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An J. von Weyhrother

[Concept.]

[Carlsbad 22. Juni.]

Ganz gehorsamstes Promemoria.

Gestern, als am 21. dieses, fuhr ich mit den Meinigen nach Schlackenwalde. Es waren unser vier, wir kehrten zum rothen Ochse ein, und genossen, nachdem wir die Werke besehen, noch dessen Werth allzusehr herabsetzen will. Genug, man that ihm sehr viel Ehre an, wenn man den Preis desselben dem der Picknicks auf dem Posthofe gleichstellen und die Person auf 9 bis 10. Gulden anschlagen mochte. Der Wirth jedoch verlangte 66 Gilden und für den Kutscher 10 Gulden, zusammen also 76 Gulden. Ich verweigerte die Zahlung und äußerte, daß ich diesen Vorfall des Herrn Kreishauptmanns Hochwohlgebornen anzeigen würde; welches hierdurch, mit Beylage der 76 Gulden, gehorsamst bewirkt wird. Es ist hierbey zu bemerken; daß nichts als das bloße Mittagessen und weder Frühstück, noch Wein, noch Caffee genossen worden. Der Kutscher erhielt für sich geringe Kost und hatte seinen Hafer bey sich.

Unterzeichneter bittet um Vergebung, wenn er mit dieser anscheinenden Kleinigkeit beschwerlich fällt. Aber es ist in diesen Tagen schon öfters zur Sprache gekommen, daß Gesellschaften, welche durch die schönen [110] Wege, die herrlichen Naturgegenstände und das gute Wetter auswärts gelockt worden, mit Verdruß über ganz unerwartete Zechen nach Hause gekehrt, und ihre gehoffte und genossene Freude vergällt worden.

Eine hohe Behörde wird auch ohne mein Mitwirken einem solchen immer mehr um sich greifenden Übel abzuhelfen wissen. Doch füge ich einen mir ausführbar scheinenden Vorschlag hier bey, in keiner andern Ansicht, als um zu zeigen, wie sehr ich wünsche, daß Carlsbad, dem ich so viel schuldig bin, bey seinem bisherigen guten Ruf von billiger Behandlung erhalten werde.


[Beilage.]

Unmaßgeblicher Vorschlag.


Das bisher in Deutschland übliche Zutrauen, daß man in einen Gasthof eingekehrt, Bewirthung verlangt und dem Wirth überläßt zuletzt die Rechnung zu machen, kann bey der gegenwärtigen Crise, bey dem Schwanken des Papiergeldes in hiesigen Gegenden wohl kaum mehr statt finden. Vom Wirthe ist nicht zu verlangen, daß er die alten Preise halte, und nicht von den Gästen, daß sie sich exorbitante neue sollen gefallen lassen.

Zu Italien, wo die Menschen einander zu trauen weniger geneigt sind, ist es durchaus hergebracht, daß man nichts in einem Gasthofe genießt, bis man seine Bedingungen gemacht hat, und es hängt von dem [111] Reisenden ab, wohlfeiler oder theurer zu leben, und man macht sich jeden Tag seine Zeche selbst.

Ist es ja auch in Carlsbad herkömmlich, daß man sein Quartier accordirt, ehe man es bezieht. Der Speisewirth schickt seine Zettel mit den Preisen, und bey Picknicks bestimmt man gleichfalls wie viel die Person zu zahlen habe, und die Gesellschaft wird darnach bewirthet. Bey allem Kauf und Verkauf findet Bieten und Wiederbieten statt. Warum sollte man sich nicht in gleichen Fall mit den Wirthen auf dem Lande und in kleinen Städten setzten können.

Mein unmaßgeblicher Vorschlag wäre daher dieser: Eine Hohe Behörde legte solchen Gastgebern in der Nachbarschaft die Verpflichtung auf, mit Personen welche entweder vorher Bestellung machen, oder welche geradezu anfahren, einen bestimmten Accord zu treffen über den Preis dessen, was man von ihnen verlange, es sey nun an Frühstück, Mittagessen, Wein, Caffee und dergleichen. Oder auch, wenn Gäste, wie hier öfters zu geschehen pflegt, etwas mitbringen, für das Absteige-Zimmer, allenfalls den Gebrauch der Küche und sonstiges. Den Gästen würde dieses bekannt gemacht, und jeder würde sich gerne darnach richten, weil die Sache sehr einfach ist. Eine hohe Behörde hätte hierdurch auch keine weitre Beschwerde, weil das Verhältniß auf einem Vertrag beruht, wo denn jedermann sich selbst vorsehen mag. Taxen haben überhaupt etwas mißliches, und sind in dem gegenwärtigen Augenblicke kaum [112] Denkbar. Auch wäre die Sache nicht neu und unerhört, sondern es erstreckte sich nur, was schon in Carlsbad gebräuchlich ist, auch über die Gegend.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An J. von Weyhrother. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E72-1