1821, 6. September.


Mit Joseph Sebastian Grüner

Goethe war mit meinem Vorschlage einverstanden, jenseits des Flußes im Egerthale bis zum Jägerhaus, Siechenhaus genannt, zu gehen, um dort eine angenehme Aussicht zu gewinnen. Ich hatte die Vorkehrung getroffen, daß ein mit bequemen Sitzen versehenes Schiff uns am Fluße dort erwarte. Goethe war von der äußerst schönen Aussicht angenehm überrascht. Um sich in der ganzen Umgegend zu orientiren, mußte ich ihm über die entferntesten Ortschaften, die sein Blick erreichen konnte, Aufschluß geben.

Er war äußerst vergnügt und aufgeheitert. Im Herabsteigen vom Berge zum Fluße sagte ich, daß diese Gegend für mich um so mehr Reiz habe, als sie mich an meine Kinder- und Schuljahre erinnere. Im Sommer wurde hier an Recreationstagen gewöhnlich gebadet. Am jenseitigen Ufer hatten wir Stufen angebracht, um von da in das Wasser zu springen. Dort, bei dem vierten Strauch habe ich einen untersinkenden Schüler glücklich noch bei den Haaren erwischt und herausgezogen. Bloß ein schmaler Streif ist tief, herwärts ist das Wasser seicht und der Boden sandig; hätte der Fluß eine gleich breite Tiefe gehabt, so hätte er mich mit hinabgezogen.

Beim Einsteigen in das Schiff sagte Goethe; »Das[127] haben Sie gut gemacht, Sie sollen gelobt werden; man ruht dabei aus und kann die Gegend bei der langsamen Fahrt von beiden Seiten beobachten.«

Der Abend war unvergleichlich schön. Ich überließ den großen Dichter seinen Betrachtungen. Beim Aussteigen bei der Stadt, als ich ihn so heiter fand, sagte ich: Horaz hat wohl unrecht gehabt, als er über den Erfinder der Schifffahrt loszog.

Goethe antwortete: »Er hat nur das Meer gemeint, dem er sich anvertraut hat; mit uns wäre er schon ruhig gefahren.«

Als dann die Rede auf den wunderthätigen Fürsten Hohenlohe und auf die Erklärung des Stadtmagistrates von Bamberg gegen denselben kam, äußerte Goethe:

»Bei einem nervenschwachen Menschen kann ein derlei fester Glaube zu einer frommen und moralisch guten Person allerdings eine erwünschte Wirkung hervorbringen, wenn diese über ihn fromme Worte ausspricht und den Segen ertheilt; allein es drängen sich Menschen mit chronischen Übeln hinzu, und machen ein schlimmes Spiel«

Ich bemerkte: Selbst von hier sind einige Podagristen dahin gewandert, die natürlich bei wieder eingetretenen Schmerzen verlacht wurden.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1821. 1821, 6. September. Mit Joseph Sebastian Grüner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A028-D