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An Carl Friedrich Zelter

Ein Wundersames, wie es die Zeit bringt, will ich doch auch zu Unterhaltung und Betrachtung mittheilen. Euer Friedrich, den man wohl mit Recht groß genannt hat, war nun einmal ein recht eingefleischter König und forderte: daß alles was die weite Erde hervorbringt, auch in seinem Reiche gefunden werden solle. Es ist bekannt, daß hiernach die brodessenden Menschen, durch patriotische Mühlsteine bedient, lange Zeit eine gute Portion Thon- und Kieselerde mit einschlucken mußte.

Lassen wir das und wenden uns dahin, wovon ich eigentlich reden will: Der König quälte sein Bergdepartament auf's peinlichste, man solle ihm Steinsalz in seinen Landen verschaffen; da es doch dort hinten in Polen, und sonst an manchen Erdpuncten gefunden werde, so seh keine Ursache abzusehen, warum es nicht auch in Preußen angetroffen werden könne.

Ich habe mehrere Jahresberichte des Bergdepartaments gelesen, an deren Schluß der redliche Graf Heinitz, mit möglichster Bescheidenheit, versicherte: man habe sich pflichtmäßig die größte Mühe gegeben, Steinsalz in Ihro Majestät Landen aufzufinden, sey aber noch nicht so glücklich gewesen zum Ziel zu gelangen; man werde jedoch auf das eifrigste weiterhin[148] Untersuchung und Nachforschung fortsetzen. Diese Frage wurde mehrere Jahre herkömmlich wiederholt. Unter den Geognosten jener Zeit ward vieles hin und wieder verhandelt; Salzquellen zeigten sich manche, auf Steinsalzmassen hoffte niemand.

Nun aber meldet mir Salinendirector Gleck, er habe in der Nacht vom 22. bis 23. October, in einer Teufe eines Bohrlochs von 1170 Fuß und zwar in ganz reiner Gestalt, den Bruchstücken nach als theils körniges, theils blättriges Krystallsalz angetroffen. Er dachte noch 20 Fuß in dieser soliden Masse niederzugehen und alsdann das Weitere zu verfügen. Der Ort heißt Stotternheim und liegt hinter dem Ettersberge in einer großen Fläche. Des genannten Berges erinnerst du dich auch wohl freundlichst.

Mehr sage ich nicht, aber es ist doch wunderlich, daß eine majestätische Wünschelruthe das voraus befehlen konnte, was nach so vielen Jahren in größter Teufe sich erprobt. Zwar hat Preußen jetzt nicht nöthig sich nach Salz in solcher Tiefe zu bemühen, allein es geht doch daraus hervor, daß im Königreiche gewiß dergleichen zu erbohren seyn würde. Wir wollen also hier ehrenvoll der Fortschritte gedenken, Kenntniß und Technik seit funfzig Jahren dergestalt gesteigert zu sehen, daß Einer kühn genug ist, bey 1200 Fuß in die Erde hineinzubohren, vorauswissend und sagend was da gefunden werden müsse. Das ist viel, aber nicht genug; nun muß auch dieser Schatz[149] gehoben und als eins der nothwendigsten Bedürfnisse der Menschen und des Viehes zum allgemeinen Gebrauch heraufgefördert werden. Dazu sind denn auch die großen Mittel zu Handen, die wir der Physik, der Mechanik und Chemie verdanken.

Hast du früher einige Aufmerksamkeit gegönnt dem mitgetheilten und in dem Leipziger Musenalmanach abgedruckten Gedichte, so wirst du dir gefallen lassen, daß ich hierüber so weitläufig geworden. Die damals überreichte Sole war aus einer höheren, schwächer begabten Region. In früheren Zeiten begnügte man sich mit einer solchen, die wenig anwarf, die man aber zu verlieren fürchtete, wenn man tiefer ging. Die neuere Zeit gab Einsicht und Muth, und so erleben wir was Friedrich der Herrliche wünschte und befahl.

Nimm Vorstehendes freundlich auf; es interessirte mich gerade an einem stillen Abend, wo sich die Luft, solches mitzutheilen gegen dich hinwendete.

Soviel für dießmal, das nächste Schreiben wird vielleicht mannichfaltiger.

Also sey und bleib es

Weimar den 13. November 1829.

G. [150]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B32-B