[185] b.

Bei Goethe hatte sich zu Mittag eine zahlreichere Gesellschaft eingefunden, die auf die anmuthigste Weise durch Frau v. Goethe und ihre jüngere Schwester, Fräulein Ulrike v. Pogwisch belebt wurde. .... Außerdem waren anwesend: Consistorialdirector Peucer, Baurath Coudray, Professor Gans aus Berlin, Hofrath Riemer, Regierungsrath Töpfer, Dr. Eckermann. Goethe gab uns beiden Berlinern, dem Professor Gans und mir [Parthey], die Ehrenplätze an seiner Seite und zeigte sich überaus heiter.

Es war viel von dem französischen Journal Le Globe die Rede, in welchem einige jüngere französische Talente den schwachen Versuch machten, der deutschen Literatur, die sie meist nur aus Übersetzungen kannten, gerecht zu werden und besonders Goethes Verdienste zu würdigen. Gans that sich ein wenig darauf zugute, daß er der erste gewesen, der auf den Globe in Deutschland aufmerksam gemacht. Goethe sprach einige goldne Worte über Literatur im Allgemeinen: wie jeder Schriftsteller unbewußt und unbeirrt seinen Stein zu dem Gebäude herbeischleppe; wenn man es dann im Ganzen beschaue, so käme jeder nur insofern zur Geltung, als er seinen Platz richtig ausfülle.

Das Gespräch war stets ein allgemein belebtes, sodaß von meinen Reisen nicht noch besonders die Rede sein konnte. Dies war mir auch recht lieb; [186] denn so glücklich es mich machte, Goethen allein oder auch einem kleinen Kreise die Bilder des fernen Ostens vorzuführen, so widerstand es meinem Gefühle, an einer großen Tafel die wohlfeile Rolle des amüsanten Erzählers zu spielen. – Gar zu artig war es, daß, als Eckermann wegen seines häufigen Theaterbesuches und wegen seiner Neigung zu einer jungen Schauspielerin aufgezogen wurde, Goethe selbst an diesen Neckereien in der gutmüthigsten Weise theilnahm.

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Goethe fragte, ob ich zu Wasser von Ägypten nach Syrien gegangen, oder zu Lande den Spuren des neuen Alexander gefolgt sei. Ich erwiederte, daß eine ruhige Meerfahrt von drei Tagen mich von Damiette nach Akre gebracht. Die Lage von Jerusalem auf zerschnittenem Hügellande, mit der ernsten Bergkette am Todten Meere als Hintergrund, erregte Goethes ganze Aufmerksamkeit. Ich bedauerte nun in meinem Herzen, den Plan von Jerusalem in Halle bei Gesenius gelassen zu haben, indessen war mir die Sache so gegenwärtig, daß ich auf Goethes klare und präcise Fragen gute Auskunft geben konnte und zuletzt hoffen durfte, ihm ein anschauliches Bild jener welthistorischen Örtlichkeit gegeben zu haben. An die von mir besuchten syrischen Küstenstädte Jaffa, Akre, Tyrus, Sidon, Beirut knüpften sich überall die schönsten historischen Erinnerungen, und im Innern des Landes waren Tiberias, Bethlehem, Nazareth, endlich das[187] grüne Damaskus in der gelben Wüste nicht weniger merkwürdig.

Dies Gespräch zog sich wieder bis gegen 6 Uhr hin; die Gesellschaft bewegte sich ungezwungen im Saale auf und ab; ich wartete auf einen schicklichen Moment, um mit dankerfülltem Herzen Abschied zu nehmen; aber wer beschreibt mein freudiges Erstaunen, als Goethe auf mich zu kam und mich auch zu morgen Mittag einlud, »weil wir ja noch so manches zu besprechen haben.«


Note:

1 Sieh jedoch die Fußanmerkung zu Nr. 1119.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1827. 1827, 29. August.: Mittag bei Goethe. b.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A774-7