1805, Herbst.
Mit Friedrich Gottlieb Welcker
An Goethe hatte ich einen Brief des Professors Schaumann in Gießen, der mehrere Recensionen Goethischer Werke für die Jenaische Litteraturzeitung geschrieben hatte. Er empfing mich stehend in der Mitte des Zimmers, ein kräftiger rüstiger Mann, auch dem Anzuge nach mannhaft, etwa wie ein Forstmann, und setzte sich mit mir an ein Fenster. Er fragte mich nach den wissenschaftlichen Zuständen meiner, ihm ehemals wohlbekannten Heimath [Hessen]; das Gespräch fiel auch auf Wetzlar, und da ich naiv genug war, auch Werther'sche Localitäten zu berühren, sagte er: »Ja, das war ein Stoff, bei dem man sich zusammenhalten oder zugrundegehen mußte.«...
Voß, der tägliche Besucher der beiden großen Dichter, [293] erzählte nur von Goethe, wie angenehm es ihm sei, wenn er mit ihm Sophokles lese; wie er die Wörter, die er zuerst lerne, aufzufassen und nach allen Beziehungen zu würdigen verstehe; daß sich Goethe aus spanischen Büchern, die er von Göttingen erhalte, viele Wörter aufzeichne. Aber auch mit Rührung, wie weise und geschickt Goethe ihn, als er über eine böswillige Kritik aufgebracht war, besänftigt und auf alle Erwiederungen zu verzichten bewogen habe, und so immer wohlmeinend und edel in seinem Rathe sei.
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