1795, Juli.
Mit Friederike Sophie Christiane Brun
und deren Kindern
Die letzte Zeit meines Aufenthalts in Karlsbad ward mir höchst lehrreich und zuletzt lieb durch meine Bekanntschaft mit Goethen. Wir sahen uns täglich erst mit Neugier, dann mit Interesse, dann schieden wir von einander mit Wohlwollen. Mir erschien er als eins der seltensten Exemplare der Menschheit, in voller Kraft eines unbeugsamen Willens und hohen Geistes; ihm war es vielleicht neu, ein Weib zu sehen, die ruhig und ungeblendet ihn beobachtete. So blieben wir eine Weile einander gegenüber, aber dann öffnete er sich mir mit edler Offenheit, fühlend, [265] daß ich sein besseres Selbst suchte – und ich entdeckte in ihm einen Schatz der Wahrheit, Billigkeit und häuslichen 1 Güte, die verbunden mit dem, was der Schöpfer des ›Tasso‹ und der ›Iphigenie‹ und des ›Egmont‹ zu geben vermag, mir ihn unvergeßlich machen. Lassen Sie [Ch. H. Pfaff] mich immer stolz darauf sein, mich mit Goethe auf diesem Wege gefunden zu haben und denken Sie auf mein Wortgut von Goethen, dem Menschen, man sage, was man wolle .... Die Kinder sind brav. Goethe war in beide vernarrt, zumal in Lotte; »die jungen Dinger sind gar liebe Narren!« sagte er, und sie hingen an ihm wie Trauben. Lotte lehrte er richtig lesen, Karl unterrichtete er über Mineralogie. Seit fünfzehn Jahren ist Naturgeschichte, zumal Mineralogie und Physik, Goethes ausschließendes Studium. Alle seine neueren Schriften sind lange fertig im Pulte gewesen.
1 herzlichen?