1825, 5. September.


Mit Joseph Sebastian Grüner

Goethe... hat... mich.. aufmerksam gemacht, daß »Torquato Tasso« gegeben werde, worauf ich antwortete, [227] daß es längst mein sehnlicher Wunsch gewesen, dieses Meisterstück aufführen zu sehen.

Goethe antwortete: »Da Sie sich schon in höheren Cirkeln bewegt haben, was dieses Stück zur gründlichen Beurtheilung erfordert, so dürfte es bei Ihnen einen guten Eindruck hervorbringen«

Torquato Tasso wurde vortrefflich gegeben, und besonders zeichneten sich Durand und die Jagemann aus. Unter Goethes Werken war Tasso stets mein Lieblingsstück. Durch Vortrag, Geberdespiel und Characterdarstellung wurde mir so Manches lebhaft vorgeführt, was man bei dem aufmerksamsten Lesen und Studiren sich nicht versinnlichen kann, und ich wurde wahrhaft begeistert. In dieser Stimmung trat ich nun gleich nach dem Theater in Goethes Zimmer ein. Er grüßte mich freundlich mit den Worten: »Wie haben Sie sich unterhalten?« Durch den Anblick des Schöpfers eines so großen Werkes noch mehr begeistert, zog es mich, ihm den höchsten Grad der Verehrung zu bezeigen; denn war er nicht ein Souverain im Reiche der Geister? Er aber gestattete es nicht, und ich konnte nur hervorbringen: Ich danke Eurer Excellenz für den unaussprechlich hohen Genuß, den mir dieses Meisterwerk bereitet hat! Auf ferneres Befragen sagte ich: Es wurde vortrefflich gegeben, es paßte Alles, das Costüm, die Decorationen zum Ganzen. Es gehört ein hoher Grad von Bildung und Talent dazu, sich in die Charactere so einzustudiren. Euer Excellenz mögen gewiß früher [228] auf die Darstellung dieser Schauspieler Einfluß genommen haben.

»In früherer Zeit,« antwortete Goethe, »als ich die Direction führte, hatte ich freilich viel mit diesen Leutchen zu thun, Zeitaufwand, auch manchen Verdruß gehabt. Mich freut es, daß Sie sich so gut unterhalten haben.«

Nachdem ich auseinander gesetzt, wie einzelne Scenen gegeben worden, sagte er: »die Rollen waren gut vertheilt, die Direction soll gelobt werden.« Beim Abschiede sagte er: »Gehen Sie mir morgen früh nicht aus, ich habe etwas Wichtiges mit Ihnen vor.«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1825. 1825, 5. September. Mit Joseph Sebastian Grüner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A808-2