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An Carl Friedrich Zelter

Hier kommt die Zeichnung des Wappens, welches freylich von einem geistreichen, in dieser Art geübten Künstler ausgeführt werden müßte. Wenn du die[112] Zeichnung deinem Petschaft gegenüber hältst, so wirst du den Unterschied bemerken, und ein Lüftchen des 16. Jahrhunderts sollte dich anwehen. Die Hauptsache ist, daß die strenge Symmetrie ersetzt werde. Man sieht zarte Linien durch den Mittelpunct gezogen und sich im rechten Winkel kreuzend. Nun bemerke: Helm, Lyra, Stern, alles ist gegen die rechte Seite gerückt, die Helmdecke, nach echter alter Art angebracht, zieht das Auge durch eine stärkere Masse gegen die linke; der eigentliche Mittelpunct ist ganz leer, wodurch das Auge von einer strengen Vergleichung der beiden Seiten entbunden ist. Das Pferd ist etwas zu lang; der Thurm mag angehen; das Ordenskreuz steht rein auf der Mittellinie und nöthigt das Auge in's Bleygewicht.

Die Flügel konnten etwas mehr zusammengerückt werden, die Leyer schmäler seyn und eine bessere Form haben, auch begnügte man sich, dächte ich, mit drey Saiten, mit denen mein Zeichner zu freygebig war. Das Motto nach Belieben.

Seh ich die Zeichnung recht scharf mit plastischer Intention an und lasse die Linien biegsam und lebendig seyn, so seh ich wohl, wie mit wenigem Rücken und Biegen das Ganze seine wahre Stimmung erhalten könnte; aber weder ich, noch mein Zeichner haben Zeit, es nochmals durchzuarbeiten, und am Ende kommt doch darauf alles an, inwiefern der dortige Künstler in den Gedanken eingeht; denn er ist es doch [113] zuletzt, von dem die gefällige Harmonie der Composition abhängt. Sollte sie Angelica Facius unternehmen, so wär es hübsch, wenn sie es in derselben Größe in Wachs modellirte, man sähe, wie sie sich's nach ihrem Sinne zugerichtet hat, und so könnte durch guten Rath und Nachgiebigkeit immer noch etwas Erfreuliches zu Stande kommen.

Ihrem Vater wird sie durch Trauern und Säumen nichts helfen; er hat sich thöriger Weise durch Selbstcuriren einen Schaden am Fuße zugezogen, ist unglücklicher Weise in der seltsamsten Hypochondrie befangen. Ein altes Künstlerübel. das den jetzigen Zustand gar sehr verschlimmert. Seinem Hauswesen haben Wohldenkende nachzuhelfen gesucht; er ist, wie ich höre, auf der Besserung, womit denn das Gegenwärtige beschlossen seyn möge. Daß die Medaille gelinge, ist mein eifrigster Wunsch; das Medaillenwesen ist nach und nach so trivial geworden, daß man sich gar nicht mehr gesteht, wie löblich und wichtig dergleichen immer gewesen sey und bleibe. Freylich ist der große plastische Ernst, womit man diese Angelegenheit in früherer Zeit behandelt, so gut wie verschwunden; indessen die Technik immer an Fertigkeit zunimmt. Mein Sohn schickte mir, von Mailand aus, wohl hundert Stück aus dem 15. und 16. Jahrhundert, worunter sich erstaunenswerthe Dinge befinden. Und somit Gruß und Segen, wie er sich in die Ferne zum treusten und besten überliefern läßt.

[114] Laß dich Vorstehendes nicht verdrießen, wenn es auch hie und da abstrus aussehen sollte. Denke dir, daß hier etwas Fugenartiges für die Augen geleistet werden soll, das, wenn es recht gelänge, in größter Regelmäßigkeit regellos erschiene und durch alle Verwirrung etwas Anmuthiges durchblicken ließe. Übereile die Sache nicht, aber laß sie nicht stocken und denke dabey, daß eine Medaille länger aushält, als man denken mag. In einer abgelegenen Wald- und Thalkneipe in Thüringen fand sich ein Pfennig auf'm Tische, den der Bettler nicht möchte; es war indessen eine Münze von Licinius, dem Schwager Constantin des Großen, eine Weile sein Mitregent, dann ein Opfer seiner Politik.

und also aber und aber mal

Weimar den 4. Februar 1831.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9EF5-E