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An Christian Gottlob Schönkopf

d 1. Octb. 1768.

Ihr Diener Hr. Schönkopf, wie befinden Sie sich Madame, Guten Abend Mamsell, Petergen guten Abend.

NB. Sie müssen sich vorstellen daß ich zur kleinen Stubentühre hereinkomme. Sie Hr. Schönkopf sitzen auf dem Canapee am warmen Ofen, Madame in Ihrem Eckgen hinterm Schreibetisch, Peter liegt unterm Ofen, und wenn Käthgen auf meinem Platze am Fenster sitzt; so mag sie nur aufstehen, und dem Fremden Platz machen. Nun fange ich an zu discouriren.

Ich binn lange Aussengeblieben, nicht wahr? fünf ganze Wochen, und drüber dass ich Sie nicht gesehen, daß ich Sie nicht gesprochen habe, ein Fall der in drittehalbjahren nicht ein einzigmal passirt ist, und hinführo leider offt passiren wird. Wie ich gelebt habe, das mögten Sie gerne wissen. Eh das kann ich Ihnen wohl erzählen, mittelmäsig sehr mittelmäsig.

Apropos, daß ich nicht Abschied genommen habe werden Sie mir doch vergeben haben. In der Nachbarschafft war ich, ich war schon unten an der Türe, ich sah die Laterne brennen, und ging biß an die Treppe, aber ich hatte das Herz nicht hinaufzusteigen. Zum letztenmal, wie wäre ich wieder herunter gekommen.

Ich tuhe also jetzt was ich damals hätte tuhn sollen, ich dancke Ihnen für alle Liebe und Freundschafft, [164] die Sie mir so beständig erwiesen haben, und der ich nie vergessen werde. Ich brauche Sie nicht zu bitten Sich meiner zu erinnern, tausend Gelegenheiten werden kommen, bey denen Sie an einen Menschen gedencken müssen, der drittehalb Jahre ein Stück Ihrer Famielie ausmachte, der Ihnen wohl offt Gelegenheit zum Unwillen gab, aber doch immer ein guter Junge war, und den sie hoffentlich manchmal vermissen werden. Wenigstens ich vermisse Sie offt – Darüber will ich weggehen, denn das ist immer für mich ein trauriges Capitel. Meine Reise ging glücklich, und mittelmäsig, alles habe ich hier gesund angetroffen ausser meinen Großvater der zwar wieder an der, durch den Schlag gelähmten Seite ziemlich hergestellt ist, aber doch mit der Sprache noch nicht fortkann. Ich befinde mich so gut als ein Mensch der in Zweifel steht ob er die Lungensucht hat oder nicht, sich befinden kann; doch geht es etwas besser, ich nehme an Backen wieder zu, und da ich hier weder Mädgen noch Nahrungssorgen habe die mich plagen könnten, so hoffe ich von Tag zu Tage weiter zu kommen.

Hören Sie Mamsell hat Ihnen mein Verwalter neulich die geringen Kleinigkeiten zugestellt die ich Ihnen auf Abschlag schickte, und wie haben Sie sie aufgenommen, die übrigen Commissionen sind alle nicht vergessen, wenn sie gleich nicht alle ausgerichtet sind. Das Halstuch ist mit dem größten Gusto fertig, und wird mit ehster Gelegenheit folgen, Verlangen [165] Sie eins von inliegender Farbe, so dürfen Sie nur befehlen, und auch was für eine Farbe sie drauf haben wollen. Der Fächer ist in der Arbeit, er wird fleischfarb der Grund, mit lebendigen Blumen. Halten die Schue noch? Machen Sie mit Ihrem Schuster aus ob er sie, wenn sie recht fest gemahlt sind, so in acht nehmen will daß er sie nicht verdirbt, wenn er sie macht, und dann schicken Sie mir Ihr Schuemuster und da will ich Ihnen mahlen so viel sie wollen, und von was Farben Sie wollen, denn es geht geschwind. Was andre Dinge mehr sind wird die Zeit fügen. Schreiben Sie mir wann Sie wollen nur noch vorm ersten November, denn da schreibe ich wieder an Sie und mehr, ich weiß doch Lieber Hr. Schönkopf daß sie nicht selbst schreiben, aber treiben Sie Käthgen ein Bißgen, daß ich bald Nachricht von euch kriege. Nicht wahr Madam das wäre unbillig wenn ich nicht wenigstens alle Monate einen Brief aus dem Hause bekäme, wo ich bißher alle Tage drinne war. Und schreibt ihr mir nicht; so tuhts nichts den ersten November schreib ich wieder.

Empfelungen, an Mad. Obermann Hrn. Obermann Madslle. Obermann ganz besonders, Hrn. Reich, Hrn. Junius, ferner Madslle. Weidmann die Sie um Vergebung bitten müssen daß ich nicht Abschied genommen habe. Adieu alle zusammen. Käthgen, wenn Sie mir nicht schreiben so sollen Sie sehen.

fortgeschickt d 3ten Octbr.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1768. An Christian Gottlob Schönkopf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97E0-7