1810, Februar (?).


Über Abekens Besprechung
der »Wahlverwandtschaften«

Ihr Brief, lieber Abeken, hat mir [Gries] eine sehr angenehme Überraschung gemacht. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr es mich freut, Sie als den Verfasser eines Aufsatzes kennen zu lernen, der unstreitig unter allem, was über die »Wahlverwandtschaften« geschrieben worden ist, bei weitem den ersten Platz einnimmt. Das will nicht viel sagen, meinen Sie vielleicht, denn das Übrige ist freilich nicht weit her. So lassen Sie sich denn an der Versicherung des großen Meisters genügen, der Ihnen das Zeugniß giebt, daß Sie den rechten Fleck getroffen haben.

Goethe hatte Ihren Aufsatz schon im Morgenblatt [Nr. 19] gelesen und gleich damals seine große Zufriedenheit darüber geäußert. Dies brachte Riemern auf den Gedanken, ihn hier von Frommann nachdrucken zu lassen, um, wie er sagte, Goethen eine angenehme Überraschung zu machen. Es gehe fast kein Tag hin, wo Goethen oder ihm nicht etwas über die »Wahlverwandtschaften« gesagt oder geschrieben werde, und [303] meistens sehr abgeschmacktes Zeug. Um nun nicht immer dasselbe wiederholen zu müssen, habe er diesen Nachdruck veranstaltet. So geht nun Ihr Aufsatz, der durch des Meisters Siegel und Unterschrift gleichsam Gesetzeskraft erhalten hat und völlig wie eine interpretatio authentica anzusehen ist, in alle Welt, um die Heiden zu belehren, wozu der Himmel sein Gedeihen gebe. Goethe und Riemer verschicken und vertheilen ihn an alle Freunde und Bekannte. So sind auch mir einige Exemplare zu Theil geworden, die ich denn auch meinerseits auf Proselytenmacherei ausgeschickt habe.

Was nun den Verfasser anbetrifft, so war Riemer auf den Gedanken gekommen, es sei kein andrer als Schelling. Er hatte dies auch Goethen und andern ziemlich plausibel zu machen gewußt; doch muß ich gestehen, daß ich diese Meinung mehr aus äußern als aus innern Gründen, immer bestritten habe. Mir ist es nun viel lieber, daß Sie es sind; so giebt es doch, außer Schelling, noch Einen in Deutschland, der so etwas hervorbringen kann.

Da ich mich hauptsächlich mit Frommann über diesen Punkt oft sehr lebhaft gestritten hatte, so konnte ich mir den Triumph nicht versagen, ihm Ihren Brief noch ganz brühwarm zu überschicken. Dadurch haben denn auch die andern das Geheimniß erfahren, und Goethe besonders hat mehrmals seine Freude darüber bezeigt. Sie haben nun keinen kleinen Stein bei ihm im Brete.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1810. 1810, Februar (?). Über Abekens Besprechung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A240-7