[179] b.

»Alle Philosophie über die Natur bleibt doch nur Anthropomorphismus, d.h. der Mensch, eins mit sich selbst, theilt allem, was er nicht ist, diese Einheit mit, zieht es in die seinige herein, macht es mit sich selbst eins.

Um die Natur zu erkennen, müßte er sie selbst sein. Was er von der Natur ausspricht, das ist etwas, d.h. es ist etwas Reales, es ist ein Wirkliches, nämlich in Bezug auf ihn. Aber was er ausspricht, das ist nicht alles, es ist nicht die ganze Natur, er spricht nicht die Totalität derselben aus.

Wir mögen an der Natur beobachten, messen, rechnen, wägen etc. wie wir wollen, es ist doch nur unser Maß und Gewicht, wie der Mensch das Maß der Dinge ist. Das Maß könnte größer oder kleiner sein, es ließe sich mehr oder weniger damit abmessen, aber das Stück, das Gewebe, bleibt nach wie vor, was es ist, und nichts weiter von ihm als seine Ausdehnung in Bezug auf den Menschen ist durch jene Operation ausgesprochen. Mit Duodecimal- oder Decimalmaß wird nichts von der sonstigen anderweitigen Natur des Dinges ausgesprochen und verrathen.

Dies zur Verständigung und Vereinigung mit denen, welche noch von Dingen an sich sprechen. Ob sie gleich von den Dingen an sich nichts sagen können, eben weit es Dinge an sich, das heißt außer Bezug auf uns und [180] wir auf sie sind, und sie alles, was wir von den Dingen sagen, für unsere Vorstellungsart halten (wobei nur zu bemerken ist, daß es nicht bloße Vorstellungsart sein kann, sondern das Ding in unserer Vorstellungsart, von ihr bekleidet), so leuchtet doch daraus soviel ein, daß sie mit uns darin einig sind, daß, was der Mensch von den Dingen aussagt, nicht ihre ganze Natur erschöpft, daß Sie dieses Ausgesagte nicht nur allein, einzig, sondern noch viel mehr und anderes sind. Und das ist doch wahr; denn man entdeckt täglich mehr Relationen der Dinge zu uns, empfindet ihnen noch immer etwas ab. Das heißt die Dinge sind unendlich. Das wissen wir ja. Mit einem Worte: der Mensch spricht das Objekt nicht ganz aus. Aber was er davon ausspricht, das ist ein reales, wäre es auch nur seine Idiosyncrasie, das heißt der Bezug, den es auf ihn allein hat. Wäre das nicht, wer sollte den Bezug aussprechen? Der Mensch ist in dem Augenblicke, als er das Objekt ausspricht, unter und über ihm, Mensch und Gott in einer Natur vermittelt. Wir sollten nicht von Dingen an sich reden, sondern von dem Einen an sich. Dinge sind nur nach menschlicher Ansicht, die ein verschiedenes und mehreres setzt. Es ist alles nur Eins; aber von diesem Einen an sich zu reden, wer vermag es?

Dinge sind ja selbst nur Verschiedenheiten, durch den Menschen gesetzt und gemacht; und die Verschiedenheiten, die er setzt und macht, wird er ja wohl auch [181] als solche Verschiedenheiten, nämlich als das wofür er sie erkennt, als verschieden aussprechen können!«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1807. 1807, 2. August.: Mit Friedrich Wilhelm Riemer. b.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A26E-3