a.

Der Genuß am Lesen seiner Schriften reicht lange nicht an den seiner mündlichen Unterhaltung. Er war Meister im Erzählen; es ging aus Einem Gusse und die ausdrucksvollen Bewegungen der Hände und der Glanz der Augen erhöhten den Reiz seiner Rede. So ist mir [F. J. Frommann] unvergeßlich, wie er einmal die heitre Geschichte aus dem Feldzuge in der Champagne zum besten gab, ehe sie gedruckt war: wo er am Ende eines feindlichen Dorfes mit seinem Reitknecht einen noch ungeplünderten Keller entdeckt, sich im Hause niederläßt und unter seinem großen Reitermantel eine Batterie Weinflaschen anlegt, als die andern nachkommen, die Flasche kreisen läßt, immer eine frische aus dem Versteck hervorholt und sich an dem allgemeinen Erstaunen ergötzt, daß die vermeinte Eine Flasche nicht leer wird.

Ein anderes Mal entwickelte er die Fabel des Textes zum ›Don Juan‹ [von da Ponte] und zeigte, wie sie durch das katholische Dogma von den sieben Todsünden bedingt [194] sei, die der Held des Stücks vor den Augen der Zuschauer sämmtlich begehen müsse, damit ja kein Zweifel bleibe, daß er die Hölle vollauf verdient habe, in die ihn die Teufel schleppen. Dadurch ist auch das Gastmahl gegen Ende des Stücks gerechtfertigt; denn zu den katholischen Todsünden gehört ja la gola, die Schlemmerei.

Ein anderes Mal waren wir in Weimar gewesen und hatten die erste Aufführung des ›Bildes‹ von Houwald gesehen. Da ließ er sich die Fabel des Stücks erzählen und wußte mit der feinsten Ironie durch Fragen und Zwischenreden die Mängel hervorzuheben, z. B.: »Also, sie lieben sich über's Kreuz!«

Noch früher traf er einmal meine Mutter allein und brach noch in der Thüre, indem er die Arme ausbreitete, in die Worte aus: »Ach, wenn doch der gute T.« (ein damals auftauchender begabter Dichter, den auch er schätzte [Tieck?]) »nicht so breit wäre!«

In der Zeit nach 1815, als die vaterländische Begeisterung in politische Erregtheit überzugehen anfing, spielte auch ein Mann, dessen Stärke die Politik nicht war, und den Goethe ohnehin nicht liebte, eine gewisse Rolle und hatte großen Anhang unter der Jugend. Von dem äußerte Goethe: wenn der sich nun im Spiegel ansähe, müßte er doch zu sich selbst sagen: ›ei, du X, was bist du doch für ein großer Mann geworden!‹ [Fries?]

[195]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. Zeitlich ungewiß. Zwischen 1800 und 1818 (?).: Mit Frommanns. a.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A3DF-C