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An Kaspar von Sternberg

Für die Mittheilung des meteorologischen Heftes danke zum allerschönsten; ich habe vergangenen Sommer, [318] auf den Dornburger freyen Höhen, täglich und stündlich den atmosphärischen Phänomenen meine Aufmerksamkeit gewidmet. Wie ich mir selbst davon im Stillen Rechenschaft gebe, läßt sich nicht sogleich folgerecht aussprechen.

Der größte Gewinn unserer meteorologischen Anstalten war mir die Anerkennung des entschieden gleichförmigen Ganges der Barometer in Bezug auf ihre Höhenstellung über dem Meere. Ebendasselbe sagt die Vergleichung aller von mir sorgfältig gesammelten auswärtigen Beobachtungen. Ich finde mich im Stande, diese Gleichförmigkeit von Dublin bis Charkow nachzuweisen, und bin davon so überzeugt, daß ich unsre Beobachter darnach controllire und Tag und Stunde zu wissen glaube, wo nicht genau beobachtet worden; deshalb mir denn auch die von den Ihrigen angegebenen Abweichungen verdächtig sind. Hiebey dient denn freylich zur freyeren Übersicht die graphische Darstellung.

Ich kann ein sehr hübsches Beyspiel anführen: ein Beobachter hatte einen unverhältnißmäßig tiefen Barometerstand als ein anderer angegeben; es fand sich bey genauerer Untersuchung, daß der erste die ganze Nacht durch beobachtet hatte, der andere nur bis 10 Uhr. Der tiefste Stand war Morgens um drey Uhr, und früh, wo der zweyte wieder zu beobachten anfing, war das Quecksilber schon wieder um ein Gutes gestiegen.

[319] Man spricht daher schon von vielen Seiten ganz richtig aus, daß eine allgemeine und nicht eine besondere Ursache zum Grunde liege, und ich setze hinzu: es ist keine äußere, sondern eine innere. Die Erde verändert ihre Anziehung, dadurch wird die Atmosphäre leichter oder schwerer, das Quecksilber steigt oder fällt von mehrerm oder minderm Drucke. Ich wiederhole dieses längst gedruckte Glaubens- und Überzeugungs-Bekenntniß, zu dem man wohl einladen, aber nicht nöthigen kann.

Die Winde stehen hierzu durchaus in Bezug, Nord und Ost gehören dem steigenden, West und Süd dem sinkenden Barometer an; jene zehren die Feuchtigkeit in der Atmosphäre schneller oder langsamer auf, diese begünstigen die Wassererzeugung, so wie den Niedergang der Gewässer. Leider überwiegt schon seit einigen Jahren das Letztere, und wir erleben grausenhafte Wasserbildungen, die wir zunächst immer noch zu befürchten haben.

Indem Vorstehendes abgesendet werden soll, erfüllt sich bey uns, und leider in einem weiten Umkreise, jene Weissagung.

Am 28. Juni war ein drohendes Wetter schon gegen 1 Uhr von Süden heraufgestiegen; es zog sich nach Westen, rückte aber sacht, doch unaufhaltsam auf uns heran; es entlud sich sodann mit heftigem Regen und Schloßen, wobey Fenster und Pflanzen übel [320] fuhren, und dauerte, nachdem es mit anhaltenden Blitzen und Donnern wohl eine Stunde fern umhergezogen, wohl noch einige Stunden immerfort, doch weniger wetterleuchtend und donnernd, den ganzen Himmel überziehend, bis gegen 7 Uhr. Die heftigsten Schläge waren nicht in der Nähe niedergegangen.

Es war, nach einigen Tagen hohen Barometerstandes und großer Hitze, das Quecksilber sehr tief gesunken; den 27. füllte sich die Atmosphäre und brach den folgenden Tag das Unheil gewaltig los. Den 29., bey gleichem Barometerstande, der Himmel gewitterhaft bedeckt und das Weitere zu erwarten.

Zu geneigter Aufnahme.

Weimar den 29. Juni 1829.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Kaspar von Sternberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9942-6