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An Bernhard Anselm Weber

[Concept.]

Ew. Wohlgeb. Schreiben vom 13. December hat mir sehr viel Vergnügen gemacht, weil ich daraus ersehe, daß Sie nicht ermüden Ihr großes und liebenswürdiges Talent einer Arbeit zu widmen, die wir, unter so schönen Vorbedeutungen, gemeinsam begonnen und fortgeführt haben. Ich zweifle nicht im mindesten, daß die Muße, die Ihnen durch den Aufschub geworden, dem Werke sehr vortheilhaft seyn werde und ich freue mich schon zum voraus, sowohl auf's Ganze, als auf die Stellen, deren so genialische als sorgfältige Behandlung Sie mir andeuten. Was die Arie der Demoiselle Schmalz betrifft, so füge ich die Veränderung bey, so wie allenfalls das Chor eintreten könnte. Ich glaube, daß sowohl zur Wiederholung der einzelnen Sätze nunmehr die Gelegenheit gegeben ist, wie ich denn kaum zu bemerken brauche daß das Chor mit den Worten

O beharret!
Nähret, Nähret!
ohne die ganzen Zeilen zu wiederholen, eintreten und die Solostimme tragen kann.

Die Arie direct an den König zu richten halte ich nicht für räthlich, weil es ohne sie schon etwas Schmerzliches ist sich an solche Vergangenheit erinnern zu lassen, wenn es auch nur indirect und im Bilde [105] geschieht. Zugleich bemerke, daß Herr Director Iffland mich ausdrücklich vor einer solchen Anrede an den König gewarnt hat. Übrigens glaube ich, daß demungeachtet die Arie heroisch und prächtig behandelt werden könne, indem es ja nur von Ew. Wohlgeb. abhängt die schmerzlichen und gleichsam niederdrückenden Stellen mit Kraft und Indignation zu behandeln. Dergleichen Umsetzungen des Charakters, wo der Componist gleichsam dem Dichter zuwider arbeitet, thun oft die größte Wirkung. Das Schluß-Chor sende sobald möglich, es soll auf die mir mitgetheilte Melodie genau passen.

So kann ich denn auch zuletzt nicht verschweigen daß ich das Sujet einer großen Oper, welches ich schon lange mit mir herumtrage, diesen Sommer schematisirt und dergestalt disponirt habe, daß es nur einer Berathung mit Ew. Wohlgeb. bedarf um ungesäumt an die Ausführung zu gehen. Wie sehr wünsche ich persönlich das Gelingen unserer gemeinsamen Arbeit in Berlin zu erleben und alsdann zugleich das gedachte neue Unternehmen anzuschließen.

Das Erwachen des Epimenides kann man am füglichsten ein Festspiel nennen, indem es das erste Mal zu einem bedeutenden Feste gegeben wird, und, wenn es Gunst erlangt, nur an den Festtagen wiederholt werden kann. Die Meinigen grüßen sämmtlich und erinnern sich noch mit Vergnügen der angenehmen Augenblicke Ihres Berkaischen und hiesigen [106] Aufenthalts. Möge das Frühjahr etwas Ähnliches bringen!

Weimar d. 21. Dec. 1814.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Bernhard Anselm Weber. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9DE1-F