Im Februar 1951 schrieb der damalige Erste Vorsitzende des Landesschwerbeschädigtenausschusses im Landesberatungsausschuß für Sozialfürsorge Brandenburg einen Brief an den FDGB Bundesvorstand, in dem er kritisierte, dass behinderte Menschen ‘vergessen’ würden. Die Betriebswerkschaftsleitung sah er als ungeeignet an, die Interessen von Menschen mit Behinderungen zu vertreten, was er an dem Beispiel eines Vorsitzenden einer Betriebsgewerkschaftsleitung verdeutlichte, der anführte, der Betrieb könne sich die ‘Schwerbeschädigten’ und deren Anleitung nicht leisten. Vogel beklagte, im Betrieb würden behinderte Menschen ‘etwas über die Schulter angesehen, weil sie eine Rente beziehen’, die ‘gesunden Kollegen’ könnten aber die ‘seelischen und anderen Schmerzen eines Beschädigten’ nicht nachempfinden. Er zweifelte an, dass alle Funktionäre ideologisch so gut ausgebildet seien, dass sie die Probleme erkennen könnten und forderte eine Selbstvertretung für behinderte Menschen in den Betrieben. Neben diesen Thema äußerte er Wünsche hinsichtlich einer besseren Versorgung der behinderten Menschen mit orthopädischen Schuhen, Unterwäsche und Bereifung von Fahrrädern und Rollstühlen. Während der FDGB Bundesvorstand aufgeschlossen auf die Versorgungswünsche reagierte, verhielt er sich ablehnend gegenüber den Selbstvertretungsansprüchen. Besonders waren ihm die ‘Gruppenbildung’ ein Dorn im Auge. Diese bedrohte den Führungsanspruch der parteinahen Organisationen wie dem FDGB Bundesvorstand.

Allgemein bestand in der Führung der DDR die Sorge, dass die Kriegsheimkehrer weiter nationalsozialistisches Gedankengut mit sich tragen würden und eine zu starke Konzentration dieses Personenkreises an Orten wie Umschulungswerkstätten wurde mit Argwohn begegnet. Auch die Vertretung behinderter Menschen im Betrieb durch Vertrauensleute, wie sie seit der Weimarer Republik bestanden hatte, wurde 1951 durch eine neue Verordnung verunmöglicht. Der Ausschuss für Blindenfragen durfte zwar weiterbestehen, wurde 1954 nach Auseinandersetzungen um sozialpolitische Fragen aber auf Linie gebracht. Erst 1957 entstanden mit dem Gehörlosen- und Schwerhörigenverband und dem Blinden- und Sehschwachen-Verband der DDR neue, allerdings linientreue, Selbstvertretungsorganisationen.

Literaturhinweise:
  1. Marcel Boldorf: Die Verdrängung der Kriegsbeschädigtenproblematik in der SBZ/DDR, in: Paul Erker (Hrsg.): Rechnung für Hitlers Krieg Pforzheimer Gespräche zur Sozial-, Wirtschafts- und Stadtgeschichte Bd. 3), Heidelberg 2004, S. 240–244.
  2. Carolin Wiethoff: Arbeit vor Rente. Soziale Sicherung bei Invalidität und berufliche Rehabilitation in der DDR (1949-1989), Berlin 2017.
  3. Michael Schwartz: SED-Sozialabbau und Bevölkerungsprotest. Strukturbedingungen und Eskalation des Konflikts zwischen SED-Regime und Schwerbeschädigten im Vorfeld des Juni-Aufstandes von 1953, in: Henrik Bispinck u.a. (Hrsg.): Aufstände im Ostblock: Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus, Berlin 2004, S. 75–96.

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Rechtsinhaber*in
Bertold Scharf

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2018). Quellensammlung zur Geschichte von Menschen mit Behinderungen. Interessenorganisationen. E21 - Kommentar. Geschichte-MMB. Bertold Scharf. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000B-D1EB-0