1792, 7. November bis 4. December.


Mit Friedrich Heinrich Jacobi

Du [Johanna Schlosser geb. Fahlmer] thust Goethe gewiß unrecht, wenn Du ihn einer Verachtung gegen Schlosser beschuldigst. Ich habe ihn hierüber gleich den Morgen nach seiner Ankunft vorgenommen und ihm mit dürren Worten gesagt, was mir Schlosser vorigen Sommer geschrieben hatte, nämlich: »Wenn ihn Goethe verachte, sei er ein Narr, und wenn er etwas wider ihn habe und es ihm nicht sage, ein schlechter Mensch.« – Es that ihm weh, dies zu hören, das sah ich, und es war ihm gewiß Ernst mit der Versicherung, daß er zwar Vorwürfe, aber nicht diese verdiene; er ehre und liebe Schlosser'n, aber Schlosser habe für ihn etwas Unverträgliches, weswegen [136] er sich vor ihm scheue. Dies war die Substanz von dem, was er vorbrachte. Er setzte hinzu, daß er sehr gewünscht und auch gehofft hätte, Euch in Karlsruhe zu besuchen. Denselbigen Morgen gab es Gelegenheit, daß ich ihm Schlosser's jüngsten Brief zu lesen reichte. Goethe hatte nämlich bei einer Stelle des Aristoteles, die ich ihm vorlas, sich gerade so geäußert wie Schlosser über eine Stelle des Plato in diesem Briefe. Dieser ganze Brief machte ihm ungemeine Freude: er brachte ihm Schlosser'n in seiner ganzen Schönheit und Größe vor die Seele. Nachher hat er mich bei Gelegenheit oft gefragt: »Weißt Du nicht, wie Schlosser denkt?« – Mit dieser oder jener Sache: »Giebt sich Schlosser damit ab?« – »Wie weit haltet Ihr auf diesem – oder jenem – Wege gleichen Schritt? u. d.« – Den Tag vor seiner Abreise bat er jeden von uns insbesondere und mich zu wiederholten Malen, Schlosser'n und Dich doch recht herzlich von ihm zu grüßen, Euch viel Liebes von ihm zu sagen. Ich gab ihm noch ein paar besondere Abzüge von Schlosser's Antiberolinianis, die er mit Begierde annahm. Am Morgen seiner Abreise wiederholte er seine Aufträge an Euch ....

Was Du von Goethes Stolz im allgemeinen sagst, lasse ich Dir gelten. Ich habe ihn von dieser Seite jetzt noch viel näher kennen gelernt, auch durch eigene Bekenntnisse, die er mir von seinem Ehrgeize und seiner Eitelkeit ablegte.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1792. 1792, 7. November bis 4. December. Mit Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A817-F