In diesem Schreiben appelliert der Zentralvorstand des Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verbandes der DDR an das Ministerium für Gesundheitswesen dafür, dass Schwerhörige weiter die Ausbildung zum Schlosser/zur Schlosserin absolvieren dürfen. Diese war durch die Intervention der Betriebsärztin des VEB Lufttechnik in Frage gestellt worden. Offensichtlich wurden in diesem Betrieb die gesetzlichen Lärmschutzbestimmungen überschritten und gefährdeten das Gehör. Anstelle die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, sollten nun schwerhörige Personen dort nicht mehr ausgebildet werden können. Dies stieß auf Kritik des Zentralvorstand des Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verbandes. Problematisch hieran war nämlich, dass es für gehörlose und schwerhörige Menschen, bei denen den Behörden eine reguläre Ausbildung auf Grund ihrer Behinderung unmöglich erschien, nur eine sehr begrenzte Auswahl an Ausbildungsberufen zur Verfügung stand. Sie konnten nur eine Lehrstelle in speziellen Sondereinrichtungen für behinderte Menschen, den sogenannten Rehabilitationszentren für Berufsbildung, erhalten. Dort wurden aber nur wenige Ausbildungen angeboten. Ein Anrecht auf eine Ausbildung in einer regulären Schule oder Betrieb bestand nicht. Da das Rehabilitationszentrum Langenstein mit dem VEB Lufttechnik Gotha nur einen Kooperationspartner für den praktischen Teil der Ausbildung zum Schlosser/zur Schlosserin hatte, konnten Gehörlose und Schwerhörige ab 1981 nicht mehr in diesem Beruf ausgebildet werden, auch wenn es Arbeitsplätze in diesem Bereich gab, die nicht gegen die Lärmschutzregelungen verstießen. Der Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband der DDR war eine 1957 auf Initaitve von oben gegründete Organisation, in der es keinen Raum für grundsätzliche Kritik an Staat und Partei gab. Dennoch bemühte sich der Verband um kleinere Verbesserungen, darunter auch eine Ausweitung der Berufsausbildungsmöglichkeiten. Bis 1990 konnte er hier allerdings kaum Erfolge erzielen.

1. Carolin Wiethoff: Arbeit vor Rente. Soziale Sicherung bei Invalidität und berufliche Rehabilitation in der DDR (1949-1989), Berlin 2017.