1768

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An Ernst Wolfgang Behrisch

Leipzig d. Merz 1768.

Wenn dir an einem Briefe von mir etwas gelegen war, so tahtest du wohl zu schreiben, denn du hättest gewiss lange warten sollen. Doch du hast lange gewartet; aber Kind, weisst du denn warum? Ein schönes Compliment vom Docktor deinem Bruder und vom Prinzen dem kleinen. Nicht wahr das hättest du nie vermuhtet, ich binn in Dreßden gewesen, auf zwölf Tage, die Gallerie zu sehen, die habe ich gesehen, was man gesehen heisst. Deine Brüder sind wohl, und haben mich wohl bewirthet. Dresden ist ein Ort, der herrlich ist, und wenn mirs erlaubt wäre ein kleines Supplement daran zufügen, so wünschte ich mich nie heraus.

Viel Mühe und Jammer kostete es mich Augusten auszufragen, und nach vieler Mühe erfuhr ich daß sie fort war, das war dumm.

Könnte man nicht erfahren wer das alberne Heurahtsprojekt ausgedacht hat, und was das für ein jämmerlicher Ton ist in dem du mit Augusten stehst.

Was macht Annette? Ey, ey! Giebts eine Annette in der Welt? Weisst du's auch noch? ich dächte du hättest es längst vergessen, wenigstens hast du in 3 guten Monaten nichts nach ihr gefragt, und ich binn auch so höflich gewesen dir nichts von ihr zu schreiben.

[156] Gut wenn du es wissen willst wie es mit uns steht, so wisse. Wir lieben einander mehr als jemals ob wir einander gleich seltner sehen. Ich habe den Sieg über mich erhalten sie nicht zu sehen, und nun dacht ich gewonnen zu haben, aber ich bin elender als vorher, ich fühle daß die Liebe sich selbst in der Abwesenheit erhalten wird. Ich kann leben ohne sie zu sehen, nie, ohne sie zu lieben. Allen Verdruß den wir zusammen haben mache ich. Sie ist ein Engel, und ich binn ein Narr.

Höre Behrisch, ich kann ich will das Mädgen nie verlassen, und doch muss ich fort, doch will ich fort; Aber sie soll nicht unglücklich seyn. Wenn sie meiner wehrt bleibt, wie sie's jetzt ist! Behrisch! Sie soll glücklich seyn. Und doch werd' ich so grausam seyn, und ihr alle Hoffnung benehmen. Das muss ich. Denn wer einem Mädgen Hoffnung macht, der verspricht. Kann sie einen rechtschaffnen Mann kriegen, kann sie ohne mich glücklich leben, wie fröhlich will ich seyn. Ich weiß was ich ihr schuldig binn, meine Hand undmein Vermögen gehört ihr, sie soll alles haben was ich ihr geben kann. Fluch sey auf dem, der sich versorgt eh das Mädgen versorgt ist, das er elend gemacht hat. Sie soll nie die Schmerzen fühlen, mich in den Armen einer andern zu sehen, biß ich die Schmerzen gefühlt habe, sie in den Armen eines andern zusehen, und vielleicht will ich sie auch da mit dieser schröcklichen Empfindung verschonen. Es ist sehr verworren [157] was ich geschrieben habe, aber du magst dich heraus dencken. Du kennst mich.

Schicke mir doch mein Büchlein Annette mit der nächsten Post. Du brauchst es doch nicht, und ich habe wieder an den Gedichten geändert und neue gemacht. Streiche in dem Gedichte Der wahre Genuß das strittige Wort aus, und setze Freund dafür.

Mein Schäferspiel hat schröckliche Correckturen gelitten, und ist seiner Endigung nah. Du sollsts auch haben. Wenn du geschickt bist sollst du bald wieder einen Brief kriegen. Adieu.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1768. An Ernst Wolfgang Behrisch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B3E-4