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An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Juli 1773.]

Ihr sollt immer hören wie mirs geht lieber Kestner. Denn zum Laufe meines Lebens hoff ich immer auf euch und euer Weib die Gott seegne und ihr solche Freuden gebe als sie gut ist. Euch kanns an Beförderung nicht fehlen. Ihr seyd von der Art Menschen die auf der Erde gedeyen und wachsen, von den gerechte Leuten und die den Herren fürchten, [96] darob er dir auch hat ein tugendsam Weib gegeben des lebest du noch eins so lange.

Ich binn recht fleissig und wenns glück gut ist kriegt ihr bald wieder was, auf eine andre Manier. Ich wollt Lotte wäre nicht gleichgültig gegen mein Drama. Ich hab schon vielerley Beyfalls Kränzlein von allerley Laub und Blumen, Italienischen Blumen sogar, die ich wechselweise aufprobiret, und mich vorm Spiegel ausgelacht habe. Die Götter haben mir einen Bildhauer hergesendet, und wenn hier Arbeit findet wie wir hoffen so will ich viel vergessen. Heilige Musen reicht mir das Aurum potabile, Elixir Vitae aus euern Schaalen, ich verschmachte. Was das kostet in Wüsten Brunnen zu graben und eine Hütte zu zimmern. Und meine Papageyen die ich erzogen habe, die schwäzen mit mir, wie ich, werden kranck lassen die Flügel hängen. Heut vorm Jahr wars doch anders, ich wollt schwören in dieser Stunde vorm Jahr sass ich bey Lotten. Ich bearbeite meine Situation zum Schauspiel zum Trutz Gottes und der Menschen. Ich weis was Lotte sagen wird wenn sies zu sehn kriegt und ich weis was ich ihr antworten werde. Hört wenn ihr mir wolltet Exemplare vom Götz verkauffen, ihr thätet mir einen Gefallen und vielleicht allerley Leuten. Boje hat ihrer, schreibt ihm wieviel ihr wollt, ich habs ihm geschrieben euch abfolgen zu lassen soviel ihr wollt. Verkauft sie alsdenn für zwölf gute groschen und notirt das porto das sie [97] euch kostet. Der Verlag hört Mercken, der ist aber in Petersburg, ich schicke mich nicht zum Buchhändler, ich fürchte es bleibt hocken. Denn vielleicht kommt sonst in einem halben Jahr noch kein Exemplar zu euch. Schreibt mir doch wo ich die zweyten Stücke des Merkurs hinschaffen und wo ichs Geld herkriegen soll. Wenn verschiedne Sachen nach meinem Kopf gehen kriegt Lotte bald eine Schachtel von mir wo keine Confituren drinne sind, auch kein Putzwerk, auch keine Bücher, also-

Lassts euch wohl seyn, mich ergötzt eure Genüglichkeit und eure Aussichten. Und wenn euch was dran liegt von mir zu hören, so lasst von euch offt hören. Adieu.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1773. An Johann Christian Kestner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9667-0