1819, 28. März.
Mit Friedrich von Müller
Goethe war besonders liebenswürdig. Er sprach von Hammers Assassinengeschichte, über den Unterschied zwischen Chronik und Memoiren, und betonte den Mangel des Gefühls vom Werthe der Gegenwart, die Jedes nur los zu werden trachte, um darüber hinaus zu kommen; das sei die Ursache, daß man jetzt so wenig aufzeichne. Dann sprach er von der Religion. Zuversicht und Ergebung sind die ächten Grundlagen jeder bessern Religion, und die Unterordnung unter einen höheren, die Ereignisse ordnenden Willen, den wir nicht begreifen, eben weil er höher als unsere Vernunft und unser Verstand ist. Der Islam und die reformirte Religion sind sich hierin am ähnlichsten. Alle Gesetze und Sittenregeln lassen sich auf eine zurückführen, auf die Wahrheit. Fehler der Individualität als solcher gäbe die moralische Weltordnung jedem zu und nach; darüber möge jeder mit sich selbst fertig werden und bestrafe sich auch selbst dafür; aber wo man über die Grenzen der Individualität herausgreife, frevelnd, störend, unwahr, da verhänge die Nemesis früh oder spät angemessene Strafe. So sei in Kotzebue's Tod eine gewisse nothwendige Folge einer höhern Weltordnung erkennbar.
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