10/2983.

An Friedrich Heinrich Jacobi

Lager bey Marienborn d. 5. Jun. 93.

Seit 10 Tagen bin ich hier und habe gleich den Ausfall der Franzen auf das Hauptquartier erlebt, der merckwürdig genug ist und von dem ich eine Relation beylege, es ließ sich noch vieles sagen das nicht gut zu schreiben ist.

Ich finde mich recht glücklich in diesem Momente hier zu seyn und Geduld und Ruhe mitten in dem unternehmenden Getümmel zu lernen. Es müßte sonderbar zu gehen, wenn Maynz sich auf die Blockade ergäbe, die eigentliche Belagerung braucht acht Wochen, wie man sagt, und da muß alles gehen wie es soll. Sobald sie angeht schreib ich dir, auch erfährst du das gleich durch die Zeitungen.

Wenn die Franzoßen hartnäckig sind stehen wir Ende Augusts noch hier.

Kein Tag oder Nacht geht ruhig vorüber. Heute vor Tages Anbruch war eine gewaltige Canonade an der Rheinspitze und bey Costheim. Man weiß noch nicht was es gegeben hat.

Das Wetter ist schön die Nächte höchst lieblich. Ich sehe die Sonne öfter als in meinem ganzen Leben aufgehen.

Der Herzog ist wohl. Er grüßt dich und wird Georgen den Regierungs Rath ertheilen. Schreibe [70] dem Herzog ein artiges Wort darüber. Das Decret will ich besorgen.

Erst war ich in einem Dorfe machte mich aber bald heraus und campire nun.

Auf dieser Seite hab ich mich umgesehen und werde nun auch zu den Sachsen und Hessen gehen. Vielleicht einige Tage nach den Bädern.

In Gedancken arbeite ich indessen an meinen Lieblings Betrachtungen. Schreibe auch manches.

In Franckfurt war ich mit Sömmering sehr vergnügt. Lebe wohl.

Wenn du mir schreibst adressire deinen Brief nur ins Lager bey Marienborn.

Grüße die deinigen und behalte mich lieb.

G. [71]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1793. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9919-4