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An Anna Luise Karsch

Ich gedenk an meine Sünde! Liebe Frau, in dem Gewürge des Lebens vergess' ich Alles. Zwar doch nur zu schreiben; denn eh' Ihr letzter Brief kam, dachte ich, ich hätt' Ihnen und Ihrer Tochter geantwortet. So manchmal hatt ich im Stillen mit Ihnen gesprochen, auf irgend einer Wandrung, und dachte: wenn ich nach Hause komme, schreibst du, und schrieb nicht. Meine Lage hier ist die glücklichste, die eine menschliche Einbildung sich kaum zu wünschen wagt, dafür hat ich aber nun auch freilich alle Zulagen zu genießen, die das Schicksal an seine Gaben anzuhäckeln pflegt. Bleiben Sie mir lieb! Schicken Sie mir [104] oft was. Machen Sie mir einmal einen Pack Impromtüs zusammen, die Sie nicht mehr achten. Und gehn Sie doch einmal zu Chodewiecki, und räumen Sie bei ihm auf, was so von alten Abdrücken seiner Sachen herumfährt. Schicken Sie mir's, und stehlen ihm etwa eine Zeichnung. Es wird mir wohl, wenn ich ihn nennen höre, oder ein Schnizzel Papier finde, wo er das Zeichen seines lebhaften Daseins drauf gestempelt hat.

Weimar, den 11. September 1776.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1776. An Anna Luise Karsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D32-C