlenen brasilianischen Wurzel möchte es wohl folgende Bewandniß haben:
In dem Eschwegischen Journal von Brasilien und zwar der Seite 228 des ersten Heftes findet sich eine Pflanze, Raiz preta genannt, wegen ihrer Wurzelkräfte angerühmt. Daß sie dort mit der Ipecacuanha medicinalis zusammengestellt, ja mit ihr für identisch erklärt wird, deutet die nahe Verwandtschaft beider Pflanzen an.
Nun führt Ritter von Martius in dem ersten Heft seines Specimen materiae medicae Brasiliensis Seite 4 die Pflanze der officinellen Brechwurzel unter dem Geschlechtsnamen Cephaelis vor mit der specialen Bezeichnung Ipecacuanha, als dem bisherigen Trivialnamen. Das Kupfer Tab. I. stellt sie dar, und die schon längst berühmte Wurzel wird Tab. VIII Fig. 1. 2. 3 in ihrer braunen Farbe besonders aufgeführt.
Ein Bild der Raiz preta jedoch haben wir bey Eschwege in dem angeführten Theile Tab. III zu suchen. Daß diese Pflanze zum Geschlecht Cephaelis (sonst Callicocca) zu rechnen sey, entscheidet sich wohl. Auch sie gehört zur fünften Linnéischen Klasse, sie ist [128] pentandrich-monogynisch. Inflorescenz, Fructification, sowie der ganze Habitus vergleichen sich sehr erfreulich. Besonders aber haben beide Wurzeln die schlangenartige Tendenz, nur daß die der Cephaelis Ipecacuanha (emetica Persoon) sich paternosterartig trennt, da bey der Raiz preta nur eine Andeutung möglicher Einschnitte gefunden wird. Daß letztere nun auch zu den emetischen Pflanzen gehöre, ist wohl kein Zweifel. Daß sie, wie dem äußern Habitus nach, also auch an Heilkräften mit jener ersten weltbekannten verwandt seyn werde, läßt sich gar wohl vermuthen. Welche specifische Gewalt sie aber ausübe und über jene einen hohen Vorrang gewinne, das wird die ausübende Heilkunde nach und nach erproben.
Practische Mittheilung.
Die vom Herrn v. Eschwege aus Brasilien mitgebrachte Wurzel, deren medicinische Eigenschaften er als laxirend, Brechen erregend, Harntreibend und Schweiß befördernd bezeichnet, habe ich bey verschiedenen Patienten angewendet. Es ließ sich zum voraus schon vermuthen, daß die angegebenen Wirkungen so vielfacher, fast entgegengesetzter Art, von Einem Mittel nicht hervorgebracht werden könnten. Da indeß doch eine zu erwarten war, keine Krankheit aber so viele Indicationen zuläßt als die Wassersucht, so versuchte ich sie bey zwey Subjecten dieser Art, ohne daß eine von jenen Excretionen auf irgend eine Weise wäre vermehrt worden oder auch nur erregt. Der Doctor Mirus, dem ich erlaubte, auf jede mögliche Weise und unter jeder Form Gebrauch davon zu machen hat ebenfalls einen großen Theil der [129] Wurzel erfolglos angewendet und wenn ich nicht irre, habe ich selbst nach Jena an Einen der beiden Herrn Starke einen Theil derselben zum Gebrauche überschickt. Von Jena aus aber bin ich ohne Nachricht darüber.
Sey es, daß ich, wie der Doctor Mirus, die Wurzel in zu kleinen Dosen angewendet habe, sey es, daß die Wirkung im Decoct sich nicht so erfolgreich aussprechen konnte, als in Pulverform; genug ich zog es am Ende doch vor, durch eigne Erfahrung erprobte Mittel anzuwenden als die Patienten, während sie, wie ich, auf die zweifelhafte Wirkung eines unbekannten Mittels hofften, mit jedem Tage kränker werden zu sehen. Proben von solchen Mitteln können nur in Hospitälern und in der Armenpraxis gemacht werden.
Dr. Rehbein.
Vorstehendes haben die Weimarischen Naturfreunde auf höchste Veranlassung zusammengestellt und wünschen nun von dem Meister dieses Faches zu Bonn das Nähere berichtigt und vollendet zu vernehmen.
Weimar den 16. November 1825.
G.