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An Friedrich von Gentz

Ew. Hochwohlgeboren

erlauben daß ich gegenwärtigen Brief durch eine psychische Bemerkung einleite.

[60] In meinem langen Leben ist es mir öfter begegnet, daß wenn ich von fernen Orten her etwas Bedeutendes erwartete, ich die Sehnsucht darnach, in Betracht der Weite und Verhältnisse, mit Verstand zu beruhigen wußte, nicht weniger gelang es mir eine bey fortdaurendem Außenbleiben sich meldende Ungeduld durch Vernunft zu beschwichtigen; endlich aber traf es gewöhnlich ein daß, wenn die Sorge deshalb sich zu einem hypochondrischen Mißbehagen steigerte und ich verleitet war durch eigene Schritte, Nachfrage oder sonstiges Benehmen selbst einzuwirken, die Erfüllung ganz nah und das Gehoffte wirklich schon unterwegs war.

Diese mehrmals wiederholte, fast bis zum Ahnungsglauben gereiste, mit andern getheilte Erfahrung bewährt sich mir auch im gegenwärtigen Falle, da ich, im Wechsel meines an Ew. Hochwohlgeboren gerichteten Schreibens, den verehrlichsten Erlaß von Ihro des Herrn Fürsten v. Metternich Durchlaucht zu er halten das Glück habe. Die mir daraus erwachsende Beschämung übertrage jedoch gern, weil sie das Gefühl der Gabe nur erhöht, welche großartig und der Majestät würdig in wenigen Worten alles ausspricht, und den größten Umfang der Huld mir zu Gunsten wohlthätig zusammen faßt.

Wenn ich nun aber auch Höchst Ihro Fürstlichen Durchlaucht meinen schuldigen Dank vorzulegen nicht ermangele, so möchte doch kaum schicklich seyn, vor [61] Höchstdenenselben die Gefühle lebhaft auszudrücken, die ein Hausvater empfinden muß, wenn er eine bedeutende verwickelte Angelegenheit auf einmal entwirrt und das Schicksal der Seinigen dadurch für die Zukunft gesichert sieht.

Wäre dergleichen Ereigniß zu jeder Lebenszeit höchsten Dankes werth, so steigert sich die Anerkennung mit den Jahren, wo die Kraft abnimmt da wo sie am meisten gefordert wird, und man diejenigen sich selbst überlassen muß denen man mit Rath und That fortwährend so gern an Hand ginge.

Diese Betrachtungen sämmtlich rufen mir die schönen Zeiten zurück wo wir uns so gern in hochgebildeter Gesellschaft über die Angelegenheiten des Herzens und Geistes unterhielten, und so verleitet mich denn auch diese Stimmung ein Blättchen beyzulegen welches als treuen und frohen Festklang nächstvergangener Tage nicht zu verschmähen bitte.

Verzeihung der fremden Hand, die meinige fördert nicht mehr. Mit vorzüglichster Hochachtung, dankbarem Vertrauen unwandelbar

Ew. Hochwohlgeb.

ganz gehorsamster Diener

Weimar, d. 16. Septbr. 1825.

J. W. v. Goethe. [62]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Friedrich von Gentz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9C25-1