[158] 21/6057a.

An Johann Friedrich Cotta

[Concept.]

[Weimar, 16. November 1810.]

Bald nach meiner Ankunft erhielt ich Ew. W. Brief vom [27. September] und danke schönstens fürs Andenken. Nun bin ich einen Monat wieder zu Hause und wie natürlich kaum zu mir selbst gekommen. Ich bedenke von Zeit zu Zeit, was etwa Ostern zu leisten seyn möchte, und schreibe darüber nächstens.

Über mein Wandern sind die Wanderjahre ins Stocken gerathen, doch denke ich, ein glücklicher Anstoß soll bald einen entschiedenen Entschluß hervorbringen, und dann wird alles wieder im Gange und wenn das Glück gut ist, bald am Ende seyn.

[158] Das beste was ich von meiner Sommerfahrt mit nach Hause gebracht habe, ist ein Schema meiner Biographie, das wenigstens in seiner Grundzügen ziemlich vollständig dasteht. Ich arbeite es nun im Einzelnen aus und eigentlich sind diese Betrachtungen jetzt dasjenige was mich am meisten interessirt. Ich bin genöthigt in die Welt- und Literaturgeschichte zurück zu gehen, und sehe mich selbst zum erstenmal in den Verhältnissen die auf mich gewirkt und auf die ich gewirkt habe; und dieß giebt zu sonderbaren Reflexionen Anlaß. Ich habe gegen mehrere Freunde kein Geheimniß aus diesem Vorsatz gemacht. Man hat ihn durchaus mit Beyfall aufgenommen und mir manches versprochen was mich fördern kann.

Wollten Sie die Gefälligkeit haben mir den Wiener Nachdruck meiner Werke zu senden, daß ich dieses verwünschte Opus näher kennen lernen. Sie haben alles durch einander geworfen, wie Kraut und Rüben, wie ich bey einem flüchtigen Blick, den ich in Böhmen darauf warf, bemerkte. Hauptsächlich wünschte ich zu sehen, was sie noch abgedruckt haben, das in unsrer Ausgabe nicht steht; und ich hätte große Lust, einen Supplementband, besonders Gedichte, an den Tag treten zu lassen. Es ist manches darunter aus meinen ersten Zeiten, das wegen verschiedener Ursachen bisher zurückblieb; jetzt aber wohl das Tageslicht wird anblicken dürfen. In einiger Zeit kann ich wenigstens eine Inhaltsanzeige schicken.

[159] Vielleicht könnten Sie mir auch zu einen musicalischen Hefte verhelfen. Es sind sechs Canons von Joseph Haydn, Augsburg, bey Gambart.

Ferner wollte ich Sie ersuchen mir die sämmtlichen Jahrgänge des Rheinländischen Hausfreundes, eines Calenders, der in Karlsruh herauskommt, zu verschaffen. Ich habe den auf 1811 gesehen, welcher allerliebst ist. Soviel ich weiß hat dieses Volksbüchlein unsern vortrefflichen Hebel zum Verfasser.

Soeben erhalte ich den Almanach des Dames, der mich nicht zu erinnern braucht, für wie viel anders angenehm-mitgetheilte ich zu danken habe. Ich will nur der Riepenhausischen Hefte erwähnen. Es bleibt ein dankenswerthes Unternehmen, das man nicht mit der größten Strenge beurtheilen, noch die höchsten Forderungen daran machen muß. Es ist schon bewundernswerth, wenn junge Künstler ohne höhere Unterstützung dergleichen unternehmen und ausführen. Da sich Ew. W. der Sache annehmen, so ist sie nunmehr geborgen.

Die Boisseréeschen Zeichnungen ins Publicum zu bringen, ist gleichfalls höchst verdienstlich, und kann man auch den Enthusiasmus der Unternehmer nicht ganz theilen; so muß doch bekennen, daß er nöthig war um eine so schwierige Arbeit zu vollbringen.

Recht interessante und gestreiche Umrisse zu Faust von Retzsch habe ich in Dresden gesehen. Wenn er[160] sie ebenso auf die Platten bringt, so wird es ein gar erfreuliches Heft geben.

Auch hat Herr Nauwerck in Ratzeburg ein halb Dutzend meist ausgeführte Zeichnungen zu Faust geliefert, die besonders in Betrachtung, daß sie von einem Liebhaber herrühren, bewundernswürdig sind.

Ich hoffe nun bald zu vernehmen, daß Sie den Ort glücklich verändert haben und in Stuttgart einheimisch sind. Möge Ihnen alles was Sie hoffen und erwarten erfüllt werden.

[161]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9485-D