Die Kriegsopfer fordern Linderung ihrer Notlage

50000 Menschen auf der Kundgebung zum ‘Deutschen Kriegsopfertag 1953’ in Frankfurt

Aus Anlaß des ‘Kriegsopfertages 1953 hat auf einer von 50 000 Menschen besuchten Kundgebung in Frankfurt der Verband der Kriegsbeschädigten Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK) die beschleunigte Verabschiedung einer Novelle zum Bundesversorgungsgesetz durch den Bundestag gefordert. [...]

Als Schirmherr der Kundgebung, zu der Bundes- und Landtagsabgeordnete fast aller Parteien und Vertreter der Landesregierungen erschienen waren, richtete Oberbürgermeister Dr. Kolb ein Grußwort an die Versammlung. Er sagte, daß es stets ein Anliegen der deutschen Städte gewesen sei die Lage der Kriegsopfer zu verbessern. Der häufig zitierte Satz ‘Der Dank des Vaterlandes ist euch gewiß ’ müsse auch verwirklicht werden.

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Auf der Veranstaltung betonte der Präsident des Verbandes, Nitsche, daß zur Aufrechterhaltung des inneren und äußeren Friedens und zur Verwirklichung einer gerechten Sozialpolitik den Opfern beider Kriege wirtschaflich und moralisch geholfen werden müsse. Unter Protestrufen der Versammlung verlas er ein Schreiben des Bundesarbeitsministers Storch , in dem dieser mitteilte, er bedaure, zu der Kundgebung keinen Vertreter seines Ministeriums entsenden zu können, da das Verbandsorgan ‘Die Fackel’ heftige Kritik an der Arbeit seines Ministeriums geübt habe, obwohl seinem Ministerium der hohe Stand der Versorgung der Kriegsopfer zu danken sei. Eine Gerichtsklage gegen den für den Aufsatz verantwortlichen Redakteur sei erhoben worden.

Konfessionelle und parteipolitische Neutralität

Nitsche betonte, daß sein Verband sich ungeachtet der Drohung des Bundesministers mit dem Staatsanwalt, konsequent für die Linderung der Not seiner Mitglieder, die durch die Teuerung der Gegenwart und die Lücken im Bundesversorgungsgesetz entstanden sei, einsetze. Man werde erneut Bundeskanzler Dr. Adenauer ein ungeschminktes Bild der wirklichen Lage geben. Nitsche versicherte, daß sein Verband konfessionelle und parteipolitische Neutralität wahre und sich den staatspolitischen Forderungen der Demokratie gegenüber verantwortlich wisse. Der Verband habe, das müsse er besonders betonen, niemals die vom Arbeitsministerium vorbildlich geleistete Arbeit herabgesetzt. [...]

Sichtbare und unsichtbare Not

Hauptgeschäftsführer Wuttke erinnerte in seinem Referat daran, daß in Deutschland unter den Kriegsopfern zweier Weltkriege noch viel sichtbare und unsichtbare Not zu beseitigen sei. Wenn es Kreise gebe, die eine solche Kundgebung nicht gerne gesehen hätten, weil sie der irrigen Meinung seien, der Verband wolle mit dieser Zusammenkunft seiner Mitglieder einen Druck auf gesetzgeberische und regierende Kreise ausüben, so könne er nur erwidern, daß alle das Recht besäßen, nicht Untertanen sondern Bürger zu sein. Das vom Verband gegenüber dem Staate abgelegte Treuegelöbnis werde auch in Zukunft gehalten. Wuttke betonte weiter, daß im Hinblick auf die Kriegsopfer nicht die Frage ‘Was kostet die Hilfe’ , sondern die Frage ‘Welche Hilfe tut not?’ maßgebend sei. Bevor die Mittel für eine ‘neue Wehrmacht’ bereitstünden, müsse man die Versorgung der Opfer zweier Weltkriege sicherstellen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2018). Quellensammlung zur Geschichte von Menschen mit Behinderungen. Interessenorganisationen. E2 - Transkript. Geschichte-MMB. Frankfurter Allgemeine Zeitung. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000B-D1EC-F