[366] 21/6022.

An Christiane von Goethe

Euren Brief vom 24ten Juli erhalte ich am siebenten Tage und will auch gleich danckbar ein Wörtchen dagegen vernehmen lassen. Eure Jubiläum hat auch meine besten Segnungen, da alles so wohl abgelaufen ist, und anständig und das Theater das seinige gethan und erworben hat. Besonders freut mich daß Capellmeister Müller eingreift, ich wäre sehr [366] glücklich wenn mir das auf künftigen Winter so viel Vergnügen machen könnte was mir sonst so viel Verdruß gemacht hat.

Ich zweifle nicht daß alter und neuer Äugelchen vollauf seyn wird dazu wünsche auch Glück. Macht euch in jener Gegend so viel Freude wie möglich; hier ists immer was wunderliches und eine Confusion die mir beynahe selbst verdrieslich wird. Mit der lieben Hausfreundinn bleibts wie ich dir schon gesagt habe, so angenehm und liebreich sie ist, so gehn wir doch nicht auseinander daß sie nicht etwas gesagt hätte was mich verdrießt. Es ist wie in der Ackerwand.

In meinem Wesen gehe ich übrigens immer so fort nach meiner Art und wenn auch nicht ieden Tag etwas gefertigt wird, so wird doch stets vorbereitet und dann gehts auf einmal. Es fehlt mir nicht an vielerley Dingen die mich interessiren.

Von August habe ich endlich auch einen ganz verständigen Brief, er scheint auch auf seine Weise vor sich hinzugehen und wenigstens immer einiges zuzulernen. Das erste halbe Jahr war es wirklich ein Verderb für ihn daß Schömann ein Gegner von Thibaut ist, den August so sehr verehrt und deshalb jenen nicht leiden konnte. Leider hats in Jena wieder Händel gesetzt mit Landsmanschaftlichen und dergleichen Verhältnissen. August hat sich aber wie mir Herr von Hendrich schreibt aus allem entfernt gehalten. Es ist sehr gut daß er das Zeug in Heidelberg [367] durchgearbeitet hat. Vielleicht haben dir Schmidt und Bülow das Nähere erzält.

Ich mache ihm einige Kleinigkeiten zusammen und schicke sie ihm nächstens mit Gelegenheit. Sonst habe ich nichts weiter angeschafft. Das Steigen und Fallen des Papiergeldes und das Steigen aller Preise macht einen so konfus daß man nicht weis ob etwas wolfeil oder theuer ist. Steck- und Nähnadeln habe noch genommen. Übrigens habe ich keinen hübscheren Schawl gesehen, unter denen die nicht ächt sind, als der den ich dir schickte.

Zelters Gegenwart hat mich sehr glücklich gemacht wahrscheinlich finde ich ihn noch in Töplitz. Ich wäre schon dorthin abgegangen, wenn ich sicher wäre Quartier zu finden. Carlsbad leert sich schon, aber Franzenbrunn und Töplitz füllen sich.

Geh. Rath Wolf ist auch noch hier, aber ich sehe ihn wenig. Spazierfahrten, Gastereyen, hübsche Frauen ziehen ihn an und da hat er gar nicht unrecht.

Die überschickte Silhouette physiognomisch genommen sieht aus wie ein Frauenzimmerchen das sein eigen Köpfchen hat. Ich dancke schönstens fürs Andencken.

Grüße Herrn Genast aufs beste, nicht weniger Herrn Müller. Suche wenigstens mit Wolf in einem guten Verhältniß zu bleiben wenn es auch mit ihr nicht geht. Lorzings grüße, auch Denys. Ich habe gegen sie alle den besten Willen. Was sich zu Michael [368] thun und machen läßt wollen wir sehen. Es ist mir von großem Werth daß du wieder in Lauchstedt warst. Denn gewöhnlich kochen sie im Sommer einen garstigen Hexenbrei den ich im Winter schmackhaft machen soll.

Lebet recht wohl und vergnügt. Von nun anschreibe ich nach Weimar. Besonders gleich wenn ich in Töplitz ankomme. Lebet wohl!

Carlsbad d. 1. Aug. 1810.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B23-B