Um 1817(?).


Mit Ulrike von Pogwisch

Ach, er war so gut, so engelsgut; wir nannten ihn immer den ›Vatter‹, das mochte er gern. O, das war eine Ehrfurcht, wenn der Vatter kam, und wenn er uns anredete, dann waren wir schon glücklich. Ja, Sie hätten nur sehen sollen, was für ein schöner, majestätischer Mann er war. Ich war noch ein kleines dummes Ding, wußte wohl, daß er ein berühmter Mann war, der Verse machte, aber lesen that ich sie nicht. Und weil ich damals seine Größe noch nicht [344] zu schätzen verstand, war ich ihm viel dreister, als die andern Hausgenossen. Nun mochte er es gern, daß eine von uns jungen Mädchen, deren mehrere im Hause waren, in seinem Zimmer verweilte, wenn er arbeitete, doch durfte diese keine Handarbeit vornehmen. Auch wurde nur selten gesprochen; er mochte uns nur gern so um sich haben. Das war mir aber zu langweilig, und so nahm ich meine Arbeit mit. Nun gab's gleich ein Gezwitscher: ›Die Ulrike ist zum Vatter gegangen mit Handarbeit.‹ Ich kehrte mich nicht daran, und als es dem Vatter gesagt wurde, wie ungehorsam ich sei, lächelte er so ein ganz wenig – er konnte oft so ein ganz wenig lächeln und es war dann in seinem Gesicht wie heller, warmer Sonnenschein – und sagte: »Beunruhigt nur die Kleine nicht! Sie darf es.«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1817. Um 1817(?). Mit Ulrike von Pogwisch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A677-B