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An Sulpiz Boisserée

Indem ich mich anschicke meine Reise nach Marienbad abermals anzutreten, vermelde freundlichst, daß ich zu Ende dieses Monats dort einzutreffen gedenke und mich vier Wochen daselbst aufzuhalten gesinnt bin. Da Ihnen Ihre Geschäfte schwerlich eine reise dorthin erlauben, so würde, nach meiner wahrscheinlich in der Mitte des Augusts erfolgenden Rückkehr, sogleich Meldung thun, und dann wäre es sehr schön, wenn Sie uns im Spätjahr besuchten. Es ergibt sich gar manches schon jetzt und bis dahin, worüber in Gegenwart mündlich zu verhandeln wäre. Ich kann zwar nicht voraussehn, wie es bey mir im Hause und Familie aussehn wird: ist es aber einigermaßen thunlich, so biete Haus und Tisch an.

Die Münze von Chili könnten Sie mir zunächst senden, indem ich doch in diesen drey, vier Wochen noch einige Nachricht von Ihnen hoffen darf. Wegen sonstigen Münzen lege ein kleines Blatt bey. Wenn der Händler billig verfährt, so kann ich ihm von Zeit zu Zeit einiges zuwenden.

Erhalte ich den Text zu Ihrem Domwerke vor meiner Abreise, so nehme ich ihn mit, auf gut Glück daß mir eine Darstellung Ihrer Intentionen gelingen werde. Soviel Freude mir auch die bisherigen Steindrücke [50] gemacht, so war ich doch niemals neugieriger als jetzt auf die Darstellung im Tempel.

Die Gedichte über Natur sind ziemlich beysammen, das meiste kennen Sie. Leider zerstreut man sich zu sehr und solche sybillinische Blätter entspringen nur aus der innigsten Sammlung.

Mein morphologisch-wissenschaftliches Heft wird Ihnen auch manches Erfreuliche gebracht haben; wenigstens ist alles lebendig und von Schulstaub und Moder nichts darin zu spüren.

Mein militärisches Bändchen ist wunderlich genug; doch hoffe ich, meine Freunde finden mich darin Wieder.

Daß Sie für mein persönliche Andenken fortwährend Sorge tragen, dafür danke ich zum schönsten. Wenn von einer Statue die Rede ist, würde ich mich für eine stehende erklären; die sitzenden, wenn nicht mit großem Geschmack gedacht, mit lebenswürdiger Zierlichkeit ausgeführt, behalten etwas Schweres. Auch weiß man mit einer stehenden immer eher wohin, jede nischenartige Wandvertiefung ist schon ein schickliches Gehäus.

Erhalt ich bald hierauf Antwort, so schreibe noch vor meiner Abreise. Adressiren Sie den Brief nach Weimar, wohin ich in diesen Tagen wieder abgehe.

treulichst

Jena den 1. Juni 1822.

G.


Die Münzen betreffend eröffne Folgendes: Ich habe zwar selbst keine Münzsammlung dieser Art, [51] doch Freunde, die sich daran erfreuen. Da mag ich Ihnen denn gern, wie eben dießmal der Fall ist, ihre Lücken auszufüllen beystehen; doch hab ich auch auf eine größere Münzsammlung Einfluß und thue deshalb folgende Anfrage.

Als im Jahr 1806 die deutsche Reichsconstitution aufgelös't ward, so verloren viele Mediatisirte das Münzrecht, und die stehen bleibenden Souverains mußten ihre Stempel verändern; nun wäre also die Frage, ob unser Stuttgarter Münzfreund ein Verzeichniß von beiden machen, die ohngefähren Preise hinzufügen und mir solches übersenden wollte, worauf ich denn höchst wahrscheinlich die Bestellung machen würde.

Man würde sich mit Einer von jeder Münzstätte begnügen, aber auch wohl mehrere annehmen, von welchem Metall wäre gleich, nur müßten sie von den letzte Jahren seyn.

Weimar [Jena] den 1. Juni 1822.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96D7-3