1821, 5. September.


Bei der Prämienvertheilung
im Gymnasium zu Eger

Bevor wir uns zu der sogenannten Klassenverlesung begaben, sagte Goethe: »Ich sollte den Leopoldsorden zu dieser Feierlichkeit mitnehmen, allein ich ließ ihn zu Hause, weil ich, wie Sie wahrgenommen haben, keinen Orden trage; nur den Stern des Falkenordens hat man mir an einen Frack angenäht, welchen ich nur bei besonderen Anlässen trage.«

Nachdem wir im Saale des Schulgebäudes den von einem Rhetor 1 vorgetragenen Prolog gehört hatten, stellte der Vicedirector des Gymnasiums an Goethe die Bitte, das erste Prämium einem der Abiturienten zu verleihen, weil dies auf diesen vorzüglichen Schüler einen bleibenden, ihn im Guten festhaltenden Eindruck machen werde. Goethe nahm das übertragene Amt mit Vergnügen an, sagte dem Schüler bei Überreichung des Prämiums aufmunternde Worte, hieß ihn näher zu sich treten, ermahnte ihn zur Beharrlichkeit im Fleiße und in den guten Sitten, schrieb seinen Namen in das Prämienbuch ein, gab ihm zur Erinnerung ein Goldstück, und entließ ihn mit den freundlichsten Worten, sagend, daß es ihm angenehm [123] sein würde, wenn er ihm sonst in seiner Laufbahn förderlich werden könnte, und daß er sich nur an ihn wenden möchte. 2


Note:

1 Soviel wie auf den gelehrten Schulen in Deutschland Primaner.

Note:

2 Dieser Abiturient hieß Georg Schmied, war der Sohn eines armen Taglöhners, erhielt sich durch Ertheilung von Privatunterricht und durch Kosttage, und ist jetzt [1853] Dr. der Medicin in Wien.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1821. 1821, 5. September. Bei der Prämienvertheilung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A6F1-A