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An Franz Kirms

Wie Ew. Wohlgeboren selbst einsehen und sagen, so läßt sich in dieser Sache nichts Durchgreifendes rathen noch anordnen. Ich habe aber doch in beykommendem Blatt etwas aufgesetzt, das den Wöchnern bey ihrem Betragen zu einiger Leitung dienen kann. Ich habe es in der dritten Person abgefaßt und nicht unterschrieben. Doch ist ihnen durchaus nochmals zu empfehlen, daß sie es Niemanden sehen lassen.

Weiter weiß ich nichts zu sagen, als daß es mir die Zeit über ganz leidlich gegangen ist, und daß ich meiner Abreise Sonntag früh mit guter Hoffnung entgegensehe. Sonnabends mit dem Boten könnten Sie mir noch allenfalls etwas schicken.

Der ich von Herzen recht wohl zu leben wünsche.

Jena den 25. Junius 1806.

G.


In der Angelegenheit, worüber nachgefragt wird, ist es schwer, einen bestimmten Rath zu geben. Alles kommt auf die Umstände und auf den Augenblick an, wobey der Klugheit der Herren Wöchner die Hauptsache überlassen bleibt.

Anfangs könnten sie allenfalls erklären, daß sie beym Abschiede von Fürstl. Commission ausdrücklichen Auftrag erhalten, das Spielen von Gastrollen durchaus abzulehnen, weil in diesem Jahr die Gesellschaft vollständig und das Repertorium complet sey; welches [144] voriges Jahr nicht der Fall gewesen. Dießmal könne die Gesellschaft aus und durch selbst das Publicum contentiren. Sie seyen ja selbst in Lauchstädt Gäste und wünschten sich nicht aus ihren Rollen durch andre Gäste verdrängen zu lassen. In einer Stadt, wo man eine Gesellschaft das ganze Jahr, oder wenigstens den größten Theil über, sähe, sey es ganz was anders, indem man alsdann zur Abwechselung allenfalls eine Gastrolle gestatte. Doch lehne man auch in Weimar sie gewöhnlich ab u.s.w.

Sollten aber dergleichen Vorstellungen nichts fruchten, und das aufgeregte Publicum mit einigem Ungestüm die Erscheinung der Madame Unzelmann verlangen, so können die Herren Wöchner ihre Rolle fortspielen und mit Höflichkeit sagen, daß man freylich an eine Ankunft der Madame Unzelmann nicht denken können, und sie deshalb unter den vorkommenden Umständen wohl die Verantwortung auf sich nehmen müßten; so seyen sie doch nicht im Stande, ein höheres Honorar als 20 Thaler für die Vorstellung zu bewilligen. Eine Benefizvorstellung werde niemals wieder zugestanden werden.

Dabey können jene Anfangs angeführten Argumente immer wiederholt werden. Man kann sich auf den completten Zustand der Gesellschaft und das wohlversehene Repertorium immer wieder berufen.

Gegenwärtiges Blatt wird secretirt und kommt nicht aus den Händen der Herren Wöchner, um so[145] mehr, als sie die Abwesenheit des Herrn Geheimerath von Goethe als ein Hauptargument ihrer Weigerung zu brauchen haben.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1806. An Franz Kirms. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E3F-A