1809-1810.


Über Werners »Vierundzwanzigsten Februar«

Nach der Aufführung der ›Wanda‹ hatte Werner bei Goethe die Aufführung noch anderer seiner Dramen beantragt, war aber damit von Goethe abgewiesen worden. Dabei hatte jedoch Goethe die Aufforderung an ihn gerichtet, Theaterstücke von kleinerem Umfang, etwa einactige, zu dichten, zu deren Aufführung er sich im voraus bereit erklärte. Diesen Rath, sich größerer Dichtungen zu enthalten und auf kleinere zu beschränken, pflegte damals Goethe gern zu ertheilen, wie ich [F. Schubart] ihn denn bald nachher selbst von ihm erhielt .... Bald nachher fand er Gelegenheit, dem Romantiker seinen Rath noch dringender und mit Erfolg zu empfehlen. In einer Gesellschaft in Goethes Hause wurde aus den Zeitungen eine schauerliche Criminalgeschichte vorgelesen, welche mit einem besonderen, merkwürdigen Zusammentreffen der Jahrestage verbunden war. Diese Geschichte empfahl nun Goethe dem auch gegenwärtigen Werner als einen geeigneten und fruchtbaren Stoff zu einem kleinen einactigen Trauerspiel, wie er es von ihm wünschte. Mit Eifer ergriff Werner die hingeworfene Andeutung zur Bearbeitung dieses [309] Stoffes, und schon nach einer Woche brachte er dem Meister das bekannte einactige Trauerspiel ›Der vierundzwanzigste Februar.‹ Goethe wollte oder konnte die zugesagte Aufführung, besonders da er die Arbeit selbst veranlaßt hatte, nicht zurücknehmen, und so kam diese düstere Dichtung auf die weimarische Hofbühne, welche bisher nur von heiterer und rein poetischer Theaterkunst belebt gewesen war. Daß Goethe selbst über die Paßlichkeit dieses Schauerstückes für sein Kunsttheater und überhaupt über die Schicklichkeit, dasselbe dem Publicum darzubieten, seine Zweifel hegte, geht daraus hervor, daß anfangs die Rede davon war, das neue Wernerische Theaterstück sollte nicht vor das große Publicum gebracht, sondern vor einer auserwählten Gesellschaft und bei verschlossenen Thüren des Hauses gegeben werden. Doch erfolgte die öffentliche Aufführung, der ich, als es zum ersten Mal gegeben wurde, wegen Abwesenheit von Weimar nicht beiwohnen konnte. Es wurde mir aber sofort erzählt, daß bei derselben viele Personen vor Entsetzen den Athem verloren hätten, und wurde dabei an die Wirkung der Aeschylischen »Eumeniden« in Athen erinnert. Der alte Wieland konnte sich nicht enthalten, Goethen über die Zulassung dieser Aufführung Vorwürfe zu machen und soll von ihm die Antwort erhalten haben: »Sie haben 1 wohl recht, aber man trinkt ja nicht immer Wein, man trinkt auch einmal Branntwein.«


Note:

1 Wenn schon, dann: »Du hast –«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1810. 1809-1810. Über Werners »Vierundzwanzigsten Februar«. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A45C-C