1815, 5. October.
Mit Boisserée,
Jungs lassen noch zum Abend einladen, als wir eben fort wollen. Wir freuen uns im Wagen zu sein und zu rekapituliren. Rühmen die Muschelsammlung und die ganz neue Anschauung, und lachen mitunter auch. Dann wachen bei Goethe alte Erinnerungen auf; gerade vor vierzig Jahren ließ ihn der Herzog von Heidelberg nach Frankfurt durch Stafette holen. Wenn er jetzt gerade vom Minister Stein zurück in Frankfurt wäre, und es ihm einfiele, wäre er im Stande, es zu wiederholen, da er ohnehin verlangt, Goethe solle nach Frankfurt kommen. Vor Tisch schon rühmte er, daß er wohl gethan nach Köln zu gehen, sich von dem Herzog influenziren zu lassen. Er lasse sich ohnehin leicht bestimmen, und vom Herzog gern; denn der bestimme ihn immer zu etwas Gutem und Glücklichem, aber einige Personen seien, die einen ganz unheilbringenden Einfluß auf ihn hätten. Lange habe er es nicht gemerkt; immer, wenn sie ihm erschienen, sei ihm auch ganz unabhängig von ihnen irgend etwas Trauriges oder Unglückliches begegnet. Alle entschiedenen Naturen seien ihm Glück bringend, so auch Napoleon. Ich drang näher in ihn, ob dergleichen Unglücksboten etwa in der Nähe waren? Nein, sagte er, aber, wenn es einmal der Fall sein würde, verspreche er mir's zu [253] sagen. Ich spreche vom Aberglauben; wie man sich bei aller Anerkennung des Geheimnißvollen im Leben davor zu hüten habe. Und er war einig, daß man nur so viel darauf geben müsse, um Ehrfurcht vor der uns umgebenden geheimnißvollen Macht in allem zu haben und zu behalten, welches eine Hauptgrundlage wahrer Weisheit sei.
Unterwegs kamen wir dann auf die »Wahlverwandtschaften« zu sprechen. Er legte Gewicht darauf, wie rasch und unaufhaltsam er die Katastrophe herbeigeführt. Die Sterne waren aufgegangen; er sprach von seinem Verhältniß zur Ottilie, wie er sie lieb gehabt, und wie sie ihn unglücklich gemacht. Er wurde zuletzt fast räthselhaft ahndungsvoll in seinen Reden.
Dazwischen sagte er dann wohl einen heitern Vers. So kamen wir müde, gereizt, halb ahndungsvoll, halb schläfrig, im schönsten Sternenlicht, bei scharfer Kälte nach Heidelberg.
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