HEIMIDEOLOGIE
CONTRA
INTEGRATION
[...]
HERAUSGEBER:
1. Jugendwerk der Arbeiterwohlfahrt Bremen
2. Landesjugendring Bremen
3. Reichsbund der Kriegs- und Zivilbeschädigten, Landesverband Bremen
1. EINLEITUNG.
Zahlreiche Zeitungsberichte, dazu auch Rundfunk und Fernsehsendungen haben in den letzten Jahren die Situation junger Auszubildender in FRIEDEHORST beleuchtet. Die von den im Jugendclub „integ“ organsierten Jugendlichen kritisierten Mängel wurden dabei deutlich ausgesprochen. [...] Die Anstaltsleitung hat die Kritik der Auszubildenden wiederholt als unbegründet zurückgewiesen und als böswillige Störung von außen zu diffamieren versucht. Die nachstehende Zusammenstellung von Fakten, Dokumenten und Berichten soll dazu dienen, die Öffentlichkeit auf die tatsächlichen Zustände im FRIEDEHORST erneut aufmerksam zu machen. [...]
2. ZUR SITUATION IM AUSBILDUNGSBEREICH
a) Lehrberufe: Im gewerblichen Bereich umfasst das Angebot folgende Berufe: Orthopädie-Schumacher, Polsterer, Tischler, Wäsche- und Damenschneiderin. Da die Beschäftigungsaussichten für einen Teil der genannten Berufe ständig schlechter werden, steigt die Anzahl derer, die sich zum Bürokaufmann ausbilden lassen wollen, sehr stark an. Eine Ausbildung im industriell-technischen Bereich wird für die jugendliche Behinderte derzeit nicht angeboten, obwohl die technischen Einrichtungen im Rehabilitationszentrum auf dem Anstaltsgelände zur Verfügung stehen. Im Prospekt über das Berufsbildungswerk heißt es: ‘Die Vermittlungsbemühungen werden von der Arbeitsverwaltung so rechtzeitig eingeleitet, daß bei Beendigung der Ausbildung geeignete Arbeitsplätze im Ausbildungsberuf zur Verfügung stehen.’ Im Widerspruch dazu stehen Klagen der Jugendlichen über die ihres Erachtens unzureichende Unterstützung bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche nach Abschluss der Lehre.
b) Rechtliche Grundlagen der Ausbildung:
aa) Ausbildungsverträge:
Im Besitz eines normalen Arbeitsvertrages sind nach Auskunft der Jugendlichen nur die kaufmännischen Lehrlinge. Im gewerblichen Bereich beruht die Ausbildung lediglich auf Abmachungen zwischen FRIEDEHORST, der Handwerkskammer und dem Arbeitsamt.
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d) Bezahlung und Prämiensystem:
Die Auszubildenden erhalten ein monatliches Taschengeld in Höhe von 40.00 DM […]. Ausserdem wird den gewerblichen Lehrlingen eine Prämie ausbezahlt von maximal 09.00 DM pro Monat. […] Präzise Bemessungskriterien für die Staffelung der Prämien sind den Jugendlichen nicht bekannt. […] Neben der Leistung spielt auch das Wohlverhalten der Behinderten bei der Bewertung eine Rolle, also rein subjektive Eindrücke der Ausbilder und Heimleiter, die nach unserer Kenntnis keine pädagogische Ausbildung erfahren haben. Das Prämiensystem wird offensichtlich als Disziplinierungs- und Anpassungsinstrument verwandt und erweist sich als wichtiges Element im Rahmen der in FRIEDEHORST praktizierten autoritären Erziehung […].
e) Jugendvertretung
So wie es in der Anstalt FRIEDEHORST keine Mitarbeitervertretung gibt, habe auch die Jugendlichen in der Ausbildung keinerlei Möglichkeiten, ihre Interessen durch gewählte Vertreter oder in Jugendversammlungen, deren Mitbestimmungsrechte institutionalisiert wären, durchzusetzen. Mitbestimmung findet im FRIEDEHORST nicht statt. [...]
3. ZUR KOPPELUNG VON AUSBILDUNG UND HEIMUNTERKUNFT
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b) Kommentar.
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- Die durchgehende Kopplung von Ausbildung und Heimunterkunft schliesst die Möglichkeit einer externen Ausbildung – z.B. nach Entlassung oder privater Kostenträgerschaft – grundsätzlich aus. Damit wird die freie Berufswahl, die wegen der geringen Zahl an Einrichtungen für die Behinderten ohnehin schon stark eingeschränkt ist, noch weiter behindert.
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- Rechtsinhaber*in
- Gerhard Tersteegen
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2018). Quellensammlung zur Geschichte von Menschen mit Behinderungen. Arbeit. C2 - Transkript. Geschichte-MMB. Gerhard Tersteegen. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000B-D1C8-7