1820, 26. April.


Mit Joseph Sebastian Grüner

Am 26. April 1820 kam Goethe nach Eger und schickte seinen Reisepaß zur Vidimirung nach Karlsbad auf das Egerer Polizeiamt, welches ich damals als [32] Magistratsrath zu verwalten hatte... Da ich den großen Mann aus seinen Werken kannte, glaubte ich ihm meine Ehrfurcht darbringen zu sollen, und ließ mich durch seinen Bedienten Stadelmann melden. Ich wurde sogleich vorgelassen, und nachdem ich Goethen mit großer Ehrerbietung den vidimirten Reisepaß überreicht hatte, richtete er an mich verschiedene Fragen, die auf den Kammerberg, und aus die Kleidertracht, Sprache und Geschichte des Egerlandes Bezug hatten. In Betreff des Kammerberges erzählte ich, daß der Kreishauptmann Baron Erben zu Elbogen Einleitung getroffen habe, um mit einem Versuchsschachte niederzugehen, wozu auf der Fläche des zu Straßenschotter ausgegrabenen großen Raumes, ehemals Zwergloch genannt, der Ort angewiesen wurde, und bemerkte, daß ich, falls Se. Excellenz es wünsche, das Resultat dieser Nachforschung über das, was in der Tiefe gefunden worden, vorlegen könne.

In Betreff des Egerlandes und seiner Bewohner bemerkte ich, daß ich seit meiner Anstellung als Magistrats- und Criminalrath zu Eger, nämlich seit 1807, mich mit den ältesten Landeseingeborenen über ihre Sitten und Gebräuche, ihre Haus- und Landwirthschaft besprochen, auch die Pfarrer und Schullehrer hierüber vernommen, und darüber ein eigenes Werkchen verfaßt hätte. Müßte ich nicht befürchten, sagte ich, die kostbare Zeit damit zu rauben, so würde ich mir die Freiheit nehmen, diese Zusammenstellung zum Durchblättern anzubieten.

[33] »Sie machen mir damit viel Vergnügen,« erwiderte Goethe, »und es war löblich von Ihnen, so zu verfahren; denn wenn man in Ihrem Wirkungskreise auf seine Untergebenen erfolgreich und wohlthätig wirken will, so ist es zweckmäßig, sich zu bestreben, sie näher kennen zu lernen. Wie Sie wissen,« äußerte er weiter, »reise ich nach Karlsbad, daher behalte ich mir vor, auf der Rückreise das Nähere mit Ihnen zu besprechen. Erhalten Sie mich in freundlichem Andenken,« – worauf Goethe von meinen herzlichen Wünschen begleitet nach Karlsbad abfuhr.

Goethes Persönlichkeit machte auf mich einen unbeschreiblich tiefen und angenehmen Eindruck; seine Gestalt, der Ton seiner Stimme, sein freundlich sich herabneigendes Benehmen, das zugleich Zutrauen und Ehrfurcht einflößte, weckten in mir eine wahre Sehnsucht nach dem baldigen Erscheinen des Tages seiner Rückkehr.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1820. 1820, 26. April. Mit Joseph Sebastian Grüner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A02C-5