1832, 20. März.


Mit Karl Vogel u.a.

Die ersten Stunden der folgenden Nacht, vom 19. auf den 20. März, schlief der Kranke sanft bei vermehrter [156] Hautausdünstung. Gegen Mitternacht wachte er auf, empfand zuerst an den Händen, welche bloß gelegen hatten, und von ihnen aus später dann auch am übrigen Körper von Minute zu Minute höher steigende Kälte. Zum Frost gesellte sich bald herumziehender reißender Schmerz, der, in den Gliedmaßen seinen Anfang nehmend, binnen kurzer Zeit die äußern Theile der Brust gleichfalls ergriff, und Beklemmung des Athems sowie große Angst und Unruhe herbeiführte... Die Zufälle wurden immer heftiger, dennoch erlaubte der, sonst bei den geringsten Krankheitsbeschwerden nach ärztlicher Hülfe stets so dringend verlangende Kranke dem besorgten Bedienten nicht, mich zu benachrichtigen, weil ja nur Leiden, aber keine Gefahr vorhanden sei.

Erst den andern Morgen um halb 9 Uhr wurde ich herbeigeholt. Ein jammervoller Anblick erwartete mich. Fürchterlichste Angst und Unruhe trieben den, seit lange nur in gemessenster Haltung sich zu bewegen gewohnten, hochbejahrten Greis mit jagender Hast bald ins Bett, wo er durch jeden Augenblick veränderte Lage Linderung zu erlangen vergeblich suchte, bald auf den neben dem Bette stehenden Lehnstuhl. Der Schmerz, welcher sich mehr und mehr auf der Brust festsetzte, preßte dem Gefolterten bald Stöhnen, bald lautes Geschrei aus. Die Gesichtszüge waren verzerrt, das Antlitz aschgrau, die Augen tief in ihre livide Höhlen gesunken, matt, trübe; der Blick drückte die gräßlichste [157] Todesangst aus. Der ganze eiskalte Körper triefte von Schweiß, den ungemein häufigen, schnellen und härtlichen Puls konnte man kaum fühlen; der Unterleib war sehr aufgetrieben; der Durst qualvoll. Mühsam einzeln ausgestoßene Worte gaben die Besorgniß zu erkennen, es möchte wieder ein Lungenblutsturz auf dem Wege sein.

Hier galt es schnelles und kräftiges Einschreiten.

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Gegen Abend war kein besonders lästiger Zufall mehr vorhanden. Goethe sprach einiges mit Ruhe und Besonnenheit, und es machte ihm sichtbare Freude, als ich ihm erzählte, daß im Laufe des Tages ein höchstes Rescript eingegangen sei, welches eine Remuneration, für deren Ertheilung er sich angelegentlich verwendet hatte, gebetenermaßen verwillige.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1832. 1832, 20. März. Mit Karl Vogel u.a.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A679-7