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An Charlotte von Stein

Verzeihen Sie, verehrte Freundinn, wenn ich mich einer fremden Hand bediene, um Ihnen von meinen Zuständen einige Nachricht zu geben, indem jede Art von Anstrengung mir ziemlich peinlich wird. Mein altes Übel, das mich am 26. mit besonderer Gewalt überfiel, war mir um desto verdrüßlicher, als ich mir einbildete, es wäre durch einige Vorsicht zu vermeiden gewesen. Da es Ihnen durch die Geister schon zwölf Stunden voraus angekündigt worden, so muß ich wohl glauben, daß es in den Sternen geschrieben gewesen, und mich um desto eher darein finden, als ich bey dieser Gelegenheit Ihres Antheils an meinen Zuständen aufs neue versichert werde.

Außer diesem ist mir alles gut gegangen und ich[40] muß mich trösten über die Unterbrechung und die Hindernisse, die mir dadurch verursacht worden. Ich finde mich ziemlich wieder hergestellt, und will es wagen, morgen nach Töplitz zu fahren, um Ihro Majestät der Kaiserinn und unserem Herzog aufzuwarten.

Die erste Zeit des Mai's war sehr schön, nachher ist aber das Wetter umgeschlagen und hat sich nicht wieder erholt. Die höchsten Herrschaften hatten bey ihrem hiesigen Aufenthalte nur wenige Stunden heiteren Himmels, und ihre Lustpartieen waren meist von Regen begleitet. Nur einige Mal erschienen sie zu Fuß auf den Promenaden. Ich habe aber leider nicht einmal die Herzoginn von Montebello gesprochen; ich hatte mich zwar angezogen und einige Versuche gemacht, aber mein übles Befinden hinderte mich sie durchzusetzen.

Prinz Friedrich von Gotha ist hier, und seine Gegenwart sehr freundlich und belebend. Frau von Reck ist nach ihrer hergebrachten Art wohlwollend und vermittelnd. Die Hezoginn von Curland wird auch einige Zeit hier bleiben. Frau von Reck denkt den Winter hier auszuhalten.

Soviel für dießmal. Empfehlen Sie mich unsern gnädigsten Damen auf das allerangelegentlichste. Gräfinn Fritsch befindet sich munter und wohl und hat wahrscheinlich von den hiesigen Zuständen schon manches Urtheil nach Weimar gemeldet.

[41] Erhalten Sie mir ein freundliches Andenken. Viele Grüße an alle Freunde und Freundinnen.

Carlsbad den 12. Juli 1812.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9890-2