[235] 17/5009.
An Friedrich Schiller
[14. Januar.]
Ich wünsche Glück zu dem guten Gebrauch dieser gefährlichen Zeit. Die drey Ackten habe ich mit vielem Antheil gelesen. Das Stück exponirt sich kurz und gut und die gehetzte Leidenschaft giebt ihm Leben. Ich habe die beste Hoffnung davon. Dazu kommt, daß einige Hauptstellen, sobald man die Motive zugiebt, von vortrefflicher Wirkung seyn müssen. In diesen ist auch die Diction gut gerathen. Übrigens[235] hatte ich angefangen hie und da einige Veränderungen einzuschreiben. Sie beziehen sich aber nur auf den mehrmals vorkommenden Fall, daß ein Hiatus entsteht, oder zwey kurze (unbedeutende) Silben statt einem Jambus stehen; beyde Fälle machen den ohnehin kurzen Vers noch kürzer, und ich habe bey den Vorstellungen bemerkt, daß der Schauspieler bey solchen Stellen, besonders wenn sie pathetisch sind, gleichsam zusammenknickt und aus der Fassung kommt. Es wird Sie wenig Mühe kosten solche Stellen nachzuhelfen. Haben Sie übrigens die Güte, das Ausschreiben der Rollen möglichst zu beschleunigen; denn das Stück will doch gelernt und geübt seyn.
Das Leben des Marmontel schicke ich mit Vergnügen, es wird Sie einige Tage sehr angenehm unterhalten. Sie werden darin ein paarmal auf den Finanzmann Bouret stoßen, der uns durch Rameau's Vetter interessant geworden. Haben Sie doch die Güte mir nur die Pagina zu bemerken, ich kann die wenigen Züge sehr gut für meine Noten benutzen.
Wenn unsre junge Fürstin an dem was wir mittheilen können, Freude hat, so sind alle unsre Wünsche erfüllt. Unser einer kann ohnehin nur immer mit dem Apostel sagen: Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, gebe ich im Nahmen des Herrn. Denken Sie doch auch darüber, was man ihr allenfalls bey solchen Gelegenheiten vortragen kann. Es müssen kurze Sachen seyn, doch von aller Art [236] und Weise, und mir fällt gewöhnlich das nächste nicht ein.
Leben Sie recht wohl und gedenken Sie mein. Sobald ich wieder wagen darf auszugehn, besuche ich Sie einen Abend. Ich habe vor Langerweile allerley gelesen, z.B. den Amadis von Gallien. Es ist doch eine Schande, daß man so alt wird, ohne ein so vorzügliches Werk anders als aus dem Munde der Parodisten gekannt zu haben.
G.