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An Friedrich Schiller

Ihre zwey lieben und werthen Briefe, nebst dem Zwieback, habe ich erhalten und da heute früh das Pensum am Romane geschrieben ist, will ich diese Blatt für morgen voraus dictiren.

[104] Noch rückt das achte Buch ununterbrochen fort, und trenn ich die zusammentreffenden Umstände bedenke, wodurch etwas beynahe unmögliches, aus einem ganz natürlichen Wege, noch endlich wirklich wird, so möchte man beynahe abergläubisch werden. So viel ist gewiß, daß mir gegenwärtig die lange Gewohnheit, Kräfte, zufällige Ereignisse, Stimmungen und wie sich uns angenehmes und unangenehmes aufdringen mag, im Augenblicke zu nutzen, sehr zu statten kommt; doch scheint meine Hoffnung es schon künftigen Sonnabend zu schicken voreilig gewesen zu seyn.

Ihr Gedicht die Klage der Ceres, hat mich wieder an verschiedene Versuche erinnert, die ich mir vorgenommen hatte, um jene Idee, die Sie so freundlich ausgenommen und behandelt haben, noch weiter zu begründen. Einige sind mir auch ganz unvermuthet geglückt, und da ich eben voraussehen kann in diesen schönen Sommermonaten einige Zeit zu Hause zu bleiben, so habe ich gleich Anstatt gemacht eine Anzahl Pflanzen im Finstern zu erziehen, und alsdann meine Erfahrungen mit denen, die schon bekannt sind, zu vergleichen.

Daß Voß nicht gekommen ist, gefällt mir nicht an ihm, besonders da Sie sich, wie ich erst aus Ihrem Briefe sehe, noch einander nicht persönlich kennen. Es ist das eine Art von Schluderey und Unattention, deren man sich wohl in jüngern Jahren leider schuldig macht, vor der man sich aber, wenn man einmal [105] Menschen schätzen lernt, so sehr als möglich hüten sollte. Am Ende hat ihn doch Reichardt abgehalten, denn daß diesem bey seinem Kalbverhältniß zu uns nicht wohl seyn kann ist nur zu deutlich.

Zelter in Berlin ist präparirt. Es wäre gut, wenn Sie nun auch gleich an ihn schrieben. Ich habe ein Lied Mignons das ich gerne in Ihren Almanach setzen möchte, im Roman wird es nur erwähnt. Es wäre die Frage ob man Ungern selbst darüber nicht ein vertraulich Wort sagen sollte. Wenn auch eine solche Erklärung auskäme, so wäre doch die Kriegs Erklärung geschehen, zu der wir je eher je lieber schreiten sollten.

Xenien habe ich wieder einige Dutzend, nur gerade nicht von der nothwendigsten Gattung.

Daß die Idylle bey näherer Betrachtung Stand und Stich hält, freut mich sehr. Für die Eifersucht am Ende habe ich zwey Gründe. Einen aus der Natur weil wirklich jedes unerwartete und unverdiente Liebesglück die Furcht des Verlustes unmittelbar auf der Ferse nach sich führt, und einen aus der Kunst weil die Idylle durchaus einen pathetischen Gang hat und also das leidenschaftliche bis gegen das Ende gesteigert werden mußte, da sie denn durch die Abschiedsverbeugung des Dichters wieder ins leidliche und heitere zurückgeführt wird. Soviel zur Rechtfertigung des unerklärlichen Instinctes, durch welchen solche Dinge hervorgebracht werden.

[106] Richter ist ein so complicirtes Wesen, daß ich mir die Zeit nicht nehmen kann Ihnen meine Meinung über ihn zu sagen, Sie müssen und werden ihn sehen und wir werden uns gern über ihn unterhalten. Hier scheint es ihm übrigens wie seinen Schriften zu gehn, man schätzt ihn bald zu hoch, bald zu tief und niemand weiß das wunderliche Wesen recht anzufassen.

Mit Cellini glückt es uns durchaus und da es auch unsere Convenienz ist, so lassen Sie uns das Eisen schmieden, so lange es warm bleibt. Sagen Sie mir wann Sie wieder eine Lieferung brauchen.

Hier lege ich Ihnen ein Pasquill bey, das Sie in eine ganz eigene Welt führen wird, und das, ob es schon sehr ungleich ist, doch einige Capitalspäße enthält und gewisse Hasenfüße, Heuchler, Philister und Pedanten toll genug durchnimmt. Lassen Sie es niemand sehen und schicken es gleich wieder zurück.

abgeschickt d. 22. Juni 96.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-944D-D