[] Vorwort

In meiner Kindheit traten mir schon öfter Spuren eines Geschlechtes entgegen, das im mittäglichen Böhmen gehaust hat und in der Erinnerung und in den Erzählungen des Volkes fortlebte. Als Jüngling ging ich diesen Spuren nach, und habe manchen Tag in den Trümmern der Stammburg dieses Geschlechtes zugebracht. Hierauf strebte das Ding sich in verschiedenen kindischen Versuchen dichterisch zu gestalten. Später fand sich, begleitet von mancher Unterbrechung und Wiederaufnahme, etwas Ernsteres zusammen, und ging in jüngster Zeit der Vollendung entgegen, welche Vollendung wieder durch ein langes Unwohlsein aufgeschoben wurde. Da gaben mir Freunde den Rat, vorerst den Beginn des Werkes vorzulegen, was hiemit geschieht. Wie weit dieses ersprießlich ist, sei einem glimpflichen Urteile anheim gestellt. Mögen die Männer der Geschichte, wenn einige aus ihnen die folgenden Blätter einer Durchsicht würdigen, nicht zu viel Unrichtiges in ihnen finden, und die Männer der Dichtung nicht zu viel Unkünstlerisches, und mögen, wenn mir Gott die Beendigung meines Unwohlseins und eine neue erhöhtere Kraft schenkt, die folgenden Bände besser gelingen als dieser erste.

Linz, im Christmonate 1864.

Adalbert Stifter

Erster Band

1

Es klang fast wie Gesang von Lerchen.

Am oberen Laufe der Donau liegt die Stadt Passau. Der Strom war eben nur aus Schwaben und Baiern gekommen, und netzt an dieser Stadt einen der mittäglichen Ausgänge des bayerischen und böhmischen Waldes. Dieser Ausgang ist ein starkes und steiles Geklippe. Die Bischöfe von Passau haben auf ihm eine feste Burg gebaut, das Oberhaus, um gelegentlich ihren Untertanen Trotz bieten zu können. Gegen Morgen von dem Oberhause liegt ein anderer Steinbühel, auf dem ein kleines Häuslein steht, welches einst den Nonnen gehörte, und daher das Nonngütlein heißt. Zwischen beiden Bergen ist eine Schlucht, durch welche ein Wasser hervorkömmt, das von oben gesehen so schwarz wie Tinte ist. Es ist die Ilz, es kömmt von dem böhmisch-bayerischen Walde, der überall die braunen und schwarzen Wässer gegen die Donau sendet, und vereinigt sich hier mit der Donau, deren mitternächtliches Ufer es weithin mit einem dunkeln Bande säumt. Das Oberhaus und das Nonngütlein sehen gegen Mittag auf die Stadt Passau hinab, die jenseits der Donau auf einem breiten Erdrücken liegt. Weiter hinter der Stadt ist wieder ein Wasser, das aus den fernen mittäglichen Hochgebirgen kömmt. Es ist der Inn, der hier ebenfalls in die Donau geht, und sie auch an ihrer Mittagsseite mit einem Bande einfaßt, das aber eine sanftgrüne Farbe hat. Die verstärkte Donau geht nun in der Richtung zwischen Morgen und Mittag fort, und hat [] an ihren Gestaden, vorzüglich an ihrem mitternächtigen, starke waldige Berge, welche bis an das Wasser reichende Ausgänge des böhmischen Waldes sind. Mitternachtwärts von der Gegend, die hier angeführt worden ist, steigt das Land staffelartig gegen jenen Wald empor, der der böhmisch-bayerische genannt wird. Es besteht aus vielen Berghalden, langgestreckten Rücken, manchen tiefen Rinnen und Kesseln, und obwohl es jetzt zum größten Teile mit Wiesen, Feldern und Wohnungen bedeckt ist, so gehört es doch dem Hauptwalde an, mit dem es vielleicht vor Jahren ununterbrochen überkleidet gewesen war. Es ist, je höher hinauf, immer mehr mit den Bäumen des Waldes geziert, es ist immer mehr von dem reinen Granitwasser durchrauscht, und von klareren und kühleren Lüften durchweht, bis es im Arber, im Lusen, im Hohensteine, im Berge der drei Sessel und im Blöckensteine die höchste Stelle und den dichtesten und an mehreren Orten undurchdringlichen Waldstand erreicht. Dieser auch jetzt noch große Wald hat in seinen Niederungen vornehmlich die Buche, höher hinauf das Reich der Tanne und des ganzen Geschlechtes der Nadelhölzer, und endlich auf dem Grate der Berge auch oft holz, nicht der Berghöhe, sondern der kalten Winde wegen, die gerne und frei hier herrschen. Von der Schneide des Waldes sieht man in das Tal der Moldau hinab, welche in vielen Windungen und im moorigen Boden, der sich aus dem Walde herausgelöst hat, in die ferneren Gelände hinaus geht. Gegen sie steigt der Wald in breiten dichten Wogen ab, nimmt sie nicht selten in seine Schatten, und läßt sie wieder in Wiesen und Hutweiden hinaus. Und so geht er von ihr in vielen Wellen in mitternächtlicher gegen Morgen geneigter Richtung in das Land Böhmen hinein, bis er nach vielen Stunden, die ein Mann zu wandern hätte, mit der letzten der Wellen, die den Namen Blansko führt, an der Ebene steht, in welcher die [] Stadt Budweis liegt. Und wenn er in den Talrinnen und tellerartigen Ausbuchtungen auch viele Wiesen Felder und Ortschaften hat, so geht in der Mitte doch der ungeschwächte Waldwuchs von dem Blöckensteine in gerader morgenlicher Richtung über das Hochficht die Schönebene und den Schloßwald hinaus, und in ihm ist keine Lichtung und keine Wohnung. Die Richtung der Moldau ist auch gegen Morgen. Sie ist ganz in dem böhmischen Lande. Ihr Fließen ist in dem Tale des großen Waldes sehr langsam. Unterhalb des Jesuitenwaldes kömmt sie in die Kienberge, die an ihrer linken Seite stehen. Hinter ihnen begegnet sie dem Fels der Teufelsmauer, und ihr Lauf wird an ihm ein rauschender und tosender. Hierauf geht sie noch um schöne Waldhöhen, und noch ein Weilchen gegen Morgen. Dann ändert sie ihre Richtung, wendet sich gegen Mitternacht, und beginnt das Waldland zu verlassen. Ihr Fall bleibt da fortan ein lebendigerer und schnellerer, als er in der moorigen Talsohle des oberen Waldes gewesen war. Sie begegnet noch manchem dichten Fels, dann manchem Waldhaupte, das sie in Schlangen zu umgehen gezwungen ist, und manchem langgedehnten Hange, an dem sie in gerader Richtung hinstreichen muß, bis die Berge immer kleiner werden, die sie leichter umspringt, bis sie nach mehreren Meilen gleich dem Blansko in die Ebene kömmt, in der Budweis liegt. Die bedeutendsten Orte, denen sie in dem Laufe, der genannt worden ist, in den heutigen Tagen begegnet, sind die Flecken Oberplan und Friedberg, die Abtei Hohenfurt und die Städte Rosenberg und Krumau.

Zur Zeit, da in Deutschland der dritte Konrad, der erste aus dem Geschlechte der Hohenstaufen, herrschte, da Baiern der stolze Heinrich inne hatte, da Leopold der Freigebige Markgraf in Österreich war, da Soběslaw der Erste auf dem Herzogstuhle der Böhmen saß, und da man [] das Jahr des Heiles 1138 schrieb: ritt in der Schlucht zwischen dem Berge des Oberhauses und dem des Nonngütleins – welche Berge aber damals wild verwachsen waren – auf einem grauen Pferde, dessen Farbe fast wie der frische Bruch eines Eisenstückes anzuschauen war, ein Mann von der Donau gegen das mitternächtige Hügelland hinaus. Der Mann war noch in jugendlichem Alter. Ein leichter Bart, welcher eher gelb als braun war, zierte die Oberlippe, und umzog das Kinn. Die Wangen waren fast rosenrot, die Augen blau. Das Haupthaar konnte nicht angegeben werden; denn es war ganz und gar von einer ledernen Kappe bedeckt, welche wie ein Becken von sehr festem und dickem Stoffe gebildet, so daß ein ziemlich starker Schwerthieb kaum durchzudringen vermochte, dergestalt auf dem Kopfe saß, daß sie alles Haar in ihrem Innern faßte, und an beiden Ohren so gegen den Rücken mit einer Verlängerung hinabging, daß sie auch einen Hieb auf den Nacken unwirksam zu machen geeignet schien. Diese Verlängerung der Hauptbedeckung aber hing nicht lose auf den Nacken herab, sondern lag ihm vielmehr dicht an, und wurde unter dem Wamse geborgen, welches von gleichem Leder den ganzen Oberkörper knapp umhüllte. In den Achselhöhlen war ein Schnitt, daß der Mann den Arm hoch heben konnte, und daß man dann das Linnen seiner innern Kleidung zu sehen vermochte. Von dem nämlichen Leder schien auch die Beinbekleidung des Reiters. All dieses Leder war ursprünglich mattgelb gewesen, und wiewohl man nicht verkennen konnte, daß große Sorgfalt auf seine Erhaltung und Reinigung angewendet worden sei, so mußte man doch zugeben, daß es nicht mehr neu sei, und Spuren von Wetterschäden und ausgetilgten Flecken zeigte. An der Hüfte hing ein Schwert. Eine Art Mantel oder Oberkleid von Tuch oder überhaupt einem Wollstoffe war zusammengeschnürt an den Sattel geschnallt, weshalb [] man die Gestalt und das Wesen dieses Dinges nicht zu ergründen vermochte. Nur die Farbe schien grau zu sein. Der Reiter hatte keine Feder auf dem Haupte und nirgends ein Abzeichen an sich. Die Hände waren bloß, die rechte war frei, die linke führte die Zügel. Das Pferd hatte größere Hufe und stärkere Lenden, als Kriegs- oder Reitpferde gewöhnlich zu haben pflegen. Da der Reiter die Schlucht hinaus ritt, sah er weder rechts noch links, noch nach der Stadt zurück. Es war eine frühe Stunde eines Tages des Spätsommers, der schon gegen den Herbst neigte. Der Tag war heiter, und die Sonne schien warm hernieder. Das Pferd ging durch die Schlucht in langsamem Schritte. Als es über sie hinausgekommen war, ging es wohl schneller, aber immer nur im Tritte. Es ging einen langen Berg hinan, dann eben, dann einen Berg hinab, eine Lehne empor, eine Lehne hinunter, ein Wäldchen hinein, ein Wäldchen hinaus, bis es beinahe Mittag geworden war. In dieser Zeit langte der Reiter unter einigen hölzernen Häusern an, die den Namen des Hauzenberges führten. Die Häuser lagen in Unordnung zerstreut, und der Grund, auf dem sie standen, war ungleich. Es war hier schon kühler als an der Donau; denn da in Passau viele Obstbäume standen, ragte hier nur der Waldkirschbaum empor, er stand vereinzelt, und stand in einer Gestalt, die in manchen Teilen zerstückt war, und bewies, daß viele harte Stürme in den Wintern an ihm vorübergegangen waren. In sehr schöner Bildung dagegen stand die Eberesche umher, sie stand bei vielen Häusern, und mischte das Grün ihres Laubes und das beginnende Rot ihrer Trauben zu dem Grau der Dächer. Die Herberge war ein Steinhaus, stand auch neben Ebereschen, und hatte ein flaches, weit vorspringendes Dach, auf dem große Granitstücke lagen. Die Tragebalken gingen weit hervor, und waren zierlich geschnitzt und rot bemalt. In der Gassenmauer war eine Tür, deren Pfosten rot angestrichen [] waren. Sie führte in die Schenkstube. Nicht weit von ihr war ein Tor, das in den Hof ging. Auf der Gasse standen mehrere steinerne Tische. Weiter zurück waren Pflöcke, die in die Erde eingerammt waren, und dazu dienten, daß man Pferde an sie anhängen konnte. Wieder weiter von diesen Pflöcken entfernt waren auch noch ein paar offene Schoppen, um Pferde unter ihr Dach führen zu können. Hinter den Schoppen stand Waldwuchs.

Der Reiter ritt, da er bei diesen Häusern angekommen war, auf dem schmalen Weglein gegen das Wirtshaus, dort hielt er an, und stieg ab. Er führte sein Pferd zu einem der Pflöcke, nahm ihm die Gebißstangen aus dem Munde, zog eine Halfter aus der Satteltasche, und band es mit derselben an den Pflock. Da dies geschehen war, nahm er Wollappen von der Größe starker Männerhände aus dem Sattel, und strich mit den Lappen wechselnd die Seiten und andere Teile des Tieres. Als er damit fertig war, und die Lappen ausgeschüttelt hatte, leitete er noch seine bloße flache Hand an den Weichen und dem Rücken des Tieres hin, welches ihn dabei anblickte. Dann breitete er den Mantel über dasselbe. Als er diesen auseinander gefaltet hatte, sah man, daß er ein sehr einfaches kunstloses Stück Stoff von grober Wolle und grauer Farbe sei. Dem Pferde gab er weder Nahrung noch Getränke, sondern ließ es stehen, und ging zu einem der steinernen Tische, an dem niemand war, und setzte sich vor demselben nieder.

Auf der Bank, die vor dem Hause hinlief, saß ein Mann, von dem Halse bis zur Sohle in das gleiche Stück groben braunen Tuches gekleidet. Das Tuch lag fest an seiner schlanken Gestalt. Um die Schultern hatte er ein sehr kurzes Mäntelchen mit Ärmeln, das von grauer Farbe war, und noch gröberes Tuch zeigte als die andere Bekleidung. Schwere Schuhe hüllten die Füße ein. Sonst [] hatte er nichts auf seinem Körper. Der Kopf war ohne Bedeckung, und wucherte mit dem dichtesten kurzen und so krausem schwarzen Haare, als wäre jedes einzelne Fädchen desselben zu einem Ringe gebogen worden. Um das Kinn, auf der Oberlippe und an den Seiten des Angesichtes war dasselbe kurze Haar, aber wo möglich noch krauser. Aus diesem Schwarz sah ein rotes junges Angesicht mit sehr großen schwarzen Augen heraus. Der Mann band mit seinen Händen einen festen Eisendraht gitterartig um einen geklüfteten irdenen Topf. Der Reiter saß mit seinem Angesichte dem Manne gegenüber.

Seitwärts des Reiters, etwa zehn Schritte von ihm entfernt, saßen an einem Brettertische zwei andere Männer. Sie hatten sehr beschmutzte Lederkoller an. Die untere Bekleidung konnte man der sehr breiten Tischplatte willen nicht sehen. Ihre Lederhauben lagen auf dem Tische. Der eine hatte rotbraune Haare und einen roten Bart, der andere war schwarzhaarig; aber in das Schwarz war schon sehr viel Weiß gemischt. Der Rotbart schien um die dreißig Jahre zu sein, der Graubart um die fünfzig. Beider Angesichter waren stark gebräunt. Vor ihnen stand ein großer grauer Steinkrug mit blauen Blumen. An der Bank neben dem Tische lehnte eine Armbrust, auf der Bank aber lag ein eisenspitziger Stock, den man auch einen Speer nennen konnte.

Sonst war kein Gast auf der Gasse, als an dem entferntesten kleinsten Tische ein Kärrner, der seinen Karren mit Ware, die vielleicht Töpfergeschirr sein konnte, neben sich hatte.

Ob in der Schenkstube jemand war, konnte man nicht sehen.

Nur das Federvieh des Wirtes ging in der Sonne herum, und pickte zu Zeiten ein Körnchen vom verstreuten Pferdefutter.

Da sich der Reiter an dem Tische niedergesetzt hatte, [] kam auch der Wirt im Bocklederwamse dunkeln Unterbeinkleidern und platter Haube aus der Tür mit den roten Pfosten. Er näherte sich dem Tische, an welchem der junge Reiter saß, und sagte: »Werdet Ihr etwas bedürfen, was unser Haus geben kann?«

»Wohl, wenn Ihr mir zu Diensten seid«, entgegnete der Reiter, »es ist nur wenig. Sendet mir ein Stückchen Fleisch, ein Brod und einen Trunk Bier. Und wenn ich gegessen habe, dann schickt mir einen Knecht heraus, daß ich ihm sage, was ich für mein Pferd brauche.«

»Ich werde nur selber Euer Pferd betreuen«, antwortete der Wirt.

»Es wäre mir lieber, wenn Ihr gerade so tätet, wie ich Euch gebeten habe«, entgegnete der Reiter.

»Es ist auch gut«, sagte der Wirt, und entfernte sich.

Sogleich kam ein Mädchen aus dem Hause, das rote Wangen hatte, und dem zwei lichtgelbe Zöpfe von dem Nacken über den roten Latz und das wollene schwarze Untergewand herab hingen. Das Mädchen deckte frisches Linnen auf den rauhen Stein des Tisches, und stellte Schüsselchen, und legte Messer und Gabel auf das Linnen. Dann brachte es dem Reiter in einem grauen Kruge, der auch blaue Blumen hatte, Bier und endlich ein Stück gebratener Rindschnitte und ein Laiblein Brod. Der Reitersmann zerschnitt das Fleisch und das Brod, verzehrte beides, und trank das Bier. Als er fertig war, kam der Wirt, und wollte den Krug wieder füllen; der Reiter aber legte die Hand auf den Rand des Gefäßes, und sagte: »Es ist genug, ich habe meinen Durst gestillt. Sendet mir jetzt den Knecht, daß mein Pferd sein Obsorge erhalte.«

Von dem Nebentische streckte der Rotbart dem Wirte den blaugeblümten Krug hin, daß er ihn wieder fülle. Der Wirt ging mit dem Kruge in das Haus.

Als der Knecht zu dem Tische des Reiters gekommen [] war, und nach seinem Begehr gefragt hatte, sagte dieser: »Mache, daß eine Magd mit Wasser, Stroh und Sand ein wenig eine Pferdekufe reinige.«

Da der Knecht den Reitersmann ansah, als habe er ihn nicht recht verstanden, sprach dieser neuerdings: »Ich muß meinem Pferde Reinlichkeit geben, darum lasse mir eine Kufe auswaschen.«

Der Knecht holte nun eine Magd, welche in einem Kübel Wasser, dann Stroh und Sand brachte, um damit eine der hölzernen Kufen zu scheuern, die als Pferdefuttertrog vor dem Hause standen. Der Reiter war von seinem Tische aufgestanden, sah der Arbeit zu, und leitete sie. Als sie fertig war, wurde die Kufe vor sein Pferd gestellt. Der Reiter nahm nun selber den flachen länglich runden Korb, in dem der Knecht Haber gebracht hatte, in seine Hände, schüttelte den Haber, und gab dann einen Teil davon, mit seinen Händen abgemessen, dem Pferde in die Kufe. Als dieses davon fraß, und in seinem Fressen fortfuhr, ging der Reiter wieder zu seinem Tische, setzte sich dort nieder, und sah vor sich hin.

Nachdem eine gehörige Zeit vergangen war, stand der Reiter wieder auf, und ging zu seinem Pferde. Er ordnete ihm neuerdings sein Futter, und gab ihm jetzt auch Heu, welches der Knecht gebracht hatte. Er blieb nun bei dem Pferde stehen.

Da näherte sich einer der zwei Männer, welche nicht weit von dem Reiter gesessen waren. Es war der ältere, der mit den grauen Haaren. Als er nahe genug war, sagte er zu dem jungen Manne: »Das ist ein schönes Tier, ein starkes Tier, es wird auch gewiß sehr schnell sein.«

»Ja es ist ein gutes Tier, und für mich reicht seine Schnelligkeit hin«, sagte der junge Reiter.

Der andere fuhr nach einer Weile fort: »Ihr müßt es den Leuten hier nicht übel nehmen, wenn sie den Umgang mit Euch nicht verstehen, sie haben keinen Unterricht. [] Es kommen selten hier angesehene Reiter herauf; denn da ist kein ordnungsmäßiger Heerweg, es sind keine Orte hier, die einen vielfältigen Wandel mit einander hätten, und die Hügel und die Schluchten des Bodens sind auch nicht geeignet, daß hier Fehden ausgetragen würden. Der Gastherr ist schier nur ein Bauer, und weiter hinauf sind gar lauter Wälder, in denen kein Mensch ist. Aber dahin seid Ihr gewiß nicht gekommen, und werdet nicht kommen.«

»Ich bin mit der Nahrung, die ich in diesem Hause erhalten habe, zufrieden«, antwortete der Reiter, »der Haber ist für mein Pferd gut, und das Heu auch.«

»Ja, ja«, antwortete der andere, »aber wie man mit vornehmen Leuten auf eine höfliche Art umgehen soll, das wissen sie hier nicht.«

»Ich bin nicht vornehm«, sagte der Reiter.

»Es kann sich jetzt in diesen Kriegen viel begeben«, fing der andere wieder an, »es können Boten und Reisige unterwegs sein und Wege und Pfade einschlagen, auf die man gar nicht dächte.«

»Mir sind nur Landbewohner begegnet«, antwortete der junge Reiter.

»Dann müßt Ihr von Passau herauf gekommen sein«, sagte der andere.

»Es vereinigen sich mehrere Wege unterhalb dieser Häuser«, erwiderte der Reiter.

»Das ist wahr«, entgegnete der andere. »Es gibt schlechte Menschen, die einem Boten auflauern könnten, um Lohn zu erhalten. Da ist der Herzog Heinrich, ein edler Mann, ein reicher Mann, ein mächtiger Mann, der Schwiegersohn unsers seligen Kaisers – Gott segne den Kaiser in der Ewigkeit – der Herzog hat die Kleinode, und wird sie nicht herausgeben. Dann ist der König Konrad, der erlauchte Herr aus dem Hause der Staufen. Dann ist der heilige Herr, der Erzbischof von Trier, dann der Markgraf [] Leopold von Österreich, ein junger Herr. Er ist der Stiefbruder des neuen Königs, und wird zu ihm stehen. Der Herzog Soběslaw in Böhmen ist schon älter, und hat Erfahrung.«

»Ich habe noch keinen dieser Herren gesehen«, antwortete der Reiter.

»Ja, Ihr seid noch jung«, sagte der andere, »und könnt Euer Glück in der Welt schon finden. Es wird Gnaden und Ehren geben. Ich bin schon alt, und kann nichts tun, als für die hohen Häupter beten. Ich wünsche Euch, daß Ihr recht viel Glück habt, junger Herr, und bringt es vorwärts.«

»Nun, da Ihr mir Gutes wollt, so werde ich Euch schon auch einmal einen Dienst erweisen, so Ihr einen von mir braucht«, erwiderte der Reiter.

»Gutes, nur lauter Gutes«, sagte der andere, und begab sich wieder zu seinem Gefährten an den Tisch.

Da nun dieser Mann von dem Reiter fortgegangen war, so war noch ein anderer da. Der Krauskopf stand in einiger Entfernung, und betrachtete das Pferd mit seinen schwarzen Augen. Er mußte mit seinem Geschäfte fertig geworden sein.

Da der Reiter seinem Pferde die Nahrung zusammengestrichen hatte, sah er auf den Krauskopf, und sagte: »Bewunderst du auch mein Pferd?«

Dieser ging nun näher, und antwortete: »Ich bewundere es schon lange, schon so lange Ihr da seid. Hat der andere es auch bewundert? Nun, ich kann es mir denken.«

»Kannst du reiten?« fragte ihn der junge Mann.

»Ja, ich kann reiten«, antwortete der andere, »und brauche keine Bügel und keine Sporen und keinen Sattel. Ich reite barfuß, mit den Knieen, mit den Fersen und mit den Fäusten.«

»Das muß ein schönes Reiten sein«, sagte der junge Mann.

[] »Ja«, erwiderte der Krauskopf, »ein gutes ist es, sie bringen mich nicht herab, wenn sie schlagen, beißen, steigen und springen.«

»Hast du ein Pferd?« fragte der Reiter.

»Ich habe selber kein Pferd, ich habe gar nie einmal eines gehabt; aber ich reite mit den Pferden der andern.«

»Und lassen die andern dich auf ihren Pferden reiten?« fragte der junge Mann.

»Ja, von der Weide und in die Schwemme«, entgegnete der Krauskopf. »Es gehen Pferde auf dem Anger herum, und wälzen sich, oder fressen.«

»Sind es gute Pferde?« fragte der Reiter.

»Ja, gute Pferde«, antwortete der andere, »es ist ein Unterschied, einige sind stärker, andere schwächer, aber so zierlich schön und glatt wie das Eurige ist keines. Ich möchte einmal auf einem solchen Pferde sitzen, auf einem Sattel, und die Füße in diese eisernen Schlingen da stecken.«

»Dazu muß man Geschick haben«, sagte der Reiter.

»Wer schwimmt, und Rabennester abnimmt, auf Stangen über einen Bach geht, und einen Stier fängt, wird doch auch auf einem solchen Sattel sitzen können.«

»Ja, das Sitzen ist leicht«, sagte der Reiter, »aber das Pferd zu leiten, daß es vernünftig ist, und den Willen des Reiters weiß.«

»Das würde ich schon machen«, antwortete der Krauskopf. »Ich würde mein Pferd zuerst pflegen, wie Ihr tut.«

»Das ist gut«, sagte der Reiter.

»Ihr habt den eigenen Mantel darauf gelegt,« erwiderte der andere, »daß es sich nach dem scharfen Ritte nicht verkühle.«

»Siehst du, daß du die Behandlung der Pferde nicht kennst«, sagte der Reiter; »nach einem scharfen Ritte darf man die Pferde, auch wenn sie mit einem Mantel[] bedeckt werden, nicht stehen lassen, sondern man muß sie herum führen, erst schneller, dann langsamer, daß sie die Wärme gemach verlieren, und für Futter und Trank tauglicher werden.«

»Warum habt Ihr denn Euer Pferd dann sogleich stehen gelassen?« fragte der andere.

»Weil ich gar nicht scharf geritten bin«, antwortete der Reiter.

»Ihr seid nicht scharf geritten?« fragte der Krauskopf, und sah den Reiter starrer an.

»Wenn nicht Schnelligkeit nötig ist«, entgegnete der junge Mann, »so lasse ich das Pferd seinen langsamen Schritt gehen. Es dankt mir dann ein ander Mal, wenn ich Kraft und Schnelligkeit brauche.«

»Das ist sehr gut«, sagte der Krauskopf. »Ich würde meinem Pferde Treue erweisen, daß es mir wieder treu würde, und mir folgte.«

»Daran würdest du sehr wohl tun«, sprach der Reiter.

»Weil ich die Wege in dem Walde kenne und weiß, wie alle Menschen im Walde und ihre Hunde heißen, so würde ich auch den Willen eines Pferdes kennen«, sagte der andere.

»Kann sein«, entgegnete der Reiter.

»Ich werde aber nie ein Pferd haben«, sagte der Krauskopf.

»Warum denn nicht?« fragte der Reiter.

»Weil ich nie so viele Pfennige haben werde, mir eins zu kaufen«, entgegnete der andere.

»Ja so«, sagte der Reiter.

»Und wenn ich der erste Knecht des Waldes wäre, so könnte ich mir nie ein so ritterliches Pferd kaufen, wie das Eurige ist. Mit einem ritterlichen Pferde würde ich Erkleckliches bewirken«, sagte der Krauskopf.

»Ja, da wirst du nie eines bekommen«, entgegnete der junge Mann.

[] »Wenn ich im Kriege bei den Unsrigen eine Lanze ergriffe, zu den Feinden ginge, ihnen ein Pferd nähme, und darauf zu uns zurück ritte: gehörte das Pferd mir?«

»Es wäre Beute«, sagte der Reiter.

»Gehörte es mir?« fragte der andere wieder.

»Wenn du kein Wege- und Gelegenheitslagerer bist, sondern ein zugeteilter Kriegsknecht, und wenn du das Pferd nicht in der allgemeinen Schlacht oder sonst in einem Angriffe erwirbst, sondern wenn du allein hinüber gehst und es allein herüber bringst, so wird man es dir wohl lassen«, antwortete ihm der Reiter.

»So werde ich also tun«, entgegnete der Mann.

»Tu es, mein Freund«, sagte der Reiter.

Das Pferd war indessen mit seiner Nahrung lässiger geworden, und hatte öfter umgeblickt. Der Reiter ließ ihm Wasser bringen, und tränkte es, dann mischte er ihm wieder etwas Haber in seine Kufe. Während es denselben verzehrte, blieb er dabei stehen. Der Krauskopf blieb auch stehen, und sah zu. Als das Pferd fertig war, wurde es noch einmal getränkt, und der Reiter wischte ihm dann die Lippen ab, und die Kufe wurde seitwärts gestellt. Hierauf ging der junge Mann zu seinem Tische, und verlangte nach dem Wirte. Als dieser erschienen war, fragte er ihn: »Was bin ich Euch schuldig?«

»Die Zehrung macht siebenzehn Pfennige, und das Waschen des Troges macht drei Pfennige«, sagte der Wirt.

Der Reiter nestelte auf der Brust ein wenig sein Wams auf, und zog ein Beutelchen heraus. Er las aus demselben den Betrag, reichte ihn hin, zog das Beutelchen zu, und barg es wieder in seinem Wamse. Dann begab er sich zu seinem Pferde, zäumte es, schnallte den Mantel, führte es ein wenig gegen die Gasse vorwärts, und bestieg es. Der Krauskopf war mit ihm gegangen, und sah überall zu. Da der Reiter auf dem Pferde saß, richtete er sich auf demselben zurecht, ritt gegen den Wirt, und sagte: »Ich [] danke Euch, lieber Herr, für die Bewirtung, und wünsche, daß Euch Gott behüte, und alle, die bei Euch sind.«

»Ich danke Euch«, antwortete der Wirt, »und wünsche Euch desgleichen, und reitet glücklich.«

Der Reiter ritt nun langsam von der Gasse weg, den Krauskopf, und die ihm nachsahen, hinter sich lassend. Er ritt in der Richtung zwischen Morgen und Mitternacht fort. Er ritt wieder eine Lehne hinan, eine Lehne hinab, ein Wäldchen aus, ein Wäldchen ein, der Boden wurde immer unwirtlicher und war endlich mit Wald bedeckt. Der Weg hatte Wurzelgeflechte und Granitsteine, und das Pferd setzte behutsam seine Hufe.

Da es Abend geworden war, kam der Reiter auf der Schneide eines langen von Abend gegen Morgen gestreckten Berges an. Derselbe ging mit lauter Wald in ein enges Tal hinab, und unten blitzte ein Wässerlein. Jenseits ging wieder ein noch höherer und mächtigerer Wald empor, und auf seinem Rande ragte ein Steinblock in die Höhe. – Der Reiter hielt ein Weilchen an, und sah auf den Steinblock hin.

Dann ritt er in dem Walde, der vor ihm lag, hinunter. Er ritt unter den Ästen der Bäume, die um ihn waren, dahin, und mußte sich vor manchem bücken, welcher zu niedrig war. Nach einer Zeit kam er bei einem roten Kreuze an. Er hielt an dem Kreuze stille, und tat ein kurzes Gebetlein. Dann ritt er wieder weiter. Als es ganz finster geworden war, stieg er vom Pferde, nahm ihm die Zügel über den Hals nach vorwärts, ging vor ihm, und führte es hinter sich her. Von dem Kreuze hatte er noch eine kurze, aber sehr steile Stelle zu dem Wasser hinunter. An dem Wasser verbreitete sich ein Feuergeruch, der Reiter ging auf eine offene Stelle hinaus, auf welcher aus mehreren dunkeln Erhöhungen Feuerzünglein empor gingen, die die nächtlichen Tannen beleuchteten, und aus denen sich ein lichter Rauch über den Wald erhob. Seitwärts [] dieser Erhöhungen waren mehrere Hütten, aus denen manches Lichtlein glänzte. Der Reiter führte sein Pferd zu einer der Hütten. Als er dort angekommen war, öffnete sich die Tür der Hütte, und ein Mann und ein Weib und zwei Kinder traten heraus.

»Seid Ihr da«, sagte der Mann, »wir haben Euch schier nicht mehr erwartet.«

»Sei gegrüßt, Mathias«, entgegnete der Reiter, »von Passau kann ich wohl nicht in kürzerer Zeit da sein.«

»So bringt nur Euer Pferd herein«, sagte der Mann, und öffnete nicht weit von der Tür ein Tor.

»Margaretha, leuchte mit einem Span«, sagte er.

Das Weib lief in die Hütte, und kam bald mit einem brennenden Buchenspan zurück. Sie ging mit dem Span durch das Tor ein, der Reiter mit dem Pferde folgte ihr, und hinter ihm gingen der Mann und die Kinder. Sie kamen in einen Stall. Zwei Kühe hingen in einer Ecke dicht bei einander, und für das Pferd hatte man einen freien Platz gemacht. Es wurde dort angebunden, und der Reiter und der Mann befreiten es von Zaum und Sattel. Der Reiter deckte seinen Mantel über dessen Rücken. Die Kinder schauten zu. Dann ging man von dem Stalle durch eine kleine Tür in die Stube. In der Stube stand ein hoher Pflock, der mehrere eiserne Schleifen hatte. In zweien dieser Schleifen staken brennende Buchenspäne. Die Frau steckte ihren Span in eine dritte Schleife. Der Reiter setzte sich auf einen hölzernen Stuhl. Die Frau deckte ein Linnen auf einen Tisch von weichem Holze und stellte dann eine Schüssel mit Suppe auf den Tisch. Der Reiter, der Mann, die Frau und die Kinder aßen von der Suppe. Dann sagte der Mann: »Ich werde Euch Euer Pferd besorgen, da Ihr müde sein mögt.«

»Wir werden es beide besorgen«, antwortete der Reiter.

Der Mann nahm einen Span, ging dem Reiter voran in den Stall, und dieser folgte ihm. In dem Stalle gab der [] Reiter dem Pferde von dem Futter, das schon vorgerichtet war. Dann ging man wieder in die Stube. Als dieses so oft geschehen war, als sich nötig zeigte, bis das Pferd seine völlige Pflege erhalten hatte, sagte der Mann: »Jetzt begeben wir uns zur Ruhe, und ruhet Euch recht gut.«

»Ihr auch«, sagte der Reiter.

Die Frau brachte die Kinder in ein Seitenkämmerlein der Stube, und der Mann folgte der Frau und den Kindern.

Der Reiter schnallte sein Schwert ab, nahm seine Haube von dem Kopfe, löschte die Späne aus, legte sich angekleidet auf ein Bett, das in einer Ecke der Stube stand, legte sein Schwert neben sich, und bereitete sich zum Schlummer.

Als des andern Tages die Sonne über den Wald empor ging, stand der Reiter wieder mit seiner Haube auf dem Kopfe und mit dem Schwerte an der Lende vor der Hütte. Es war ein Stückchen Feld und Wiese um diese wie um die anderen Hütten. Die schwarzen Erhöhungen, welche Kohlenmeiler waren, brannten und rauchten wie gestern.

Aus der Hütte kam die Frau mit den Kindern, die heute morgens schöner angekleidet waren, und sagte: »Kommt zur Suppe, lieber Herr.«

Der Reiter ging in die Stube, und alle zusammen verzehrten eine Schüssel voll warmer Milch mit Roggenbrot.

Der Reiter ging dann in den Stall, und vollendete die Morgenpflege seines Pferdes.

Als dieses vorüber war, sagte er: »Weil heute Sonntag ist, soll das Pferd ruhen. Ich werde in den Wald hinauf und zu dem Fels der drei Sessel gehen. Ich habe ihn gestern von dem Rande des breiten Berges aus betrachtet. Am Nachmittage werde ich wieder zurückkehren. Du, Mathias, besorge die Mittagpflege des Pferdes, wie du schon weißt.«

»Ich werde es betreuen, wie das schöne milchweiße Pferd in Plan, welches Ihr gehabt habt«, sagte der Mann.

[] »Das weiße Pferd wäre mir zu dem, was ich jetzt vorhabe, doch zu schwach«, entgegnete der Reiter.

»So steckt doch wenigstens ein Stück Brod zu Euch«, sagte die Frau.

Der Reiter nahm das dargereichte Stück Brod, und barg es in seinem Wamse.

Dann ging er gegen das Wasser, welches in der Nähe der Hütte vorüber floß. Die Bewohner der Hütte begleiteten ihn bis an das Wasser.

»Euer Mihelbach fließt recht schön an deiner Hütte vorüber«, sagte der Reiter.

»Ja«, erwiderte der Mann, »zuweilen aber nicht oft auch in dieselbe hinein.«

»Nun gehabe dich wohl, Mathias, und Ihr auch, Frau, mit Euern Kindlein«, sagte der Reiter.

»Gehabt Euch wohl, junger Herr«, antwortete der Mann.

»Erhitzt Euch nicht zu sehr, und kommt gesund wieder zurück«, sagte die Frau.

»Es wird schon so geschehen«, erwiderte der Reiter.

Dann ging er auf dem flachen Holzstege über das Wasser, die andern gingen gegen die Hütte zurück.

Jenseits des Wassers ging er in dem Walde empor. Der Himmel war ganz blau, und man konnte die Waldglocken von Rindern und manchen Schrei eines Vogels hören. Der Reiter wich zuweilen von dem Pfade ab und ging auf eine Waldblöße hinaus.

Auf einer solchen Waldblöße, auf welcher kurzes Gras und kleine weiße Blümchen waren, und an deren Rande große Ahorne standen, lag, als die Ahorne endeten, ein sehr großer Stein, fast so groß als ein Haus, als wäre er von Menschenhänden hingelegt worden, und an dem Steine stand eine ungemein hohe Tanne. Der Reiter kniete an der Tanne nieder, und verrichtete ein Gebet. Als er gebetet hatte, stand er wieder auf, und ging am Rande der Blöße weiter. Er kam wieder zu Ahornen, unter [] denen abermals Steine lagen, aber kleine, als wären sie zum Sitzen hergelegt worden. Der Reiter versuchte die Steine als Sitze, und sie taugten. Da er wieder aufgestanden war, und weiter gehen wollte, hörte er plötzlich Stimmen. Es war ein Gesang so klar und schmetternd wie von Lerchen. Es waren aber nicht Lerchenstimmen, sondern Menschenstimmen, Mädchenstimmen. Sie sangen jenes Lied ohne Worte, in welchem im Walde und in Bergen das Herz sich in allerlei Schwingungen der Stimme, im Stürzen und Heben derselben, im Wandeln und Bleiben ausspricht. Es waren zwei Stimmen, die im Vereine und in Verschlingungen klangen. Sie erklangen, hoben sich, senkten sich, trugen sich, trennten sich, neckten sich, schmollten und jubelten. Es war die Lust und Freude, die sie tönten. Der Gesang schien näher zu kommen. Mit einem Male traten zwei Gestalten aus den Tannen hervor, und standen am Rande derselben Blöße wie der Reiter und in nicht großer Entfernung von ihm. Sie hielten sich mit zwei Armen die Nacken umschlungen, die anderen zwei Arme hatten sie frei. Es waren junge Mädchen mit bloßen Köpfen, von deren jedem zwei Zöpfe niedergingen. An den Armen war weißes Linnen, von den Brustlatzen, die rot waren, fiel der starkfaltige schwarze Rock hinab. Eines der Mädchen trug wilde rote Rosen, neben einander stehend, um das Haupt. Das andere hatte keine Zierde. Da sie auf die Wiese getreten waren, und den Mann sahen, hörte ihr Gesang auf. Sie blieben stehen, sahen auf ihn hin, und er stand gleichfalls, und sah auf sie. Dann begann er langsam gegen sie hin zu gehen. Sogleich trat das Mädchen, welches keine Rosen hatte, in den Wald zurück, das andere blieb stehen. Der Reiter ging zu demselben hin. Da er bei ihm angekommen war, sagte er: »Was stehst du mit deinen Rosen hier da?«

»Ich stehe hier in meiner Heimat da«, antwortete das [] Mädchen; »stehst du auch in derselben, daß du frägst, oder kamst du wo anders her?«

»Ich komme anders wo her«, sagte der Reiter.

»Wie kannst du dann fragen?« entgegnete das Mädchen.

»Weil ich es wissen möchte«, antwortete der Reiter.

»Und wenn ich wissen möchte, was du willst«, sagte das Mädchen.

»So würde ich es dir vielleicht sagen«, antwortete der Reiter.

»Und ich würde dir vielleicht sagen, warum ich mit den Rosen hier stehe«, entgegnete das Mädchen.

»Nun, warum stehst du da?« fragte der Reiter.

»Sage zuerst, was du willst«, erwiderte das Mädchen.

»Ich weiß nicht, warum ich es nicht sagen sollte«, erwiderte der Reiter, »ich suche mein Glück.«

»Dein Glück? hast du das verloren?« sagte das Mädchen, »oder suchst du ein anderes Glück, als man zu Hause hat?«

»Ja«, antwortete der Reiter, »ich gehe nach einem großen Schicksale, das dem rechten Manne ziemt.«

»Kennst du dieses Schicksal schon, und weißt du, wo es liegt?« fragte das Mädchen.

»Nein«, sagte der Reiter, »das wäre ja nichts Rechtes, wenn man schon wüßte, wo das Glück liegt, und nur hingehen dürfte, es aufzuheben. Ich werde mir mein Geschick erst machen.«

»Und bis du der rechte Mann, wie du sagst?« fragte das Mädchen.

»Ob ich der rechte Mann bin«, antwortete der Reiter, »siehe, das weiß ich noch nicht; aber ich will in der Welt das Ganze tun, was ich nur immer tun kann.«

»Dann bist du vielleicht der Rechte«, erwiderte das Mädchen, »bei uns, sagt der Vater, tun sie immer weniger, als sie können. Du mußt aber ausführen, was du sagst, nicht bloß es sagen. Dann weiß ich aber doch noch nicht, [] ob du ein Schicksal machen kannst. Ich weiß auch nicht, ob du ein Schicksal machst, wenn du in unserem Walde auf der Wiese stehst.«

»Ich darf da stehen«, sagte der Reiter, »denn heute ist Sonntag, der Ruhetag für Menschen und Tiere, wenn es nicht eine Not und Notwendigkeit anders heischt. Mein Pferd habe ich eingestellt. Ich bin in den Wald herauf gegangen, zu beten. Und für den übrigen Tag will ich versuchen, ob ich nicht zu dem Steine der drei Sessel hinauf gelangen kann.«

»Das kannst du«, sagte das Mädchen, »es geht ein Pfad hinauf, den du immer wieder leicht findest, wenn du ihn einmal verlierst. Weil aber der Stein von dem Grunde, der um ihn herum ist, wie eine gerade Mauer aufsteigt, so haben sie Stämme zusammen gezimmert, haben dieselben an ihn gelehnt, und durch Hölzer eine Treppe gemacht, daß man auf seine Höhe gelangen kann. Du mußt aber oben sorgsam sein, daß dein Haupt nicht irre wird; denn du stehst in der Luft allein über allen Wipfeln.«

»Bist du schon oben gestanden?« fragte der Reiter.

»Ich werde doch, da ich so nahe bin«, antwortete das Mädchen.

»Nun«, sagte der Reiter, »wenn du schon oben gestanden bist, so werde auch ich oben stehen.«

»Und wenn du heute von den drei Sesseln herunter kommst«, sagte das Mädchen, »dann reitest du morgen nach deinem Geschicke weiter?«

»Ich werde weiter reiten«, sagte er; »warum hast du die Rosen?«

»Muß ich antworten, wenn ich gefragt werde?« sagte das Mädchen.

»Wenn die Eltern fragen, mußt du antworten«, entgegnete der Reiter, »wenn jemand anderer artig fragt, sollst du, und wenn du es versprochen hast, mußt du antworten.«

[] »So will ich dir so viel sagen, als du gesagt hast«, antwortete das Mädchen, »ich trage die Rosen, weil ich will.«

»Und warum willst du denn?« fragte der Reiter.

»Für den Willen gibt es keine Ursache«, sagte das Mädchen.

»Wenn man vernünftig ist, gibt es für den Willen immer eine Ursache«, erwiderte der Reiter.

»Das ist nicht wahr«, sagte das Mädchen, »denn es gibt auch Eingebungen.«

»Trägst du die Rosen aus Eingebung?« fragte der Reiter.

»Das weiß ich nicht«, entgegnete das Mädchen, »aber wenn du mir mehr von dir sagst, so sage ich dir auch mehr.«

»Ich kann dir nicht viel sagen«, antwortete der Reiter, »ich habe eine Mutter, die in Baiern wohnt, mein Vater ist gestorben, und ich reite jetzt in die Welt, um meine Lebenslaufbahn zu beginnen.«

»So will ich dir auch etwas sagen«, erwiderte das Mädchen. »Meine Eltern haben von hier weiter oben ein Haus. Wir würden es erreichen, wenn wir hier in den Wald gingen, wo ich mit meiner Gespanin herausgetreten bin, wenn wir in dem Walde nach aufwärts gingen, bis wir ein Wasser rauschen hörten, und wenn wir dann zu dem Wasser gingen, und demselben immer entgegen, dann würden endlich Wiesen und Felder kommen, und in ihnen das Haus. An dem Hause ist ein Garten, wo die Sonnenseite ist, und in dem Garten stehen viele Blumen. Und an der Hinterseite des Hauses geht ein Riegel gegen die Tannen, auf welchem viele Waldrosen stehen, und diese nehme ich oft.«

»Hast du die Rosen heute aus Eingebung genommen? Sie sind mir ein Zeichen, daß meine Fahrt gelingen wird«, sagte der Reiter.

»Ich habe einen Metallring, in welchen die Rosenstiele passen«, sagte das Mädchen, »habe heute Rosen genommen, [] habe sie in den Ring gesteckt, und den Ring auf das Haupt getan.«

»Weil wir noch mehr sprechen werden«, sagte der Reiter, »so gehen wir ein wenig an dem Waldsaume hin, woher du mich kommen gesehen hast. Da werden wir Steine finden, welche zu Sitzen taugen. Auf dieselben können wir uns setzen, und dort sprechen.«

»Ich weiß es nicht, ob ich noch mehreres mit dir sprechen werde«, antwortete das Mädchen, »aber ich gehe mit dir zu den Steinen, und setze mich ein wenig zu dir. Ich kenne die Steine, ich selber habe die Sitze machen lassen. Im Sommer ist es am Vormittage dort sehr heiß, am Nachmittage aber schattig. Im Herbste ist es vormittags lieblich und mild.«

Sie wandelten nun in der Richtung an dem Saume des Waldes hin, in welcher der Reiter zu den Mädchen hergekommen war. Sie hatten bald jene Steine erreicht, an denen der Reiter versucht hatte, ob sie zu Sitzen tauglich wären. Er blieb stehen, und harrte, bis das Mädchen sich gesetzt hatte. Es setzte sich auf einen glatten Stein. Der Reiter setzte sich zu ihrer Linken auf einen, der etwas niederer war, so daß nun sein Angesicht mit dem ihrigen fast in gleicher Höhe war. Das Schwert ragte zu seiner Linken in die niederen Steine hinab. Sie sprachen nun nichts.

Nach einer Weile sagte der Reiter: »So rede etwas.«

»So rede du etwas«, antwortete sie, »du hast gesagt, daß du mit mir noch sprechen willst.«

»Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich sagen wollte«, entgegnete er.

»Nun, ich auch nicht«, sagte sie.

Nach einer Zeit sagte der Reiter: »Es ist wahr, was du gesprochen hast, daß an Vormittagen die Sonne sehr mild auf diese Steine scheint.«

Sie antwortete nicht. Nach einer Weile sagte sie: »Trägst du immer diese häßliche Haube auf deinem Haupte?«

[] »Nein, nur wenn ich sie brauche«, sagte er, »sie ist sehr leicht herab zu nehmen.«

Bei diesen Worten nahm er die Lederhaube samt ihrem Anhange von seinem Haupte, und eine Fülle schöner blonder Haare rollte auf seinen Nacken herab. Die Haube legte er in das Gras.

»Ach, was Ihr für schöne Haare habt!« sagte das Mädchen.

»Und was du für rote Wangen hast«, erwiderte er.

»Und wie blau Eure Augen sind«, sagte sie.

»Und wie braun und groß die deinen«, antwortete er.

»Und wie Ihr freundlich sprecht«, sagte sie.

»Und wie du lieblich bist«, antwortete er.

»Sagt, wie könnt Ihr nur die Fülle dieser Haare in der ledernen Haube unterbringen?« fragte das Mädchen.

»Das mache ich so«, antwortete der Reiter, »ich fasse die Haare, halte sie mit einer Hand, und setze den Helm mit der andern darauf.«

Bei diesen Worten griff er nach dem Lederhelme, faßte mit seiner Linken die Haare, hielt sie auf dem Haupte, und setzte mit der Rechten den Helm darauf.

»Ach, das ist schön«, sagte sie.

»Nun sind sie bedeckt«, antwortete er.

»Ja, legt nur die Haube wieder weg«, sagte sie.

Er nahm den Helm von dem Haupte, und legte ihn wieder an seine vorige Stelle, und die Haare flossen wieder herab.

»Wenn Ihr wollt in den Kampf gehen«, fuhr das Mädchen fort, »wie werdet Ihr dann die Feinde schrecken können, wenn Ihr so freundlich blickt?«

»Wer sagte dir denn, daß ich in den Kampf gehen werde?« fragte der Reiter.

»Ich weiß es«, antwortete das Mädchen.

»Nun, in meinem Geschicke werden wohl Kämpfe sein«, sagte der Reiter.

»Der Kampf ist eine Ehre«, antwortete das Mädchen.

[] »Wenn er nicht Raub und Gewalt ist, ehret der Kampf«, sagte der Reiter, »wenn man gegen feindselige Menschen den Vater, die Mutter, den Bruder, die Schwester, den Nachbar und das Volk verteidigt, ehret er noch mehr, und muß mit dem ganzen Leben geführt werden. Dazu muß man sich vorbereiten.«

»Ihr habt eines vergessen, das man noch verteidigen muß«, sagte sie.

»Was?« fragte er.

»Sein Weib«, antwortete sie.

»Ich habe kein Weib, und habe darauf nicht gedacht«, erwiderte er; »aber wenn man schon das ganze Volk verteidigt, so verteidigt man sein Weib mit.«

»Nein, dasselbe muß man am meisten verteidigen«, sagte das Mädchen.

»Nun, so verteidigt man es am meisten«, entgegnete der Reiter.

»Und wie werdet Ihr dann blicken, daß der Feind weniger Herz hat?« fragte sie wieder.

»Das weiß ich nicht«, antwortete er; »aber ich werde blicken, wie mir's ist, und das wird der Feind verstehen. Dich blicke ich freundlich an, weil ich freundlich gegen dich bin.«

»Und da Ihr sagt, daß man sich zur Verteidigung vorbereiten muß, so habt Ihr Euch vorbereitet?« fragte das Mädchen.

»Weil ich will ein Reiter sein«, antwortete er, »so habe ich gelernt, ein Pferd zu pflegen, und darauf zu reiten; ich habe mich im Angriff und im Schutz geübt, werde im Kriege lernen, und werde einsehen, wie man eine Schar von andern anzuführen hat.«

»Wollt Ihr ein Anführer werden?« fragte sie.

»Wenn es sein kann, ja«, antwortete er.

»Habt Ihr ein schönes Pferd?« fragte das Mädchen.

»Es ist nicht ein schönes, es ist nicht ein häßliches«, erwiderte [] der Reiter, »aber unter den guten ist es eines der besten. Es ist gesund und stark, witzig und treu. Ich liebe es, und es liebt mich wieder, und folgt mir.«

»Was hat es denn für eine Farbe?« fragte das Mädchen.

»Es ist ein eisengraues Pferd«, entgegnete der Reiter.

»Und warum tragt Ihr denn nicht eine Kopfzier, wie die andern hohen Männer?« fragte das Mädchen.

»Ich bin kein hoher Mann«, antwortete der Reiter, »und die Haube ist mir sehr wert. Sieh her, sie ist von der Haut des Elentieres, das weit von hier lebt. Ein Schwerthieb geht nicht durch.«

Bei diesen Worten hatte er den Helm aufgehoben, und ihn dem Mädchen gezeigt. Das Mädchen sah ihn an, und befühlte sein weiches Leder mit den Fingern.

»Und ist es denn nicht sehr heiß, wenn Ihr die langen Haare in der Haube tragt?« fragte sie.

»Es ist heißer, als wenn die Haare kurz sind«, antwortete er, »aber Hitze und Kälte muß dem Manne gleich sein. Bei allen alten Völkern hat man lange Haare geliebt, und sie schützen auch gegen Hiebe.«

»Sind Eure andern Kleider ebenfalls von der Haut dieses Tieres?« fragte das Mädchen.

»Der Panzer; das übrige ist geringer«, antwortete der Reiter. »Sie haben sonst auch Schienen, ich habe das Leder.«

»Ihr habt Euer Schwert in den Wald mitgenommen«, sagte das Mädchen.

»Ich habe es immer bei mir«, entgegnete der Reiter, »außer wenn ich zu Hause in sicherer Kammer schlafe. Schwert ist zugleich Schwert und Schild.«

»Ist es schön?« fragte das Mädchen.

»Siehe«, sagte der Reiter.

Er wendete die Scheide gegen sich, zog das Schwert daraus hervor, und reichte es ihr dar. Sie nahm es so, daß einen Teil der bloßen Klinge sie hielt, den andern er.

»Ach, welche Zeichen!« rief sie aus.

[] »Das ist Sankt Peter mit der Kette«, sagte er, »wir haben ihn zu unserm Schutzheiligen, weil wir aus Rom stammen. Was du um ihn herum siehst, das ist Zierat.«

»Und was ist denn das andere?« fragte das Mädchen.

»Das ist auch Zierat«, entgegnete der Reiter.

»Das Bild ist ein schönes Bild«, sagte sie.

»Es muß schön gemacht sein«, antwortete er, »und das Schwert muß gegen Hiebe und Gewalt gut gestärkt sein. Das wirst du nicht erkennen.«

»Nein«, sagte sie.

Er nahm die Scheide, hielt sie, und steckte das Schwert wieder in dieselbe.

»Und nun, Mädchen, wie heißest du denn?« fragte er.

»Bertha«, antwortete sie, »und wie heißt denn Ihr?«

»Witiko«, entgegnete er, »und wie alt bist du denn?«

»Sechzehn Jahre«, sagte sie, »und wie alt seid denn Ihr?«

»Zwanzig«, erwiderte er, »ich bin neun Jahre nach der Zeit geboren worden, da der Herzog Swatopluk von Böhmen erschlagen worden ist.«

»Ich habe mir gedacht, daß Ihr sehr jung seid«, entgegnete sie.

»Und lebst du im Walde, Bertha?« fragte er.

»Im Walde und auch anderswo«, antwortete sie; »ich habe Euch ja schon gesagt, daß wir weiter aufwärts von hier ein Haus haben. Dann ist noch das Häuschen des Vaters meiner Singgespanin, sonst ist nichts.«

»Habt Ihr eine Kirche?« fragte er.

»Sie steht fünf Stunden von hier in der Freiung«, antwortete sie, »wenn man dann hundert Schritte von unserm Hause abwärts geht, und noch eine halbe Stunde zur Mihel zu gehen hätte, wo die Köhler sind, steht ein dunkelrotes hohes Hüttlein aus Holz, und in dem Hüttlein ist die heilige Mutter mit dem Jesuskinde aus Holz. Der Bischof hat sie geweiht. Vor dem Hüttlein stehen [] kleine Bänklein, daran man knieen und beten kann. Wir beten da. Hinter dem Hüttlein stehen Ebereschenbäume, und Ebereschenbäume gehen bis zu unserem Hause. Jetzt sagt mir aber auch etwas von Euch.«

»Mein Geschlecht ist dunkel«, antwortete er, »es ist aber nicht immer so gewesen.«

»Und wo werdet Ihr dann hingehen, wenn Ihr morgen von hier fortreitet?« fragte sie.

»In das Land Böhmen«, antwortete er.

»In das Land Böhmen?« fragte sie, »warum geht Ihr denn nicht zu dem neuen Könige Konrad oder zu unserem Herzoge Heinrich?«

»Das ist so«, entgegnete er: »im Mittage des Landes Böhmen haben meine Vorfahren im Walde gelebt. In alten Zeiten vor vielen hundert Jahren, da es noch gar kein deutsches Reich gegeben hat, da in dem Lande der Franken, das sehr groß war, die tapfern Hausmeier der alten Könige geherrscht haben, ist ein Mann aus dem Stamme der Fürsten Ursini in Rom, der auch Witiko wie ich geheißen hat, wegen Verfolgung eingedrungener Feinde mit seinem Weibe, mit seinen Kindern, mit seinen Anverwandten und mit einem kriegerischen Gefolge in das Land gegen Mitternacht gegangen, und bis an die Donau gekommen. Von dort wollte er in das Land Böhmen einbrechen. Aber Woyen, der Herzog Böhmens, der erstgeborne Sohn des Herzogs Mnata, der noch heidnisch war, und die Christen haßte, zog ihm mit einem Heere entgegen, und tötete in einer Niederlage, die Witiko erlitt, fast alle seine Leute. Da trug Witiko dem Herzoge Woyen ein Bündnis an, er wollte sich ihm unterwerfen, und die Marken Böhmens gegen die Fremden verteidigen, wenn ihm der Herzog in den waldigen Bergen, in welche er eingedrungen war, eine Wohnung geben wolle. Der Herzog gab sie ihm, und nun wohnte er an einem Berge in dem Walde. Sie breiteten sich aus, wurden mächtig, [] und gründeten das Christentum, daß sich vierzehn Lechen vom Mittage Böhmens lange vor der Zeit, da Bořiwoy der erste christliche Herzog Böhmens war, in Regensburg taufen ließen. Dann nahm das Geschlecht wieder ab, wurde unbekannt, und ich bin der letzte davon. Witiko hatte auf dem Berge an seiner Wohnung Waldrosen gepflanzt, wie auf einem Berge neben seiner Wohnung in Rom Waldrosen gestanden sind. Alle Vorgänger des alten Witiko, welche in die Zeiten hinauf reichten, da noch gar kein Christ auf der ganzen Welt war, hatten Waldrosen gepflanzt, weil noch keine anderen waren, und alle Nachfolger haben Waldrosen gepflanzt.«

»Es wird doch eine Eingebung gewesen sein, daß ich die Rosen genommen habe«, sagte Bertha.

»Nimmst du oft Rosen?« fragte Witiko.

»Ich nehme sie zuweilen«, sagte Bertha.

»Und daß es in dieser Jahreszeit noch Rosen gibt, ist schon ein Wunder«, sagte Witiko.

»Ich habe diese auch nur heute im Waldschatten gefunden, und in meinen Ring gesteckt«, entgegnete Bertha.

»Siehst du«, sagte Witiko.

»So mögen sie Euch ein Zeichen sein«, erwiderte Bertha, »und möget Ihr recht viel Glück haben. Ich werde Euch zu meinem Vater führen, daß er Euch einen Mann zu den drei Sesseln mitgibt, der Euch den kürzesten Pfad weist.«

»So führe mich zu deinem Vater, Bertha«, sagte Witiko.

»Wollt Ihr?« fragte sie.

»Ich will«, antwortete er.

»So kommt«, sagte sie.

Bei diesen Worten erhob sie sich, der Reiter setzte seine Lederhaube auf den Kopf, und stand gleichfalls auf.

Sie gingen nun an dem Waldsaume bis zu der Stelle, an welcher die Mädchen herausgekommen waren. Dort traten sie unter die Stämme, und in kleiner Tiefe des Waldes [] stand das andere Mädchen, das mit Bertha gesungen hatte. Als Bertha und Witiko sich ihr näherten, nahm sie die Flucht, und lief vor ihnen her. Witiko sah nun, daß ihre Zöpfe, die auf das dunkle Kleid hinab gingen, eine lichte fast weißgelbe Farbe hatten, während die Berthas braun wären. Sie lief aber so, daß sie bald nicht mehr gesehen werden konnte. Witiko und Bertha gingen unter den hohen Tannen des Waldes und zwischen bemoosten Steinen dahin. Sie gingen aufwärts.

Nach einer Weile hörten sie ein Wasser rauschen, welches in der Gegend zu ihrer linken Hand fließen mußte. Bertha wendete sich nun links, und ging zu dem Wasser, das man fast durch die Stämme aber tief unten in einer Schlucht sehen konnte. Bertha ging an dem Wasser in der früheren Richtung wieder fort, aber immer oben am Rande der Senkung. Sie gingen immer aufwärts. Nach einer Zeit wurde der Wald dünner, und sie traten endlich in das Freie. Da lag eine Wiese vor ihnen, hinter der Wiese waren Felder, und dann stand ein großes weißes Haus. Hinter dem Hause stieg der Wald empor, und war ein breites mächtiges Band. Seinen Sesselfels konnte man wegen der Nähe nicht sehen, gegen Morgen aber waren andere starke Steinrippen im Bande. Die Wiese war von Gestrippe und Steinen gereinigt. Bertha lenkte nun auf einen Pfad ein, der in der Wiese auf das Haus zuging. Der Pfad war geordnet und so breit, daß selbst ein Wagen auf ihm hätte fahren können. Als sie auf dem Pfade so weit fortgegangen waren, daß sie noch einige hundert Schritte zu dem Hause gehabt hätten, kamen sie zu der Betstelle des roten Hüttchens. Es stand an dem Wege, mit seiner Öffnung gegen Morgen dem Pfade zugekehrt. Unten war es geschlossen, oben hatte es eine Öffnung, in welcher das Bild der heiligen Mutter stand, es war in Gold in roten blauen und anderen Farben. Vier Ebereschenbäume hinter dem Hüttchen waren hoch empor [] gewachsen. Bertha kniete an einem Bänklein nieder, und tat ein Gebet. Witiko kniete neben sie, und betete auch. Dann standen sie auf, und gingen weiter. Das Rauschen des Wassers tönte aus der Schlucht herauf, und auch nicht weit vor dem Hüttchen kam ein Wasser aus dem Grase der Wiese, und schoß flüchtig nach abwärts.

»Ihr habt hier klare fröhliche Quellen«, sagte Witiko.

»Es sind noch mehrere, rechts und links«, antwortete Bertha, »sie kommen von den drei Sesseln und von dem Blöckensteine.«

»Und das ist euer Bild, von dem Ihr mir gesagt habt?« fragte er.

»Das ist das Bild«, antwortete sie.

»Und dort ist euer Haus?« sagte er.

»Dort ist das Haus«, erwiderte sie.

Nach kurzem Wandeln an den Reihen der Ebereschen kamen sie an das Haus.

An demselben war gegen Morgen ein Sandplatz, gegen Mittag ein Garten. Das Haus war sehr lang. Es war aus Stein gebaut, und weiß übertüncht. Die Fenster, welche in einer geordneten Reihe hingingen, waren mit eisernen Stäben verwahrt. Es hatte nur ein Erdgeschoß, welches aber hoch war, und auf welchem sich ein flaches Dach befand, das viele und große Steine deckten. Die schmale Seite des Hauses, welche dem Sandplatze zugekehrt war, hatte eine eisenbeschlagene Tür. Durch die Tür, welche nicht geschlossen war, sondern einem leichten Drucke wich, führte Bertha Witiko in das Haus. Sie kamen hinter der Tür in einen geräumigen Vorsaal, von dem ein Gang durch die Länge des Hauses fort lief, und von dem Vorsaale traten sie links wieder in einen Saal. Derselbe war groß, und hatte gegen die Schmalseite des Hauses vier, gegen dessen Langseite sechs Fenster. Der Fußboden war von Tannenbrettern, die Wände waren weiß getüncht, und die Decke war eine starkbalkige [] Diele von braungebeiztem Tannenholze, an den Wänden hingen Waffen, und in den Ecken lehnten auch einige. In der Mitte des Saales stand ein sehr langer Buchentisch.

An dem oberen Ende des Buchentisches saß ein Mann von etwa vierzig bis fünfzig Jahren. Er hatte ein weitfaltiges schwarzes Oberkleid an, von dem die lichtbraune Unterbekleidung hinab ging. Auf das Oberkleid fielen lange braune Locken hinab. Vor ihm standen zwei andere Männer, mit denen er sprach.

»In die Glurwiese geht ihr um fünf Uhr«, sagte er, »dann könnt ihr mit der Hälfte fertig werden.«

»Ja«, sagte einer der Männer.

»Ihr müßt im Scherholze an der Sonnenseite schlichten, und die Eckstöße fest machen«, sprach er weiter.

»Ja«, sagte der andere der Männer.

»So, jetzt geht, und berichtet mir, wenn es geschehen ist«, sagte er.

Die Männer entfernten sich, und gingen zur Tür hinaus.

Der Mann an dem Buchentische sah nun mit zwei großen blauen Augen auf Bertha und Witiko.

Bertha ging einige Schritte gegen den Mann und sagte: »Vater, da ist einer in den Wald gekommen, der nach seinem Glücke geht, und sich ein Schicksal machen will. Weil heute Sonntag ist, so ruhet er, und hat in dem Walde gebetet. Ich habe auf der Sperwiese mit ihm gesprochen, und bringe ihn dir.«

Der Mann mit den braunen Locken stand auf, ging gegen Witiko, und sagte: »Seid mir willkommen.«

»Ich nehme das Willkommen an«, sagte Witiko, »und wollet mein Eindringen entschuldigen.«

»Meine Tochter hat Euch gebracht, und Ihr seid willkommen«, sagte der Mann, »und Ihr wäret auch willkommen, wenn Ihr allein gekommen wäret; denn mein Haus ist gastlich.«

[] »Ich heiße Witiko von Přic«, sagte Witiko.

»Ich Heinrich«, antwortete der Mann.

»Der Reiter will heute auf die drei Sessel steigen«, sagte Bertha.

»Weil Ihr auf dem Wege nach gutem Dienste in mein Haus gekommen seid, Witiko«, sagte Heinrich, »so nehmet ein Mittagessen bei mir, ich werde Euch dann einen Mann geben, der Euch zu den Sesseln geleiten soll. Jetzt biete ich Euch einen Stuhl, und wenn es nicht gegen Eure Sitte ist, so schnallt Euer Schwert ab, daß Ihr ungehinderter seid.«

»Ich nehme die Einladung zum Mittagessen und zu einem Stuhle dankbar an, das Schwert kann ich aber nicht abschnallen, weil ich mir den Brauch auferlegt habe, es immer, wo es tunlich ist, zu tragen, daß es mir nicht einmal fehlt, wenn ich es brauche«, sagte Witiko.

»Daran tut Ihr nicht unrecht«, sage Heinrich, »und wenn Ihr von den drei Sesseln zurückkommt, werdet Ihr die Nachtherberge bei uns nehmen?«

»Ich reite morgen wieder weiter«, entgegnete Witiko, »habe mein Pferd bei den Köhlern an der Mihel, und muß heute wieder dahin zurück kommen.«

»So werden wir die Zeit so einrichten, daß Ihr es könnt«, sagte Heinrich.

Nach diesen Worten wendete er sich gegen den Tisch, rückte zwei Stühle zurecht, wies auf einen, und er und Witiko setzten sich nieder.

Dann sagte er zu Bertha: »Gehe zur Mutter, und verkündige ihr, daß wir einen Gast haben.«

Bertha ging gegen einen Fensterpfeiler, und hing ihren Kranz mit Rosen an einen Nagel.

»Warum hängst du denn dein Goldreiflein zu den Waffen?« fragte der Vater.

»Lasse die Rosen heute bei den Waffen hängen«, antwortete Bertha.

[] Dann ging sie durch eine Tür in das weitere Innere des Hauses.

Nach einigen Augenblicken kam sie mit der Mutter bei dieser Tür wieder heraus. Die Mutter hatte wie Bertha braune Haare und Augen. Sie hatte feine Hände und Glieder. An ihrem Körper war ein enges blaues Wams mit Silberrändern, die Vorderärmel und das weite Unterkleid waren aus blaßgelber Wolle. Die Haare deckte ein weites Netz mit Goldfädlein.

»Wiulfhilt«, sagte Heinrich, »der junge Reiter Witiko von Přic, der Sohn Woks und Wentilas, ist unser Gast.«

»So habt Ihr meinen Vater gekannt?« fragte Witiko.

»Ich habe Euern Vater gekannt, mein junger Reitersmann, und kenne Eure Mutter«, sagte Heinrich.

»Wir kennen die feine gute Wentila«, sagte die Frau, welche eingetreten war, »und wenn Ihr der Sohn derselben seid, so heiße ich Euch in unserem Hause willkommen.«

»Ich bin der Sohn derselben«, sagte Witiko, welcher aufgestanden war, »und so bin ich in einem Hause, in welchem meine Eltern gewesen sind.«

»In diesem Hause sind sie nie gewesen«, sagte Heinrich, »wohl aber in einem andern.«

»So seid Ihr uns in diesem Hause gegrüßt«, sagte Wiulfhilt.

»Ich freue mich des Grußes, edle Frau«, entgegnete Witiko, »und verzeiht, wenn ich Eure Sorge mehre.«

»Meine Sorgen für das Haus sind meine Freude«, sagte die Frau, »und für einen Gast doppelte Freude.«

»Wenn ich es nur verdiene«, entgegnete Witiko.

»Ihr verdient es, weil Ihr der Sohn Eurer Eltern seid«, antwortete Wiulfhilt, »und werdet es auch außerdem verdienen. Und wenn es auch nicht wäre, so wäret Ihr der Gast.«

»Wiulfhilt«, sagte Heinrich, »der Reiter will heute noch [] auf den Sesselfels gehen, und abends zu den Köhlern im Klaffergrunde zurückkehren. Sorge für ein zeitiges Mahl.«

»So erlaubt, daß ich mich bis zum Mittagessen beurlaube«, sagte die Frau.

»Tut nach Eurem Rechte«, entgegnete Witiko.

»Und ich werde der Mutter folgen«, sagte Bertha.

»Dann tust du recht«, erwiderte der Vater.

Und die Mutter und die Tochter verließen den Saal.

»Wenn es Euch genehm ist, so suchen wir bis zum Mittage die freie Luft auf«, sagte Heinrich zu Witiko.

»Es ist mir sehr genehm«, entgegnete Witiko.

Der Herr des Hauses führte seinen Gast nun durch eine andere Tür in den Garten. Er schürzte sein faltiges Gewand durch einen Gürtel, den er anzog, höher, und schritt in die Beete voran. Witiko folgte. Im Garten waren Küchengewächse, duftende Kräutlein und an Mauerlatten die Birnstaude. Am Ende des Gartens erhob sich ein Hügel, von dem sie den Garten das Haus und den Wald übersehen konnten.

Witiko sagte: »Ich habe nie gewußt, daß hier ein solches Haus steht, obgleich ich schon in dem Walde gewesen bin.«

»Es ist sehr abgelegen«, antwortete Heinrich, »die Pfade gehen unten an der Mihel vorüber, und keiner geht herauf, der weiter in die Länder liefe, weil hinter dem Hause gleich der hohe Wald beginnt, über den kein Fußweg steigt. So ist es rückwärts umfangen von der Wand der Sessel und des Blöckensteins, und vor ihm geht der Forst bis zu der Mihel hinunter. Wenn einmal die Wälder gereutet werden, dann können es die Menschen von weitem her erblicken, da es hoch gelegen ist. Die Sesselwand und der Blöckenstein werden wohl nie gereutet werden, weil sie steil sind und nur Waldgrund haben, und dann wird es licht gegen die hintere dunkle Waldhöhe abstehen.«

[] »Ist das Haus schon lange da?« fragte Witiko.

»Ich habe es erbaut«, entgegnete Heinrich.

»Und warum habt Ihr es denn in den abgelegenen Wald gebaut?« fragte Witiko.

»Weil ich es so gewollt habe«, antwortete Heinrich, »einige bauen auf Weiden, andere auf Felsen, andere in Wälder, und wenn man einmal des Schutzes bedürfte, so ist dieses Haus sehr verborgen, und unbekannt. Ich bin öfter mit den Meinigen hier, wenn wir nicht anderswo zu sehr fest gehalten werden.«

»Es muß auch sehr anmutig hier wohnen sein«, sagte Witiko.

»Ja jetzt, und vielleicht auch in künftiger Zeit«, erwiderte Heinrich, »der breite Berg, der jenseits der Mihel liegt, wird einmal eine Ortschaft werden, weil er die Ursachen dazu hat, nämlich guten Boden und Verbindungen, es werden vielleicht dann auch an manchen Stellen rings herum Wohnungen ja sogar Kirchen entstehen, und dann, wenn Zeiten sind, die es weniger benötigen, daß der einzelne Mann sich um Schutz umschaue, mögen die weißen Mauern dieses Hauses weithin leuchten, und manchen einladen, zu kommen, und sich in ihnen zu vergnügen.«

»Möge das Haus viele hundert Jahre dauern«, sagte Witiko.

»Wenn die, welche nach mir kommen, so denken, wie ich«, antwortete Heinrich, »so wird es dauern. Es können Tage erscheinen, da die Macht und das Ansehen eines Stammes schwinden; aber sie können wieder auferstehen, wenn nur der Stamm selber nicht ausgelöscht ist. Eines Tages kann dieses Haus zerstört und dem Erdboden gleichgemacht werden; aber ein anderes kann an der Stelle sich erheben, und wenn einer meiner Nachkommen hier lebt, und wenn er Freude am Walten in Mitte seines Besitztumes hat, so wird hier eine Wohnung sein, [] die den Besitzern behaglich, und den Fremden, die mit offenen Herzen kommen, freundlich ist.«

»Ich denke wie Ihr«, sagte Witiko, »kein Stamm kann untergehen, wenn seine Glieder recht sind, er sinkt und steigt, außer wenn Gott im Tode seines letzten Gliedes ihm ein Ende macht.«

»So ist es, wie es ist«, sagte Heinrich, »lasset uns weiter gehen.«

Sie gingen von dem Hügel durch ein Pförtlein des Gartens weiter dahin, und zwar ungefähr in einer Richtung, in der Witiko mit Bertha gekommen war.

»Da ist meine Wiese, die die Rinder nährt«, sagte Heinrich, indem er die Hand erhob, und herum wies. »Sie geht bis zu dem Walde, durch den Ihr gekommen seid.«

Sie schritten auf einem Wege der Wiese gegen Morgen zu.

»Und dort sind meine Felder«, sagte Heinrich, indem er auf den Strich wies, der hinter dem Hause dem Walde zu ging. »sie bringen, was das Haus bedarf und erheischt. Und die Quellen geben uns freigebig ihr Wasser und der Wald seinen Reichtum.«

Sie gingen in einem Bogen wieder gegen das Haus, und kamen an dessen Morgenseite, an die auch Witiko mit Bertha gekommen war. Er sah jetzt, daß neben der Tür, durch die er mit Bertha hineingegangen war, auch ein eisernes Tor in einer Mauer war, die von dem Hause hinweg ging. Heinrich führte ihn durch das Tor hinein. Sie gelangten in einen Hof.

»Hier sind Pferde«, sagte Heinrich, indem er Witiko gegen einen Stall führte, der rechts von dem Eingange war. Witiko trat in den Stall, und betrachtete die sechs Pferde, welche da standen, sehr genau.

»Hier sind Rinder«, sagte Heinrich, indem er Witiko zum Stalle daneben führte. Witiko sah hier zehn Kühe stehen, die gut und schön gebaut waren.

»Hier sind Zugtiere«, sagte Heinrich, da er Witiko zu [] einem weitern Stalle geleitet hatte. Drei Paare schwerer Ochsen standen in dem Stalle.

»Und dort sind Kälber und kleine Tiere und Geflügel«, sagte Heinrich, indem er auf weitere Gelasse nur so oberflächlich hinwies, ohne Miene zu machen, hinzugeben. Er führte Witiko quer über den Hof in das Haus, und im Hause durch den Gang in den Saal, in welchem er ihn empfangen hatte.

In dem Saale waren indessen Veränderungen vor sich gegangen. Der Tisch war mit Linnen bedeckt, es standen Gefäße auf ihm, und Teller und Eßgeräte waren auf ihn gelegt.

Nachdem die Männer eine Weile in dem Saale gewesen waren, ertönte eine Schelle.

Sehr bald öffnete sich die Tür von dem Gange herein, und mehrere Leute traten in den Saal. Es waren Knechte und Mägde. Sie stellten sich an den Tisch. Darauf kamen die Mutter und Bertha aus der Tür, die in das innere Haus führte. Sie hatten dieselben Gewänder an wie früher. Jetzt tat Heinrich ein kurzes lautes Gebet, in das Antworten der Leute einfielen. Dann setzten sich alle an den Tisch. Heinrich saß obenan, Witiko wurde zu seiner Linken gewiesen, rechts saß die Mutter und dann Bertha. Weiter unten waren die Leute. Hierauf trugen zwei Mägde Speisen auf den Tisch. Auf das obere Ende wurden ein Rindsbraten Geflügel Fische und Kuchen gestellt, auf das untere der Lendenbraten eines jungen Schweines Sauerkohl und Brod. Am oberen Ende wurde in kleine feine Silberbecher Wein eingeschenkt, am unteren aus einem großen Eimer Bier in graue blaublumige Steinkrüge.

Am untersten Ende des Tisches erblickte Witiko den Krauskopf, der ihm mit lachenden Augen zuwinkte.

Heinrich munterte die, welche bei ihm saßen, zum Essen auf, und am untern Ende zerlegte einer den Lendbraten.

[] »Unser Gast hat gesagt, daß er nach Böhmen reiten werde«, sprach Bertha.

»Hast du ihn darum gefragt?« sagte Heinrich.

»Wir haben allerlei gesprochen, und gefragt, und da werde ich ihn auch wohl um dieses gefragt haben«, entgegnete Bertha.

»Einen Gast forscht man nicht aus, meine Bertha«, sagte Heinrich.

»Damals war er noch nicht unser Gast«, antwortete Bertha, »und er hat es mir gerne gesagt.«

»Ich habe es sehr gerne gesagt«, sprach Witiko.

»Wenn ich von dem Steine der drei Sesseln oder von dem Blöckensteine gegen das Land von Böhmen blickte«, sagte Bertha, »so war es immer, als sei es in jenen Gegenden nicht so licht als auf unserer Seite der Berge.«

»Von dort blickt man in unser Land nach Mittag«, antwortete Heinrich, »und nach Mittag ist der Ausblick in allen Ländern freundlicher.«

»Ich weiß nicht, ob ich in Böhmen wohnen möchte«, sagte Bertha.

»Am freiesten und hellsten wohnte es sich wohl auf der Höhe des Waldes«, sagte Witiko.

»Die alten Böhmen haben ihre Burgen oder die Verbalkungen ihrer Župen, in welche sie sich bargen, wenn ein übermächtiger Feind das offene Land durchstreifte, stets in der Ebene angelegt«, entgegnete Heinrich, »sie bauten diese Vesten an Orten, wo Sümpfe waren, oder zwei Wässer zusammengingen, so daß nur auf einer Seite ein Eingang war, den sie durch starke Gräben wahrten. Gegen unsere Tage her wird sich wohl auch bei ihnen einiges geändert haben, wie ja die neuen Zeiten neue Sitten bringen.«

»Ich habe immer geglaubt, wo ein steiler Fels gegen Wasser vorgeht, das um ihn herum fließt, oder sich um ihn ausbreitet, daß er rückwärts nur mit einer schmalen [] Zunge an dem Lande hängt«, sagte Witiko, »das wird eine gute Wohnung sein, die leicht zu verteidigen ist. Ein großer Wald, der einem zahlreichen Feindeshaufen den Zugang wehrt, und ihm Nahrung versagt, könnte auch als Schutz dienen.«

»So ist ja dieses Haus gebaut«, entgegnete Heinrich.

»Mein Kind«, sagte Wiulfhilt, »wir Frauen, die wir abhängig sind, wissen nie, wo wir wohnen werden, und wo wir dann mit den Unsrigen wohnen, wird es uns doch gefallen.«

Das Mahl dauerte nicht lange, und als es aus war, und man sich erhoben hatte, tat Heinrich wieder ein Gebet, wie bei dem Beginne desselben, dann sagte er: »Wolfram, der junge Reitersmann, unser Gast, will die drei Sessel sehen, du wirst ihn zu denselben führen, und ihn, wenn er es wünscht, zu dem Blöckensteine, zum See, und wieder zu uns zurück bringen.«

Auf diese Worte antwortete der Krauskopf: »Ich werde es tun, Herr!«

Als das Geräusch, welches das Fortgehen der Knechte und Mägde verursacht hatte, geendet war, und der Hauswirt sein Gast und seine Angehörigen noch eine Weile bei einander gestanden waren, kam der Krauskopf, der sich entfernt hatte, wieder herzu, und sagte, daß er gerüstet sei. Er hatte jetzt das graue Mäntelchen um das braune Gewand, das er beim Essen angehabt hatte, trug eine Armbrust nebst Bolzenbeutel, und reichte Witiko einen Lanzenstock dar. Dieser empfing ihn, und sagte: »Ich danke für das Mahl, ich danke für die Sorge um meine Wanderung, und nehme den Antrag an.«

»Geht mit Gott, und kommt bald in meine Wohnung zurück«, sagte Heinrich.

»Benimm dich gut, Wolf«, sagte die Frau.

»Ihr dürft ihm schon trauen«, sagte Bertha zu Witiko, »er kennt den Wald und die Wege.«

[] »Es wird schon recht werden«, sagte Wolf.

Und so gingen alle bei der Tür des Vorsaales und bei der Eisentür auf den Sandplatz hinaus. Dort verabschiedete man sich, und die zwei Männer betraten ihren Weg. Sie gingen vom Hause gegen Mitternacht.

Hinter dem Hause war der Raum der Felder. Auf diesem Raume gingen die Männer fort. Der Krauskopf ging gegen Witiko herzu, und sagte: »Ich gehe recht gerne mit Euch.«

»Du gehst gerne mit mir?« fragte Witiko.

»Ja«, antwortete Wolf, »weil Ihr ein so schönes Pferd habt, und gut seid.«

»Du hast ja gesagt, wie du dir auch einmal eins erwerben wirst«, antwortete Witiko.

»Ja, wenn nur Krieg wäre«, antwortete Wolf.

»Krieg ist ja schier immer«, entgegnete Witiko.

»Und da ich gestern dem Wirte im Hauzenberg eine Wohltat erwiesen hatte, wenn ich nur hätte ahnen können, daß Ihr zu unserem Herrn reitet, ich wäre mit Euch gegangen, und hätte Euch den Weg gezeigt. Aber Euer Pferd ist ja gar nicht in unserm Stalle«, sagte Wolf.

»Ich bin nicht zu deinem Herrn geritten«, entgegnete Witiko, »und mein Pferd steht an der Mihel bei den Köhlern.«

»Bei den Köhlern ist ein schlechter Platz für Euer Pferd«, antwortete Wolf. »Weil ich alle Botschaften meines Herrn verrichte, so kenne ich viele Männer und ihre Pferde, aber keines der Pferde hat einen so schlechten Platz.«

»Ich bin für mein Pferd zufrieden, und habe selber Herberge bei den Köhlern genommen«, sagte Witiko.

»Weil Ihr so gut seid«, entgegnete Wolf.

Sie waren am Saume der Tannen angekommen, und gingen nun gegen Sonnenuntergang. Sie gingen hier wieder an mehreren solchen großen Steinen vorüber, die so ohne Zusammenhang auf dem Grunde lagen, als wären sie von [] Menschenhänden hergelegt worden. An einem dieser ungeheuren Steine lag ein Häuschen, das winzig gegen den Stein war.

»Hier wohnt Trude, die Singgespanin unsers Fräuleins«, sagte Wolf, »ihr Vater ist ein sehr armer Mann.«

Sie gingen an dem Häuschen vorüber, traten dann in den Wald, und gingen im Walde weiter.

Es tosete wieder ein Wasser zwischen Steinen und Felsen hernieder. Ein mäßiger Baumstamm war über dasselbe gelegt. Wolf lief hinüber, und sah auf Witiko zurück. Dieser ging über den Stamm.

»Ach, Ihr könnt das schon!« rief Wolf, »da wird alles gut werden. Seht, dieser Bach hadert in die Tiefe. Aber unten fast an der Mihel legt sich ihm eine Querwulst entgegen, und er muß halten, und macht einen mächtigen Teich, ehe er hinüber klettern, und jenseits in die Wiese hinab springen kann. Ich bin in ihm geschwommen. Einmal bin ich auch in der Donau hinüber und herüber geschwommen. Der Teich wird einmal entwischen. Er wird in der Lehmwand ein Loch bohren, und über die Wiese in die Mihel rinnen. Einstmals wird kein Mensch etwas von ihm wissen.«

Sie gingen nun in der Richtung zwischen Mitternacht und Abend unter großen Buchen und dann unter hohen Tannen in dem Walde fort. Nach einer Wanderung von einer und einer halben Stunde gelangten sie auf die Schneide des Waldes hinan zu dem Fels der drei Sessel, der aus dem Grase des Waldes über die Gipfel der Bäume empor ragte. Witiko kletterte über die Treppe empor, Wolf folgte ihm. Oben war ebener Stand und drei hohe Lehnen, über die man hinausblicken konnte. Witiko sah in das Land Baiern. Zu seinen Füßen sah er die großen Wälder, er sah dann den Inn die Isar und die Donau, und an dem Rande sah er die Berge der Alpen. Er wendete sich dann um, und sah gegen Mitternacht und Morgen [] auf die dunkeln Häupter der nahen Wälder, welche sich da erhoben.

Nach einer Weile sagte Wolf: »Wenn Ihr immer nach dem Lande Böhmen schaut, so wäre es besser, wenn wir auf den Hohenstein oder gar auf den Blöckenstein gingen, wo wir viel größere Stücke dieses Landes sehen können. Der Blöckenstein ist höher als die Felsen hier, und das meiste, was man vom Böhmenlande erblicken kann, erblickt man von ihm.«

Witiko schaute noch eine Zeit nach seiner Richtung, und sagte dann: »Gehen wir auf den Hohenstein.«

Sie stiegen von dem Fels hinab, und gingen eine kleine Strecke nach Mitternacht. Dort stand ein ähnlicher Fels. Es war der Hohenstein. Sie kletterten über eine gleiche Holztreppe hinauf. Von ihm sah Witiko die Berge des böhmischen Landes höher und breiter als von den Sesseln, auch sah er neue Waldlehnen emporstehen, aber weiter nichts von dem inneren Lande.

»Gehen wir auf den Blöckenstein«, sagte er.

Sie kletterten herab, und gingen nun in der Richtung gegen Morgen. Es war Tannengebüsch, es waren Wurzeln Moore Steine und Knieholz, durch das sie gingen. Nach zwei Stunden Wanderung war eine Höhe vor ihnen, die sie erklommen. Als sie auf der Schneide standen, sagte Wolf: »Wir stehen auf dem Blöckensteine.«

Hier sahen sie weite und breite Gelände gegen Morgen und Mitternacht; aber es war lauter Wald. Die Moldau war an manchen Stellen zu sehen, und glänzte matt in dem Lichte des Himmels. Witiko blieb stehen, und sah auf die Moldau hinab.

Wolf wies mit der Hand gegen links, und sagte: »Dort oben, wo der krumm gewölbte Wald steht, würden wir den Berg des reichen Gesteines sehen, wenn der Wald nicht wäre. Es sind Steine, in denen man Gold findet. Es wird das Gold auch in die Moldau abgeschwemmt, [] daß es unter dem Sande ist, und aus ihm heraus gewaschen werden kann. Sie haben an dem Berge jetzt Hütten gemacht, und wollen die reichen Steine heraus graben. Weiter unten wäre der Winterberg, wenn der gezackte Waldkamm nicht vorstände. Gerade hier hinab ist das Tal der Hirschberge, in welches der See seinen Bach abläßt. Und dann geht es gegen das Land hinaus, wir können es aber vor lauter Wald gar nicht sehen. Dorthin, gerade aus, ist der obere Plan. Dann würden wir, wenn der Wald nicht vorstände, den Wald des heiligen Thomas sehen, und dann ist nichts mehr als der Himmel.«

Während der Rede des Führers war Witiko gestanden, und hatte auf das Land vor ihm hinunter geschaut. Jetzt aber wendete er sich zum Gehen.

»Hier ist gleich noch der schwarze See«, sagte Wolf.

Die Männer gingen nun von der Stelle, auf der sie gestanden waren, noch ein wenig gegen Morgen und zugleich abwärts. Nach einer Weile standen sie an dem oberen Rande einer Felswand, welche in fallrechter Richtung nieder ging, und zu ihren Füßen einen finstern See hatte, der zwischen Felsen und Wäldern wie in einer Höhle unten lag. Der Wald faßte ihn ein, und seine Oberfläche zeigte nichts Lebendiges. Die Ufer an der Wand waren von herabgestürzten Bäumen gesäumt. Der junge Reiter trat auf eine Steinplatte, welche von der Wand weg gleichsam über den See vorragte, und schaute eine geraume Zeit hinunter. Nachdem er seinem Schauen ein Ende gemacht hatte, kehrte er wieder um, und schickte sich zum Gehen an.

Die Männer gingen nun gegen Mittag von der Seewand gerade in der Richtung hinunter, in der das Haus sein mußte, in welches sie wollten. Nach einer Stunde kamen sie auf einen breiteren Pfad, und in kurzem an den Rand der Felder, auf dem Heinrichs Haus stand.

Da sie über diese Felder dem Hause zugingen, wollte Witiko [] seinem Führer eine Belohnung geben. Dieser schlug sie aus, und sagte: »Von Euch nehme ich nichts.«

»Wenn du alles Geld ausschlägst, dann bekommst du nie ein Pferd«, sagte Witiko.

»Denkt nur einmal daran, daß wir heute mit einander gegangen sind«, entgegnete Wolf, »dann ist es schon recht.«

»Ich werde daran denken«, sagte Witiko, »und auch daran, daß du ein sehr guter Führer bist.«

»Und ich, daß Ihr so gut im Walde geht, wie sehr wenige«, antwortete Wolf.

»Ich habe es wohl gelernt«, sagte Witiko.

Indessen waren sie bei dem Hause angekommen, Witiko reichte dem Führer seinen Stock, und sagte: »So danke ich dir recht schön, Wolf, und ich werde nicht vergessen, wie getreulich du heute gegen mich gewesen bist.«

»Das wird das Schönste sein«, sagte Wolf.

Mit diesen Worten nahm er den Stock, und ging um die Ecke des Hauses. Witiko trat bei der Eisentür ein, und ging in den Saal. Dort war Heinrich mit seiner Gattin und Bertha, und es war jetzt auch das Mädchen mit den lichtgelben Zöpfen da, welche die Singgespanin Berthas war. Man bot Witiko einen Stuhl. Er setzte sich. Eine Magd brachte Wein und Brod.

»Ich hoffe, daß Ihr einen guten Weg gemacht habt, und daß sich mein Führer bewährt hat«, sagte Heinrich.

»Ich habe einen guten Weg gemacht, und Euer Führer ist sehr trefflich«, antwortete Witiko.

»Jetzt nehmt etwas zu Eurer Erholung, und ruht ein wenig aus«, sagte Wiulfhilt.

»Ich will etwas nehmen, geehrte Frau«, entgegnete Witiko, »aber mit dem Ausruhen kann ich nicht einstimmen. Der zurückgelegte Weg ist nicht so arg, daß er eine Ruhe nötig machte, und die Zeit drängt mich, daß ich zur Pflege meines Pferdes in meine Herberge gehe.«

[] Er brach hierauf ein weniges von dem Brote und aß es, dann tat er einen Trunk des Weines. Da dieses geschehen war, erhob er sich, und sagte zu Heinrich: »Ich danke Euch nun für die gute Aufnahme, und ich werde an Euch ein Gleiches tun, wenn es einmal geschehen kann.«

»Ich werde Euch noch ein Stück geleiten«, sagte Heinrich.

»Und Euch, vielwerte Frau«, sprach Witiko zu Wiulfhilt, »sage ich Dank für jede Sorge und Mühe.«

»Gesegn' Euch Gott den Aufenthalt bei uns, Witiko, und möge er Euch Glück und Ehre verleihen«, sagte die Frau.

Dann wendete sich Witiko zu Bertha, und sagte: »Lebet wohl, Bertha, und bleibet heiter und fröhlich.«

»Ihr auch, Witiko«, sagte das Mädchen, »und reitet mit Glück.«

»Vielleicht höre ich Euch doch wieder einmal singen, wenn ich wieder einmal komme«, sagte Witiko.

»Kann sein, wenn Ihr denkt, und singt wie der Wald«, entgegnete sie.

»Ich habe gejauchzt«, sagte er, »singen kann ich nicht aber denken wie der Wald.«

Dann neigte er sich gegen Trude, und sagte: »Lebet wohl, und habt Dank für den Gesang, den ich auch gegen Euren Willen gehört habe.«

»Lebet wohl«, sagte das Mädchen, und errötete.

Nach diesen Worten schickte sich Witiko an, den Saal zu verlassen. Er sah noch auf Berthas Kranz.

Heinrich ging mit ihm auf die Gasse, und von da weiter bis zur roten Kapelle. Dort sagte er: »Jetzt trennen wir uns. Wandert wohl, und wenn Ihr wieder einmal in diese Gründe kommt und das weiße Haus sehet, so besuchet es.«

»Wenn es der Himmel fügt, so werde ich nicht vorüber gehen«, antwortete Witiko.

[] »Und wir werden Euch freundlich aufnehmen, wenn wir hier sind«, sagte Heinrich.

»Noch einmal Dank«, entgegnete Witiko.

»Mit Gott«, antwortete Heinrich.

Sie trennten sich, Heinrich ging mitternachtwärts, Witiko mittagwärts. Der breite Weg hörte mit der Wiese auf, und Witiko ging auf dem schmalen Pfade, der folgte, zur Mihel hinab. Da er in dem Köhlerhause ankam, sah er sogleich nach seinem Pferde. Dann war ein Abendessen wie am Tage zuvor, und dann ruhte Witiko in demselben Bette.

Am andern Morgen, ehe die Sonne aufging, saß er in seinen Unterkleidern am Tische im Zimmer der Köhlerhütte. Der Köhler reinigte seine Kleider. Er aber ging zuweilen mit den hölzernen Schuhen des Köhlers in den Stall, um an der Pflege seines Pferdes zu sein, dann kleidete er sich an, und hierauf aßen alle eine aus Milch und Mehl bereitete Suppe.

»Und nun habet Dank, ihr lieben Leute, für eure freundliche Aufnahme«, sagte Witiko.

»Wenn Eure Mutter meinen Vater wieder einmal an Euch sendet«, sagte der Köhler, »so eröffnet ihm, daß wir Euch hier aufgenommen haben.«

»Ich werde es tun«, sagte Witiko.

»An der Mihel geht der Saumpfad fort«, sprach der Köhler. »In vier Stunden langsamen Reitens seid Ihr im Aigen. Am ersten Hause mit den roten Balken wird Euch der Ohm Florian erwarten. Er wird für Euch und Euer Pferd sorgen, und Euch nach dem Friedberge führen.«

»Es ist gut«, sagte Witiko.

Dann streichelte er den Kindern die Wangen, und gab jedem einen glänzenden Pfennig.

Dann verlangte er sein Pferd.

Der Köhler führte es vor die Tür.

»Erlebet recht große Dinge«, sagte die Frau.

[] »Wie Gott will«, entgegnete Witiko, und gab ihr die Hand.

Er reichte auch dem Manne die Hand.

Dann prüfte er die Rüstung des Pferdes, sagte: »Ich danke euch noch einmal«, und schwang sich hinauf.

»Reitet mit Gott«, riefen die Leute.

Witiko ritt an die Mihel, durchritt die Furt, und ritt auf dem Saumpfade gegen Morgen weiter.

Wenn er rechts blickte, sah er das lange waldige Dach des breiten Berges, links den Wald der drei Sessel, des Blöckensteines und die ferneren gegen Morgen. Die Mihel rauschte neben ihm, bald war er an ihrer Seite, bald war er weiter von ihr entfernt. Es kamen auch Anhöhen, über welche er sein Pferd hinüber schreiten lassen mußte.

Er ritt an einem spitzigen bewachsenen Berge vorbei, welcher den Namen des schwarzen Berges führte, über einen Hügel, welchen man den Berg des heiligen Huldrik nannte, und er hatte dann links den großen Wald neben sich, welchen sie Hochficht hießen.

Ehe noch der Mittag gekommen war, ging das Tal am Walde auseinander, es wurden Wiesen und Felder, und er kam zu einem Hause, das an dem Pfade stand. Das Haus war aus Holz, und hatte stark hervorragende Dachbalken, welche rot bemalt waren. Er hielt ein wenig an. Da kam ein Mann mit grauem Gewande und weißem Barte aus dem Hause.

»Heißt es hier in dem Aigen?« fragte Witiko.

»Ja, und ich bin Florian, der Ohm Margarethens, des Weibes des Köhlers Mathias«, antwortete der andere.

»Und ich bin der, den du erwartest«, sagte Witiko, stieg von dem Pferde, und brachte es auf die Weisung des alten Mannes in einen Schoppen. Dort erhielt es sein Mittagfutter, so wie Witiko auf einem Brettertische vor dem Hause von dem Besitzer sein Mittagmahl erhielt.

Er blieb zwei Stunden hier, dann zäumte er sein Pferd, [] zahlte seine Bewirtung, und ritt in Begleitung des alten Mannes weiter, der in einer Lederhaube, groben Beinkleidern und großen Waldschuhen mit einem langen Stabe vor ihm herging.

Sie trafen von dem Hause ihrer Herberger weg noch einige andere kleine Häuser mit Wiesen und Feld, sämtlich von Holz. Dann führte ihr Weg sie wieder in den Wald.

Ihre Wanderung ging zwei Stunden noch an der Mihel fort. Da war zuweilen eine Hütte mit gereutetem Lande, oder eine Köhlerstätte, oder ein Holzschlag mit den Holzschlägerhütten, oder gar ein Haus mit einer Säge zu Brettern. Als sie aber zu einem Berge gekommen waren, welcher der Berg des heiligen Oswald geheißen wurde, und als dort der Begleiter Witikos gegen den großen Wald, welcher immer zur Linken war, einbog, traten sie in dichten Wald, der nicht durch ein einziges kleines freies Plätzchen unterbrochen war. Ihre Wanderung dauerte in diesem Walde über zwei Stunden, und ihr Weg führte sie in der Richtung zwischen Mitternacht und Morgen immer sachte aufwärts. Es standen sehr dicke Stämme von Tannen in dem Boden, welcher feucht war, wenig Licht erhielt, und teils Steine teils Untergestrüppe teils grüne Schattenpflanzen trug. Von diesen Stämmen war noch nie einer durch Menschenhände geschlagen worden, weil noch nicht die Not um Holz dazu getrieben hatte, mancher war aus Alter gefallen, oder vom Blitze zerstört worden, eine andere Beschädigung war nicht sichtbar, weil auch Winde in die Tiefe dieses Waldes nicht eindringen konnten.

Als die Sonne gegen Abend neigte, kamen sie auf der Schneide des Waldes an, und hier war eine freie Stelle. Auf derselben war kein Stäudlein, sondern nur kurzes Gras und große Ganitsteine. Witiko ritt das Pfadlein zwischen den Steinen hinan, bis er auf die Höhe und auf einen Bühel gelangte, der über die Wipfel aller tiefer [] stehenden Bäume empor ragte. Hier hielt er plötzlich an, und seine Augen konnten weit und breit herum schauen. Er sah mittagwärts auf das Bayerland, das blau mit Wäldern Fluren und offenen Stellen dahin lag bis zu den noch blaueren Alpenbergen, in denen manche Matte mit Schnee glänzte. Gegen Morgen davon sah er auf die Ostmark mit den blauen Fluren und Wäldern und Feldern, in der der junge Leopold herrschte. Es war ein weites Gebiet, das er betrachtete, und zu seinen Füßen lag der Wald, durch den sie herauf gekommen waren, und andere Wälder. Und als Witiko sich gegen Mitternacht wendete, ging der Wald, auf dessen Schneide er stand, so dicht und breit hinab, wie der gewesen war, durch den er herauf geritten war. Und unten floß die Moldau, nicht wie gestern in kurzen Stücken sichtbar, sondern in langen Schlangen von dem oberen Waldlande niederwärts wandelnd. Und jenseits des Wassers lag das Land Böhmen in schönen Wäldern und dann wieder in Wäldern und dann in Gefilden, die mit Gehölz, wechselnd mit nahrungtragenden Fluren, bedeckt waren. Den Wald sah er, auf dem er gestern gestanden war, den Wald, in welchem sich der schwarze See befand, und dann noch weiterhin stark dämmerige Wälder. Auch gegen Morgen war Forst an Forst dahin.

»Da sollte eine Königsburg stehen«, sagte Witiko.

»Ja, da könnte ein hoher Herr hausen«, sagte Florian.

»Der Wald ist weit größer, weit dichter und weit undurchdringlicher«, sagte Witiko, »als der um Heinrichs Wohnung unter den drei Sesseln, und es ist hier weit und frei und herrlich.«

»Es ist schon einmal etwas da gewesen«, sagte Florian, »nicht eine Wohnung, sondern ein heiliges Ding, eine Betstelle. Es stand da auf dem höchsten Platze das Bild des heiligen Apostels Thomas in einem Häuschen von Tannenholz zur Verehrung aufgerichtet. Es war dies in [] alten Zeiten, da noch mehr christliche Herren in dem Walde herrschten. Es ist ein großes Geschlecht da gewesen. Dann sind sie aber zu den Tryznen gegangen, die in Böhmen noch abgehalten wurden, das heilige Haus ist weggetragen worden, oder hat es das Feuer verzehrt, oder ist es sonst zu nichte geworden, und der Ort heißt nur mehr der Thomasgipfel.«

»Wessen ist der Grund, auf dem wir hier stehen?« fragte Witiko.

»Des Herzogs Soběslaw von Böhmen«, antwortete Florian, »er kann ihn gebrauchen, oder verschenken, wie er will.«

»Und in wessen Land wohnest du?« fragte Witiko.

»Ich bin ein Mann des Herzogs Soběslaw«, antwortete Florian, »in der reichen Aue da unten gegen den Oswaldberg steht meine Waldhütte mit Wiese und Vieh. Wir haben weithin keine Nachbarn, und müssen lange gehen, um zur Mihel zu kommen. Wir sind aber keines Herrn Gefolge als des Herzogs, und wir gehören zur Župe Daudleb, die wohl sieben Stunden von hier an der Malsch in der Richtung ist, in welcher Ihr immer hinschaut.«

»Ja, ich schaue in dieser Richtung«, sagte Witiko, »aber laß uns weiter gehen.«

Er lenkte sein Pferd auf das Pfadlein jenseits des Bühels abwärts.

Sie kamen wieder in einen Wald, der so schön und dicht war, wie der, durch den sie herauf gekommen waren.

Als eine Stunde vergangen war, und die Dämmerung schon anfing, gelangten sie an das Wasser der Moldau hinab.

»Das ist die Moldau«, sagte Florian.

»Sei mir gegrüßt, du dunkles Wasser, das ich so lange nicht gesehen habe«, sagte Witiko.

Sie überschritten die Moldau auf einer schmalen Brücke, und stießen jenseits auf einen niederen langen Hügel.

[] »Das ist der Friedberg«, sagte Florian, »und hier werden wir die Nachtruhe halten.«

Sie stiegen den Hügel, welcher Wiesen und kleine Feldei trug, hinan, und trafen oben mehrere Häuser. Sie waren alle von Holz mit breiten Dächern. Eines aber war von Stein, und hatte einen sehr starken runden steinernen Torbogen. Zu diesem Hause leitete Florian den Reiter, der Herr des Hauses kam heraus, und geleitete sie in das Innere.

In dem Hause mit dem runden Steintorbogen hielten Witiko, der Alte und das Pferd die Nachtruhe.

Als die Sonne aufgegangen war, rüsteten sie sich zur Weiterreise. Witiko hatte Florian gebeten, ihn bis an das Ende des Waldes zu führen, und dieser hatte eingewilligt. Da Witiko sagte, daß er an der Moldau reiten wolle, gingen sie wieder über die Brücke, und schlugen einen Saumweg an dem Wasser gegen Morgen ein. Sie zogen zwei Stunden lang durch dichten nassen niederen Wald. Dann kamen sie zu einer Stelle, an welcher steile Felsen neben dem Wasser emporragten. Die Moldau floß rauschend und tosend durch das Gestein. Florian und der Reiter kletterten durch die Blöcke, dann kamen sie wieder in ebneren Wald. Nach einer Stunde gelangten sie an den Platz, an welchem die Moldau ihren Lauf nach Morgen abbricht, und ihn nach Mitternacht wendet. Und wieder nach einer Stunde trafen sie an dem Orte ihrer Mittagsruhe ein. Es standen mehrere Häuser an der Moldau. Eines nahm sie auf. Witiko sah, daß hier die Moldau einen Kreis mache, und gleich hinter ihm eine lange Schleife zog. An dem Kreise standen gegen Mitternacht Steinhöhen, und zogen sich in die Schleife. Witiko sagte, daß man auf den Steinen eine Burg bauen könnte, welche durch das Wasser wohl gesichert wäre. Er betrachtete den Platz mit Aufmerksamkeit.

Als sie zwei Stunden geruht hatten, zogen sie mitternachtwärts [] an der Moldau weiter. Die Waldberge wurden kleiner und geteilter, und mancher Rücken ging mitternachtwärts hinaus. Nach vier Stunden erreichten sie die Stelle ihrer Nachtherberge.

»Das ist die krumme Au«, sagte Florian, »und da wäre eine Burg noch schöner als auf dem Berge der Rosen, den Ihr so lange angeschaut habt. Die Moldau macht einen Ring, dann macht sie außerhalb desselben einen zweiten verkehrten, und dann noch einen größeren, der wieder verkehrt ist, und an ihm stehen gerade Felsen empor.«

Er leitete den Reiter in eines der Häuser, die in der krummen Au standen.

Ehe am andern Morgen die Sonne aufging, stieg Witiko auf den Felsen, und sah alles an. Dann stieg er wieder nieder, rüstete sein Pferd, und sie zogen weiter.

Die Waldberge wurden wieder niederer, die Moldau machte noch manche Schleife, und da sie drei Stunden an ihr gewandert waren, ging sie in die waldlose Ebene hinaus.

Witiko wendete sein Pferd, und blickte auf den Wald zurück. Dann dankte er dem Führer und lohnte ihn. Der Führer ging mittagwärts in den Wald zurück, und Witiko ritt mitternachtwärts weiter.

2

Sie waren sorglos und fröhlich.

Nach drei Tagen ritt Witiko von dem alten Župenorte Chynow mitternachtwärts. Da hörte er hinter sich Lachen und Pferdetraben. Er blickte um, und sah eine Anzahl schöner Reiter hinter sich herkommen. Er lenkte sein Pferd an den Rand des Weges, und ritt in seiner Art langsam weiter, um sie vorüber zu lassen. Da war der erste, der heran kam, ein Jüngling in scharlachrotem Gewande [] auf einem weißen Zelter. Statt an Witiko vorüber zu reiten, hielt er sein Pferd an, und sagte: »Du einzelner Mann, du reitest aus, das Herzogtum Böhmen zu erobern.«

Witiko brachte sein Pferd nun vollends zum Stehen, stellte es quer an den Weg, und sah den Mann an. Dieser blieb auch stehen, und hielt die Betrachtung aus. Er war ein junger schöner Mann mit blonden Haaren und blauen Augen. Auf seinem Haupte hatte er eine schwarze Haube, von der eine Adlerfeder gerade empor stand. In den Bügeln hielt er starke lederne Stiefel, und um die Schultern hatte er an einer roten Schnur ein Hüfthorn. Seine Kleider waren in Unordnung. Sie waren bestaubt und von einem nassen Boden, auf dem er geritten sein mochte, bespritzt. Da Witiko schaute, kamen die andern heran. Sie waren alle jung und in schöne Farben gekleidet. Die meisten waren rötlich oder rotbraun, die andern grün. Sie hatten gleichfalls Federn auf den Hauben; Reigerfedern, Hahnenfedern und dergleichen. Manche hatten ein Hüfthorn, alle hatten ein Schwert, und einige trugen ein oder gar mehrere Jagdlanzen. Ihre Kleider waren auch in Unordnung wie die des scharlachroten Mannes. Sie mochten zehn oder zwölf Männer sein.

»Was die Eroberung Böhmens angeht«, sagte Witiko, »so wird sie dir weit eher gelingen als mir, da du ein solches Geleite hast, und ich allein bin.«

»Unsere Rosse sind gebrechliche leichte Dinge, die dahin rennen«, sagte der Mann, »und unsere Gewänder sind Flitter, die ein Stab zerreißt, während dein grauer Zelter, auf dem du im Schritte reitest, breit und fest ist, und deine Gewänder undurchdringlich sind, daß man meinen sollte, du könntest Hostas Burg, die der Herzog jetzt so eilig neu baut, gemach niederreiten.«

»Und wenn ich die Burg des Hosta und den reichen Wyšehrad und das ganze Böhmen niederreiten könnte«, [] entgegnete Witiko, »so würde ich es nicht tun, so lange Soběslaw besteht, um dessen langes Leben ihr Gott bitten solltet; aber deines Herzens Gelüsten wäre es, hier zu schalten, weil du die Worte zu mir gesagt hast, die der Schalk dir eingab.«

»Höre, Sohn des weisen Načerat«, erwiderte der Scharlachreiter, indem er sich zu einem der Angekommenen wendete, »dieser da meint, daß wir alle, die hier sind, ihn ausgenommen, den Wunsch haben, die Plage der Regierung in Bürglitz zu sitzen, oder Reichsversammlungen in Sadska zu diesen Ländern zu übernehmen, auf dem Wyšehrad oder auf halten, und die Meinungen der erfahrnen Jahrträger und Räte zu hören, und ihnen untertänig zu sein, statt in freier Luft zu leben, die nachdenkenden Köpfe herrschen zu lassen, und uns um die Freuden zu bekümmern, die uns Gott in der Welt gegeben hat: um das fröhliche Reiten, um die Jagd, um den Becher, um die Mädchen, und wäre es selber die schöne österreichische Gertrude, die Schwester des ehrbegierigen jungen Markgrafen Leopold, dem jetzt unser ruhmreicher Herzog, welchem wir ein ewiges Leben hienieden wünschen, die böhmische Maria, seine Tochter, zur Gemahlin geben will. Und du, Odolen, Sohn des Striz, und Welislaw, sind wir nicht besser und jünger, uns die schönsten Mädchen zu wählen, als jener Balg, der Wratislaw von Brünn, der sich vor fünf oder sechs Jahren eine Prinzessin aus Rußland geholt hat, die alle sterblichen Leute an Schönheit übertrifft?«

»Und wie du auch scherzest«, sagte Witiko, »so möchtest du doch da der Erste sein, nur daß du es nicht kannst.«

»Und du wirst den Herzog Soběslaw strenge gegen mich verteidigen?« sagte der Scharlachreiter.

»Es ist ganz umsonst, über nichtige Dinge zu streiten«, entgegnete Witiko, »aber ich würde ihn mit dem letzten [] Blutstropfen verteidigen, weil er zu Recht eingesetzt ist, ein guter Mann ist, und recht regiert.«

»Also einen schlechten Herzog würdest du absetzen?« sagte der Scharlachreiter.

»Wenn ich einen schlimmen Herzog absetzen könnte, und nur ich allein«, antwortete Witiko, »so würde ich es nicht tun, wenn er mit Recht besteht, weil ein schlimmerer unrechter kommen könnte; aber dienen würde ich ihm nicht.«

»Wenn du ein Steinschleifer oder ein gelehrter Mann bist, der langsam nach Prag reitet«, sagte der Scharlachreiter, »so könnte der Herzog deine guten Dienste wohl brauchen; denn er ist daran, das hölzerne Prag in ein steinernes zu verwandeln, die Gassen nach der Schnur zu richten, die Menge von Steinen, daraus er einen Fußboden im Wyšehrad machen will, wie Täfelchen eines Kirchenfensters zu schleifen, und Bücher anzusammeln.«

Nach diesen Worten schob Witiko sein Pferd schnell zurück, bis er außer der Versammlung war. Dann hielt er, und rief: »Wenn ihr gekommen seid, einen Mann und sein Pferd zu höhnen, die euch nie beleidigten, so ist das eine schmachvolle Tat von euch, da ihr zwölf oder dreizehn gegen einen seid; wenn ihr aber die Ehre zu achten wißt, daß ein einzelner von euch eure Worte gegen einen einzelnen vertritt, so bin ich da, sendet einen, daß ich ihm stehe. Wollt ihr mich aber beschimpfen oder verwunden oder töten, so tut es; ich will lieber als ein Unbekannter mein Blut hier vergossen sehen, als Schmach annehmen, und erfahren, daß slawische Gastfreundschaft einen Fremden, der im Lande reitet, nicht ehrt.«

Hierauf zog er sein Schwert, senkte es, und blieb mit seinem Pferde stehen.

»Wie hat er denn das Tier so schnell zurückgebracht?« sagte der Scharlachreiter.

»Ich bin Odolen, der Sohn des Střiz«, rief einer in grüner [] Kleidung aus dem Haufen, und wendete den Kopf seines Pferdes gegen Witiko, »und leide von keinem Menschen in dieser Welt eine Auflehnung.«

»Ich bin Welislaw«, rief ein brauner Mann, indem er sich gleichfalls gegen Witiko wendete, »und nehme keine Drohung an.«

»Und ich bin Casta, ich bin Ben, ich bin der Sohn des Načerat«, riefen drei Stimmen.

»Hui«, sagte der Scharlachreiter, »wenn es einen Kampf geben sollte, so wäre wohl ich der Mann, den er träfe, da ich die Worte gegen jenen Trotzigen gerichtet habe. Seht, wie das Vögelein die Federn sträubt, und hat noch keinen Flaum ums Kinn, und gleicht einer Jungfrau. Stellt euch zurück, und du, Ledermann, komme her, wir tun dir nichts zu Leide. Ich bitte dir die Reden, die ich dir gegeben habe, ab. Du sollst keine mehr hören. Wir sind lustige Geschöpfe, und sagen einander harte Worte, die nichts bedeuten. Wenn du länger in dem Lande des alten Čech reitest, so wirst du viele finden, die uns gleichen.«

»Sie sollten derlei nicht sagen«, entgegnete Witiko.

»Sagen oder Nichtsagen«, rief der Reiter, »so komme einmal, und traue mir.«

»Da du sagst, daß du nichts Schlimmes gegen mich im Sinne hast«, antwortete Witiko, »und da du auch versprichst, keine üblen Reden mehr gegen mich zu führen, so will ich dir trauen, wenn deine Gefährten auch die gleichen Gedanken haben.«

»Sie haben die gleichen Gedanken«, erwiderte der Scharlachreiter, »komme nur her, und reite eine Strecke mit uns, so weit es dir gefällt.«

»Ich reite nur im Schritte«, sagte Witiko.

»Er gibt schon Gesetze«, sagte der Scharlachreiter, »wir wollen sie befolgen, und reiten eine Strecke im Schritte mit dir.«

[] »So komme einmal zu uns«, rief eine Stimme aus dem Haufen.

»So komme«, rief eine andere.

Zugleich wendeten die, welche sich drohend gegen Witiko gestellt hatten, ihre Pferde um, und alle machten eine Bewegung, gleichsam, um ihm Platz zu machen, und ihn gesellig aufzunehmen.

Witiko steckte sein Schwert in die Scheide, und ritt langsam mitten unter sie.

Es entstand eine Gasse bis zu dem Scharlachreiter. Dieser winkte Witiko, und Witiko ritt zu ihm hinzu.

»So«, sagte der Scharlachreiter, »wenn du an meiner rechten Seite reiten willst, so tue es. Odolen mag dann wieder an deiner Rechten reiten, wo der Weg es zuläßt, damit du mitten bist. Und du Welislaw und Casta und Mikul und Radmil und andere, ihr müßt folgen. Und ihr, Söhne Smils, die ihr so gerne stürmt, ihr werdet nicht zu Schaden kommen, wenn eure Pferde mäßiger schnaufen.«

»Es wird schon eine Weile gehen«, rief einer aus den hinteren Leuten.

Und so stellte sich nun Witiko an die rechte Seite des Scharlachreiters und der, den dieser Odolen geheißen hatte, wieder an die rechte Witikos, und der Zug fing, wie der Scharlachreiter gesagt hatte, sich zu bewegen an. Da sie ritten, sagte der Scharlachreiter: »Nun, Ledermann, sage, wer du bist, und woher du kommst, und wohin du in diesem deinem Gewande reitest.«

»Das werde ich euch nicht offenbaren«, entgegnete Witiko, »weil ich auch nicht weiß, wer ihr seid, und welche Absichten ihr habt.«

»So ist denn gar kein Ende mit dir«, rief der Scharlachreiter, »nun so müssen wir Buße tun, und dir sagen, wer wir sind. Du magst dann dein Wesen enthüllen, oder magst es auch nicht tun. Der an deiner rechten Seite [] reitet, ist Odolen, der Sohn des Striz. Er will die ganze Welt umwerfen, darum wäre es schade gewesen, wenn du ihm ein Loch in sein grünes Wams oder in sein Herz gestoßen hättest, er hat dich umbringen wollen, weil du uns herausgefordert hast. Es wäre auch schade um dich gewesen, da du ein junges Blut bist.«

Witiko sah auf den Mann zu seiner Rechten. Er ritt auf einem schwarzen Pferde. Er war schönen braunen Angesichtes und schwarz von Haar und Augen. Er hatte ein grünes Gewand, auf der schwarzen Haube eine Reigerfeder, und trug Schwert und Hüfthorn.

»Nun, du Lederjunge«, sagte er, »sehe ich wohl aus, wie ein Wegelaurer, der die Leute töten will, die da so allein reiten?«

»Nein«, sagte Witiko; »aber du könntest voreilig sein.«

»Er ist gar nie anders«, sagte der Scharlachreiter.

»Jetzt sieh aber auf den, der hinter mir ist«, fuhr der Scharlachreiter fort, »der ist Welislaw, er sagt immer, daß er treu sei; er weiß nicht, wem, und er ist so jung, daß er noch gar nicht angefangen hat, treu zu sein. So schau doch um auf ihn.«

Witiko blickte gegen ihn zurück. Er ritt auf einem Goldfuchs, war braun von Haar und Augen, hatte ein braunes Gewand, auf der schwarzen Haube eine Geierfeder, und trug Schwert und Hüfthorn.

»Nun ich bin doch unverdächtig«, sagte er zu Witiko.

»Ja«, antwortete Witiko.

»Jetzt blicke gerade hinter dich, Lederreiter«, rief der Scharlachmann, »da ist der Sohn des Načerat, er ist immer der Sohn des Načerat, und wird immer der Sohn des Načerat sein.«

»So sieh doch um«, rief der Mann hinter Witiko.

Witiko wendete sich ein wenig auf seinem Pferde, und sah nach dem Manne, der gerufen hatte. Er ritt auf einem braunen Pferde, und war ein sehr schöner Jüngling mit [] blonden Haaren und blauen Augen und rosenrotem Angesichte. Er trug ein scharlachbraunes Gewand und auf der schwarzen Haube eine weiße Feder. Er hatte Schwert und Hüfthorn.

»Ich bin niemanden gefährlich«, sagte er zu Witiko.

»Außer allen schönen Dirnen«, rief der Scharlachreiter.

»Ich könnte auch mit einem Ritter edle Freundschaft halten, wie zum Beispiel mit dem Lederreiter«, sagte der Mann.

»Es mag sein, oder auch nicht sein, ich kann es jetzt noch nicht erraten«, sagte Witiko.

»Nun kömmt die zweite Reihe hinter uns«, sagte der Scharlachreiter, »da ist Ben, es heißt auch ein Feldherr so, aber der ist nicht der Feldherr.«

»Nicht wahr, Ben, du bist nicht der Feldherr Böhmens«, rief er auf den Mann zurück.

»Ich werde es bald sein«, rief der andere hervor.

Witiko blickte um. Der Mann ritt auf einem Rappen, hatte lichte Haare, grüne Kleider, eine schwarze Feder auf der schwarzen Haube, und trug Hüfthorn und Schwert.

»Der rechts von Ben heißt Casta«, sagte der Scharlachreiter. »Sieh ihn nur an, er will immer für seine Freunde in den Tod gehen.«

»Casta, du stirbst für uns alle«, rief der Scharlachreiter.

»Und ihr alle für mich«, rief Casta.

Der Mann ritt auf einem Rappen, hatte lichte Haare, braune Kleider, eine graue Feder auf der schwarzen Haube und Hüfthorn und Schwert.

»Die hinter den beiden sind die Söhne Smils, des großen Feldherrn des Herzogs Soběslaw«, fuhr der Scharlachreiter fort, »sie wollen immer das nämliche tun, haben gleiche Pferde und Kleider, und müssen uns offenbaren, ob ihre Liebchen auch die gleichen Augen haben. Sieh sie nur an, mein Ledermann.«

[] Witiko blickte um, und konnte nur erkennen, daß die beiden grün gekleidet waren, rote Federn auf den schwarzen Hauben hatten, und jeder auf einem Falben ritten.

»Die weiter zurück sind Mikul und Radmil, und die andern«, sagte der Scharlachreiter, »es ist nichts mehr Rechtes an ihnen zu sehen, wenn wir uns aus diesem Zuge wieder in einen Haufen versammeln, kannst du sie vielleicht näher betrachten, und sehen, ob sie dir gefallen.«

Witiko konnte erkennen, daß die Männer alle in gleicher Art gekleidet waren: nicht gar weites Oberkleid mit einem Gürtel gehalten, dann das straffere Beinkleid und Lederstiefel mit einem kurzen rückwärts dicken Stachel. Alle hatten sehr enge Hauben, hinter denen die Haare auf den Nacken gingen, und dann quer abgeschnitten waren.

»Nun habe ich dir eine Menge erzählt, du lederner Mann«, sagte der Scharlachreiter, »wir sind gar nicht zurückhaltend; du aber kömmst aus Ophir oder dem Lande der Königin von Saba, und reitest mit deinem Gewande so dahin.«

»Ich wähle mir meine Rüstung, wie ich sie für gut halte«, sagte Witiko.

»Und du wirst Großes vollbringen«, antwortete der Scharlachreiter.

»Du vielleicht auch«, sagte Witiko.

»Das siehst du gewiß«, sagte der Scharlachreiter, »daß wir dich nicht beschimpfen, oder mit dir kämpfen oder dich töten wollen, wenn wir auch Spott und Scherz sagen. Wir sind auf viel größere Dinge aus, nicht nur auf die Eroberung Böhmens sondern auch des kleinen Ländleins Österreich und Baierns und Sachsens und Deutschlands und der ganzen Welt – nämlich der Welt des Vergnügens. Wir sind die Könige und Vögte dieses Herrn, der alle Länder beherrscht. Und der Erdkreis ist ihm zu [] klein, und bis in die Sterne und in den Himmel wird er seine Macht tragen. Da sitzt einer in dem Riesengebirge, und hat das Seinige dort, einer in den Bergen bei Sachsen, und hat das Seinige dort, einer am Walde von Baiern, und hat das Seinige dort, einer in der gesegneten Flur an der Elbe, und hat das Seinige dort: und alle sind sie wie wir.«

»Die Kleider, wie ihr sie tragt, habe ich auch in andern Ländern gesehen«, sagte Witiko.

»Nicht bloß die Kleider: die Sitten die Bräuche und alles andere geht durch die ganze Welt, und wir leben mit der ganzen Welt, wir können nicht hinter unserem Eichenklotze sitzen bleiben, und uns von ihm beschatten lassen. Ja, da erzählen die Alten, unser Volk sei einmal abgeschieden, es sei für sich allein gewesen, und habe nicht nach auswärts gestrebt, da hat es Gesang und Tanz geliebt, die Gastfreundschaft geehrt, und den Boden betreut. Die Einsicht hat als das Größte gegolten, und der Rechtspruch, den einer geben konnte, war die höchste Zier. Und die oberste Macht unsers Landes ist nicht aus der Kriegsanführung hervorgegangen, sondern aus der Richterübung. Krok erlangte die Macht im Volke, weil sein Verstand den der andern übertraf, und weil er allen raten und helfen konnte. Die Angriffe von außen wurden einfältig abgewehrt. Samo hat in längstvergangenen Zeiten die Heere des Frankenkönigs Dagobert in der dreitägigen Schlacht bei Togastburg vernichtet, das Heer Ludwigs des Deutschen, welcher Böhmen bezwingen wollte, ist in einer unerhörten Niederlage geschlagen worden. Und man kennt nicht den Ort der Schlacht und nicht den Namen des Mannes, der unser Volk geführt hat. Da, sagen sie, seien gute Zeiten gewesen; aber wer weiß, wie damals alles geschehen ist. Alte Menschen loben das Vergangene und frühere Zeiten. Die Jahre, die näher an uns liegen, sind auch hier zu Lande wild genug [] gewesen. Und warum hat der Mann seines Namens nicht besser gewahrt, und warum soll ich nicht einen bösen Nachbar, der quält und droht, in seinem Lande suchen und niederwerfen dürfen, warum nicht den Namen der Meinigen in die Herzen der fremden Völker tragen, daß er geehrter und gefürchteter ist?«

»Wir werden den Namen unseres Volkes ruhmreich in die fernsten Länder tragen«, sagte Witiko.

»Nun, bei allen Heerscharen des Herrn, wenn du das Banner dahin trägst, dann reiten wir alle, die hier sind, mit dir«, rief der Scharlachreiter.

»Ich werde nicht das Banner tragen«, sagte Witiko, »aber ein ruhmreicher Herzog von Böhmen wird es tragen lassen.«

»Vielleicht dein Soběslaw?« sagte der Scharlachreiter.

»Vielleicht Soběslaw, vielleicht der, der nach ihm kommt«, entgegnete Witiko.

»Warum hat er dann den König Lothar, als er ihn bei Chlumec geschlagen und eingeschlossen hatte, entkommen lassen, und sich begnügt, Herzog von Böhmen zu sein?« sprach der Scharlachreiter.

»Das wird er wissen«, entgegnete Witiko, »und er wird wissen, warum er zu den Deutschen steht, das hindert nicht, daß er unser Volk einmal ruhmvoll nach außen führt.«

»Also reitest du nicht aus dem Lande der Königin von Saba oder aus Ophir daher, sondern gehörst zu unserm Volke, wie du sprichst«, sagte der Scharlachreiter.

»Du siehst, daß ich nach Mitternacht reite, also komme ich vom Mittage her«, entgegnete Witiko.

»Wir reiten ja alle mit dir nach Mitternacht, also kommen wir vom Mittage her«, erwiderte der Scharlachreiter.

»So ist es auch«, sagte Witiko, »und es ist nur, wer weiter her kömmt.«

»So pilgerst du vielleicht von dem Walde heraus, in welchem [] Tannen und Moosbeeren wachsen«, sagte der Scharlachreiter.

»Tannen und Moosbeeren und anderes«, sagte Witiko, »und wo manche Stelle zu einer edlen Waldburg für einen genügsamen Mann ist.«

»Dort begnügen sie sich mit Fröschen«, sagte der Scharlachreiter.

»Sie begnügen sich mit Fröschen«, antwortete Witiko, »und das ist ein Vorzug.«

Der Scharlachreiter wendete sich bei diesen Worten halb auf seinem Pferde um, und rief auf seine Begleiter zurück: »Wie wäre es, Freunde, wenn wir einmal in den Mittagwald unseres Landes jagen gingen, aus dem die schöne Moldau kömmt, der Ledermann hier meint, es wäre nicht so schlecht dort.«

»Wenn die Wölfe und Bären und Hirsche im Winter dort nicht erfrieren, so müssen ihrer genug sein«, rief der schöne Jüngling, welchen der Scharlachreiter den Sohn des Načerat geheißen hatte.

»Und wir dringen mit der Lanze in der Hand und mit festen Stiefeln an den Füßen durch Gestein und Moor und Wurzelgeflecht«, rief der, welchen der Scharlachreiter Welislaw genannt hatte.

»Wer weiß, ob dort schon einmal eine Jagd, wie sie die Vorschrift fordert, abgehalten worden ist«, rief Odolen an der Seite Witikos, »und wenn wir die ersten sind, die eine Kunstjagd dort einführen, so haben wir Ruhm, und mehr Ruhm, je mehr wir überwinden müssen. Der Sieg gilt erst recht, wenn man Berge umwirft, um zu dem Feinde zu gelangen.«

»Du tränkest einen Fluß aus, um zu ihm zu kommen«, sagte der Scharlachreiter.

»Das wäre viel zu langsam«, rief Odolen entgegen, »ich werfe mich mit unsern Leuten hinein, und schwimme hinüber.«

[] »Wir gehen hin«, rief der, welcher von dem Scharlachreiter Ben geheißen worden war, »weil wir noch nicht dort gewesen sind.«

»Und Wurzeln, Kräuter werden wir wohl finden, daß wir eine Würze haben, wenn wir uns einen Dachs zum Essen braten müssen«, rief der, welcher Casta genannt worden ist.

»Und die Bärenfelle bringen wir den Frauen und Jungfrauen zu weicher Hülle«, rief einer der Söhne Smils.

»Ja, deiner Mutter zum Füßewärmen«, sagte Welislaw.

»Wir gehen einmal hin«, rief der Scharlachreiter, »den Tag können wir noch verabreden, wer weiß, was wir da finden und erfahren, und der alte Cosmas lebt ja auch nicht mehr, unsere Sitten lateinisch zu tadeln, da er die der alten Zeiten preist.«

»Wir gehen hin«, rief eine Stimme.

»Wir gehen dahin«, rief eine andere.

»Ja, ja«, rief wieder eine.

»Und unsere Sitten sind wahre reine weiße Lämmlein gegen die Wölfe, die gewesen sind«, sagte der Scharlachreiter, indem er sich auf seinem Pferde wieder nach vorwärts wendete, »wenn Cosmas nicht schon achtzig Jahre alt gewesen wäre, als er auf dem vielen Pergamente die Taten unseres Volkes aufgeschrieben hatte, so hätte er gesehen, was die Alten an sich gehabt haben: sie sind arg gewesen, und wir sind die Guten. Hast du von den zwei großen Geschlechtern unsers Landes gehört, du lederner Reiter, die so groß gewesen sind, daß keines größer war, und kaum ein größeres kommen wird?«

»Ich habe von manchem Geschlechte dieses Landes gehört«, antwortete Witiko, »ich weiß nicht, welches du meinst.«

»So horche«, sagte der Scharlachreiter, »es war ein Mann im Lande, der auf der Burg Libic hauste, und Söhne und Töchter hatte, und Länder besaß, die quer durch das [] Herzogtum gingen. Er hieß Slawnik. Vor ihm waren schon viele Slawnik. Als seit dem Heile der Welt noch nicht das tausendste Jahr angebrochen war, wurde ein Sohn von ihm, der Woytech hieß, Bischof von Prag. Er war in der Reihe der Bischöfe der zweite, und nannte sich Adalbert. Cosmas lobt ihn, und hat von ihm auf das Pergament geschrieben, daß er reich an Geburt war, schön an Gestalt, leutselig an Benehmen, geistlich im Wandel, und daß er von allen geliebt wurde. Und da lebte auch vor alten Zeiten ein Mann namens Wrš, von dem die Wrše stammten. Da geschah es einmal, daß das Weib eines Wršen im Ehebruche gefunden wurde. Es war eine Sitte, daß das Weib, das sich dessen schuldig gemacht, von der Hand des Gatten sterben sollte. Sie floh aber zu Adalbert, und gelobte Buße, und daß sie Buße tun könnte, sandte sie Adalbert zu den Frauen des heiligen Georg. Die Wrše rannten zu Adalbert, und suchten das Weib. Da sie es nicht fanden, schmähten sie Adalbert als Verbrecher und Beschützer des Ehebruches. Er aber sagte: ›Nicht den Ehebruch schütze ich, sondern einen schrecklichen Brauch hindere ich, der gegen das Christentum ist, das nicht den Tod des Sünders will, sondern, daß er sich bessere‹, da sprang das Haupt der Wrše zu Adalbert, und rief: ›Dich will ich nicht töten, daß du nicht ein Märtyrer wirst, aber deinen Brüdern und deinem Hause will ich es gedenken bis in das letzte Glied.‹ Dann liefen sie fort, und als man ihnen den Aufenthalt der Schuldigen verraten hatte, drängten sie das Kloster, bis ihnen die Frau herausgegeben wurde. Und als ihr Ehegatte sich entsetzte, sie zu töten, ließen ihr die Wrše durch einen gemeinen Diener den Kopf abschlagen. Adalbert zürnte, weinte, verfluchte die Wrše, verließ sogleich Prag, und eilte nach Rom. Die Wrše begannen die Fehde gegen die Brüder Adalberts, deren noch fünf im Lande waren, das ungeteilte Erbe Slawniks besaßen, und in der Burg Libic [] hausten. Der Kampf dauerte lange, er ruhte, er fing wieder an, ruhte wieder, und begann wieder, und da die Slawnike alles bis auf Libic verloren hatten, wurde auch Libic belagert. Anastasius der Abt von Břewnow, der ein Freund des Geschlechtes der Slawnike war, befand sich in der Burg, und riet, als die tapfere Gegenwehr vergeblich war, sie sollen sich in die Kirche flüchten. Alle Nachkommen Slawniks gingen in die Kirche und zu dem Altare, und da die Wrše in die Burg kamen, und die Flüchtigen aus der Kirche durch Versprechungen gelockt hatten, ermordeten sie alle ohne Unterschied, Männer, Weiber, Kinder und Jungfrauen. Was sie von Dienern und Mannen der Ermordeten in der Burg fanden, führten sie in die Leibeigenschaft ab. Der Abt Anastasius floh nach Ungarn, und ist nie wieder zurückgekehrt. Die Wrše nahmen die Güter der Slawnike, und das Haupt derselben wohnte nun öfter in Libic. Drei der Slawnike waren dem Untergange ihres Geschlechtes entronnen: Adalbert, welcher in Rom war, Radim, sein jüngster Bruder, welcher ihn begleitet hatte, und Sobebor, der älteste, welcher, da einmal die Fehde ruhte, in einem böhmischen Heere mit dem Kaiser Otto gegen die mitternächtlichen Slawen gezogen war, den polnischen König Boleslaw kennen gelernt, in Polen geblieben war, und dort Besitz und Ansehen erworben hatte. Aber das Geschlecht erhob sich nie wieder, und blieb erloschen.«

»Und warum haben denn die Herzoge solches nicht gewehrt?« fragte Witiko.

»Ja, da war ein Prinz«, antwortete der Scharlachreiter, »der Boleslaw Rothaar hieß, und der mit seinem ganzen Anhange die Wrše begünstigte, und sogar mit ihnen gegen die Slawnike kämpfte. Und als er den Herzogstuhl bestiegen hatte, gab er einem Wršen seine Tochter zum Weibe, und die Wrše waren die Nächsten an ihm. Aber Boleslaw verlor alle Nebenländer des Reiches, und war [] wütig gegen Hohe und Niedere. Da brach die Empörung aus, und die Wrše waren die ersten gegen ihn. Er mußte entfliehen. Dann kam er wieder zur Macht, und lud in der Fastnacht, in der alle sich erlustigten, die vornehmsten Männer des Landes und auch Wrše zu sich, und da er sie durch Freundlichkeit getäuscht hatte, überfiel er sie mit seinen Häschern, stieß seinem Schwiegersohne zuerst selber den Dolch in den Leib, und tötete alle, die er fürchtete. Er wurde aber noch in dem nämlichen Monate von dem polnischen Herzoge Boleslaw geblendet, und starb nach Jahren unbeklagt in einer entfernten polnischen Burg. Als der Herzog Wratislaw als König in diesem Lande herrschte, etwa siebenzig Jahre später, waren die Wrše wieder in Ansehen: Buc, Čač, Dobromil, Tista und andere. Da jedoch der Herzog Wratislaw gestorben war, und sein Sohn Břetislaw auf dem Herzogstuhle saß, wurden die zwei mächtigsten Wrše aus dem Lande verbannt: Mutina, der bisher der Freund des Herzogs und Župan von Leitmeritz gewesen war, und Božey, das Haupt der Wrše, Herr auf Libic und Župan von Saaz. Der Herzog hatte nämlich erfahren, daß sie bei der Belagerung der polnischen Veste Brdo im Einverständnisse mit dem Feinde gewesen waren. Als vier Jahre seit dieser Verbannung verflossen waren, da man das Jahr 1100 schrieb, und der Herzog Břetislaw in der Abenddämmerung des heiligen Thomastages von der Jagd in den Wäldern von Bürglitz gegen seinen Hof Zbečna zurückkehrte, und man ihm in dem Dunkel der Wälder mit Fackeln entgegen ging, sprang ein Mann namens Lorek aus dem Dickichte hervor, und stieß ihm mit Gewalt einen Jagdspieß in den Leib. Der Leche Cosmas hat aufgeschrieben: ›Wie ein Stern vom Himmel fiel der hohe Fürst in dem Walde zu Boden.‹ Seine Mannen kamen zu spät, und hoben den Sterbenden empor. Man rannte dahin, den Mörder zu suchen, und fand ihn mit seinem [] Pferde in einen Graben gestürzt von dem eignen Schwerte durchbohrt. Ob mit Absicht, weil er der Verfolgung nicht entrinnen konnte, oder aus Unglück, konnte man nicht mehr erkennen. Es war der Glaube verbreitet, daß der Mörder von den verbannten Wršen Božey und Mutina angestiftet gewesen sei. Und als nach Břetislaw sein Bruder Bořiwoy den Fürstenstuhl inne hatte, wurden die Wrše zurückgerufen, und sie dienten treu. Da aber der Vetter Bořiwoys, Swatopluk von Olmütz, nach dem Herzogstuhle strebte, da er einen falschen Boten an Bořiwoy abgeschickt hatte, der ihm seine Feinde nennen mußte, und ihm die Wrše nannte, und da Bořiwoy mißtrauisch wurde, und den Wršen Božey zweimal zu fangen strebte, fielen die Wrše von ihm ab, gingen zu Swatopluk, halfen ihm siegen, und den Fürstenstuhl besteigen. Bořiwoy mußte nach Polen fliehen. Ein Jahr darauf ging Swatopluk mit einem Heere zu seinem Gevatter Heinrich dem Fünften dem Könige von Deutschland gegen Koloman den König von Ungarn. Er ließ als Schutz des böhmischen Landes den Herren Wacek und den Wršen Mutina mit Heeresmacht zurück. Vor Preßburg kamen Swatopluk und Heinrich zusammen. Swatopluk hatte alles niedergeworfen und zerstört, was ihn an der Annäherung an Preßburg hindern konnte, und er strebte nun mit Heinrich die Stadt und die Veste zu gewinnen. Da kam ein Bote, welcher meldete, daß der polnische König Boleslaw, der ein Freund der Ungarn war, mit Bořiwoy in Böhmen eingefallen sei, daß er Wacek und Mutina besiegt habe, und die Župen verwüste, und ein geheimer Bote von Wacek kam, der sagte, daß Mutina mit dem Feinde verstanden sei, daß er sich Bořiwoy günstig erweise, daß er nur zum Scheine gekämpft habe, und daß er heimlich zu seinem Vetter Nemoy gegangen sei, der ein Anhänger Bořiwoys ist. Swatopluk mußte von Preßburg zurück, und der König Heinrich mußte auch fort. Swatopluk ging mit den [] Seinigen gegen Böhmen, und der polnische König ging nach Polen zurück. Wacek und Mutina kamen dem Herzoge entgegen. Er empfing sie freundlich, und war freundlich gegen die Wrše, welche mit ihm in Ungarn gewesen waren. Er zog gegen die Burg Mutinas, die Wratislaw hieß. Er übernachtete in der Burg. Als der Tag angebrochen war, versammelte er alle Männer, die bei ihm waren, in dem großen Saale der Burg, Herren Ritter und andere. Es war Mutina zugegen mit seinen zwei jungen Söhnen, es waren die Wrše Domaslaw und Unislaw da. Der Herzog trat schnell in den Saal, sprang auf die Ofenbank, und rief von dort herab, was die Wrše von jeher an Tücke Verrat und Bösem gestiftet haben, und schrie gegen die Männer: ›So gebe ich sie der Vernichtung preis, und wer sie vertilgt, der nehme ihr Hab und Gut, was er zu erraffen und zu ergreifen vermag. Die im Saale seien die ersten.‹ Darauf sprang er von der Bank, und verließ das Gemach. Mutina saß auf seinem Stuhle, und redete nicht. Sogleich erhielt er zwei Hiebe, und regte sich nicht. Auf den dritten wollte er empor, und da fiel sein Haupt von dem Rumpfe. Unislaw und Domaslaw wurden erschlagen. Die Knaben Mutinas wurden fort geführt. Ein Freund der Wrše, Neuša, sprang aus dem Fenster in den Wald, sein helles Gewand verriet ihn, er ward ergriffen, und geblendet. Die Männer Krasa und Wakula sprangen auf ihre Pferde, und jagten gegen die Burg Libic, auf der Božey saß. Er ließ sie als Reiter aus dem ungarischen Kriege zu sich, da er mit seinem Weibe und seinem jungen Sohne Borita beim Mittagsmahle saß. Krasa rannte herbei, und lästerte, und als es ihm Borita verwies, tötete er ihn, und stieß das blutige Schwert dem Vater in das Herz. Die Wrše der Burg wurden ermordet, die Toten der Kleider beraubt, und verscharrt, und alles geplündert. Und es begann nun ein Krieg der Wrše, die noch lebten, gegen ihre Angreifer, und der Krieg wurde immer größer, [] da ihnen ihre Anhänger halfen, und ihre Feinde sich mehrten. Aber sie unterlagen, und kamen um. Die einen führte man auf die Märkte der Städte, und richtete sie dort hin, die andern tötete man auf dem Berge Petrin, oder brachte sie auf den Gassen oder in den Häusern um. Der alte Leche Cosmas hat aufgeschrieben, daß die Söhne Mutinas gute Knaben waren, und so schön, als wären sie auf Elfenbein gemalt worden; aber sie wurden umgebracht. Die Leute schlugen ein Kreuz, und entflohen. Alle Wrše waren ausgerottet bis auf einen, der entflohen war, Johann, der Sohn Tistas. Von der Burg Mutinas ging Swatopluk wieder gegen Koloman, der ihm gefolgt war, und da er heftig in einem Walde ritt, stieß er sich einen Ast in das Auge, daß es ausgestochen war. Man trug ihn nach Prag, daß er dort geheilt werde. Koloman ging nach Ungarn zurück. Da Swatopluk genesen war, ritt er im Winter mit seinen Scharen drei Täge und drei Nächte, bis er vor Neitra kam, in das er einreiten wollte; aber die Wächter hatten ihn gesehen, und verschlossen die Tore. So verwüstete er alles ringsum, und zog nach Mähren zurück. Als der Sommer gekommen war, wollte er Rache an den Polen nehmen, und lag mit dem Könige Heinrich gegen sie im Felde. Aber der Streit dehnte sich bis zu dem Herbste ohne Gewinn, und man mußte auf den Rückzug denken. Am einundzwanzigsten Tage des Herbstmonates, als Swatopluk den ganzen Tag bei dem Könige gewesen war, um den Rückzug zu beraten, und als er in der Abenddämmerung gegen seine Gezelte zurück ritt, kam aus dem Walde ein fremder Ritter zu seinem Gefolge, man sagte damals, daß es der Wrše Johann, der Sohn Tistas, gewesen sei, und warf seinen Speer mit Gewalt zwischen die Schultern des Herzogs, daß er tot von dem Rosse fiel. Der Mörder entfloh durch die Schnelligkeit seines Pferdes. Im nächsten Jahre nach dieser Tat wurde Johann, der Sohn Tistas, als er im Aufruhr [] gegen den Herzog Wladislaw ergriffen worden war, von Wacek geblendet. Drei Jahre darauf wurde Wacek auf Geheiß des jetzigen Herzogs Soběslaw, der damals noch ein junger Prinz war, auf dem Felde vor dem Wyšehrad erschlagen, weil dem Prinzen seine Freunde berichtet hatten, daß ihn Wacek bei seinem Bruder, dem Herzoge Wladislaw, angeklagt habe, und ihn auf den Wyšehrad zur Gefangennehmung und Blendung locken wolle.«

»Das sind furchtbare Gerichte«, sagte Witiko, »und ich habe auch von ihnen gewußt.«

»Ich sage das nur«, rief der Scharlachreiter, »um zu zeigen, was gewesen ist.«

»Und die Herzoge saßen indessen auf ihrem herrschenden Stuhle«, sagte Witiko.

»Ja, die Herzoge, die Herzoge«, entgegnete der Scharlachreiter.

Er wendete sich um, und rief: »Der Mann da, der neben mir reitet, frägt um die Herzoge des Landes, meine Freunde.«

»Ich meine nur die Herzoge, die zu jener Zeit gewesen sind«, sagte Witiko.

»Ja, die Herzoge, die Herzoge, nicht wahr, meine Freunde, das ist so ein Ding, die Herzoge«, rief der Scharlachreiter.

Einige von den Reitern lachten bei diesen Worten.

Der Scharlachmann wendete sich wieder nach vorn, und sagte: »Es waren einmal gar keine Herzoge in diesem Lande, das so gesegnet vor uns liegt, mein Sohn. Wer weiß, was da gewesen ist, als dein Wald noch da herab reichte, wo wir reiten.«

»Bären genug, und wenig Jäger«, sagte Odolen.

»Marbod wird doch die Bären und die Urstiere mit seinen Leuten erlegt haben«, sagte der Scharlachreiter.

»Das waren erst Zeiten«, rief der, den sie den Sohn des Načerat hießen.

[] »Nun, das wissen unsere Alten kaum, die von den vergangenen Zeiten erzählen«, sagte der Scharlachreiter, »sie loben nur immer, wie es war, da der Vater Čech über sieben Ströme gegangen ist, und unsere Ahnherrn in dem Lande gesessen sind. Da schaltete dieser in dem einen Teile des Landes, und in dem anderen jener, und wieder in einem anderen gar keiner, und alle waren sehr glücklich, wie es immer glücklich ist, wenn man von den Anfängen eines Volkes zu erzählen anhebt.«

»Das wäre jetzt kein Glück«, sagte Welislaw, »aber kann eines gewesen sein, da die Menschen noch bei sich zu Hause sehr häuslich waren.«

»Und die Häuslichkeit ging zu Ende«, sagte der Scharlachreiter. »Als der alte Krok die Augen zutat, und sein Ansehen auf seine Tochter Libuša überging, da wollte jeder ihr Gatte sein, und sie drängten sie, und sie nahm den edlen Mann des Landes Přemysl, und sie lebte mit Přemysl, und sie hielten sich das Land unterworfen, da sie lebten, und es kamen zahlreiche Nachkommen von ihnen, welche sich immer das Land unterworfen hielten, und Herzoge waren: Nezamisl, Mnata, Woyen, Unislaw, Křesomysl, Neklan, und andere, wer weiß sie noch, und Hostiwit, und Bořiwoy sein Sohn, der erste christliche Herzog, und sein Enkel, der heilige Wenzel, und dessen Bruder der grausame Boleslaw, und andere. Sie teilten immer das Land bei ihrem Tode unter ihre Söhne, daß Streit und greuliche Dinge wurden; aber kein anderer kam in den Ländern Böhmen und Mähren gegen die Nachkommen Přemysls auf. Da erschien vor hundert Jahren ein vorzüglicher Mann unter den Nachkommen Přemysls, mit Namen Břetislaw, der Sohn des Herzogs Ulrich, der Enkel des Herzogs Boleslaw des Frommen, und der Urenkel des ersten Boleslaw des Bruders des heiligen Wenzel. Dieser Mann vereinbarte mit allen seinen Vornehmen den Lechen und Županen, daß Böhmen fortan [] ungeteilt bleiben soll, daß der älteste des Stammes Přemysl Herzog von Böhmen und Mähren sein soll, und daß alle anderen dieses Stammes Länder in Mähren erhalten sollen, davon sie leben, daß sie Herzoge heißen und dem ältesten Herzoge untertan seien. So sollte der Streit enden, der Herzog sollte immer ein älterer und erfahrener Mann sein, und jeder Zweig Přemysls sollte für die Länder sorgen, weil er einmal Herzog sein kann. Aber schon die Enkel Břetislaws zerbrachen das Gesetz. Er hatte zahlreiche Enkel. Durch seinen älteren Sohn Wratislaw hatte er vier Enkel: Břetislaw, Bořiwoy, Wladislaw und Soběslaw, der jetzt Herzog ist. Durch seinen jüngeren Sohn Konrad, der Fürst von Brünn war, und Otto, der Fürst von Olmütz war, hatte er die Enkel Ulrich, Liutold, Swatopluk, Otto, und Břetislaw. Da er gestorben war, folgte ihm auf dem Herzogstuhle sein Sohn Wratislaw, der der älteste Zweig des Stammes Přemysls war, und der der erste unter den böhmischen Fürsten den höchsten Glanz erreichte, dessen sie teilhaftig werden können, nämlich die Königskrone. Als er gestorben war, folgte ihm sein Bruder Konrad auf dem Herzogstuhle, der jetzt der älteste unter den Zweigen des Stammes Přemysls war. Als auch dieser bald gestorben war, folgte des Königs Wratislaw ältester Sohn Břetislaw, der jetzt der älteste Zweig des Stammes Přemysls war. Dieser Břetislaw ist derselbe Mann gewesen, der in dem Walde bei Bürglitz ermordet worden ist. Da er bestattet war, folgte ihm sein Bruder Bořiwoy auf dem Herzogstuhle, der nicht mehr der älteste Zweig des Stammes Pře mysls gewesen ist; denn Břetislaw hatte mit den Mächtigen der Länder festgesetzt, daß ihm sein Bruder folgen solle. Der älteste Zweig war Ulrich, der sein Recht auch durchsetzen wollte, aber bald abstand. Nicht so tat Swatopluk, welcher Herzog sein wollte. Er brauchte vergeblich Gewalt. Da sendete er dann, wie ich dir schon sagte, einen [] falschen Mann zu Bořiwoy, der berichten mußte, er sei von Swatopluk mißhandelt worden, und gehe zu Bořiwoy. Der Mann erzählte Bořiwoy Wahres und Falsches, und nannte ihm als Feinde, die seine Freunde. waren. Bořiwoy wurde mißtrauisch, und glich einem Manne, der auf eine Leiter steigt, und die Sprossen hinter sich abhaut. Und als selbst sein edler Bruder Wladislaw vor ihm fliehen mußte, ward er leicht gestürzt, und Swatopluk wurde Herzog. Wie ein Feuer, das auf dem Herzogstuhle brennt, war er zwei Jahre auf demselben. Durch Mord, den er gegen sich erregt, mußte er von hinnen.«

»Ich weiß von diesen traurigen Begebenheiten«, sagte Witiko, »die Macht der Herzoge war durch sie bedrängt, daß die Übel immer wuchsen.«

»Siehst du also, mein Freund, die Herzoge, die Herzoge«, sagte der Scharlachreiter. »Aber es ist ein Mann gekommen, der eine Grenze gesteckt hat, und das Unheil gedämmt hat. Einen edleren herrlicheren großmütigeren höheren Mann hat es nie gegeben. Während seiner ganzen Herrscherzeit hat er keinen Tropfen Blut vergossen, seine Feinde hat er abgewehrt, hat sie bestraft, aber ihnen wieder verziehen, und das Volk hat er fröhlich und wohlgemut gemacht. Es ist Wladislaw gewesen, der Bruder Břetislaws, der im Bürglitzerwalde ermordet worden ist, und der Bruder Bořiwoys, der von Swatopluk vertrieben worden war. Weil durch den Bruch der Alterserblichkeit Unsicherheit in die Nachfolge gekommen war, hatten die Mächtigen der Länder Böhmen und Mähren sogleich nach der Ermordung Swatopluks selber einen Herzog gewählt, und Wladislaw erkoren, und am eilften Tage nach dem Tode Swatopluks wurde er schon auf den Fürstenstuhl in Prag gesetzt. Da er zwei Monde herrschte, wollte er die Weihnacht in Gradec feiern, und lud hiezu seinen Vetter den schwarzen Otto den Bruder Swatopluks ein. Es kam aber auch eine Ladung von dem deutschen Könige [] Heinrich dem Fünften an den Herzog, mit ihm das Neujahrfest in Regensburg zu feiern. Der Herzog sendete also den böhmischen Herrn Wacek an Otto, ihn in Gradec zu begrüßen, und zu bewirten, und er selber begab sich auf den Zug nach Regensburg. Da er in Pilsen war, kam ein Bote, der sagte, daß sein Bruder Bořiwoy am Tage vor der Heiligen Nacht mit einem Heere Prag und den Wyšehrad eingenommen, und sich zum Herzoge ausgerufen habe. Wladislaw sandte zu Wacek und Otto, und hieß sie nach Prag aufbrechen, zugleich tat er Botschaft an König Heinrich um Dazwischenkunft, und er selber ging mit seinem Geleite gegen Prag zurück. Er schloß mit Wacek und Otto den Wyšehrad ein, in welchem Bořiwoy war, und es entstand ein Kampf der Väter gegen die Söhne, der Söhne gegen die Väter, der Brüder gegen die Brüder, der Vetter gegen die Vettern, der Landeskinder gegen die Landeskinder, und acht Tage dauerte das Unglück, bis der König Heinrich in Böhmen eingebrochen war, durch Abgeordnete einen Waffenstillstand zu Stande gebracht, und beide Brüder nach Rokycan, wo er stand, geladen hatte. Sie kamen beide, und wurden auf dem Felde von Rokycan empfangen, Wladislaw freundlich, Bořiwoy feindlich. Er wurde in Ketten geschlagen, und auf die Veste Hammerstein am Rheine geführt. Wladislaw kehrte nach Prag zurück, und hielt über die Abtrünnigen Gericht. Die schwersten Verräter wurden nur geblendet, andere verloren die Güter, und der Kmete der Altstadt Prag Priwitan mußte dreimal öffentlich auf dem Markte einen Hund tragen, dann wurde ihm von dem Schergen der Bart abgehauen, und dann mußte er in die Verbannung gehen. Nach einer Zeit suchte auch der schwarze Otto seine Rechte über die des Herzogs auszudehnen. Der Herzog setzte ihn gefangen, und die Freunde des Herzogs rieten, daß er ihn blende. Der Herzog aber sagte: ›Das sei ferne von mir, daß ich [] den Haß unauslöschlich mache.‹ Und er ließ ihn zuerst auf dem Wyšehrad und dann in Bürglitz drei Jahre in Haft. Otto trug die Buße, und wurde dann von dem Herzoge wieder in seine Güter eingesetzt. Dann war noch Soběslaw, der jüngste Bruder des Herzoges Wladislaw, der ihn am tiefsten kränkte, und am längsten kränkte. Zerwürfnisse waren, Versöhnungen, und wieder Zerwürfnisse, und wieder Versöhnungen. Da Soběslaw ein Knabe war, hatte ihn sein Bruder Bořiwoy, als er vor Swatopluk floh, mit auf die Flucht genommen. Als der polnische König Boleslaw in Böhmen einfiel, um Bořiwoy aus der Haft in Hammerstein zu ledigen, und wieder auf den Herzogstuhl zu setzen, war Soběslaw in dem polnischen Heere. In fürchterlichem Streiten im Riesengebirge floß die Menge des böhmischen Blutes, und Soběslaw ging mit dem polnischen Heere wieder nach Polen zurück. Als nach der Zeit der König von Polen sich wieder vermählte, und zu seiner Gattin die Schwester der Gattin des böhmischen Herzoges erkor, und da die Schwestern zwischen ihren Gatten Frieden zu stiften strebten, und da auch die Mutter der streitenden Söhne Wladislaw, Bořiwoy und Soběslaw, die polnische Swatawa, die Witwe des Böhmenkönigs Wratislaw, herbei kam, um die Kämpfenden zu versöhnen; so schlossen die Fürsten von Böhmen und Polen Frieden, Wladislaw verzieh seinem jungen Bruder Soběslaw, und gab ihm die Lande von Saaz zum Unterhalte. Aber hier suchte er wie Otto seine Macht über die des Herzogs zu setzen, und der Herzog verwarnte ihn. Als aber die Freunde Soběslaws gesagt hatten, der Herzog wolle ihn nach dem Wyšehrad locken, und ihn dort fangen und blenden, und als ihn Wacek nach dem Wyšehrad geleitete, ließ er ihn auf dem Felde vor dem Wyšehrad erschlagen, und entfloh. Wladislaw zürnte sehr, verzieh aber dem Bruder dennoch wieder, rief ihn, ehe zwanzig Monde vergangen waren, zurück, und gab ihm die[] Lande von Gradec und darauf Brünn und Znaim zum Genusse. Jetzt hielt Soběslaw Treue wie Otto. Da auf dem Lukerfelde gegen den ungarischen König Stephan die Schlacht war, ging er mit Otto in den Rücken des Feindes, und bewirkte einen großen Sieg, aus dem die böhmischen Heere mit Ruhm und großer Beute nach Prag zurückkehrten. Nach dieser Zeit ward Bořiwoy seiner Haft auf dem Hammersteine ledig, Wladislaw stieg freiwillig von dem Fürstenstuhle, und übergab ihm die Herrschaft der böhmischen und mährischen Länder. Aber Bořiwoy konnte die Herrschaft nicht führen, und Wladislaw mußte sie wieder übernehmen. Als Soběslaw acht Jahre treu gewesen war, geriet er wieder gegen seinen Bruder in Aufstand. Wladislaw zog zürnend mit Waffenmacht nach Mähren, vertrieb ihn mit seiner Gattin, der ungarischen Adelheid, und ließ ihn nie mehr zurück. So běslaw war ein ansehnlicher Ritter und schön von Gestalt, und das böhmische Volk trauerte, daß er fern sein mußte. So war das unglückliche Jahr gekommen, da man nach dem Heile schrieb 1125. In dem Beginne desselben erkrankte Wladislaw. Er hatte das Fest der Heiligen Drei Könige in seinem Hofe in Zbečna zugebracht, es erschien das Siechtum, und er ließ sich in den Wyšehrad tragen. Seine Kräfte nahmen immer mehr ab. Da traten verschiedene Menschen zu ihm, und baten um Aussöhnung mit Soběslaw. Soběslaw war selber im strengen Winter nach Böhmen gekommen, und ging in dem Walde auf dem weißen Berge herum. Dies war im Anfange des Hornung. Die Mutter der zwei Söhne, Swatawa, setzte sich an das Bett des Kranken, und bat mit ihrem ehrwürdigen Munde und mit ihrer alten ehrwürdigen Gestalt um Versöhnung. Der edle Bischof Otto von Bamberg kam von einer Bekehrungsreise nach Prag. Ihm beichtete der Herzog, und empfing von ihm die Segnungen der Kirche. Der Bischof verlangte auch die Versöhnung. Da erging am fünfundzwanzigsten [] Tage des Monates März die Weisung, daß Soběslaw komme. Er kam. Weinend schlangen die Brüder die Arme in einander, und Soběslaw kniete an dem Bette des Kranken nieder. Alle in dem Lande Böhmen kamen über diese Nachricht in Jubel, und beteten in den Kirchen, daß der Fürst genese. Aber er starb an dem zwölften Tage des Monates April, sein Leichnam wurde in die Abtei zu Kladrau, die er mit Reichtümern begabt hatte, geführt, und sein Bruder Soběslaw bestieg den Stuhl von Böhmen, den er jetzt im dreizehnten Jahre inne hat.«

»Und er ist jetzt anders, als er früher gewesen war«, sagte Witiko.

»Du weißt ja viel von unsern Dingen, du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter.

»Das wissen sie auch in andern Ländern«, entgegnete Witiko.

»Er hat die Herrschaft nicht in Ruhe angetreten«, sagte der Scharlachreiter. »Der schwarze Otto ging zu dem deutschen Könige Lothar, und sagte er sei verkürzt worden, ihm gebühre der böhmische Herzogstuhl, und er bitte den König um Hilfe. Der König sandte an den Herzog die Botschaft: wenn er auch von dem ganzen böhmischen und mährischen Volke gewünscht und gewählt worden wäre, so sei die Wahl nichtig; denn dieselbe könne nur von dem deutschen Könige angeordnet, und ausgeführt werden. Er gebe Soběslaw Frist, vor seinem Richterstuhle zu erscheinen, und des Spruches zu harren. Tue er es nicht, so habe er den Krieg zu erfahren. Soběslaw sagte: ›Ich hoffe zu Gottes Barmherzigkeit und zum Beistande unserer Heiligen Wenzel und Adalbert, daß wir nicht in die Hand der Fremden werden gegeben werden.‹ Dann ging er nach Mähren, und nahm Ottos Gebiete in Besitz. Hierauf durchzog er das Land Böhmen, ermahnte das Volk, und ließ in den Kirchen Gebete halten. Er [] nahm die Fahne des heiligen Adalbert aus der Kirche der Burg der Slawnike Wrbcan, befestigte sie an dem Speere des heiligen Wenzel, und hieß sie im Kriege voran tragen. Der König Lothar fing im nächsten Jahre, da der Herzog Soběslaw den Fürstenstuhl bestiegen hatte, mitten im Winter den Krieg an. Es waren fast alle Herren von Sachsen, daher er stammte, mit ihm, auch Albrecht der Bär war mit ihm und Heinrich von Groitsch. Soběslaw erwartete ihn mit den Seinigen in dem Tale von Chlumec. Als der König an den Marken Böhmens angekommen war, sandte ihm Soběslaw noch einmal Botschaft durch Načerat Smil Diwiš und Miroslaw, die ein Gefolge mit sich hatten, und ließ ihm sagen: ›Die Böhmen haben bisher ihre Herzoge auf ihre eigene Weise bestellt, und der römische Kaiser hat sie als Vogt der Christenheit bestätigt, so wollen wir es halten, und ehe wir ein neues Joch auf uns nehmen, wollen wir lieber untergehen. Richte Gott zwischen uns.‹ Der König achtete nicht darauf, und stieg in der Schlucht von Chlumec nieder. Otto kam mit den Seinigen zuerst. Er wurde mit allen erschlagen. Dann kam eine zweite Schar. Sie wurde auch geschlagen. Dann kamen weitere Scharen, sie wurden angegriffen, zerstreut, erschlagen, gefangen. Der König floh auf einen Berg, die Böhmen umringten den Berg, daß nicht er und nicht einer von denen, die um ihn waren, entrinnen konnte. Da sandte er nach Soběslaw. Soběslaw stieg auf den Berg, und sagte zu dem Könige: ›Wir haben diesen Krieg nicht aus Mutwillen begonnen, um das Blut der Deinen zu vergießen, oder dir eine Schmach anzutun, sondern um die Gewalt, die man uns zufügen wollte, abzuwehren. Gott hat gerichtet. Wir nehmen von dir die Bestätigung der Herzogswahl an, nicht weil du deutscher König bist, sondern weil du römischer Kaiser sein wirst, und treten in die alten Rechte zurück.‹ Der König küßte den Herzog, und bestätigte [] mit der Fahne seine Wahl. Darauf ließ der Herzog den König und die Seinen ungehindert von dannen ziehen. Die Gefangenen gab er ohne Lösegeld frei. Darunter war der Bischof von Merseburg, der Bischof von Halberstadt, Albrecht der Bär, und es waren drei Äbte. Die fünfhundert edlen deutschen Ritter, die tot waren, und das Volk, das mit ihnen gefallen war, und die von den Leuten aus unseren Ländern, die auch mit ihnen gefallen waren, ließ Soběslaw begraben.«

»Das war recht gut gehandelt«, sagte Witiko, »meine Mutter und ein edler Priester haben mir von diesen Dingen erzählt, da ich ein Knabe war, und sie haben mir öfter wieder davon erzählt, da ich ein heranwachsender Jüngling war.«

»Als Soběslaw einmal im fünften Jahre seiner Herrschaft mit einem großen Geleite nach Mähren zog«, fuhr der Scharlachreiter fort, »nannte ihm ein Kämmerling zwei Männer aus seinem Gefolge, die vorhatten, ihn zu ermorden, und einer Gelegenheit dazu erharrten. Der Herzog sagte dieses den Županen Zdeslaw und Diwiš, die seine treuen Räte waren, und hieß sie, die zwei Männer insgeheim in Haft nehmen. Da dieses geschehen war, erkannte man in ihnen Dienstleute der Brüder Miroslaw und Střezimir. Ihre Waffen waren vergiftet. Sie gestanden, daß ihre Herren sie zum Morde gedungen haben. Miroslaw, welcher bei dem Herzoge war, wurde gefangen, Střezimir suchte zu fliehen, wurde aber ereilt, und beide wurden gebunden auf den Wyšehrad geführt. Der Herzog kehrte auf seinem Zuge um, und ging nach Prag. Dort zog er barhäuptig barfüßig und in Bußkleidern ein, und ging sogleich gegen die Kirche des heiligen Veit. Die Glocken läuteten, Kinder mit Zweigen standen in den Straßen, die Priester sangen den Lobgesang des heiligen Ambrosius, und das Volk drängte sich. In der Kirche tat er ein Gebet für seine Rettung. Sieben Tage darnach [] wurde ein öffentlicher Gerichtstag und ein Landtag abgehalten. Zweitausend Menschen kamen zu dem Tage. Der Herzog hielt eine Anrede, und sagte, daß er es mit den Ländern Böhmen und Mähren immer wohl gemeint habe, daß er ein sündiger Mensch sei, daß aber seine Sünden anders gestraft werden müßten als mit Mord, wie bei seinem Bruder Břetislaw, und von einem andern als einem sündigen Menschen. Das Gericht soll nach genauer Gerechtigkeit seines Amtes walten. Das Gericht ward gehalten, und des folgenden Tages wurden Miroslaw, Střezimir, die zwei Dienstleute, und der Arzt, der das Gift gegeben hatte, hingerichtet. Miroslaw hatte den Bischof Meinhard als obersten Anstifter angeklagt, welcher auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem war. Da der Bischof zurückgekommen war, wurde er nach des Herzogs und der Lechen Willen dem Erzbischofe von Mainz Adalbert und dem Bischofe von Bamberg Otto zum Gerichte übergeben. Am Tage des heiligen Wenzel wurde das Urteil verkündet. Der Bischof von Bamberg war selber nach Prag gekommen. Meinhard wurde vor allem Volke als unschuldig erklärt. Der Bischof Otto, der Bischof von Olmütz Zdik und sieben böhmische Abte legten ihre Stolen nieder, und bezeugten die Unschuld Meinhards. So ward dessen Ehre gerettet. Seit dem Tage stand niemand mehr gegen Soběslaw auf. Mit dem Könige Lothar lebte er in Freundschaft, und gab ihm zwei Mal böhmische Männer zu seiner Romfahrt. Mit dem polnischen Könige Boleslaw hatte er wegen des ungarischen Bela Krieg. Er siegte, versöhnte sich mit dem Könige, und sie wurden Freunde. Seitdem ist Frieden.«

Der Scharlachreiter schwieg nun ein Weilchen, Witiko auch.

»Nun du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter hierauf, »du hast von den Herzogen gesagt, du hast um die Herzoge gefragt, jetzt habe ich dir Herzoge genug genannt, [] und habe dir von Herzogen viel erzählt. Und weil ich dir von Herzogen viel erzählt habe, und weil ich dir von Geschlechtern viel erzählt habe, und von ihren wilden Sitten, und von uns und unsern guten Sitten, so könntest du jetzt auch von dir und deinem Wesen etwas offenbaren, das uns freut.«

»Ich habe dir ja schon gesagt, daß ich vom Mittage komme, und nach Mitternacht reite«, entgegnete Witiko.

»Das hast du gesagt, weiser Mann«, antwortete der Scharlachreiter, »und das ist sehr merkwürdig; aber da du nicht immer das Ledergewand anhaben wirst, und es vielleicht einmal mit einem andern vertauschen wirst, so kann ich dich ja nicht beschreiben, wenn ich zu jemanden von dir spreche, und ich kann nicht wissen, daß du gemeint bist, wenn jemand von dir zu mir redet. Du wirst doch ein Ding haben, das ein Name ist, und das Ding wird unschuldig sein, daß man es nennen kann.«

»Ich heiße Witiko«, antwortete Witiko, »stamme aus dem Mittage des Landes, und habe keine Angehörigen mehr als eine Mutter, die edlen Blutes ist.«

»Nun, Witiko«, sagte der Scharlachreiter, »wenn du aus dem Mittage unseres Landes stammst, so bist du vielleicht auch schon in Baiern gewesen, und hast den stolzen Heinrich gesehen, der jetzt das Gerede aller ist.«

»Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Witiko. »Im Randshofe, der nahe an dem Flusse Inn steht, und wo schon vor dem großen Kaiser Karl und seinen Söhnen die Herrscher des Frankenlandes öfter gewohnt haben, war einmal in den Klöstern, die an dem Hofe sind, eine große Kirchenfeierlichkeit. Da hieß es, daß der Herzog Heinrich mit seiner Gattin Gertrud und seinem kleinen Söhnlein, das auch Heinrich heißt, kommen werde. Ich ging hin. Der Herzog kam nicht. Otto der Pfalzgraf war da, Konrad der Erzbischof von Salzburg, Regimbert, der Bischof von [] Passau, die Herren von Rote, von Mosebach, von Poren, Meisaha, Hagenau, und viele andere.«

»Nun der gute Herzog mag jetzt auch viele Bitterkeit haben, wie mancher hochfahrende Herr«, rief der Scharlachreiter, »er hat ja nicht anders gemeint, als er wolle dem deutschen Reiche die Gnade tun, wenn es ihn zum Könige gewählt haben wird, die Wahl anzunehmen. Und da sitzt nun das Schwäblein Konrad auf dem deutschen Stuhle, und sagt, der große Herzog möge sich beugen. Und der große Herzog will sich nicht beugen, und da werden sie sich bei den Bärten nehmen. Sachsen ist ihm schon abgesprochen, und Baiern wird das Schwäblein seinem Halbbruder dem jungen Markgrafen Leopold von Österreich geben, der nun ein guter Bundesgenosse würde, wenn jemand um ihn wirbt.«

»In Baiern sagen sie, daß der Herzog sich nicht fügen wird, und noch weniger Welf«, entgegnete Witiko.

»So wird es Funken geben«, sagte der Scharlachreiter, »und Feuer werden aufsprühen. Unser Herzog baut indessen Burgen an den Marken seiner Länder, und sorgt, daß alle Ämter die Leute zu ihrer Arbeit haben, und harret seiner Zeit.«

»Er wird vielleicht das Rechte tun«, sagte Witiko.

»Ja, vielleicht errätst du es, du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter. »Vor drei Monaten ist er zu dem neuen Könige Konrad nach Bamberg geritten, und hat seinen jungen Sohn Wladislaw, den er im vorigen Jahre zum Herzoge von Olmütz gemacht hatte, mit der böhmischen Fahne belehnen lassen, und vor zwei Monaten hat er die Herren von Böhmen auf einen Landtag nach Sadska berufen, und dort haben alle die hohen und die niederen den jungen Wladislaw anerkannt, und ihm Folge gelobt. Du siehst also, du weissagender Mann, daß bei uns alle Sachen geordnet und befestigt sind, und daß es uns, die wir da reiten, nichts hälfe, wenn wir auch, wie du sagtest, [] das Gelüste hätten, in diesen Ländern zu schalten. Wir können nur Hirsche erlegen, und können nur die schönen Augen der Jungfrauen loben, wenn wirklich schöne Augen irgend wo vorhanden sind, höchstens, daß man uns verwendet, das ausführen zu helfen, was die hohen und niederen Herren ersonnen haben.«

»Und wenn auch alles fest geordnet ist, und wenn auch ein Herzog auf dem Stuhle sitzt, und recht und rechtlich waltet«, sagte Witiko, »so hindert das gar nicht, daß ein anderer sich denke, er möchte Herzog sein, und was er täte, wenn der Stuhl in seiner Macht wäre.«

»Dann haben wir eine Million Herzoge«, rief der Scharlachreiter, »die sich alle denken, wie sie es zur Lust und Freude machen würden, wenn sie den Fürstenstuhl inne hätten. Ich habe dir aber gesagt, daß wir alle und jeder, die da reiten, etwas Höheres vor uns haben, das uns beschäftigt, das Reich der Freude, welches die ganze Welt umspannt, und gegen welches so ein Herzogstuhl nur ein kleines Gesiedel ist, auf welches niemand denkt. Oder möchtest du ein anderer Krok werden, wenn nämlich die, welche von ihm durch seine Tochter Libuša und ihren Mann Přemysl abstammen, es gelten ließen, und möchtest du in Weisheit herrschen, und ein unabsehliches Geschlecht hinter dir bis zum Ende der Welt gründen?«

»Ich habe daran nie gedacht«, entgegnete Witiko, »wenn aber im Kriege oder durch Verhängnis alle, die von Přemysl stammen, zu Ende wären, und die Länder Böhmen und Mähren mich zu Rechte zu ihrem Herzoge machen wollten, würde ich, wenn ich dächte, daß ich es könnte, Herzog sein, und recht und gerecht herrschen wollen.«

»Nun, die Nachkommen des alten Přemysl könnten in Gefahr kommen«, sagte der Scharlachreiter, »unser Herzog Soběslaw ist mit dem verblichenen Kaiser Lothar immer in Freundschaft gewesen, hat ihm Leute zu seinen Kaiserfahrten gegeben, hat ihn besucht, und ist einmal [] mit fünftausend Männern in großem Putze und mit vielen Geschenken zu dem Tage des Kaisers nach Merseburg geritten. Er wird auch mit dem Könige Konrad in Freundschaft sein, der sein Söhnlein belehnt hat, und wenn zwischen dem Könige Konrad und dem stolzen Herzoge Heinrich in Sachsen oder irgendwo ein Krieg zu Stande kömmt, so wird der Herzog Soběslaw mit den Seinigen zu dem Könige als Hilfebringer reiten, und so ein Krieg kann sehr lange dauern.«

»Bist du auch in Sadska gewesen?« fragte Witiko.

»Ich bin nicht dort gewesen, und alle, die da reiten, sind nicht dort gewesen«, sagte der Scharlachreiter, »dahin sind nur die Erfahrenen gegangen, und die es sonst gewollt haben.«

»Ich will dir nun auch etwas von unsern Absichten offenbaren«, fuhr der Scharlachreiter nach einem Weilchen fort, »ich und alle, welche mit mir sind, reiten nach Morgen zu, siehst du, auf dem Blachfelde gerade vor uns, wo der kleine Baum ist, dort geht der Weg seitwärts nach dem Lande zu, das Mähren heißt, und weil du uns auch so freimütig geoffenbaret hast, daß du gegen Mitternacht reitest, so werden wir dort wahrscheinlich Abschied nehmen.«

»So wird es auch sein«, sagte Witiko.

»Und wenn du uns wiedertriffst«, sagte der Scharlachreiter, »so reite uns zu, und halte Geselligkeit mit uns.«

»Eines muß er sich aber abgewöhnen«, rief Welislaw nach vorwärts, »daß er im Schritte reitet.«

»Ich reite nur im Schritte, wenn ich reise«, sprach Witiko zurück, »ich kann es zu andern Zeiten auch anders tun.«

»Wir tun es nicht einmal auf Reisen«, antwortete Welislaw.

»Dann habt ihr Pferde zum Wechseln«, sagte Witiko.

»Der Ledermann hat Recht«, sagte der Scharlachreiter, [] »er schont seine Pferde, wir verderben sie, er ist klug, und wir sind leichtfertig.«

Indessen waren die Reiter bei dem kleinen Baume angekommen, an dem der Weg sich teilte.

»Siehst du, wir reiten auf diesem Wege rechts«, sagte der Scharlachreiter.

»Und ich reite auf dem andern gerade fort«, entgegnete Witiko.

»So lebe wohl, du lederner Mann«, sagte der Scharlachreiter.

»Lebe wohl«, sagte Witiko.

»Reite glücklich deiner Wege, und suche nicht gleich Kampf mit Männern, die du auf der Straße findest«, rief Odolen.

»Wenn sie ihn nicht hervorrufen, suche ich ihn nicht«, sagte Witiko.

»Reite fröhlich«, rief Welislaw.

»Du auch«, sagte Witiko.

»Lebe wohl«, rief Ben.

»Komme bald zu uns zurück«, rief der Sohn des Načerat.

»Lebet wohl«, sagte Witiko.

Die von hinten kamen nun auch hervor, und riefen: »Lebe wohl.« »Reite glücklich.«

»Lebet wohl«, antwortete Witiko.

Dann hielt er ein Weilchen stille, und sagte zu dem Scharlachreiter: »Ich habe dir gesagt, wie ich heiße, und woher ich komme, du hast mir manches erzählt, und hast mir die genannt, welche dich begleiten, sage mir, wer bist denn du, daß du dich um dieses Land so kümmerst, und was darin geschieht.«

»So höre, du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter, »ich bin der Sohn des edlen großmütigen hohen Herzoges Wladislaw, der in seiner Herrschaft keinen Tropfen Blut vergossen hat, ich bin der Enkel des ruhmreichen Königs Wratislaw, ich bin der Neffe jenes Herzogs Břetislaw, der [] im Walde von Bürglitz wie ein Stern zur Erde gesunken ist, ich bin der Neffe des unglücklichen Bořiwoy, der vor Swatopluk weichen mußte, und bin der Neffe des jetzigen Herzoges Soběslaw. Mein Name ist Wladislaw.«

»Wenn du das alles bist«, sagte Witiko.

»Nun, Witiko?« antwortete der Scharlachreiter.

»So solltest du ernster sein«, sagte Witiko.

»Mein Sohn«, sagte der Scharlachreiter, »hier führt mein Weg nach Morgen, dem Lande Mähren zu, der deine führt nach Mitternacht. Lebe wohl, und finde dein Glück.«

Nach diesen Worten setzte er und setzten die Seinen ihre Pferde in Bewegung, und ritten im schnellen Trabe auf dem Wege gegen Morgen hin, daß der Staub über sie aufwirbelte.

Witiko ritt langsamen Schrittes gegen Mitternacht fort.

3

Es war ein großer Saal.

Als man das Jahr des Heiles 1140 zählte, lag der böhmische Herzog Soběslaw krank. Er war im Herbste des vorhergegangenen Jahres an die Morgengrenze seines Reiches gegangen. Um ein Jahr früher war in derselben Jahreszeit sein Freund der polnische König Boleslaw Schiefmund gestorben. Er befestigte nun das Reich gegen Polen, baute noch an Hostas Burg, und wohnte nahe dabei in seinem Hofe zu Chwoyno. Da erkrankte er gegen das Fest der Weihnacht, und ließ sich auf Hostas Burg tragen. Es war die Weihnacht gekommen, es war das Fest des Neuen Jahres und der Heiligen Drei Könige vorüber gegangen, und man näherte sich dem Monate Hornung. Der Herzog lag in einem Gemache, dessen Wände weiß getüncht waren, und das drei Fenster enthielt. Zwei davon waren mit Linnen verhangen, durch das dritte sah [] der Herzog in der Richtung hin, in welcher die Länder seines verstorbenen Freundes Boleslaw lagen. Man hatte ihm des Frostes wegen eine Bärendecke über den Leib gedeckt, und gegen sie reichte der ergrauende Bart, und die Hände lagen auf ihr. Eine Frau in dunkelm Gewande saß von dem Kranken abseits auf einem hölzernen Gesiedel. Da sprach der Herzog: »Adelheid, sorge zu erfahren, ob der Jüngling, welcher am Sonntage im Vorgemache war, noch irgendwo in der Burg oder in ihrer Nähe zu finden ist, und lasse ihn zu mir bescheiden.«

Die Frau erhob sich von ihrem Sitze, und ging hinaus.

Nach einer Weile kam sie wieder herein, und sagte: »Er ist noch hier, man wird ihn suchen, und dir senden.«

Nach diesen Worten ließ sie sich wieder auf ihren Sitz nieder.

Als eine kurze Zeit vergangen war, öffnete ein Kämmerling die Tür, und führte Witiko herein. Derselbe war in seinem Lederkleide.

Der Herzog winkte dem Kämmerlinge, sich zu entfernen, und sagte dann: »Adelheid, du hast den erkannt, den ich meinte. Tritt näher, Witiko.«

Witiko trat einige Schritte von der Tür gegen den Herzog.

»Du mußt bis zu dem Bette herzu kommen«, sagte Soběslaw.

Witiko ging hinzu, blieb stehen, und schaute auf den Herzog. Von seinem entblößten Haupte gingen die blonden Locken auf die Schultern herab. Seine Lederhaube hielt er in der Hand.

»Witiko«, sagte der Herzog, »du bist in dem Zuge, den wir mit dem Könige Konrad nach Sachsen taten, klug gewesen, du gehörst keinem Vornehmen meines Reiches an, du blickest ehrlich, und wirst mich nicht verraten. Nimm das beste Pferd, welches in der Burg ist, und verwahre dich wohl gegen die Kälte, und reite nach Prag. Dort halten [] sie auf dem Wyšehrad Versammlungen, und beraten, was nach meinem Tode sein wird. Ergründe, was sie sagen, und vorhaben, und bringe mir die genaue Nachricht zurück. Ich werde dir ein goldenes Kreuzlein mitgeben, das zeige dem Bischofe Silvester, der wird dir in deinem Werke an die Hand gehen. Du hast dich zu denen gesellt, die hier um mich sind, du wirst meinen Auftrag vollführen.«

»Hoher Herr«, entgegnete Witiko, »wenn ich dir die wahre Nachricht zurückbringe, wirst du dann gegen die deines Landes, die dir zuwider handeln, feindlich verfahren?«

»Nein, mein junger Reitersmann«, erwiderte der Herzog, »ich werde nur wissen, was es ist, und werde dann sterben.«

»So werde ich gehen, und werde dir die rechte Botschaft bringen«, antwortete Witiko.

»Gott geleite dich«, sagte der Herzog.

Nach diesen Worten langte er in den hölzernen Schrein, der hinter dem Bette stand, und zog ein Beutelchen von rotem Sammet hervor. Dann öffnete er das Beutelchen, und tat ein sehr kleines goldenes Kreuzlein heraus.

»Hier ist das Kreuzlein«, sagte er.

Dann steckte er es wieder in das Beutelchen, und reichte dasselbe an Witiko. Witiko nahm es, und barg es in seinem Wamse. Dann neigte er sich gegen den Herzog und die Frau, und schritt gegen die Tür. Die Frau erhob sich, trat zu ihm, und sagte: »Geht mit Gottes Segen, junger Reiter, und übet Treue, so lange Ihr lebt.«

Witiko antwortete nichts.

Die Frau ging vor ihm zur Tür, und vor ihm durch dieselbe hinaus. In dem Gemache, in welches sie kamen, spielten drei Knaben auf mehreren Hirschfellen, die man auf den Fußboden gebreitet hatte. Auf einer Bank saß ein Priester.

[] »Soběslaw«, sagte die Frau zu einem der Knaben, »sieh in der Stube, ob Boreš dort ist, und rufe ihn her. Dein Vater will diesen Mann da versenden.«

»Ja, Mutter«, rief der Knabe, sprang empor, und lief zur Tür hinaus.

Ein anderer Knabe fragte: »Mutter, schläft der Vater?«

»Nein, Wenzel«, antwortete die Frau, »aber er muß Ruhe haben.«

»Wir sind immer stille«, sagte der Knabe.

»Ihr müßt noch eine Zeit stille sein«, entgegnete die Frau.

Der fortgesendete Knabe kam zurück, und brachte einen bewaffneten Mann.

»Boreš«, sagte die Frau, »der Herzog sendet diesen Reiter fort. Er soll sich ein Pferd wählen, und das Notwendige erhalten.«

»Es wird in kurzer Zeit bereitet sein«, sagte Boreš.

»Wo ist Wladislaw?« fragte die Frau.

»Er ist in das Holz geritten, und wird sogleich wieder kommen«, antwortete Wenzel.

»Meldet es mir, wenn er kommt«, entgegnete die Frau, »seid gegrüßt, ehrwürdiger Vater, und Ihr, Witiko, reitet wohl.«

Dann ging sie wieder in das Krankengemach. Der Priester, der aufgestanden war, setzte sich wieder auf seinen Platz, und Witiko und Boreš gingen in die äußere Stube. Dort waren mehrere Menschen: Mannen, Priester und andere. Die zwei Männer schritten durch sie hindurch in den Vorsaal und die Treppe hinab in die unteren Räume und in den Stall.

Nachdem eine Stunde vergangen war, wurde für Witiko das Tor geöffnet, und er ritt auf einem schwarzen Pferde des Herzogs in die Schneepfade der Gegend, die gegen Sonnenuntergang liefen, hinaus. Er hatte seine Füße für die Bügel mit starken Tüchern umwunden, über seiner [] Lederkleidung hatte er Pelzwerk, seine Haube war mit einem Stücke Bärenfell bedeckt, und seine Hände waren in Pelz gekleidet. In der Rechten trug er einen kurzen Wurfspieß, und an seiner Seite hing das Schwert. So ritt er fort, und am Morgen des vierten Tages kam er in Prag an.

Er suchte eine Herberge, brachte das Pferd unter, besorgte die Reinigung seiner Kleider, und aß etwas zum Frühmahle. Dann ging er zum Hause des Bischofs. Er pochte mit dem Klöppel an dem Tore. Der Torwart öffnete ihm, führte ihn zur Treppe, und über diese hinauf in einen Vorsaal, wo er ihn einem geistlich gekleideten Manne übergab. Dieser fragte nach seinem Begehren. Witiko sagte ihm, daß ihn der Herzog sende, und wie er heiße. Darauf wurde er von ihm in ein erwärmtes Gemach geführt, in welchem unter einer Himmeldecke ein großes Kreuz des Heilandes stand. Die Tür neben dem Kreuze, sagte der Mann, führe zu dem Bischofe; allein Witiko müsse warten, weil ein hoher Herr bei dem Bischofe sei, und mit ihm spreche.

Witiko stellte sich an ein Fenster, und wartete. Der Mann ließ sich auf eine Bank nieder.

Nach einer Zeit öffnete sich die Tür neben dem Kreuze, und zwei Männer traten heraus. Beide hatten ein veilchenblaues Überkleid. Der eine hatte eine hohe Stirne, dunkle Augen, und ein brauner Bart ging auf das Überkleid nieder. Der andere hatte blaue Augen und einen weißen Bart. Jeder trug ein goldenes Kreuz.

Im Herausgehen sagte der mit dem braunen Barte zu dem andern: »Lernet ihn nur kennen.«

»Ich kenne ihn, ich kenne ihn«, antwortete der mit dem weißen Barte.

Dann gingen sie schweigend über den Fußboden des Gemaches bis zur Ausgangstür. Dort verabschiedeten sie sich, der mit dem braunen Barte ging heraus, der mit [] dem weißen wieder in das Gemach zurück, aus dem sie gekommen waren. Jetzt ging auch Witikos Begleiter in das Gemach. Nach einer Weile kam er wieder heraus, und führte Witiko hinein.

Der Mann mit dem weißen Barte und den blauen Augen stand in dem Gemache, da Witiko eintrat. Der Begleiter entfernte sich.

»Ich bin der Bischof Silvester«, sagte der Mann.

»Mich sendet der Herzog Soběslaw«, entgegnete Witiko.

»So sei gesegnet, und setze dich auf jenen Stuhl«, sagte der Mann.

Witiko setzte sich, der Mann setzte sich auf einen andern Stuhl, und sagte: »Nun sprich, wie erkenne ich deine Sendung?«

»Weil ich es sage«, entgegnete Witiko, »und weil Ihr mir durch dieses Zeichen helfen werdet.«

Er zog das rote Beutelchen aus seinem Wamse, tat das Kreuzlein heraus, und reichte es dem Bischofe. Der Bischof nahm es, küßte es, und gab es Witiko wieder zurück.

»Wann hat er dir das Kreuzlein gegeben?« fragte er.

»Vor vier Tagen am Morgen«, antwortete Witiko.

»Hat er es dir aus dem Bette gereicht?« fragte der Bischof.

»Er hat seine Hand von der Bärendecke des Bettes gehoben, hat in den Schrein hinter dem Bette gelangt, hat das Beutelchen mit dem Kreuze hervorgezogen, und es in meine Hand gelegt«, sagte Witiko.

»Es ist gut«, erwiderte der Bischof, »was ist dein Begehren?«

»Sie beraten auf dem Wyšehrad«, entgegnete Witiko, »ich soll ergründen, was sie sagen, und vorhaben, und soll dem Herzoge die rechte Botschaft bringen.«

»So will ich dir sagen, mein Kind, was ich weiß, und was ich offenbaren kann, reite dann zu dem Herzoge, und verkündige es ihm«, sprach der Bischof.

[] »Das hieße ja nicht ergründen, was sie vorhaben, und dem Herzoge die rechte Botschaft bringen«, antwortete Witiko, »da Ihr selber sagt, hochehrwürdiger Bischof, daß Ihr nicht alles wißt, und nicht alles offenbaren könnt.«

»Nun, und wie willst denn du es ergründen?« fragte der Bischof.

»Ich werde in die Versammlung gehen, und werde hören, was sie sagen, und beschließen«, entgegnete Witiko.

»Das willst du tun!« rief der Bischof, »armes Kind, sie werden einen Spruch über dich fällen, und nach dem Spruche verfahren.«

»Das weiß ich nicht«, sagte Witiko, »aber ich muß auszuführen streben, was ich dem Herzoge versprochen habe.«

»Und wie kann denn ich dabei dir helfen?« fragte der Bischof.

»Daß sie mich vor sich lassen, und anhören«, entgegnete Witiko.

»Das könnte ich dir vielleicht verschaffen«, sagte der Bischof, »und das werden sie um so eher zugestehen, als du dich auf diese Art ihnen selber stellst. Aber es kömmt auf dein Haupt, was dann folgen wird.«

»Es kömmt«, sagte Witiko.

»Es ist auch unnütz, daß du dein junges Blut hieher trägst«, sprach der Bischof, »hast du den Mann gekannt, der von mir gegangen ist?«

»Nein«; antwortete Witiko.

»Es ist Zdik gewesen, der Bischof von Olmütz, der Sohn des Mannes Cosmas, der die Geschicke dieser Länder aufgeschrieben hat. Er gilt viel in dem Rate unserer Völker, und meint den schon zu kennen, der Herzog sein wird. Hast du den Arzt bei dem Herzoge gesehen?«

»Nein«, sagte Witiko, »nur seine Gehilfen.«

»Er ist in Prag und bei mir gewesen«, sagte der Bischof, [] »und hat mir eröffnet, daß der Herzog, ehe der halbe Mond vergeht, sterben wird.«

»Das kann der Arzt vielleicht wissen«, antwortete Witiko, »meine Sache aber ist eine andere.«

»Es wird eine große Versammlung sein, zu der viele Menschen herein kommen werden«, sagte der Bischof, »und wenn in derselben Gott unser Herr nicht dem Rechte seine Geltung verschafft, sondern es noch weiter prüft, so kann der Herzog nichts ändern. Hast du noch Eltern?«

»Nur mehr eine Mutter«, sagte Witiko.

»Dir wäre besser, mein Sohn«, sprach der Bischof, »wenn du bei deiner Mutter wärest, bis alles vorüber ist.«

»Das kann nun nicht mehr sein«, sagte Witiko.

»Und für den Herzog ist es einerlei, ob er jetzt weiß, was geschieht, oder ob er es später erfährt«, sprach der Bischof.

»Ich habe ihm jetzt mein Versprechen gegeben«, antwortete Witiko.

»Und wenn ich dir gar nicht an die Hand gehe?« fragte der Bischof.

»So werde ich meine Sache allein vollführen«, entgegnete Witiko.

»Du hast ein vorschnelles Versprechen gegeben«, sagte der Bischof.

»Ich habe es überlegt«, antwortete Witiko.

»Wie die Jugend überlegt«, sagte der Bischof, »wie ist denn dein Name?«

»Witiko«, sagte Witiko.

»Ich forsche nicht weiter«, sagte der Bischof, »Witiko, gehe in deine Herberge, mische dich nicht unter die Leute und in die Gespräche, sage einem der Meinen, wo sie dich finden, ich werde dir zur rechten Zeit eine Botschaft senden.«

»Tut das«, sagte Witiko, »ich werde Euch folgen.«

[] »So gehabe dich wohl, mein Sohn«, sagte der Bischof.

Er legte leicht die Hand auf den Scheitel des Jünglings, und zog sie wieder zurück. Dieser verneigte sich tief, und ging.

In dem Vorgemache waren jetzt mehrere Männer. Einer geleitete Witiko die Treppe hinab. Diesem sagte Witiko seine Herberge. Dann ließ ihn der Torwart auf die Gasse hinaus, und Witiko ging den nämlichen Weg, den er gekommen war, nach Hause zurück.

Es kamen nun mehrere Tage, in denen Witiko wartete. Er ging in die Stadt, und sah die steinernen Häuser an, die unter den hölzernen standen, und er ging auf die lange hölzerne Brücke, die über die Moldau war, und ging wieder in seine Kammer zurück. Er sah manche Menschen, denen er anmerkte, daß sie von weit herzu gekommen waren, und in der Herberge wurde gesagt, daß, weil des Herzogs Ende nahe sei, eine Wahl sein werde, wer ihm folge.

Da der dritte Tag des Monates Hornung gekommen war, erschien ein Mann des Bischofes Silvester in der Herberge Witikos, und sagte ihm, der Bischof lasse ihm melden, daß er des andern Morgens wohlgekleidet und geordnet sein möge, es werde ein Priester kommen, und ihn in die Versammlung der Lechen führen. Witiko versprach es.

Als der folgende Tag, der vierte des Monates Hornung, angebrochen war, hatte Witiko sein wohlgereinigtes Lederkleid an, die Lederhaube auf dem Kopfe, und das Schwert an der Seite. Als der Priester gekommen war, ging er mit ihm durch die Straßen Prags. In denselben waren Menschen, welche ihre sonntäglichen Gewänder an hatten, in verschiedenen Richtungen gingen, und von den Dingen sprachen, die heute geschehen sollten. Der Priester und Witiko schlugen den Weg nach dem Wyšehrad ein. Menschen gingen desselben Weges. Mancher [] Reiter zog mit großem Gefolge dahin. Mancher verfolgte einzeln den Weg. So gelangten sie an den Wyšehrad, und gingen durch das Tor ein.

In dem Hofe waren viele Menschen. Der Priester führte Witiko zu einer Treppe, und dann über diese in einen langen Gang. Wenn irgendwo Reisige standen, sagte der Priester ein Wort, und auf das Wort wurden sie vorüber gelassen. Von dem Gange traten sie in ein Gemach. Das Gemach war groß, und in demselben befanden sich sehr viele Menschen. Es waren Diener da, es waren Herren da, selbst Frauen und Mädchen. Von dem Gemache führte eine Tür in ein weiteres Gemach, in das sie gingen, und in dem wieder Menschen waren.

»Hier müssen wir warten«, sagte der Priester zu Witiko.

In dem Gemache war noch weiterhin eine sehr große Tür, an der Bewaffnete standen.

Als sie eine Stunde gewartet hatten, trat ein Mann aus der hohen Tür, und rief: »Witiko.«

»Du mußt allein hinein gehen«, sagte der Priester.

Witiko ging an den Bewaffneten vorüber durch die hohe Tür, der Mann mit ihm, die Tür wurde hinter ihnen geschlossen, und Witiko stand vor der Versammlung.

Es war ein sehr großer Saal. Der Saal war rückwärts und seitwärts ganz mit Menschen gefüllt. Nur wo Witiko stand, war ein größerer freier Raum. Er konnte auf alle sehen, und alle konnten auf ihn sehen. Vorne in der Versammlung, wo ein langer Tisch mit Schreibgeräten stand, saß der Bischof von Prag Silvester. An seiner Linken saß der Bischof mit den dunkeln Augen und dem braunen Barte, welchen Silvester Zdik den Bischof von Olmütz geheißen hatte. Dann saßen mehrere Äbte und geistliche Herren. Seitwärts saßen Priester, die zu den Untergebenen der Bischöfe und Äbte gehörten. Vorne in der Versammlung saß auch ein Mann in einem sammetnen dunkelpurpurnen weiten Gewande, das ein Gürtel zusammen [] hielt, in welchem aber kein Schwert hing. Auf dem Haupte hatte er eine dunkelpurpurne Haube mit einer weißen Feder. Ein weißer Bart floß auf das Gewand nieder. Neben ihm saß einer in grauem Gewande mit grüner Haube weißer Feder und weißen Haaren. Es war Smil ein Kriegsanführer, den Witiko im Zuge nach Sachsen gesehen hatte. Neben Smil saß einer in schwarzem Gewande mit schwarzer Haube grauer Feder weißem Barte, dann noch mehrere in kostbaren Gewändern. In den Reihen hinter diesen saßen vornehme Herren Böhmens schön geziert. Alle hatten ein Schwert. Witiko kannte keinen, oder er konnte ihn in der Menge nicht erkennen. Unter denen, die ganz rückwärts waren, glaubte er das Angesicht des Reiters zu erblicken, der sich bei Chynow den Sohn des Načerat geheißen hatte. Auch sah er einen Mann, von dem er meinte, daß er damals Welislaw genannt worden war. Noch einen sah er, der in jenem Gefolge gewesen war, er kannte aber seinen Namen nicht.

Als er in den Saal getreten war, nahm er seine Lederhaube mit der linken Hand ab, neigte sich, strich mit der rechten seine Locken zurück, und stand dann da, seine Augen auf die Versammlung richtend.

Es war ein großes Gemurmel gewesen, als er in den Saal trat, wie es ist, wenn viele Menschen in einem Raume sind, und es ist größer geworden, da er eintrat. Manche erhoben sich, um ihn zu sehen, und rückwärts standen mehrere aufrecht, um besser nach vorwärts schauen zu können.

Als das Geräusch sich minderte, erhob sich ein Priester, der neben dem Bischofe gesessen war, trat in den freien Raum vor dem Tische, und rief: »Ich bin der Abt von Kladrau!«

Hierauf schwieg er, und da sich nirgends ein Widerspruch erhob, und da fast eine gänzliche Stille eingetreten war, [] hob er an: »Liebe Mächtige und Wohlgesinnte! Wir haben heute in diesem Hause eine Versammlung, die so groß und ehrfurchterweckend ist, wie selten eine in diesem Lande stattgefunden hat. Viele treue Männer haben, als das Unglück zu drohen schien, welches nun nahe ist, ihre Worte ausgetauscht, was vorzubereiten ist, daß der Jammer nicht erscheine, der schon öfter bei einem Wechsel auf dem Herzogstuhle in diese Länder gekommen ist: als aber die Nachricht unter die Menschen ging, daß es nicht mehr anders sein werde, als daß unser erlauchter Herzog Soběslaw zum ewigen Leben in der Gesellschaft seiner Brüder, seiner Eltern und Vorfahren werde einberufen werden, so kam eine große Zahl edler Herren dieser Reiche herein, sie offenbarten ihren Stand und ihren Besitz, und verlangten zu den Versammlungen gelassen zu werden. Der Rat zu ernster Erwägung der Dinge und zur Findung des letzten Ausganges ist nun heute in diesem Saale versammelt. Aber ehe er seinen Gegenstand pflegen konnte, ist ein Fall gekommen, dessen Schlichtung vorher not tut. Ein junger Reiter ist erschienen, den unser mächtiger Herzog Soběslaw gesendet hat, daß er ergründe, was die edlen Herren des Reiches beschließen, und es melde. Er will daher an die Versammlung die Bitte tun, daß sie ihn ihre Beratungen und Beschlüsse anhören lasse, damit er die Wahrheit berichten könne. Sein erstes Anliegen aber ist, daß ihm der Rat gestatte, seine Bitte vor ihm selber darzulegen. Weil durch Umfrage bei einsichtsvollen Männern, und dann in diesem Rate beschlossen worden ist, daß man ihn höre, und weil ich die Umfrage verursacht, und die Frage vor dieses Haus der Versammlung gebracht habe, so melde ich jetzt, daß der junge Bote vor euch steht, damit das geschehe, was bestimmt ist, und damit die, welche vor seiner Anhörung noch zu reden gemeldet sind, reden.«

Als der Abt von Kladrau diese Worte gesprochen hatte, [] ging er wieder zu seinem Sitze, und ließ sich darauf nieder.

Da dieses vorüber war, stand der Mann mit dem schwarzen Kleide und dem weißen Barte, welcher neben Smil saß, auf, trat in den freien Raum, und rief: »Ich bin Ben der Kriegsanführer und der zweite Führer dieses Hauses.«

Als man zum Anhören bereit war, sagte er: »Wer zum Sprechen nach der Einführung des Abgesendeten berufen ist, der spreche. Der erste weiß seinen Platz, und jeder folgende kennt seinen Vormann.«

Hierauf nahm er seinen Sitz wieder ein.

Da erhob sich in der Mitte der Versammlung ein Mann, der schwarz gekleidet war, auf seiner schwarzen Bärenhaube eine gerade Rabenfeder trug, und schwarze Haare und einen schwarzen Bart hatte. Er rief auf seinem Platze stehend: »Ich bin Bogdan!«

Nach einer Weile Wartens fuhr er fort: »Der ehrwürdige Abt von Kladrau hat uns gesagt, daß der Bote, welcher vor uns steht, gekommen ist, die Beschlüsse der Versammlung des Reiches zu ergründen, und sie dem Herzoge Soběslaw zu melden. Der Kundschafter im Kriege sucht die Stellungen und Absichten des Heeres zu erforschen, um sie dem Feinde zu hinterbringen. Der Kundschafter im Frieden sucht Meinungen und Beschlüsse zu erfahren, um sie irgend wohin zu melden, daraus Krieg und größeres Unheil als im Kriege entstehen kann. Darum sage ich: Werft den jungen Mann in den Turm, setzt ein Gericht über ihn zusammen, daß es einen Spruch fälle, und verfahrt nach dem Spruche.«

Als er diese Worte gesagt hatte, setzte er sich wieder nieder.

Nach ihm erhob sich einer in einem roten Gewande, welcher in den hinteren Bänken saß, auf der schwarzen Haube eine rote Feder trug, und an dem Kinne einen starken grauen Bart hatte. Er rief: »Ich bin Domaslaw!«

[] Dann sagte er: »Der Bote vor uns will unsere Beschlüsse, wie wir vernommen haben, an den Herzog Soběslaw melden. Wir sind in der lautern Absicht hier, zu beraten, was nach dem Tode unseres erhabenen Herzogs, welcher nahe bevorzustehen scheint, geschehen soll, damit unser Vaterland von den Übeln verschont bleiben möge, welche nach einem solchen Falle eintreten können. Unsere Beschlüsse mögen wie gut immer sein, so kann es geschehen, daß sie dem Herzog Soběslaw mißfallen, und daß sein Geist, der von der Krankheit getrübt ist, Anordnungen trifft, die Verwirrung und Unglück im Lande erregen. Was der junge Bote offen anstrebt, ist daher Verrat an unserem Vaterlande. Wir können die Ausführung dieses Verrates verhindern, wenn wir den Abgesendeten von unserer Versammlung entfernen; dann bleibt aber noch der Versuch des Verrates übrig, in welchem er in diesem Augenblicke vor uns begriffen ist. Darum sage ich, daß man den Jüngling in Gewahrsam nehmen, und dem künftigen Herzoge zum Gerichte übergeben soll.«

Hierauf setzte er sich wieder nieder.

Nun stand auf der linken Seite des Saales ein Mann auf, der ein dunkelblaues Gewand einen roten Bart und rote Haare und eine weiße Feder auf der dunkelblauen Haube hatte. Der Mann rief: »Ich bin Beneš!«

Dann sprach er: »Wenn auch das alles zur Wahrheit besteht, was die Männer vor mir gesagt haben, so ist es gleichfalls wahr, daß die höchsten Männer des Reiches in diesem Gemache versammelt sind, deren Name, wenn er gerufen wird, allen bekannt ist, und die das Geschick der Völker, welche in diesen Landen wohnen, in ihre Hand nehmen dürfen. Den Boten, der vor dem Tische steht, kennt niemand, und seine Jahre geben ihm auch kein Recht an dieses Gemach. Es gesellt sich daher zu dem Verbrechen die Vermessenheit, und beides muß gestraft werden. Ich sage also: Wartet nicht auf den künftigen [] Herzog, sondern setzet ein Gericht zusammen, das über ihn urteilt.«

Er ließ sich wieder auf seinen Sitz nieder.

Sogleich stand in der Mitte der rechten Seite des Saales ein junger Mann auf. Er hatte blonde Locken und blaue Augen. Die schwarze Haube mit den weißen Reigerfedern hielt er im linken Arme, der ein braunes golddurchwirktes Kleid zeigte. Er rief: »Ich bin Milhost!«

Dann rief er mit lauter Stimme: »Weil diese Versammlung das höchste Heil des Landes zu bewahren hat, so besitzt sie die größte Würde, die es in diesem Lande gibt. Soll sie aber ihren Zweck zu Ende führen, so muß sie die höchste Gewalt sein, der niemand widerstreben kann, die niemand zerwerfen kann, ohne sich selber zu zerwerfen. Darum sage ich: Lasset einen hohen Pfahl vor dem Wyšehrad errichten, und hänget diesen jungen Mann auf den Pfahl, und lasset ihn zum Schreck und Beispiele hängen bis eine Stunde vorher, da der neue Herzog in Prag auf den Fürstenstuhl gesetzt wird.«

Der, welcher so gerufen hatte, setzte sich wieder auf seinen Platz nieder.

Nach ihm erhob sich ein alter Mann, der in einer der vorderen Bänke saß. Er hatte ein dunkelbraunes Kleid eine schwarze Haube ohne Feder und einen langen weißen Bart. Er rief: »Ich bin Bolemil!«

Ein sehr tiefes Schweigen entstand nach seinem Rufe, und er sagte dann: »Ich hätte jetzt noch nicht geredet, weil ich glaubte, daß unsere Redenszeit noch nicht gekommen sei, weil aber meine Vormänner gesprochen haben, und die Reihe mich trifft, so sage ich folgendes: Ich habe eine große Zahl von Jahren gelebt, und habe vieles gesehen. Ich habe noch den alten römischen Kaiser Heinrich den Vierten gekannt, der den Streit mit dem Heiligen Vater Gregor hatte, und der zu gleicher Zeit mit unserem Herzoge Wratislaw lebte, welcher Herzog ein [] König gewesen ist. Ich habe vor mehr als fünfzig Jahren Dienste getan, als dieser Herzog zum Könige gekrönt worden ist. Ein solches Fest ist in Böhmen nicht gewesen, und wird nicht wieder sein: der Herzog und seine Ehegemahlin Swatawa, die vor vierzehn Jahren gestorben ist, in königlichen Gewändern am heiligen Veitstage im Dome des heiligen Veit von dem Erzbischofe von Trier Egilbert gekrönt und gesalbt, Fürsten Bischöfe alle Lechen Böhmens und alles Volk zugegen, und der Ruf: ›Dem von Gott gesalbten Könige Wratislaw dem großen und guten Heil und Segen.‹ Es waren damals Gesänge, die man schier vergessen hat. Ich habe es erfahren, wie dieser König von dem Pferde stürzte, und tot war. Ich habe seinen Sohn Břetislaw gekannt, welcher acht Jahre geherrscht hat, und dann im Walde bei Bürglitz ermordet worden ist. Ich habe die blutigen Kämpfe erlebt, welche um den Fürstenstuhl erfolgt sind, weil unter der Herrschaft Břetislaws die Alterserblichkeit aufgehoben worden ist. Ich habe Břetislaws Bruder und Nachfolger Bořiwoy gekannt, der zuerst mit Ulrich von Brünn um die Herrschaft kämpfen mußte, und dann mit Swatopluk von Olmütz, dem er unterlag. Ich habe erfahren, wie Swatopluk in zweijähriger Herrschaft wieder mit Bořiwoy um den Stuhl ringen mußte, wie er aus Wut in diesem Kampfe das ganze Geschlecht der Wrše getilgt hat, und dann selber jenseits des Riesengebirges ermordet worden ist. Ich habe den zweiten Bruder Břetislaws den guten Wladislaw gekannt, der den blutigen Streit in Prag und in diesem Schlosse mit Bořiwoy und dem Könige von Polen dem Genossen Bořiwoys um seinen Fürstenstuhl führen mußte. Ich lernte dann den dritten Bruder Břetislaws kennen unsern jetzigen guten Herzog Soběslaw, und bin mit ihm in der großen Schlacht bei Chlumec gewesen, die auch er schlagen mußte, damit er gegen die Ansprüche des schwarzen Otto Herzog in Böhmen bleiben [] konnte. So sind diese Dinge gewesen. Wir haben uns in der schweren Krankheit, die unsern Herzog getroffen hat, hier versammelt, damit wir, wenn ihn Gott ruft, eines Sinnes werden, nicht nur, daß jetzt die tiefen Wunden nicht kommen, welche in das unglückliche Land und in seine Völker geschlagen wurden, wenn Nachfolgestreite ausbrachen, sondern auch, daß solche Dinge in der Zukunft nicht mehr möglich sind. Viele mögen mit diesem Gedanken hieher gekommen sein, manche, denen mehrere Erfahrung mangelt, mögen ihn nicht deutlich in sich gefaßt haben, und einige mögen auch nur ihre eigenen Wünsche im Sinne tragen. Der Knabe, welcher vor uns steht, kennt nicht, um was es sich handelt, der Herzog hat ihn nicht zu uns gesendet, er ist selber zu uns gegangen, und weiß nicht, daß er nicht hieher gehört. Weil wir aber wissen, was er will, so sollen wir ihn entfernen, ihm sagen, daß seine Anwesenheit sich nicht gezieme, und ihm den Rat geben, zu seinen Angehörigen zu gehen, und dort für die Zukunft zu reifen. Vielleicht mag er noch Gutes wirken. So spricht Bolemil ein alter Mann, der die Güter der Erde nicht mehr liebt, keinen Menschen mehr haßt, und sich nur zur Vereinigung mit Gott und seinen Heiligen vorbereitet.«

Nach diesen Worten setzte sich Bolemil langsam, wie er aufgestanden war, wieder auf seinen Sitz nieder.

Es war nun eine Weile eine völlige Stille.

Dann stand ein Mann in den hintern Reihen der Versammlung auf, der mittleren Alters war, und braunes Haupthaar und braunen Bart trug. Er hatte ein schwarzes Kleid. Er rief: »Ich heiße Nemoy, und bin der gleichen Meinung mit Bolemil.«

Nach ihm sprach in der Mitte ein Greis in dunkelblauem Gewande: »Ich bin Slawibor, und glaube, daß der erfahrene Bolemil recht geredet hat.«

Hierauf erhob sich auf der rechten Seite ein Mann, der [] an Größe alle übertraf, die bisher aufgestanden waren. Er hatte ein dunkelrotes Kleid an, und trug eine Fülle schwarzen Haares und schwarzen Bartes. Er rief: »Ich bin Předbor!«

Dann sprach er: »Ich erkenne, was Bolemil gesagt hat; aber ich glaube, daß über die Vermessenheit und Zudringung des Boten ein gerechtes Gericht gehalten werden soll.«

Nach diesem Sprecher erhob sich mühesam ganz vorne ein alter Mann mit weißen Haaren und weißem Barte und in einem dunkelgrünen Gewande. Er sagte: »Ich heiße Preda, und glaube auch, daß doch ein Gericht wenn gleich ein mildes über den jungen Mann, der vor uns steht, von uns abgehalten werden soll; denn wenn wir uns von seiner Jugend lenken lassen, so werden die im Lande, die auf uns sehen, ihre Ehrfurcht vor uns mindern, und wenn wir uns seinem Willen beugen, so werden wir unsere eigenen Beschlüsse nicht achten, und sie vielleicht selber in kurzem zerstören.«

Dann setzte er sich wieder mühevoll auf seinen Sitz nieder.

Jetzt stand hinten ein jüngerer Mann mit blonden Locken und in hellgrünen Kleidern auf, der an seiner Haube eine lange weiße Feder trug, und rief: »Ich bin Kochan!«

Dann sagte er: »Ich glaube, daß ein strenges Gericht von uns über den Boten notwendig ist.«

Nach ihm rief ein Mann in den vorderen Reihen, der gleichfalls blond aber in feines Braun gekleidet war, und auf der schwarzen Haube eine gefleckte Feder trug: »Mein Name ist Drslaw, und ich sage auch, daß ein strenges Gericht gehalten werden soll.«

Nach diesen zwei jungen Männern sprach ein alter Mann in einem dunkelgrauen Pelze und mit weißen Haaren in der Mitte des Saales: »Ich heiße Chotimir, und meine, daß der Rat Bolemils hinreichend sei.«

[] Nachdem diese Männer gesprochen hatten, war eine kleine Zeit Schweigen. Es erhob sich niemand mehr zum Sprechen.

Da stand der Bischof mit den dunkeln Augen und dem braunen Barte von seinem Sitze auf, ging zu dem Tische, und schlug mit einem metallenen Stabe dreimal an eine Glocke, daß es einen hellen Klang durch den ganzen Saal gab.

Als alle auf dieses Zeichen nach vorwärts blickten, sagte er: »Ich bin Zdik der Bischof von Olmütz und der erste Führer dieser Versammlung.«

Da sich auf diese Worte ein Beifallsgemurmel erhob, wartete der Bischof, bis Ruhe eintrat. Dann blieb er an dem Tische stehen, wendete sich gegen die Versammlung und sprach: »Nach Chotimir ist die Reihe der Rede an mich gekommen. Ich rede aber jetzt über die gegenwärtige Sache nicht mehr, sondern ich habe mit der Glocke das Zeichen gegeben, daß ich als Führer der Versammlung nicht als ihr Mitglied sprechen will. Als Führer aber sage ich: Die bisher gesprochen haben, sind nicht bei dem rechten Gegenstande gewesen. Der ehrwürdige Leche Bolemil hat gesagt, daß es ihm scheine, als sei noch nicht unsere Redenszeit gekommen, dadurch er dargelegt hat, daß die Sprechsache eine andere sei. Weil der ehrwürdige Abt von Kladrau heute die Versammlung gefragt hat, ob sie den Jüngling, der in Sachen des Herzogs Soběslaw gekommen ist, hören wolle, und weil die mehreren von denen, die hier sind, die Frage bejaht haben, so ist die Ordnung die, daß der, welcher außer der Frage der Anhörung des Boten noch zu reden für ersprießlich hält, rede, daß dann der Bote gehört werde, und daß man dann rede, was mit ihm geschehen soll. Ich verzichte, wie ich sagte, auf meine Worte vor der Anhörung des Jünglings.«

Als der Bischof dieses gesagt hatte, ging er wieder zu seinem Sitze, und ließ sich auf demselben nieder.

[] Nach ihm erhob sich Ben der zweite Führer der Versammlung, ging zur Glocke, und tat einen Schlag auf dieselbe.

Dann rief er bei dem Tische stehend: »Ich Ben der zweite Führer des Hauses der Versammlung rufe diejenigen auf, welche nach dem hochehrwürdigen Bischofe Zdik zur Rede vor der Anhörung des Boten aufgezeichnet sind, daß sie reden.«

Es meldete sich kein Redner mehr, und die Versammlung blieb stille.

Nach kurzer Zeit rief Ben: »Wenn die übrigen Redner auf ihre Worte verzichten, so frage ich die Versammlung, ob sie es an der Zeit halte, daß der Bote gehört werde.«

Fast alle erhoben sich zum Zeichen der Zustimmung.

Nun wendete sich Ben an Witiko, und sagte: »Junger Reiter, die edlen Herren des Reiches in dieser Versammlung wollen dich hören, rede.«

Witiko blieb auf seinem Platze stehen, verneigte sich, richtete sich wieder auf, und sprach: »Hohe mächtige Herren! Ich bin ein Kind dieses Landes. Wir haben im Mittage ein kleines Eigen in Přic, noch ein kleines im Walde in Plan, und ein noch kleineres im Wangetschlage. Mein Geschlecht soll in uralten Tagen im großen Walde sehr mächtig gewesen sein. Aber wie es auch ist, jetzt sind wir nichts. Ich bin vor zweiundzwanzig Jahren im Lande geboren worden. Mein Vater starb bald. Meine Mutter war mit mir öfter in Baiern, öfter in unserm Eigen. Als ich reiten gelernt hatte, und die Waffen führen konnte, ritt ich von Baiern durch meine Heimat nach Prag, um Soběslaw dem Herzoge unseres Landes zu dienen. Es sind seither achtzehn Monde verflossen. Ich kam unter Männer, die als Reiter dienten. Als im vergangenen Jahre der Zug unseres Volkes in Verbindung mit dem deutschen Könige Konrad gegen die Sachsen war, und als ich einen Weg ausforschte, durch welchen [] unsere Schar eine bessere Aufstellung machen konnte, sah ich den Herzog, welcher mich belobte. Als der Herzog krank war, ritt ich auf Hostas Burg, um zu erfahren, wie schwer er leide. In dem vorigen Monate ließ er mich in sein Krankengemach rufen, und sagte, ich solle nach Prag reiten, es seien auf dem Wyšehrad Versammlungen, welche beraten, was nach seinem Tode sein wird. Ich solle ergründen, was sie sagen und vorhaben, und soll ihm die genaue Nachricht bringen. Zum Zeichen, daß ich nicht aus mir selber rede, hat er mir ein Kreuzlein gegeben, an welches geglaubt werden wird.«

Witiko brach hier ab, zog das Beutelchen hervor, nahm das Kreuzlein heraus, trat einige Schritte vor, und reichte es dem Bischofe Zdik.

Dieser betrachtete das Kreuz, und gab es dann an der Bischof Silvester. Der Bischof Silvester gab es in die Hände der Äbte und Priester, welche an seiner Seite saßen. Von diesen kam es an die übrigen Priester, und von den Priestern an die weltlichen Herren. Der Mann mit dem purpurnen weiten Gewande betrachtete es genau, und gab es dann weiter. Die es besehen hatten, gaben es wieder weiter, und es kam immer mehr zurück. Dann kam es wieder vorwärts bis in die Hände des Bischofes Zdik. Zdik gab es Witiko. Dieser trat an seinen Platz zurück, und barg es in seinem Fache und mit ihm in seinem Gewande.

Als dieses geschehen war, trat ein Priester von denen, die abseits der Bischöfe und Äbte saßen, auf den freien Raum hervor, und rief: »Ich bin Daniel der Sohn des Magnus, ein Untergebener des ehrwürdigen Propstes von Prag Otto und mit ihm des hochehrwürdigen Bischofes Silvester. Ich bitte mit der Genehmigung meiner Obern die mächtigen Herren um Gestattung einer Zwischenrede wegen des Kreuzes.«

Da nach diesen Worten alle still waren, sagte er: »Das [] Zeichen, welches der Bote vorgewiesen hat, gehört unserm erlauchten Herzoge Soběslaw. Es ist ein Kreuzlein, welches er trägt, seit er sich mit seinem sterbenden Bruder Wladislaw versöhnt hat. Es ist von dem Bischofe Meinhard geweiht worden. Ich bin dabei im Kirchendienste neben meinem Vater gestanden, und habe es auf einem Kissen gehalten. Es hat den Namen Jesus in feinem Golde, und die Anfangszeichen der Namen Wladislaw und Soběslaw an seinem Fuße. Die Weihe des Kreuzes ist in den Schriften der Bischofkirche aufgezeichnet worden, und meine hochehrwürdigen geistlichen Obern haben mich, da das Kreuzlein in der Versammlung beschaut wurde, ermächtigt, das Zeugnis abzulegen.«

Nun schwieg er.

Der Bischof Zdik aber sagte hierauf: »Ich erkenne auch das Kreuz, und weiß, daß es der Herzog getragen hat.«

Nach ihm erhob sich ein alter Mann mit glänzend weißen Haaren und in dunkelveilchenblauem Übergewande aus der ersten Reihe, und sprach: »Ich bin Diwiš ein alter Diener und Župan des Herzogs, und weiß, daß er das Kreuz bis jetzt bei sich getragen hat.«

Nun stand der Bischof Silvester auf, und rief: »Ich bin Silvester, der erwählte Bischof von Prag.« Dann sagte er: »Ich habe mit dem Jünglinge, der vor uns steht, geredet, und er hat mir Zeichen angegeben, aus denen ich sah, daß ihm der Herzog das Kreuz in die Hände gelegt hat.«

Nach diesen Männern sprach niemand mehr in der Zwischensache.

Da fragte Ben die Versammlung, ob der Bote weiter sprechen solle.

Sie bejahten es durch Zeichen der Zustimmung.

Daher fuhr Witiko fort: »Als mir der Herzog den Auftrag gegeben hatte, fragte ich ihn, ob er, wenn er alles wisse, gegen die, welche ihm zuwider handeln, etwas [] Feindseliges ausführen werde. Er antwortete, daß er nur wissen wolle, was geschehe, und daß er dann sterben werde. So sagte ich, daß ich gehen werde, und so bin ich hier. Ich bin kein Kundschafter, weil ich nicht heimlich zu erfahren strebte, ich habe den hochehrwürdigen Bischof Silvester gebeten, mir zu erwirken, daß mich die hohe Versammlung höre. Ich habe mit keinem Menschen über die Sache gesprochen, und wenn sie mich fragten, habe ich keine Antwort gegeben. Ich bin kein Bote; denn der Herzog hat mich nicht an die Versammlung gesendet, ich bin für mich selber da, und stelle die ehrfurchtbezeigende Bitte, daß mich die Versammlung die Beschlüsse anhören lasse, damit ich dem Herzoge nichts Unreines und Geschändetes bringe. Ich selber komme nicht in Betracht, so wenig, wie ein Stücklein Papier, darauf eine hohe Hand eine Zeile geschrieben hat, die man findet, und achtet. Wenn mich die Versammlung hier duldet, werde ich bleiben, wenn sie mich entfernt, werde ich gehen, werde wieder mit keinem Menschen sprechen, und werde dem Herzoge den Vorgang melden, außer ich werde hier zurückgehalten, und es wird strenger gegen mich verfahren.«

Nach diesen Worten neigte sich Witiko wieder, und blieb schweigend stehen.

»Das ist ein treuer Knabe«, rief eine Stimme in den hinteren Reihen.

»Das ist ein mutiger Mann«, rief eine andere Stimme in der Mitte.

Der Bischof Zdik ging zur Glocke, und tat drei Schläge auf dieselbe.

Man hörte keinen Ruf mehr; aber es wurde an die Schwerter geschlagen.

Der Bischof sagte, da es ruhig geworden war: »Die Ordnung der Versammlung muß die bleiben, daß die Reden und Ansprachen in der Reihe erfolgen, wie sie verzeichnet [] sind. Es geht an den zweiten Führer der Versammlung der Ruf, ob er den Jüngling etwas fragen will.«

Er setzte sich nach diesen Worten wieder auf seinen Sitz.

Ben stand auf, wendete sich gegen Witiko, und sprach: »Dein Name ist Witiko.«

»Witiko«, antwortete der Gefragte.

»Und welcher war der Name deines Vaters?« fragte Ben weiter.

»Mein Vater hieß Wok«, entgegnete Witiko.

»Nun also, Witiko Sohn des Wok«, sprach Ben, »ich der Kriegsanführer Ben der zweite Führer dieses Hauses frage dich: Bist du von dem Herzoge Soběslaw an diese Versammlung gesendet worden?«

»Ich bin nicht an sie gesendet worden«, entgegnete Witiko.

»Und weshalb stehst du vor ihr?« fragte Ben.

»Ich stehe in meinem Namen mit einer Bitte, die ich gesagt habe«, antwortete Witiko.

»Und hat der Herzog dir selber das goldene Kreuzlein gegeben, welches du gezeigt hast?« fragte Ben.

»Seine Hand hat es in meine Hand gelegt«, entgegnete Witiko, »es soll nur ein Zeichen sein, daß ich von ihm einen Auftrag habe.«

»Warum hat der Herzog nicht einen Lechen des Reiches an die Versammlung gesendet?« fragte Ben weiter, »warum hat er nicht geharrt, bis ihm einer aus dieser Versammlung die Nachricht bringt, sondern hat dich fast einen Knaben geschickt?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Witiko, »er hat gesagt: Du blickest ehrlich, du wirst meinen Auftrag vollführen.«

Ben schwieg, und zauderte nach dieser Antwort einen Augenblick. Die Versammlung schwieg auch.

Da sagte Bolemil: »Fragt weiter!«

Ben fragte: »Und wenn du hier verweilen darfst, Witiko, wirst du auch reden wollen?«

[] »Das hätte ich nicht getan, wenn die Frage auch nicht an mich gerichtet worden wäre«, entgegnete Witiko, »ich bin nicht einer der Versammlung, und meine Bitte ging um das Hören, nicht um das Sprechen.«

»Ich frage nicht weiter«, entgegnete Ben.

Er ging wieder zu seinem Sitze.

Da er sich niedergelassen hatte, entstand wieder wie bei dem Eintritte Witikos das Brausen der Gespräche, da die Nachbarn oder solche, die sich sonst nahe waren, miteinander über die Sache redeten.

Da dieses einige Zeit gedauert hatte, wurde mit der Glocke das Zeichen gegeben, und da es ruhiger geworden war, stand der Bischof Zdik auf, und rief: »Es ist nun an der Reihe, daß die Beratschlagungen folgen, was mit dem Boten geschehen soll.«

Ben erhob sich, und rief: »Der erste von denen, die zur Rede vorgemerkt sind, ist Zdik der hochehrwürdige Bischof von Olmütz.«

Da er sich gesetzt hatte, trat der Bischof Zdik ein wenig gegen den freien Raum vor, wendete sich gegen die Versammlung, und sprach: »Liebe Getreue Einsichtige! In der heutigen sehr bedeutungsvollen Versammlung ist ein Zwischenfall gekommen, von dem es besser gewesen wäre, wenn er nicht gekommen wäre. Weil er aber da ist, will ich nach meiner geringen Einsicht und meinem guten Willen eine Entscheidung vorschlagen, die ihr annehmen oder verwerfen mögt. Lasset mich zuerst von dem reden, was uns erfreut. Unser Herzog Soběslaw wurde von dem böhmischen Volke bedauert, da er als ein lieblicher Knabe mit seinem ältern Bruder Bořiwoy entfliehen mußte, er wurde von dem böhmischen Volke geliebt, da er in seiner Jugend als ein schöner Ritter kämpfte, fehlte, und seine Fehler wieder verbesserte, das böhmische Volk war hoch erfreut, als er sich mit seinem Bruder dem edelherzigen Wladislaw auf dessen Sterbebette[] versöhnte, er wurde anerkannt, da er nach dessen Tode den Fürstenstuhl bestieg, und ihr alle habt mit ihm gekämpft, und ihm bei Chlumec siegen geholfen, als ihm der schwarze Otto mit Hilfe des deutschen Königs Lothar den Herzogstuhl streitig machen wollte. Als die Verschwörung des Miroslaw und Střezimir gegen das Leben Soběslaws entdeckt wurde, und er nach Prag zurückkehrte, ist er mit Glockengeläute grünen Zweigen und Jubel empfangen worden, und da die Gefahr vorüber war, sind in dem Volke Gesänge und Tänze gewesen. Der Herzog Soběslaw hat mit allen mächtigen Fürsten Frieden gemacht, und Freundschaft geschlossen, er hat die Lasten des Volkes erleichtert, er hat die Ämter gut eingerichtet, er hat Vesten gebaut, er hat steinerne Häuser in Prag errichtet, er hat dieses Haus, in dessen Mauern wir jetzt beraten, so schön hergestellt, wie es nie gewesen ist, er hat mäßig gelebt, in seinen Becher ist kein berauschendes Getränke mehr gekommen, er hat einen Schatz für den Nachfolger gesammelt, und war jetzt begriffen, die Grenze gegen Polen, woher Gefahr kommen kann, zu schützen. Wir sind ihm Dank und Ehrerbietung schuldig, laßt uns dies erweisen, daß wir den Zwischenfall mit Dank und Gerechtigkeit lösen, wie er nur zu lösen ist. Ich muß nun auch von Traurigem reden. Der erlauchte Herzog Soběslaw ist krank geworden, der Arzt sagt, er werde in kurzer Frist scheiden, er hat nicht mehr seinen Sohn, den bestimmten Nachfolger, zur Reife erziehen können, daß derselbe die Länder sicher in die Hand nehmen, und führen könne. Wir sind ihm Mitleid schuldig, lasset uns den Zwischenfall mit Mitleid lösen, wie er nur zu lösen ist. Wegen des Herzogs Soběslaw ist ein junger Mann gekommen. Der Herzog kann einen Lechen oder einen andern gehörigen Boten nicht an diese Versammlung schicken, weil er sie nicht zusammenberufen hat, er kann nicht warten, bis ihm einer der Herren des Reiches [] die Nachricht bringt, weil ihn die Zeit drängt, und weil er auch die Sache erst erfahren würde, wenn sie längst vorüber ist. Der junge Reiter sollte ergründen, was geschehe, und es dem Herzog melden. Der Herzog hat großmütig gesagt, er wolle bloß wissen, was geschehe, und werde dann sterben, der junge Reiter hat großmütig, ohne hinterlistig zu forschen, sich vor uns gestellt, daß wir ihn unsere Beschlüsse anhören lassen. Laßt uns also auch den Zwischenfall mit Großmut lösen, wie er nur immer zu lösen ist. Der Herzog hat einen Jüngling gesendet, welcher beinahe noch ein Knabe ist, weil er an seine Ehrlichkeit glaubt, er mißtraut allen Nachrichten, die ihm auf anderen Wegen über uns zukommen, und er mißtraut unsern Versammlungen. Es ist an uns, dem Herzoge zu zeigen, daß wir gegen ihn nichts Böses im Sinne haben, sondern, daß wir in dieser drangsalsvollen Zeit, in welcher er uns entrissen werden soll, zusammen gekommen sind, um zu helfen, daß das Heil des Landes nicht erschüttert werde oder verloren gehe. Der Herzog selber, wenn er gegenwärtig sein könnte, müßte denken wie wir, da er seinen Sohn und Nachfolger nicht mehr heranbilden konnte, und selber der künftige Herzog, wenn einer aus dieser Versammlung hervorgeht, könnte nicht wollen, daß er aus Nacht und Geheimnis sondern offenkundig und gerecht zu seiner Würde empor steigt. Eine Botschaft aber können wir an den Herzog nicht senden, weil er ihr nicht trauen würde, oder sie könnte erst abgehen, wenn alles vollendet ist. So lasset uns den Mann, den er gesendet hat, als Boten erkennen, und lasset ihn uns in die Versammlung als Zeugen der Verhandlungen aufnehmen, daß er sie dem Herzoge überbringt, und uns vor ihm erhöht. Er ist zwar nicht von dem Herzoge an uns gesendet worden; aber er ist des Herzogs willen da, und ihn zurückstoßen, hieße den Herzog selber zurückstoßen. Er ist nicht einer der Vornehmen des Reiches;[] aber der Herzog hat ihn geehrt, da er ihm einen so großen Auftrag gegeben hat, er ist gut erzogen, wie seine Rede und seine Handlung beweist, welche wie die eines Edlen dieses Landes ist. Auch vor denen, die von fernen Gegenden her ihre Augen auf uns richten, verlieren wir durch Aufnahme dieses Jünglings nichts an Achtung, sondern wir gewinnen an Stärke, weil unser Tun nicht das Licht der Mitwissenschaft scheut. Ja ich würde Gott bitten, daß wir unter freiem Himmel tagen könnten, und daß alle, die in diesen Ländern wohnen, herzu zu treten, und zu hören vermöchten, was wir sagen, und zu sehen, was wir tun. So spreche ich, der ich für alle mitsorgen möchte, die in diesen Ländern Böhmen und Mähren wohnen, und der ich in meinem Gebete stündlich zu dem Herrn rufe, daß er all das Wehe und Blutvergießen von dem jetzigen Wechsel fern halte, das bei den früheren so schrecklich und schmerzlich eingetreten ist.«

Als er schwieg, rief eine Stimme: »Der Bischof ist ein gerechter Mann wie der heilige Adalbert.«

Der Bischof aber entgegnete noch auf seinem Platze stehend: »Als Führer dieses Hauses sage ich, daß die Ordnung desselben nicht gestört werden soll, und als Bischof sage ich, daß der heilige Adalbert ein Mann gewesen ist, zu dem man in Nachahmung aufschauen, den man aber nicht erreichen kann.«

Nach diesen Worten entfernte er sich von dem freien Raume, und begab sich wieder zu seinem Platze zurück.

»Lasset die nächsten Redner sprechen«, rief jetzt eine Stimme.

»Der hochehrwürdige Bischof hat gut gesprochen«, antwortete eine andere Stimme.

»Er hat vortrefflich gesprochen«, fiel eine dritte Stimme ein, und es erhoben sich verworrene Rufe des Beifalls.

Der Bischof Zdik stand auf, ging zur Glocke, und tat auf sie die drei Schläge, ohne etwas zu sprechen. Er blieb bei [] der Glocke stehen, bis es ruhig geworden war. Dann ging er wieder zu seinem Sitze.

Hierauf erhob sich Ben, und rief: »Der zweite Redner ist der Priester Daniel.«

Da er sich niedergesetzt hatte, ging der Priester Daniel hervor, und sprach gegen die Versammlung: »Mächtige Anwesende! Wenn ich gewußt hätte, was der hochehrwürdige Bischof Zdik vor mir reden würde, so hätte ich mich gar nicht zum Sprechen gemeldet, und auch jetzt würde ich auf meine Worte verzichten, wenn ich doch nicht eines anführen müßte, das tief unter seinem hohen Sinne steht, und dessen er darum auch keine Erwähnung getan hat. Wenn es angenommen werden müßte, daß unser hoher und erlauchter Herzog Soběslaw trotz seines Wortes doch geneigt ist, gegen diese Versammlung etwas Feindseliges zu unternehmen, und wenn dieses Feindselige durch Nachrichten, die der Herzog über uns erhält, vermehrt würde, wie einige glauben, so müßte es gewiß um ein Großes wachsen, wenn er erführe, daß der junge Mann, den er mit einem Auftrage betraut hat, von uns zurückgestoßen, oder gefangen gehalten, oder mißhandelt würde. Und wenn jemand hier die Meinung hegt, daß der Herzog unsere besten Beschlüsse, weil sein Geist durch die Krankheit getrübt ist, mißbilligen könnte, so wäre es möglich, daß er nach solchen Vorfällen durch sein krankes Gemüt auf übereilte Ratschlüsse käme, und das Unheil gerade einträte, das wir zu vermeiden streben. Wenn wir aber seinen Boten zu uns lassen, so wird er auf dessen Antwort harren, und wir gewinnen Zeit, und er verliert Zeit. Ja, es mag auch geschehen, daß er nicht bloß, wenn er gegenwärtig sein könnte, wie der hochehrwürdige Bischof Zdik gesagt hat, das Gute, das hier geschaffen wird, sähe, sondern, daß er es auch, wenn es ihm hinterbracht wird, trotz des Schleiers der Krankheit erkennt, und dann alles ausgeglichen ist und gut vorüber [] geführt wird. Ich meine daher, so weit meine Einsicht alles zu fassen vermag, daß nicht bloß die Hochherzigkeit dieser Versammlung, wie der hochehrwürdige Bischof vor mir dargelegt hat, sondern auch die Klugheit verlangt, daß wir den Jüngling, der vor uns steht, zum Zuhörer unserer Versammlung aufnehmen.«

Nach diesen Worten ging der Priester Daniel wieder zu seinem Sitze.

Da rief der junge Mann Milhost: »Die Erhabenheit dieser Versammlung soll nicht durch die Klugheit geschändet werden, sich vor Feindseligkeiten zu fürchten. Ob Feindschaft ist oder nicht, gilt gleich; nur die Macht und Gewalt dieser Versammlung soll über allem bestehen, was ist.«

Der Bischof Zdik tat einen starken Schlag auf die Glocke, und rief: »Du hast dein Urteil in dieser Sache schon abgegeben, es ist die Reihe der Rede nicht an dir, ich verwarne dich, Milhost, daß du die Ordnung der Versammlung nicht störst.«

»Die Ordnung, die Ordnung«, riefen mehrere Stimmen.

Der junge Mann setzte sich nieder, und Zdik ging wieder zu seinem Sitze.

Hierauf erhob sich ein dunkelgekleideter sehr alter Mann in der zweiten Reihe der Sitze, und sagte: »Ich bin Lubomir, und bin nach dem ehrwürdigen Priester Daniel an der Reihe der Rede. Ich hätte nach dem, was gesprochen worden ist, auf meine Worte Verzicht geleistet; jetzt aber sage ich, daß die Menschlichkeit, weil wir doch hier versammelt sind, um unser armes Land vor Unglück zu bewahren, verlangt, daß wir in diesen ungewissen Zeiten Zank und Zwietracht vermeiden. Es bedeutet nichts, wer zuhört; die Ehre der Versammlung hängt von ihren Taten ab, nicht von dem Dasein oder Absein eines Kindes. Laßt den Knaben niedersitzen und zuhören.«

Nach diesen Worten setzte sich Lubomir wieder nieder.

[] Nun stand ein Mann in mittleren Jahren auf, grün gekleidet, mit einer schwarzen Feder auf der Haube. Er sprach: »Ich heiße Jurik, und sage, daß die Versammlung so hoch ist, daß sie im Angesichte der ganzen Welt beschließen kann.«

Nach ihm erhob sich ein alter Mann in weißen Haaren dunkelbraunem Gewande und mit einer grünen Feder auf der schwarzen Haube. Er sprach: »Ich bin Wšebor, und sage: Es ist vor allem unsere Pflicht, daß wir das schwere Leiden unseres Herzoges, dessen Untertanen wir ja noch sind, ehren.«

Es erhob sich ein Ruf des Beifalls nach diesen Worten.

Hierauf stand in der ersten Reihe der Kriegsanführer Smil auf, und sagte: »Ich bin Smil, und führe nur die Worte an: Die Kraft einer jeden Versammlung ist ihre Mäßigung, die Gefahr aber ihre Anmaßung; und diese entsteht, wenn einzelne, welche Macht und Ansehen nicht haben, solche mit Hilfe ihrer Versammlung erringen wollen.«

Nach ihm erhob sich in der Mitte des Saales ein alter Mann in dunkelrotsammetnem Gewande, und sagte: »Ich bin Božebor, und verzichte auf meine Worte.«

Nun stand rechts ein Mann auf, welcher schwarze Haare einen schwarzen Bart und schwarze Augen hatte. Er war in ein rotbraunes Gewand gekleidet, und hatte eine fahle Feder auf der schwarzen Haube. Er sprach: »Ich heiße Bartholomäus, und verzichte auch auf meine Worte, weil sie der hochehrwürdige Bischof Zdik gesagt hat.«

Nach diesen zwei Männern rief eine Stimme: »Vergeßt nicht, was über eine Strafe und ein Gericht über den Boten gesagt worden ist.«

»Vergeßt nicht des Gerichtes«, rief eine andere Stimme.

»Und der Strafe«, rief wieder eine.

»Der Strafe, der Strafe«, riefen mehrere.

Da tat Zdik den Schlag auf die Glocke, und sagte: »Haltet [] die Ordnung. Die gegen Witiko sind, haben gesprochen, die für Witiko sind, haben gesprochen. Wer noch gemeldet ist, möge reden. Ben rufe ihn auf.«

Da erhob sich Ben, und rief: »Ich fordere diejenigen, welche noch bestimmt sind, auf, zu sprechen.«

Es sprach niemand.

Ben rief wieder: »Sind noch Männer aufgezeichnet, ihre Worte vorzubringen?«

Es erfolgte keine Antwort.

Da rief Ben zum dritten Male: »So ist die Sprache über den Boten des Herzogs geschlossen.«

Nach diesen Worten setzte er sich wieder nieder.

Jetzt ging Zdik zu der Glocke, gab das dreimalige Zeichen, und da alle auf ihn sahen, rief er: »Weil die Sprache über den Zwischenfall, der sich in unserer Versammlung ereignet hat, geendet ist, so rufe ich die Versammlung auf, ihren Beschluß zu fassen. Ich sage, daß ein jeder, welcher meiner Meinung ist, daß zum Frieden und Heile des Landes dieser Bote dagelassen werden möge, dieses durch das Zeichen der Erhebung von seinem Platze aussprechen wolle.«

Zdik blieb bei der Glocke stehen, und blickte auf die Versammlung.

Der Bischof Silvester erhob sich, und blieb aufrecht stehen Der Abt von Kladrau erhob sich, der Abt von Břewnow,. der Abt von Wilimow, der Abt von Sazawa, Otto der Propst von Prag, Hugo der Propst von Wyšehrad, der Priester Daniel und die andern Priester, der alte Lubomir, der alte Wšebor, Smil der Kriegsanführer, Diwiš der alte Župan mit den schneeweißen Haaren, Ben der Kriegsanführer, und nach ihm mehrere, Jurik, Bartholomäus, Božebor, und wieder mehrere, darunter manche junge Männer in den letzten Reihen: Welislaw und der Sohn des Načerat, so wie auch Casta, der bei Chynow die gestreifte Falkenfeder getragen hatte. Es stand endlich [] der größere Teil der Versammlung aufrecht neben den Sitzen.

Zdik der Bischof von Olmütz rief: »Ich rufe die Versammlung auf, daß sie auf sich blicke, und sehe, daß ihr größerer Teil sich für meinen Antrag entschlossen hat. Die Schreiber werden es auf dem Pergamente verzeichnen.«

Nach diesem Rufe ließen sich die, welche aufgestanden waren, wieder auf ihre Sitze nieder.

Der Bischof Zdik aber wendete sich gegen Witiko, und sagte: »Abgesendeter des erlauchten Herzogs So běslaw! Du bist als Hörer in dieser Versammlung aufgenommen.«

Als er diese Worte gesprochen hatte, wurde für den Jüngling Witiko ein Sitz in die Versammlung gebracht.

Zdik ging wieder zu seinem Platze.

Witiko verneigte sich ehrerbietig, ging zu dem Sitze, welcher für ihn herein gebracht worden war, und ließ sich auf denselben nieder.

Nachdem diese Handlungen vorüber waren, entstand eine lange Unterbrechung in der Versammlung. Man trennte sich von seinen Sitzen, Gespräche wurden angefangen, man gesellte sich zusammen, durch die Türen wurde aus- und eingegangen, ja sogar ein Trunk wurde hie und da gereicht. Zu Witiko kam aus den hinteren Reihen Welislaw hervor, reichte ihm die Hand, und sagte: »Erinnerst du dich meiner noch?«

»Du bist Welislaw«, antwortete Witiko.

»Ja«, erwiderte Welislaw, »wir werden wohl in unseren Meinungen Gegner sein; aber du bist heute wieder wie bei Chynow, und das freut mich.«

»Ich weiß nicht, ob wir in unsern Meinungen Gegner sein werden«, antwortete Witiko, »ich habe gar keine Meinung, ich erwarte nur die Dinge.«

Auch der Sohn des Načerat kam zu Witiko hervor. Er war in himmelblauen Sammet gekleidet, und hatte auf [] der schwarzen Haube wieder eine weiße Feder wie bei Chynow. Er sprach zu Witiko: »Ich habe dir ja gesagt, daß wir wieder zusammen kommen werden. Du bist hartnäckig, Witiko, und gibst nicht nach.«

»Gibst du nach?« fragte Witiko.

»Wenn es sein muß, tut es jeder Mensch«, entgegnete der andere.

»Nur ist für den einen leichter ein Muß da als für den andern«, sprach Witiko.

Auch Casta kam herzu, und sagte: »Sei mir gegrüßt, Witiko!«

»Ich entsinne mich deiner nicht mehr«, antwortete Witiko.

»Ich bin Casta«, sagte der andere, »und bin bei Chynow im Zuge zu weit zurück gewesen, als daß du meiner noch gedenken könntest. Du bist heute hier glücklich gewesen.«

»Nur die Sache ist es«, sagte Witiko.

Als die Erholung der Versammlung eine Weile gedauert hatte, geschah wieder das dreifache Zeichen mit der Glocke, und als die Türen geschlossen waren, die Reihen sich geordnet hatten, und Stille eingetreten war, trat Zdik langsam vor, richtete sein Angesicht gegen die Versammlung, sah sie eine kurze Zeit an und sprach dann: »Liebe Ehrwürdige Treue! Es ist der Augenblick gekommen, in dem wir die große Frage über die Ruhe und das Heil des Landes entscheiden sollen. Möge der Segen des allerhöchsten Herrn der Heerscharen über diesen Häuptern sein, daß beschlossen wird, was gerecht und heilsam ist. Unser erlauchter edler und umsichtiger Herzog Soběslaw, welcher fünfzehn Jahre in diesen Ländern geherrscht hat, ist so schwer erkrankt, daß das Ende seines irdischen Lebens nahe bevor zu stehen scheint. Die Heilkundigen sagen, daß er in kurzer Zeit die Erde verlassen wird. Nun ist, wie uns der ehrwürdige Leche Bolemil deutlich zu [] Gemüte geführt hat, in den eben vergangenen Zeiten, wenn ein Wechsel in den Herrschern stattgefunden hat, so Schweres eingetreten, daß wir sehnlich wünschen müssen, solches jetzt zu vermeiden. Aber die Herrschertage der letzten zwei Herzoge des gütigen Wladislaw und des klugen und gerechten Soběslaw haben auch gezeigt, daß nicht bloß bei einem Wechsel der Herrschaft die Übel ferne bleiben sollen, sondern daß auch bei ihrer Dauer der Samen des Glückes unter dem Schirme des Herrschers aufgehen, wachsen, und gegen die Zerstörungslüste der einzelnen erstarken müsse. Für diejenigen, welche aus verschiedenen Teilen des Landes herein gekommen sind, und in großer Zahl nur der heutigen letzten Versammlung beiwohnen, sage ich: Es sind während der gefährlichen Krankheit des Herzogs von einigen und mehreren Männern Zusammenkünfte über diesen Gegenstand gehalten worden. Es ist erkannt worden, daß Zwiste bei dem Übergange und Bestehen der Herrschaft nur dann ausbrechen, wenn jeder der Gegner einen großen Anhang hat, der ihm beisteht. Es ist daher beschlossen worden, zu ergründen, welchem Manne aus dem geliebten Geschlechte des geheiligten Přemysl die meisten der Herren dieser Länder zugetan sind, und ob ihre Zahl so groß ist, daß ihre Widersacher nichts gegen sie zu unternehmen vermögen, damit dann der erwählte Mann von dieser Zahl auf den Fürstenstuhl gehoben werde, den Widerspruch durch die Zahl zurückschrecke, und in den Jahren seiner Herrschaft durch sie das Gute in den Ländern heranziehe, das zum Frommen aller dient. Es sind noch zahlreiche Zweige aus dem Stamme Přemysls übrig. Da ist Konrad von Znaim der Sohn Liutolds des Sohnes Konrads, da ist Wratislaw von Brünn der Sohn Ulrichs des Sohnes Konrads, welcher Konrad ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist, da ist Otto, der nach Rußland geflohen ist, ein Sohn des schwarzen Otto des Sohnes [] des schönen Otto, der ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist. Dann sind die Enkel des großen Königs Wratislaw, zuerst durch seinen Sohn Bořiwoy die Enkel Spitihněw Leopold Boleslaw Albrecht, dann durch seinen Sohn Wladislaw den Milden, welcher vor dem jetzigen Herzoge geherrscht hat, die Enkel Wladislaw Diepold und Heinrich, dann durch seinen Sohn Soběslaw unsern jetzigen erlauchten Herzog die Knaben Wladislaw Soběslaw Ulrich und Wenzel. Ich nenne nicht alle Zweiglein, da ihr sie kennt. Vor zwei Jahren war auf den neunundzwanzigsten Tag des Brachmonates von unserem erhabenen Herzoge Soběslaw ein Landtag nach Sadska einberufen worden, auf welchem die hohen und niederen Herren Böhmens und Mährens auf das Verlangen des Herzoges seinen ältesten Sohn Wladislaw als seinen Nachfolger auf dem Fürstenstuhle erkannt haben. Es muß entschieden werden, ob alle oder viele an dem jungen Sohne Soběslaws, welcher einundzwanzig Jahre zählt, ferner halten, oder ob sie meinen, daß das vorzeitige Hinscheiden des Herzogs die Sache so verändert hat, daß ein anderes Übereinkommen getroffen werden müsse. Es sind so viele Männer aus den Ländern Böhmen und Mähren in diesem Saale versammelt, ja fast alle, deren Wort in den Völkern, die diese Länder bewohnen, Bedeutung hat, daß in Wahrheit ein gültiger Endbeschluß zur Macht und Herrlichkeit des Herrschers zu Stande kommen kann. Möge zur Festigkeit des Herzogstuhles eine große Einigkeit erzielt werden. Als Führer dieser Versammlung rufe ich diejenigen, die ihre Stimme in der Sache zu erheben verzeichnet sind, auf, zu sprechen, wie sie meinen, daß es der Augenblick erfordert. Es ist groß wichtig und entscheidend, was hier geschieht, und von der heutigen Stunde hängt es ab, ob das Glück des Landes auf viele Zeit aus dem Gemache dieses Hauses hervorgeht, oder ob sogleich der Anfang unabsehlichen, unentwirrbaren [] Elendes gemacht wird. Ich habe die Einleitung zu dem Gegenstande gesprochen.«

Nach dieser Rede erhoben sich in der Versammlung die Rufe: »Sehr gut gesprochen«, »sehr richtig«, »wahr gesprochen«, und andere unverständliche Laute des Beifalls.

Zdik ging wieder zu seinem Stuhle zurück, und setzte sich auf denselben nieder.

Als die Ruhe eingetreten war, erhob sich Ben, und rief: »Es ist an der Zeit, daß die, welche angemeldet sind, über die vorgelegte Sache in ihrer Ordnung reden.«

Er setzte sich wieder nieder.

Es war eine kleine Zeit still, und es erhob sich niemand. Dann stand in der Mitte des Saales ein Mann auf, der zum Oberkleide ein schwarzes Bärenfell und auf der schwarzen Haube eine blaue Feder hatte. Er rief: »Ich bin Rowno aus dem Mittage Böhmens, und bin auf dem Reichstage in Sadska gewesen. Dort war der Wille nicht frei. Die groß sind, erhielten Versprechungen, und wir die Kleinen fürchteten die Macht. Ich kann nicht für Wladislaw den Sohn des erlauchten Herzogs Soběslaw streiten.«

Nach ihm stand ein Mann auf, der ein grobes schwarzes Oberkleid und eine Hahnenfeder auf der Bärenhaube hatte. Er rief: »Ich bin Diet von Wettern aus dem Mittage Böhmens, und stimme mit meinem Landsmanne Rowno.«

Nach diesen beiden Männern erhob sich Milhost, und rief: »Jetzt ist wohl die Reihe der Rede an mir, und ich sage: Es ist eine Schmach, daß Männer, welche Weiber und Kinder, Schwestern und Bräute haben, und welche die Waffen in der Hand tragen, und auf ihren Höfen stehen haben, einem Herrn dienen, ihm ihr Gut geben, wenn er es verlangt, ihr Blut lassen, damit er ihnen wieder befehlen, und ihren Sinn beugen kann. Die hohen und [] niederen Herren des Landes Böhmen und Mähren sollten herrschen; denn sie sind das Land. Ich trage an, daß die Versammlung, die in diesem Saale ist, Satzungen entwerfe, die der künftige Herzog beschwöre, und die ihn durch unsere Macht binden, daß er, wenn er auf dem Stuhle sitzt, nur unsern Willen zum Heile der Länder ausführen, unsere Kraft nicht brechen, und uns nicht zerstören kann, wie Swatopluk mit den Wršen tat. So sage ich, und weiche nicht davon.«

Nach diesen Worten erhob sich in dem Saale ein tönender vielstimmiger Beifallsruf.

Als er geendet hatte, stand Bogdan auf, und sagte: »Ich bin in Sadska gewesen. Dort haben alle das nämliche gesagt, und ein einzelner konnte nicht anders sagen. Der Herzog hat unser Wort gebunden; aber wir sollten die voreiligen Bande zersprangen, und frei wählen, wie unser Inneres gebietet.«

»Es ist so, wir sollten frei wählen«, riefen mehrere Stimmen.

Nun stand der rothaarige Beneš auf, und rief: »Ich spreche nur, daß der junge Wladislaw nie unser Herzog werden kann; denn Soběslaw hat uns immer unterdrückt, und endlich hat er uns nach Sadska gelockt, um uns dort unsern Willen zu rauben.«

»Soběslaw hat uns unterdrückt, ja, er hat uns unterdrückt«, rief eifrig und drohend eine Anzahl von Stimmen.

Hierauf erhob sich Domaslaw, und sagte: »Ich füge nur bei, daß Soběslaw sehr oft wider uns war. Ist nicht Konrad von Znaim, weil er sein Gegner war, sechs Jahre verhaftet gewesen? Mußte nicht auch Wratislaw von Brünn ein Jahr in Gefangenschaft zubringen? Ich rede nicht von dem unglücklichen Břetislaw, dem Sohne jenes Herzogs Břetislaw, der so traurig im Walde bei Bürglitz endete, und der ein Bruder Soběslaws war. Und hat er nicht Herren, [] die diesem freundlich zuhielten, in feste Burgen geführt? Und sind sie nicht auch sonst in Haft gehalten worden, wenn sie gegen ihn waren? Hat er nicht gewollt, daß Bauern Kaufherren Münzer Juden Fiedelspieler schwelgen? Darum ist dieses Volk gegen uns so übermütig geworden. Der Sprößling eines solchen Mannes kann nicht der Herzog der Herren von Böhmen und Mähren werden.«

Es folgte wieder ein langer Beifallsruf auf diese Rede.

Da es ruhiger geworden war, stand Kochan auf, und sprach: »Nicht bloß der Herzog Soběslaw hat den Herren des Landes entgegen gehandelt, sondern alle Herzoge, darum stimme ich Milhost bei; aber nicht, daß Satzungen entworfen werden, die der Herzog beschwören muß, sondern daß gar kein Herzog sei, und wieder die Herren der Länder herrschen wie einstens.«

Auch nach diesen Worten entstand Zuruf.

Jetzt erhob sich auf der linken Seite des Saales ein Mann in mittleren Jahren und in einem dunkelblauen Sammetgewande mit braunem Barte und Haare und mit einer weißen Feder auf der schwarzen Haube. Er sprach: »Ich bin Bohuš, und sage auch, daß alle Herzoge gegen uns gewesen sind. Das war schon in der ältesten Zeit so. Ist nicht Přemysl der erste Herr gewesen, dem die andern schweigen mußten? Hat nicht schon einer seiner Nachkommen Neklan den Lukerherren Wlastislaw in einer großen Schlacht töten lassen? Sind nicht Spitihněw und Wratislaw des ersten christlichen Herzogs Bořiwoy Söhne nach Regensburg zum Reichstage gegangen, und haben uns in die Abhängigkeit von den Deutschen gebracht? Hat nicht dieses ersten Wratislaw Gattin Drahomira ihre Schwiegermutter die heilige Ludmila erschlagen, und ihr Sohn Boleslaw seinen eigenen Bruder den heiligen Wenzel? Hat nicht Boleslaws Enkel der rothaarige Boleslaw, den Wršen geholfen die Söhne [] Slawniks, die Brüder des heiligen Adalbert auszurotten, und hat er nicht gegen die Wršen selber gewütet? Hat nicht des Rothaars Bruder der heftige Ulrich des Wladyken Kresina schöne Tochter Bozena geraubt, und zu seiner Gattin gemacht, und hat er nicht seinen und ihren Sohn den ersten Břetislaw, der kühn und tapfer war wie der griechische Achilleus, und der die schöne Judith von Schweinfurt geraubt hat, zur Flucht genötigt? Hat nicht dieses Břetislaws Sohn Spitihněw dreihundert Mährer zu einem Reichstage geladen, und sie dann als Geiseln zurück behalten? Ich rede nicht von der neueren Zeit, der Leche Bolemil hat sie uns schon geschildert. Ich erwähne nur eines Dinges, der Vertilgung der Wrše durch den unbändigen Swatopluk. Wäre solches möglich, wenn unsre Macht statt der Macht der Herzoge wäre?«

Ein großer Beifall brach bei diesen Worten aus, und viele Stimmen riefen: »Ja, so haben sie getan«, »so ist es geschehen«, »sie waren immer gegen uns.«

Nach Bohuš stand Drslaw auf, und sagte: »Wenn wir Wladislaw nicht nehmen, so nehmen wir Soběslaws andere Kinder noch weniger, da sie kaum noch Knaben sind.«

»Wir nehmen sie nicht«, »wir nehmen sie nicht«, riefen vielfältige Stimmen.

Nach Drslaw erhob sich in der zweiten Reihe ein alter Mann mit weißen Haaren, die einmal blond gewesen sein mochten, und mit dunkelblauen Augen. Er trug ein schwarzes Gewand ohne Feder. Er rief: »Ich bin Mireta aus dem Mittage Mährens.«

Dann sprach er: »Wenn wir nur Klagen anführen, erreichen wir unser Ziel nicht. Einmal ist es anders gewesen. Da alle Völker zu Hause in kleinen Stämmen ihres Lebens pflegten, konnten auch wir ohne Haupt in der Heimat unsere Dinge tun, und nur gelegentliche Angriffe abwehren; als aber die Stämme um uns sich geeinigt haben, [] brauchen wir einen Herzog, der uns gegen sie einigt, und der unser Land darstellt. Ich schlage vor, daß wir den Fürsten von Znaim Konrad den Sohn Liutolds des Brudersohnes des Königs Wratislaw wählen. Wir, die wir in dem Mittage des Landes Mähren wohnen, kennen den Fürsten. Seine Mannesjahre sind klug und gemäßigt. Er ist im Unglücke in sich gekehrt worden. Der erlauchte Herzog Soběslaw hat ihn, da er zu weit über seine Rechte strebte, sechs Jahre, und zwar zuerst hier auf dem Wyšehrad und dann bei Heinrich von Groitsch in Haft gehalten. Er hat Strafe kennen gelernt, und ist in den weitern sechs Jahren, die er wieder bei uns wohnte, mild gegen uns und achtungsvoll gegen unsere Rechte geworden. Viele Lechen aus dem Lande Mähren wie Drslaw Zibota Soben Treba Stibor werden mir beistimmen.«

»Ich stimme bei«, rief einer im Saale.

»Ich auch, ich auch«, riefen mehrere.

Nach dem alten Mireta stand ein Mann in den mittleren Jahren auf. Er trug ein sehr grobes gelbgraues Wollkleid und eine Wolfsmütze. Er rief: »Ich bin Osel aus dem Mittage Böhmens ein kleiner Besitzmann, und sage, daß wir lieber einem Herzoge mit Gut und Waffen steuern, als uns von einem oder mehreren Lechen quälen lassen.«

»Das ist wahr«, »ja, ja«, riefen mehrere Stimmen, und langer Beifall tönte.

Nun erhob sich ein alter Mann in der ersten Reihe, welcher weißgraue Haare blaue Augen und ein rötliches Angesicht hatte, und dunkelbraune Sammetkleider trug. Er rief: »Ich bin Znata der Sohn des Tas.«

Ein Ruf des Beifalls entstand bei diesen Worten.

Dann sagte Znata: »Wenn wir Wladislaw den Sohn unsers erlauchten Herzogs Soběslaw nicht als Nachfolger seines Vaters wählen, so schlage ich einen andern Wladislaw vor, nämlich Wladislaw den Sohn des weisen und milden Herzogs Wladislaw, den Enkel des Königs Wratislaw, [] den Bruderssohn des jetzigen Herzogs Soběslaw. Er ist der Sohn des Mannes, welcher in sechzehn Jahren seiner Herrschaft nur immer gut gewesen ist, welcher freiwillig seinem Bruder Bořiwoy den Fürstenstuhl abtrat, und welcher uns auf seinem Sterbebette den guten Herzog Soběslaw gab, der nun selber im Sterben liegt. Der Jüngling ist heiter und freundlich wie sein Vater, er geht mit unsern Angehörigen um, und er wird unsere gerechten Ansprüche erfüllen.«

»Ja, ja«, riefen Stimmen. »Ja, ja, ja«, riefen noch mehrere Stimmen, und Beifallsruf erhob sich.

Als er verhallt war, stand Slawibor auf, und sagte: »Ich denke, daß wir doch auch nicht auf Wratislaw von Brünn vergessen sollen, damit wir seine Ansprüche und Eigenschaften gerecht und genau prüfen.«

»Ja, wir sollen sie prüfen«, rief eine Stimme.

»Ja, ja«, riefen mehrere Stimmen.

»Wratislaw«, riefen andere, und es ertönte wieder Beifall.

Nun erhob sich Silvester der Bischof von Prag. Er trat in den freien Raum, richtete seine Augen gegen die Versammlung, blieb stehen, und sprach: »Liebe Gute Ansehnliche! Nach Slawibor bin ich an der Reihe zu reden. Ihr seht, daß meine Haare weiß sind, und mein Nacken gebeugt ist. Ich rede nicht aus Lust oder Unlust oder für eine Person, sondern als der, der zum obersten Seelenhirten dieses Landes erwählt ist, wenn auch nicht würdig und noch nicht von seinem erzbischöflichen Oberherrn von Mainz geweiht. Ich habe nicht für den Jüngling, welchen der Herzog gesendet hat, gesprochen, daß es nicht scheine, daß ich nur durch Gunst für den Herzog Soběslaw bewegt sei. Ich rede zu euch, weil ihr Christen seid. Es sind in Prag und in dieser Burg Wyšehrad Versammlungen gehalten worden, und es ist heute hier eine große Versammlung, zu welcher fast alle Herren der Länder[] Böhmen und Mähren gekommen sind. Diese Versammlungen haben in der bangen Lage um Rettung und um einen Herzog gesucht. Aber die Versammlungen bestehen vor dem Auge Gottes nicht. Unser Herzog lebt, und ist in Hostas Burg schwer erkrankt. Die Arzneiverständigen sagen, daß er an dieser Krankheit sterben werde; aber der den Lazarus erweckt hat, der zu dem Krüppel gesagt hat: Geh, und wandle, der kann ihn zu uns führen, und ihn für den Fürstenstuhl noch eine Reihe von Zeiten erhalten. Wenn aber auch in seinem Rate bestimmt ist, daß der Herzog in das selige Leben gerufen werden soll, so ist auch darnach der Herzog vorhanden; fast alle in diesem Saale, so weit meine Augen reichen, haben Wladislaw den Sohn unsers erlauchten Herzogs Soběslaw, welchen der deutsche König Konrad vor zwei Jahren am zweiundzwanzigsten Tage des Monates Mai auf dem Fürstentage zu Bamberg mit der Herzogsfahne Böhmens belehnt hatte, auf dem Tage unserer Länder in Sadska am neunundzwanzigsten des Brachmonates desselben Jahres in diese Belehnung eingeführt. Es besteht demnach Wladislaw der Sohn unsers guten Herzogs Soběslaw als künftiger Herzog. Schon die Priester der falschen Götter, welche in Griechenland und Rom und vor kurzer Zeit auch noch in diesem Lande nur in einer andern Weise verehrt worden sind, haben harte Strafen für den Frevel des Meineides verkündet: um wie viel mehr straft ihn der gerechte und der einzig wahre Gott der Christen. Aber nicht der Strafe sondern des Glaubens willen halten die Christen ihr Gelöbnis. Und wenn die Hand des Meineidigen verdorrt ist, oder aus dem Grabe heraus gewachsen ist, oder wenn Gott durch Wunder und Zeichen Entsetzen in die Seele des Meineidigen geworfen hat, so hat er dadurch nur den Abscheu vor diesem unmenschlichsten aller Frevel kund getan. Und auch der irdische Vorteil, den ihr durch Meineid erstrebt, wird nicht erreicht. [] Die Vereinigung im Unrechte ist schwach, wie stark auch die Verbindungsstelle zu sein scheint; denn der Fürst der Zwietracht, der den Faden geschlungen hat, zerreißt ihn wieder, weil er leicht zu zerreißen ist, und stößt die Glieder gegen einander, weil man von Unrecht leicht wieder zu Unrecht geht: die Vereinigung im Rechte aber ist stark, wie schwach auch die Verbindungsstelle zu sein scheint, weil Gott den Faden geknüpft hat, und weil man erschrickt, vom Rechte zu weichen. Wer durch den Knaben David den Riesen Goliath erschlagen hat, wer durch den Richter Gideon tausend Feinde in das Gras strecken ließ, der kann durch den Knaben Wladislaw, dem ihr voreilig geschworen zu haben glaubt, dieses Land retten. Und es war sein Finger, der euch so zahlreich nach Sadska geführt, und dort hat schwören lassen. Drum sage ich, und bitte euch in christlicher Demut: Sendet zu dem Herzoge Soběslaw, und sagt: Wir sind in deiner schweren Krankheit zusammengekommen, um zu beraten, und haben als das Rechte erkannt, daß wir Gott bitten sollen, er möge dir die Genesung wieder schenken, und daß wir, wenn er dich einmal in sein Reich aufnimmt, deinem Sohne Wladislaw als unserm Herzoge dienen. So sage ich, und so halte ich es für Recht.«

Als der Bischof diese Worte geredet hatte, stand ein Priester nach dem andern und standen die Äbte auf, und verneigten sich tief vor ihm, und in Teilen des Saales brach ein freudiger Zuruf aus.

Der Bischof ging wieder zu seinem Sitze, und ließ sich auf demselben nieder.

Als einige Zeit vergangen war, und die Versammlung wieder nach einem Redner schaute, stand der alte Bolemil auf, und sprach: »Nach dem hochehrwürdigen Bischofe Silvester kömmt die Rede an mich. Meine Worte werden gewiß vergeblich sein, weil die Jugend und viele Männer nach ihren Gelüsten vorwärts gehen; aber ich [] rede sie, weil ich sie schuldig bin. Ich muß wieder von den alten Zeiten anfangen. Als der König Wratislaw herrschte, waren auch Streite, er hatte, als er Herzog war, viel Hader mit seinem Bruder Jaromir dem Bischofe von Prag, und da er König war, mit seinem Bruder Konrad von Brünn, und er hatte einen schmerzlichen Zerstoß mit seinem eigenen Sohne Břetislaw, welchen Kämpfen ich selber schon als junger Dienstmann beiwohnte; aber diese Streite wurden immer nur durch eine starke Aufreizung, wie sie bei Menschen vorkommen, angezündet, und sie wurden mit Reueschmerz und mit Bruder- und Freundestränen gestillt, wie der milde König vor Brünn mit der österreichischen Hilburg der Gemahlin seines Bruders Konrad getan hat. Man wußte damals stets, wer Herzog sei, sein Recht war nie in Zweifel gestellt, man tat seine Pflicht, und alle hervorragenden Männer verehrten den König und Herzog, und das Volk insgesamt, wie sogar die Feinde des Königs sagen, liebte ihn, von dem größten Landmanne Böhmens bis zu dem armen Sackpfeifer herab. Da war ein Mann, ihr müßt seinen Ruf kennen, sein Name war Božetěch, er war Abt, und stand dem Kloster an der Sazawa vor: dieser malte liebliche Bilder, und gestaltete aus Holz und Stein und Bein Heilige und himmlische Erscheinungen, daß die Menschen herzu kamen, und sie mit Bewunderung und Tränen ansahen. Er war ein hochgesinnter fröhlicher Mann, und bei dem Könige Wratislaw sehr wohlbeliebt. Einmal griff er bei einer hohen Messe dem Bischofe Cosmas vor, und setzte dem Könige die Krone auf. Darüber erzürnte der Bischof so sehr, daß er ihm befahl, ein Heilandkreuz von seiner eigenen Lebensgröße zu schnitzen, es auf seinen Schultern nach Rom zu tragen, und es daselbst in der Kirche des heiligen Petrus niederzulegen. Und der Mann Božetěch tat, was ihm befohlen worden war. Wo ist jetzt einer, der, wenn er auch wüßte, was Gehorsam ist, ein solches [] Zeichen gäbe, die Heiligkeit der Ordnung anzuerkennen? Das ist zu Grunde gegangen. Damals folgten die Herzoge auf einander ohne Widerrede. Auf den heftigen Ulrich folgte der erste Břetislaw, der das Alterserblichkeitsgesetz errichtete, auf Břetislaw folgte der schöne Spitihněw, und auf ihn sein Bruder unser König Wratislaw, auf diesen sein Bruder Konrad, und auf Konrad der Sohn Wratislaws der zweite Břetislaw, der die Alterserblichkeit zerstörte. Daraus folgten die bösen Kämpfe, von denen ich heute schon gesprochen habe. Vor der Alterserblichkeit, da die Söhne der Herzoge nach der Väter Tode immer das Land teilten, waren auch blutige wilde Streite. Diese Streite aber heilte das Alterserblichkeitsgesetz; es brachte aber andere. Der Herzog, welcher seinen Kindern und Brüdern wohl will, wird sie eifriger als Nachfolger wünschen als den ältesten des Geschlechtes, der seiner Liebe sehr entfernt sein kann, und weil er die Macht hat, wird er versucht sein, sie zu gebrauchen. Der heftige zweite Břetislaw, der schon in seiner Jugend auf einem Kriegszuge durch ein unvorsichtiges Bad in einem Flusse, durch welches er die Feinde auf sich lockte, vielen Großen des Reiches, die ihn bewachten, den Tod bereitete, der den Freund seines Vaters Wratislaw Zderad, welcher ihm dies einmal vorwarf, tötete, und dadurch Mißtrauen zwischen sich und seinem Vater und sogar einen sündhaften Sohneskrieg entzündete, hat es getan. Er hat mit seinen Lechen und Županen seinem Bruder Bořiwoy gegen das Alterserblichkeitsgesetz die Nachfolge gesichert, weil er dem gesetzlichen Nachfolger seinem Vetter Ulrich zürnte. Ihr wisset, wie er geendet hat. In dem Walde von Bürglitz ist er von einem Manne ermordet worden, wie man sagt, aus Rache der Wrše Božey und Mutina, die er verbannt hatte. Wer durch Totschlag zeigt, daß er das Leben eines Menschen nicht achtet, gibt andern die Lehre, das seine auch nicht zu achten. Und doch war er [] sonst ein guter Mann, er herrschte zur Wohlfahrt des Landes, und da er auf so traurige Weise gestorben war, weinte Jung und Alt um ihn. Nach seiner Herrschaft kam, wie sie kommen mußte, eine völlige Unsicherheit in die Nachfolge. Dem von ihm eingesetzten Bořiwoy entriß Swatopluk die Herrschaft, nach der Ermordung Swatopluks im Kriegslager wählte das Heer auf fremdem Boden für sich einen Herzog und zwar Otto den Bruder Swatopluks, ein Wahllandtag zu Hause wieder für sich Wladislaw den Bruder Bořiwoys und Halbbruder Břetislaws, und es kam zu einem Vergleiche, in welchem Otto seinem Anspruche entsagte. Wladislaw aber gab aus eigenem Willen auf seinem Sterbebette die Nachfolge Soběslaw unserm jetzigen Herzoge, der unter der Freude des Volkes den Fürstenstuhl bestieg, und nun, da der Herzog noch lebt, da der nächste Herzog schon belohnt und anerkannt ist, sind wir wieder versammelt, einen Herzog zu wählen. Was kann aus diesen Dingen werden? Durch die Ungewißheit der Nachfolge sind von jenem Břetislaw an mehrere Hunderte der hervorragenden Männer der Länder um das Leben gekommen, und viele Tausende des Volkes in das Grab gesunken, es sind Städte in Asche gelegt, Dörfer dem Erdboden gleich gemacht, und saatreiche Fluren in Einöden verwandelt worden, und das Land ist immer mehr in die Abhängigkeit von Fremden gekommen, weil jeder, der den Herzogstuhl verlangte, gerne auswärtige Hilfe suchte, wie Bořiwoy Swatopluk und wie Otto und wie selbst der edle Wladislaw. Diese Übel, die jetzt in unserer Zeit sind, gehen tiefer, und fassen mehr alle Bestandteile der Länder an als die, welche früher gewesen sind. Und wenn sie fortdauern, so wird der Herzogstuhl zittern, wird ein Schatten werden, und in die Macht eines fremden Mannes fallen. Nicht die Frage ist jetzt die größte, wer soll Herzog sein, sondern die, wie soll die Nachfolge bestellt werden? Und wenn [] ihr heute in unserer Versammlung den Besten wählt, welcher auf dem Erdboden ist, und wenn er ein langes Leben führt, und während dieses langen Lebens die Länder wohl beherrscht, so ist das Unglück nur aufgeschoben, und es bricht nach seinem Tode aus, es wäre denn, daß dort wieder der Beste gewählt werden könnte, und so immer fort, und daß jeder Gewählte die Macht habe, die, welche die Wahl als kein Gesetz erkennen wollen, nieder zu halten. Wie ich zu erkennen meine, neigen sich die Herren der Länder Böhmen und Mähren dahin, die Herzoge nach dem Tode der Vorgänger von nun an durch die Wahl zu bestellen; aber dann wäre es besser, zu dem verlassenen schlechten Alterserblichkeitsgesetze zurückzukehren, als alles auf diese Spitze zu setzen. Es scheint glaublich, daß man durch die Wahl immer sollte den Besten erkiesen können; aber ich habe lange gelebt, und viele Menschen gesehen: wie wenige gibt es, die zu wählen verstehen, und wie wenige, die wählen dürfen. Wenn auch die Herren der Länder Böhmen und Mähren das Land sind, so sind doch auch die Bauern da und die anderen, derer sie gedenken müssen; aber auch wenn sie ihrer gedenken, so ist die große Zahl der Menschen so, daß sie zuerst ihrer selbst gedenkt, und auch nicht recht ihrer selbst sondern ihrer Lust. Die, welche nach dem Fürstenstuhle trachten, werden Versprechungen machen, und wenn der gewählte Herzog einigen zuwider handelt, so werden sie sich verbinden, einen neuen zu wählen, der gefügiger ist, und wieder einen andern, und dieses werden sie gerade desto mehr tun, je mehr sie durch Kriege, die diese Dinge begleiten, wild und begehrlich geworden sind. Sie werden sich teilen, bis ein Fremder den geschändeten Stuhl nimmt, wie in den traurigen Zeiten des rothaarigen Boleslaw schon der polnische Boleslaw getan hat. Möge dann der Fremde eine milde weise und mächtige Hand über die Länder strecken. Diese meine Augen, so alt sie sind, [] können es noch sehen, daß viele von denen, die heute für Wladislaw den Sohn des vorigen Herzoges Wladislaw stimmen, wenn er erwählt ist, wieder von ihm abfallen, und gegen ihn in den Waffen stehen. Ich muß daher mit christlichem Glauben sagen: Haltet euer Versprechen, welches ihr Wladislaw dem Sohne unseres Herzoges Soběslaw gegeben habt, und huldiget ihm nach dem Tode seines Vaters als Herzog. Vereinigt euch um ihn, und ihr werdet mit ihm, wenn er auch jung ist, im Rechte stark sein, wie der hochehrwürdige Bischof Silvester gesagt hat, sonst aber schwach. Das Versprechen in Sadska war nicht erzwungen; denn es mußte keiner hingehen, oder er konnte es wieder ohne Zusage verlassen. Wenn aber die Herrschaft dieses Wladislaw mit euch fest gegründet ist, dann verbindet euch mit ihm, und errichtet in langem und reifem Rate eine Herrscherfolge, daß das jetzige Unheil und alles künftige vermieden werde. So spreche ich, und kann in meinem Alter die Gedanken nicht mehr ändern.«

Nach diesen Worten setzte sich Bolemil wieder nieder.

Als er geendigt hatte, brachen Rufe aus: »Ja, unsere Lage ist sehr übel«, »er hat recht, wir sind in Wut und Kämpfe geraten«, »das Land geht dem Unheile entgegen«, »das muß geändert werden«, »wir wollen nicht wieder Gut und Blut verlieren«, »wir sollen nicht von hier fortgehen, bis alles geordnet ist«, »wir müssen einmal Ruhe haben.«

Hierauf waren die Laute nicht mehr verständlich, und es war ein bloßes Getümmel.

Als durch eindringliche Zeichen des Bischofes Zdik das Tosen sich gelegt hatte, und eine solche Stille eingetreten war, daß man Worte vernehmen konnte, rief er: »Die Reihe der Rede ist nun an mir.«

Da es ganz stille geworden war, sprach er: »Ich habe nur weniges zu sagen; aber bedenket es. Als wir vor zwei Jahren in Sadska waren, haben wir ein gutes Werk vollbracht. [] Wir haben den künftigen Herzog vorbestimmt, daß bei dem Übergange der Herrschaft die Ordnung des Reiches gewahrt werde. Unser edler Herzog Soběslaw war noch nicht so alt, daß wir an seinen baldigen Hintritt hätten denken sollen, und wir erwarteten, daß er seinen Sohn Wladislaw, den wir anerkannt hatten, unter seinen Augen zum festen Herrscher bilden werde, wie er selbst ist. Das ist aber anders geworden, unser Herzog ist dem Tode nahe, und sein Sohn Wladislaw ist erst einundzwanzig Jahre alt. Die Zeiten aber sind verwirrt, und die Meinungen wenden sich nach so verschiedenen Richtungen, daß ein junger Herzog sie nicht vereinigen wird können, daß er nach dem weichen Jugendherzen ihnen abwechselnd folgen wird, und daß wir dadurch Kriegen und Zerrüttungen entgegengehen. Wenn wir das Versprechen, welches wir in Sadska gegeben haben, nicht halten, so begehen wir keine Sünde; weil die Vorbedingung, welche wir uns alle bei dem Versprechen gedacht haben, nicht erfüllt worden ist. Durch die Haltung des Versprechens würden wir die Übel herbeiführen, welche wir durch das Versprechen beseitigen wollten. Daher ist mein Glaube, daß wir einen andern Herzog wählen sollen, der jetzt schon auszuführen im Stande ist, was wir erst in künftigen Zeiten von Soběslaws Sohne erwarten könnten. Ich weiß einen Mann, der es kann. Wenn mein armes Leben für ihn zur Bürgschaft angenommen würde, und wenn dieses Leben verlangt würde, daß man ihn wähle, so lege ich es hin. Es ist Wladislaw der Sohn unseres vorigen Herzoges Wladislaw, der gütig und weise geherrscht, und der uns auf seinem Sterbebette unsern jetzigen Herzog gegeben hat. Der Sohn Wladislaw ist so jung, daß er zu edler Tat kräftig ist, und so alt, daß er Einsicht und Erfahrung hat, sein Körper ist schön und stark, daß er zu hohen Jahren gelangen kann, sein Geist ist hell und klug, sein Gemüt wohlwollend und leutselig, [] er liebt uns, er wird die Rechte des Landes achten, sein Wohl befestigen, und es ist etwas in ihm, daß er es vielleicht auch noch zu hohem Glanze heben kann. Ich rede aus sorgfältiger Beobachtung, und rede nicht für mich. Ich sage: Wählen wir Wladislaw den Sohn unsers vorigen Herzogs Wladislaw zu unserem nächsten Herzoge, und setzen wir ihn, wenn in Kürze der Tod Soběslaws erfolgt, auf den Fürstenstuhl. Wenn es aber Gott dem Allmächtigen gefällt, unsern vortrefflichen erlauchten Herzog Soběslaw aus seiner jetzigen schweren Krankheit wieder zur Gesundheit zu führen, so soll der heutige Beschluß nichtig sein, und wieder das Versprechen in Sadska gelten. So rede ich, und ich bitte euch, beherziget es.«

Nach diesen Worten ging Zdik zu seinem Sitze.

Es entstand nun wieder ein starkes Rufen und eine Bewegung der Körper, daraus nichts zu entnehmen war, bis einzelne Stimmen durchdrangen, die riefen: »Laßt weiter sprechen, laßt weiter sprechen.«

Als es ruhiger geworden war, stand Diwiš von seinem Platze auf, und da sich alle gegen ihn wandten, um ihn zu hören, sprach er: »Ich bin ein alter schlichter Mann, und sage: Bleibt bei eurem Worte.«

Auch jetzt folgten verworrene Rufe.

Da hierauf eine kleine Weile niemand geredet hatte, stand in der ersten Reihe der Mann mit dem weißen Barte und dem weiten dunkelpurpurnen Sammetgewande auf, trat einige Schritte gegen den freien Raum, kehrte sich gegen die Versammlung, und sagte: »Ich bin Načerat der Sohn des Tas.«

Ein allgemeiner Jubelruf folgte diesen Worten.

Als er verhallt, und tiefe Stille eingetreten war, sprach der Mann: »Liebe gewogene ansehnliche Herren! Ich bin ein unbedeutender Mann in diesen großen und mächtigen Ländern.«

»Der bedeutendste«, rief eine Stimme.

[] »Ein unbedeutender Mann«, fuhr Načerat fort.

»Nein, nein, nein«, rief eine Menge von Stimmen.

»Meine Worte sind nicht wichtig«, sagte Načerat.

»Ja, ja, ja, ja«, rief es durcheinander.

»Liebe Ansehnliche«, sagte Načerat, »wenn ihr mir wohlwollet, so höret mich.«

»Hört ihn«, riefen Stimmen.

Als es stille geworden war, sprach Načerat: »Ich bin unbedeutend in dieser hohen Versammlung. Meine Worte werden keine Triftigkeit haben, und werden in den Waagschalen, die ihr in euren weisen Händen haltet, und die ihr schon gerichtet haben werdet, nichts ändern; aber ich glaube, daß in diesen schweren Zeiten der Große und Kleine reden muß, damit er seinen Anteil zeige. Diese erhabene Versammlung ist eine wichtige aber friedfertige, ich bin ohne Waffen gekommen, weil sie ihr Werk in Frieden und Eintracht schlichten wird, wie einmal in vergangenen Zeiten unser Land in Glück und Frieden verwaltet worden ist. Ihr werdet wissen, und es ist in schönen lateinischen Worten aufgeschrieben, daß unser Volk ein stilles gewesen ist; es hat nur fremde Angriffe abgewehrt, und hat dazu einen Kriegsführer gewählt, der danach wieder keine Macht hatte. So war der Vater Čech, der vor siebenhundert Jahren unsere Leute in dieses Land geführt hat. Nach ihm erscheint kein Gewalthaber. So war Samo vor fünfhundert Jahren, dem wieder keiner folgte. Für das Wohl und das Recht der Gemeinden sorgten die Ältesten dieser Gemeinden, denen daher der Name Starosten blieb. Und die Versammlung der Starosten aller Gemeinden ordnete und verwaltete auf Landtagen das Land. Wer durch Besitz und Erfahrung hervorragend war, der konnte auch in jüngeren Jahren ein Starost werden. So entstanden die Namen Lechen Kmeten Wladyken. Wenn einer durch Weisheit bekannt war, gehorchten ihm die andern freiwillig wie einem [] Fürsten, und er hatte die väterliche Macht. So war Krok. Aber wie damals die Kinder nach dem Tode ihres Vaters ihr Erbe ungeteilt ließen, und sich zur Verwaltung desselben aus ihrer Mitte einen Wladyken wählten, so geschah es auch zuweilen, daß die Landeskinder zur Verwaltung des Landes gleichsam einen Wladyken des Landes wählten, der dann ihr Fürst war. Das ist in späteren Zeiten stets öfter geworden. Die Landeskinder aber sind immer die Lechen Kmeten und Wladyken gewesen. Sie sind in diesem Saale versammelt. Der Herzog herrscht nur durch sie und mit ihnen. Eure Rechte müssen vor denen des Herzogs gewahrt werden, weil er aus euch hervorgeht. Nur so wird eine glückliche friedfertige Zeit, in der ein einzelner nicht die Kraft und das Gut aller für sich gebrauchen und verwenden kann. Es sind aber unter den Herzogen solche gewesen, welche die Rechte der Landeskinder nicht gewürdiget, und nur ihr eigenes Wohl bedacht haben. Selbst unser edler erlauchter und ruhmreicher Herzog Soběslaw, dem Gott die Wiedergenesung schenken möge, hat nicht immer den Rat der Großen verlangt, und sie öfter abseits stehen lassen. Darum bin ich auch für seinen Boten in dieser Versammlung nicht aufgestanden, wenn es mir gleich nicht unlieb ist, daß derselbe vor uns auf einem Stuhle sitzt. Weil nun euch als Landeskindern die Wahl des Herzogs zusteht, so habt ihr gewiß schon bis zur Schlußfassung erwogen, wer der künftige Herzog sein wird, und daß er eure Rechte achtet. Wir können euch nur für diese Tat den tiefsten Dank bringen, da durch sie wieder das Glück und die Ruhe und der Reichtum in unsere Fluren einkehrt, wie es einstens gewesen ist. Wir die wenigeren haben in der Zeit vor eurem Erscheinen in dieser Stadt und in diesem Saale mehrere Zusammenkünfte gehabt, und haben auch auf diese Dinge unsere Gedanken gerichtet. Es ist uns der Mann zu Sinne gekommen, den früher mein Bruder [] Znata genannt, und den der hochehrwürdige Bischof von Olmütz empfohlen hat, Wladislaw der Sohn unsers vorigen edlen Herzogs Wladislaw. Er ist gut und freundlich, er liebt unsere Kinder, teilt ihre Freuden und Leiden, hört ihre Meinungen, spielt ihre Spiele, und scheut ihre Rechte, er hat Ehrfurcht vor ihren Vätern und dem Rate derselben. Wenn ihr aber den andern Wladislaw den Sohn Soběslaws wählen werdet, so ist es gewiß, daß ihr überzeugt seid, daß derselbe noch mehr eure Rechte schützen, noch mehr euren Rat hören, noch mehr die Landeskinder beglücken wird. Ich ende meine Worte, die schon zulange gedauert haben.«

Načerat ging wieder zu seinem Sitze.

Es entstand nun ein so starkes Rufen, daß es betäubend war: »Nicht der Sohn Soběslaws«, »dein Wladislaw«, »Wladislaw«, »Wladislaw«, »Wladislaw.«

Der Sohn des Načerat hatte sein Schwert samt der Scheide aus dem Gürtel gelöst, und schwang es vor Freude jauchzend um sein Haupt. Die meisten der Anwesenden begannen mit ihren Händen an die Scheiden der Schwerter zu schlagen, daß es rasselte und klirrte. Die meisten standen auf, viele traten auf ihre Sitze.

Als wieder Stimmen vernehmbar wurden, hörte man neuerdings nur die Worte: »Wladislaw«, »Wladislaw«, »Wladislaw.«

Da das Rufen sich abschwächte, drangen Stimmen mit den Worten vor: »Nicht mehr sprechen«, »nicht mehr sprechen.«

Der großgewachsene schwarzhaarige Předbor rief mit einer furchtbaren Stimme: »Wladislaw ist gewählt.«

Es erscholl nun wie aus einem Munde: »Wladislaw ist gewählt«, »Wladislaw ist gewählt.«

Endlich nach geraumer Zeit ging Zdik zu der Glocke, und schlug mit Gewalt auf dieselbe.

Als die Unruhe sich gemindert hatte, rief er: »Und wenn [] ihr auch auf diese Weise gewählt habt, so müssen doch noch, die zu reden befugt sind, gerufen werden, und es muß die Abstimmung folgen.«

Ben trat vor, und rief: »Ich fordere als zweiter Führer der Versammlung diejenigen auf, zu reden, welche noch angemeldet sind.«

»Wir sprechen nicht mehr«, riefen mehrere Stimmen.

Ben rief wieder: »Wenn niemand mehr sprechen will, muß die Antwort durch Schweigen geschehen. Ich rufe daher noch einmal die nächsten Redner auf, zu sprechen.«

Es erfolgte keine Antwort.

»So ist die Sprache über die Herzogswahl geschlossen«, rief Ben.

»Geschlossen«, ertönte eine Menge von Stimmen.

Zdik gab jetzt mit drei langsamen Schlägen das Zeichen, daß man sich zur Abstimmung richte. Dann rief er: »Daß man stimmen könne, müssen die Männer dieser Versammlung sitzen.«

Als sich alle niedergesetzt hatten, rief er: »Ich Zdik der Bischof von Olmütz der erste Führer dieser hohen Versammlung fordere alle diejenigen auf, sich von ihren Plätzen zu erheben, welche des Sinnes sind, daß Wladislaw der Sohn des erlauchten verstorbenen Herzogs Wladislaw nach dem Tode unseres ruhmreichen Herzogs Soběslaw Herzog der Länder Böhmen und Mähren werde.«

Načerat erhob sich von seinem Sitze, Znata, der alte Milota, Ctibor, alle jungen Männer standen auf, immer mehrere erhoben sich, auch Priester, bis endlich fast die ganze Versammlung neben ihren Sitzen stand.

Zdik rief mit lauter Stimme: »Wladislaw der Sohn des letzten gestorbenen Herzoges Wladislaw ist von den Herren der Länder Böhmen und Mähren für den Tod des Herzoges Soběslaw zum Herzoge dieser Länder gewählt worden. Die Wahl wird in die Pergamente eingetragen werden.«

[] Ein Jubel entstand nun, der den Saal erzittern und die Luft beben machte.

Nach langer Zeit konnte man erst die Rufe vernehmen: »Nun ist alles glücklich geendet«, »nun ist wieder das Glück im Lande«, »nun sind wir endlich einmal erlöst«, »nun ist alles gut.«

Zdik gab ein Zeichen, daß er reden wolle.

Als man ihm durch vieles Bemühen Frist zum Sprechen gemacht hatte, sagte er: »Nun beantrage ich, daß eine Botschaft an den Gewählten, der sich in Wien befindet, abgeordet werde, und auch eine Botschaft, welche dem Herzoge Soběslaw Nachricht von dem Geschehen gebe.«

Načerat stand auf, und sprach: »Ich meine, daß der Antrag gut ist, senden wir die Botschaft an Wladislaw, und ich schlage vor, daß wir uns in drei Tagen zur Beratung der Botschaft an Soběslaw versammeln.«

»In drei Tagen an Soběslaw, in drei Tagen an So běslaw«, riefen fast alle.

Und es ward wieder ein Rufen und Jubeln.

Der Bischof Silvester trat in den freien Raum, hob seine Arme empor, und bewegte sie zum Zeichen, daß er reden wolle. Aus seinen blauen Augen flossen Tränen über seinen weißen Bart auf sein Kleid hinunter.

»Der Bischof will reden, der Bischof will reden«, riefen mehrere Stimmen.

Als es stille geworden war, rief der Bischof Silvester mit lauter Stimme: »Ich Silvester der erwählte Bischof von Prag als oberster Seelenhirt des Landes Böhmen widerspreche der Wahl. Sie ist vor dem dreieinigen Gotte ungültig und sündhaft. Und wenn der heilige Adalbert, der unser Vorbild ist, sein Amt niedergelegt hat, weil er nicht verantworten konnte, daß seine Untertanen heidnische Gebräuche nicht ablegten, so kann ich nicht verantworten, daß die mir Anvertrauten freiwillig und feierlich [] das Gebot des Herrn verletzen, und lege mein Amt nieder. Mein Gebet wird fortan sein, daß Gott dem Lande nicht entgelten lasse, was seine besten Söhne gesündigt haben.«

Ein wildes Geschrei entstand auf diese Worte. Der Bischof ging gebeugten Hauptes zu seinem Sitze, und setzte sich auf denselben nieder.

Die meisten schickten sich an, den Saal zu verlassen.

Zdik trat zu dem Bischofe Silvester, legte ihm beide Hände auf die Schultern, schaute ihm in das Angesicht, und sprach: »Mein Vater und Freund, mit dem ich zu Jerusalem an dem Grabe des Herrn gebetet habe, es ist keine Sünde. Eher hat Soběslaw gefehlt, daß er nur an die Seinigen gedacht hat. Unser Erwählter wird das Land von dem Untergange retten, und die werden arg getäuscht sein, welche auf ihn leichtfertige und eigennützige Hoffnungen gebaut haben.«

Silvester wischte sich mit seinem Kleide die Tränen ab, und sagte: »Mein Sohn, es ist doch eine Sünde. Und wenn Gottes Barmherzigkeit durch euren Erwählten das Land auf den Gipfel des Heiles führt, so wird doch die Strafe auf die Häupter des Meineides fallen.«

»Es geschehe, was muß«, sagte Zdik, »ein jeder kann nur nach dem gestraft werden, was er gesündiget hat.«

»So ist es«, sagte Silvester, und stand auf, um den Saal zu verlassen. Viele Priester schlossen sich um ihn, und begleiteten ihn zur Tür hinaus.

Witiko erhob sich von seinem Sitze, und schritt bei der Tür, durch welche er hereingekommen war, in das Vorgemach hinaus. Dort fand er noch den Priester, der ihn hergeleitet, und hier auf ihn gewartet hatte. Sie gingen mit einander fort.

Da sie in dem Gange gingen, trat aus einem Seitengange der Bischof Silvester mit seinen Priestern her vor. Witiko stellte sich zurück, und wollte den Greis vorüber lassen. [] Dieser aber blieb vor dem Jünglinge stehen, und sagte: »Mein gutes liebes Kind, reite zu dem Herzoge, melde ihm, was hier geschehen ist, und sage ihm, daß ich aller Würden ledig bin, und bald kommen werde.«

Nach diesen Worten machte er mit den Fingern ein Zeichen wie das des Segens, und ging mit seinen Priestern weiter. Witiko folgte ihm mit seinem Begleiter in einiger Entfernung.

Als sie in den Hof gekommen waren, fanden sie dort eine Menge von Menschen. Sie standen fast Körper an Körper gedrängt. Teils waren sie von außen hereingekommen, teils waren sie von den Räumen des Gebäudes herabgegangen. Mitten im Hofe hielt Načerat in seinen weiten Gewändern hoch zu Pferde, von Freunden und andern umgeben, die Glück wünschten. Der Sohn des Načerat in seiner prachtvollen Kleidung zu Pferde sitzend war neben ihm. Welislaw war da, Casta, Smil mit seinen beiden Söhnen, Ben der Kriegsanführer war da, und mehrere Diener hielten Pferde für ihre Herren bereit, und manche stiegen auf. In der Richtung von dem Tore her drängte sich der junge schöne schwarze Odolen der Sohn des Striz auf einem weißen Pferde sitzend und mit dunkelbraunen Gewändern angetan durch die Menge gegen Načerat. Der blonde Drslaw war da, der schwarzhaarige Bogdan, der emporragende Předbor, Milota, Nemoy, Jurik, Bartholomäus, und die rote Feder Domaslaws ragte neben den Häuptern anderer Reiter empor. Der blondhaarige grüngekleidete Kochan suchte sich auf einem schwarzen Pferde seinen Weg durch das Gedränge nach auswärts, ihm folgte Milhost. An einem Fenster in der Burg oben stand der Bischof Zdik, neben ihm der Priester Daniel der Abt von Břewnow und andere. Alle Fenster waren mit Menschen erfüllt. Zahlreiche sehr schöne Frauen konnte man darunter erblicken. Mädchen und Frauen aus dem Volke standen unten im Hofe. [] Jubelgeschrei ertönte, und von Zeit zu Zeit rief man den Namen des neuen Herzogs, und rief Glück und Segen. Der alte Bolemil trat aus einer Tür in den Hof. Er wurde von mehreren jungen Männern, die wie Söhne und Enkel aussahen, umringt, und in ihrer Mitte gegen das Tor geführt.

Auf Witiko achtete niemand. Er ging mit seinem Priester längs der Mauer nach dem Ausgange. Von dort eilte er gegen die Stadt. Menschen begegneten ihm, die nach dem Wyšehrad eilten. Andere gingen oder ritten von der Versammlung in die Stadt. Auch den Bischof Silvester sah er noch einmal, wie er mit seinen Priestern langsam der Stadt Prag zuwandelte. Witiko ging unter den Menschen, die da waren, an ihm vorüber.

Als er an seiner Herberge angekommen war, verabschiedete er sich von dem Priester, der ihn begleitet hatte, dankte ihm, und bat ihn, daß er dem hochehrwürdigen Bischofe Silvester sagen möge, daß er nicht mehr zu ihm kommen könne, weil er unverzüglich zu dem kranken Herzoge reiten müsse. Der Priester entfernte sich, und Witiko ging in das Haus. Dort sah er nach seinem Pferde, verlangte ein weniges zu essen, und da beide er und das Tier gestärkt waren, tat er wieder die Pelzdinge über seine Lederkleidung, verwahrte seine Füße, nahm seinen Wurfspieß, bestieg das Pferd, und ritt aus der Stadt hinaus.

Er schlug den Weg nach Mitternacht ein, und ritt in einem großen Bogen gegen Hostas Burg. Er gestattete sich nur den Aufenthalt, der zur Stärkung und zum Ausruhen des Pferdes notwendig war. Die Nachtherbergen machte er so kurz, als seine Wegkenntnis und die Jahreszeit zuließ.

Am neunten Tage des Monates Hornung traf er in Hostas Burg ein.

Er ging sogleich zu dem Herzoge.

[] »Bringst du mir die Nachricht?« fragte der Herzog.

»Ja«, sagte Witiko, »am vierten Tage des Monates Hornung ist in einer großen Versammlung auf dem Wyšehrad von vielen hohen und niederen Herren beider Länder Wladislaw der Sohn deines verstorbenen Bruders des Herzogs Wladislaw für den Fall deines Todes zum Herzoge von Böhmen und Mähren erwählt worden.«

»Von wem hast du die Nachricht?« fragte der Herzog.

»Von mir selber«, entgegnete Witiko, »ich bin in der Versammlung gewesen.«

»Du bist in der Versammlung gewesen?« fragte der Herzog, »wie ist das möglich geworden?«

»Ich habe den hochehrwürdigen Bischof Silvester gebeten, daß er bewirke, daß sie mich hören«, entgegnete Witiko, »sie haben mich gehört, und haben mich in der Versammlung gelassen.«

»Es ist mir leid um dich, mein Sohn, daß ich nicht länger lebe«, sagte der Herzog.

»Wer hat gesprochen?« fragte er nach einem Weilchen.

»Znata der Sohn des Tas hat den Antrag gestellt«, antwortete Witiko, »dann hat Zdik der Bischof von Olmütz deinen Neffen gepriesen, und dann hat Načerat, der andere Sohn des Tas, ihn durch eine lange Rede empfohlen, und dann haben sie ihn ausgerufen, und es hat niemand mehr gesprochen und gehört.«

»Was hat der Bischof Silvester gesagt?« fragte der Herzog.

»Er hat die Wahl verdammt«, entgegnete Witiko, »und da sie nicht abgingen, hat er sein Amt niedergelegt. Er wird bald hier sein, läßt er dir melden.«

»Und die andern?« fragte der Herzog.

»Der alte Leche Bolemil hat lange für dich gesprochen, und der Župan Diwiš«, sagte Witiko.

»Wo hast du das Kreuzlein?« fragte der Herzog.

Witiko griff in sein Lederwams, zog das rotsammetne [] Beutelchen hervor, und reichte es dem Herzoge. Der Herzog nahm es, zog das Kreuzchen heraus, küßte es, steckte es dann wieder in das Beutelchen, und legte es mit demselben in den Holzschrein hinter dem Bette.

»Es ist gut«, sagte er, winkte Witiko mit der Hand zu gehen, wendete sich im Bette seitwärts gegen die Wand, und sprach nicht mehr.

Witiko verließ das Gemach.

Am nächsten Tage ließ er Witiko zu sich rufen. In dem Gemache war noch Adelheid seine Gattin, die Tochter des ungarischen Herzoges Almus, dann war noch da Maria seine Tochter, die Gattin des österreichischen Markgrafen Leopold, dann sein ältester Sohn Wladislaw, dann Boreš der Kastellan von Hostas Burg, dann zwei Priester, zwei böhmische Herren und der Arzt.

»Ich habe euch rufen lassen, tretet näher«, sagte der Herzog.

Als es geschehen war, fuhr er fort: »Dir, Witiko, bin ich großen Dank schuldig, meine Herzogin wird ihn abstatten. Ihr andern höret: Mein Vater der König Wratislaw hat die Kirche auf dem Wyšehrad neu er baut. Er liegt in ihr begraben. Meine Mutter Swatawa liegt neben ihm. Legt mich neben beide, wenn ich werde gestorben sein. Jetzt geht.«

Sie entfernten sich.

An demselben Tage ließ die Herzogin Adelheid Witiko durch Boreš zu sich führen. Boreš führte ihn in eine große Kammer, in der verschiedene Dinge waren. Adelheid stand neben zwei Frauen. Als er eingetreten war, ging sie ihm entgegen, reichte ihm ihre weiße Hand, und sagte: »Schöner Jüngling, du hast eine gute Handlung vollbracht. Der Herzog hält sie für sehr hoch. Wir sind dir vielen Dank schuldig. Ich sage ihn dir in guten und in herzlichen Worten. Nimm diese Gewänder, nimm diese Waffen, nimm dieses Waffenhemd, und nimm dieses [] Kästchen mit Gold, du bist noch jung, du kannst es brauchen. Du darfst diese Dinge nehmen, die Gaben des Herzogs ehren ja sonst Hoch und Gering. Ich aber sage dir, bleibe so, wie du jetzt bist.«

Witiko antwortete: »Hohe Frau! ich bin wohl unerfahren; aber ich werde mich bestreben zu lernen, was ein Mann bedarf. Diese Geschenke habe ich nicht verdient; ich nehme sie als eine Gnade von dem guten und armen Herzoge und von Euch, erlauchte Herzogin, und werde sie stets mit treuem Danke bewahren.«

Die Herzogin berührte mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand seine Locken, machte ein Kreuz auf seine Stirne, und winkte ihm, sich zu entfernen.

Er neigte sich, und tat es. Ein Mann, der mit Boreš gekommen war, trug ihm die Geschenke in eine Kammer.

Am andern Morgen reiste Maria die Markgräfin nach Österreich zurück. Sie mußte dahin, weil ihr Gatte die Burg auf dem Kahlenberge verlassen hatte, um wieder zu dem Kriege gegen Baiern zu rüsten, das ihm von seinem Halbbruder dem deutschen Könige Konrad an der Stelle des stolzen Heinrich zugewiesen worden war, und das er zu gewinnen suchte. Männer, welche schöne Eisenplatten unter ihren Pelzgewändern hatten, und Frauen in Winterkleidern begleiteten sie. Es waren österreichische Herren und Ritter, und Frauen Marias. Der junge Wladislaw und mehrere böhmische Herren schlossen sich dem Geleite an. Witiko sah aus dem Fenster seiner Kammer den Zug.

Gegen den Mittag desselben Tages kam der Abt von Ostrow, und etwas später kamen mehrere böhmische Herren: der alte Diwiš, Božebor, der alte Lubomir, Wšebor, und Chotimir.

Am Nachmittage kam der Bischof Silvester. Es war Otto der Propst von Prag bei ihm, Hugo der Propst von Wyšehrad, der Abt von Kladrau, Daniel und einige Priester.

[] Der Bischof ging in das Krankengemach.

Als ihn der Herzog erblickte, sprach er: »Silvester, du Freund meiner jungen Tage, entbinde mich von meinen Sünden, wenn sie mir Gott verzeihen kann.«

Der Bischof kniete vor dem Bette auf einen Schemel, und tat ein kurzes Gebet. Dann wurden die Vorbereitungen gemacht, und am Abende empfing der Herzog von dem Bischofe die letzten Tröstungen des Glaubens.

Am andern Tage dem zwölften des Monates Hornung verlangte der Herzog, daß seine Angehörigen, dann die Herren und Priester, die in der Burg waren, und Witiko, zu ihm kommen. Als es geschehen war, winkte er seinen Sohn Wladislaw näher, und sprach: »Mein erstgeborner Sohn Wladislaw! du bist von dem deutschen Könige Konrad mit den Ländern Böhmen und Mähren belehnt, und von den Herren beider Länder auf dem Tage in Sadska anerkannt worden. Jetzt aber haben sie auf dem Wyšehrad deinen Vetter Wladislaw den Sohn meines verstorbenen Bruders des Herzogs Wladislaw für meinen Tod zum Herzoge gewählt. Unterwirf dich ihm, und gehorche ihm, daß die Sünden nicht werden, welche in meiner Jugend gewesen sind. Načerat wird gegen Wladislaw nicht siegen. Ihr habt meine Worte gehört, du Witiko bist noch jung, und wirst sie auf viele Jahre hin bewahren, und Adelheid wird sie meinen andern Kindern, wenn sie herangewachsen sind, verkündigen. Jetzt könnt ihr euch entfernen.«

Die Männer gingen aus einander.

Am dreizehnten Tage des Monates Hornung kamen noch mehrere Herren der Länder Böhmen und Mähren.

Am vierzehnten Tage des Monates Hornung sprach der Herzog nicht mehr, er schaute durch das Fenster, welches nicht verhangen war, gegen Morgen, wohin noch viele Zweige seines Stammvolkes wohnten, und als die Nachmittagschatten in derselben Richtung zeigten, suchten [] seine Hände in der Wolle der Bärendecke, und strebten sich zu falten. Der Bischof gab ihnen ein silbernes Kreuz, das sie festhielten. Das Zimmer füllte sich immer mehr mit Menschen. Der Arzt wachte über den Herzog, die Priester sagten leise Gebete, und ehe das Licht des Tages schied, tat er mehrere tiefe Atemzüge, dann sanken die Lider, und die Züge wurden starr.

Der Arzt gab mit der Hand ein Zeichen, daß alles vorüber sei.

Der Bischof sagte: »Es ist vollbracht. Ihm wird das viele belohnt werden, was er Gutes tat, und das wenige verziehen, was er gesündigt hat. An ihm ist viel gesündigt worden.«

Adelheid ging gegen ein großes Kreuz des Heilandes, das in dem Zimmer stand, kniete nieder, und umschlang es mit ihren Armen. Ihr Angesicht war so bleich wie das des Toten, und ihre Augen lagen noch tiefer als die seinigen. Wladislaw stand mit Zügen da, die weißer als die getünchte Wand waren. Die andern Kinder hatte man in eine abgelegene Kammer gebracht.

Witiko entfernte sich, ging in sein Gemach, und ließ den Strom der Tränen aus seinen blauen Augen rinnen.

Ein Eilbote jagte sogleich, nachdem der Herzog die Augen geschlossen hatte, aus dem Tore. Načerat hatte Leute in der Burg, und an allen Orten zwischen Hostas Burg und Prag hatte er Pferde in Bereitschaft.

So geschah es, daß Wladislaw der Sohn des Herzogs Wladislaw am siebenzehnten Tage des Monates Hornung auf den Stuhl der Fürsten von Böhmen gesetzt wurde.

Wladislaw der Sohn des Herzoges Soběslaw floh nach Mähren.

Jetzt kamen die vorzüglichsten Männer der beiden Länder nach Hostas Burg: Načerat, Zdik, Smil mit seinen beiden Söhnen, Ben der Kriegsanführer, Domaslaw, Slawibor, Nemoy, Znata, Milota, Soben, Beneda und andere. [] Von den umliegenden Župen kamen die Župane, und von Prag viele hohe und niedere Leute.

Die Botschaft, welche der Bischof Zdik an den Herzog beantragt hatte, war vor dessen Tode nicht mehr zu Stande gekommen.

Da die Vorbereitungen vorüber waren, wurde der Leib des verstorbenen Herzogs mit Gepränge von Gold schwarzem Sammet und edlen Gesteinen, und mit geschmückten Pferden unter dem Geleite derer, die in der Burg waren, und die sich auf dem Wege anschlossen, nach Prag geführt. Der neue Herzog ging ihm, als er dort angekommen war, entgegen, und geleitete ihn mit seinen Räten seinen Kriegern den Priestern den Herren der Stadt, mit denen, die von ferne herzu gekommen waren, und dem Volke zu der Kirche des heiligen Veit, und dann zu der auf dem Wyšehrad, und endlich zu der letzten Ruhestätte, in der er an der Seite seines Vaters Wratislaw und seiner Mutter Swatawa niedergelegt wurde.

Witiko wohnte der Bestattung bei. Sein Fuß trat noch auf Reste von Tannenzweigen, die bei der Feier der Besteigung des Herzogstuhles verwendet worden waren, und sein Auge sah noch die Spuren im Schnee, wo sich das Volk getummelt hatte, da Münzen ausgeworfen worden waren.

Als die Feierlichkeiten der Erhebung Wladislaws und der Bestattung Soběslaws vorüber waren, gingen drei Botschaften von Prag ab.

Die erste ging an die verwitwete Herzogin Adelheid, um ihr einen Trostgruß und eine Beileidsbezeugung des Herzogs zu überbringen.

Die zweite ging zu Soběslaws ältestem Sohne Wladislaw nach Mähren, daß er nach Böhmen kommen möge, er werde freundlich und in Liebe empfangen werden, und eine reichliche Ausstattung erhalten.

Die dritte ging mit hohen Männern in ihren schönsten [] Gewändern und mit einem Zuge von Pferden, der Gewänder Gold und Kleinodien trug, in die Burg auf dem Kahlenberge bei Wien, um für den böhmischen Herzog bei Leopold dem Markgrafen von Österreich um dessen Schwester Gertrud zu werben.

Witiko wurde zu dem Herzoge beschieden. Er mußte zu ihm auf den Wyšehrad gehen. Wladislaw saß, da er zu ihm in das Gemach geführt wurde, in einem dunkelbraunen Gewande auf einem hölzernen Stuhle an einem hölzernen Tische. Mehrere seiner Freunde saßen in prächtigen Gewändern um ihn. Er war sehr ernst und blaß.

»Witiko«, sagte er, »setze dich auf einen jener Stühle.«

Witiko tat es.

»Siehst du«, fuhr er fort, indem er lächelte, »es ist doch wahr geworden, was mir der Schalk eingegeben hat.«

»Du wirst das Wort nicht im bösen Sinne aufbewahren«, sagte Witiko.

»Ich bewahre es in gutem auf«, sagte der Herzog, »unsere Freundschaft soll sich von Chynow her fortsetzen. Witiko, mein Oheim hat ein Auge auf dich gerichtet, ich will desgleichen tun.«

»Hoher Herr«, entgegnete Witiko, »ich bitte dich, daß du mich jetzt noch meiner Wege gehen lässest.«

»So hältst du mich für einen schlimmen Fürsten, dem du nicht dienen magst, wie du damals sagtest«, entgegnete der Herzog.

»Nein«, antwortete Witiko, »aber ich möchte nur meine Gedanken sammeln.«

»So sei es, wie es ist«, entgegnete der Herzog.

»Wenn ich reden darf, hoher Herr«, sagte jetzt der Sohn des Načerat, »so würde ich sagen, daß es jetzt ganz anders geworden ist, als wie ich von diesem Manne damals bei Chynow gedacht habe. Er steht gegen dich auf, und sollte vielleicht festgehalten, und wenn er stärker schuldig ist, gestraft werden. Die Soběslawer sind hartnäckig, [] und pochen auf Macht. Da ist Bolemil mit seinen mannigfaltigen Söhnen und Enkeln, dann Diwiš und sein Anhang, dann ist der böse Lubomir, der in Daudleb mächtig ist, dann Wšebor, Božebor, und andere. Diese werden dich verderben, wenn du unserm Rat, die wir dir treu sind, nicht hörest.«

In diesem Augenblicke ging Načerat in einem sehr schönen weiten Gewande bei der Tür herein. Er sprach einige Worte leise mit dem Herzoge, und entfernte sich wieder.

Dann sagte der Herzog: »Witiko, gehe deiner Wege. Ich befehle, daß ihn niemand beschimpft oder verletzt.«

Witiko erhob sich von seinem Stuhle, verneigte sich, und ging.

Er ritt auf seinem grauen Pferde zu Silvester, der nach der Niederlegung seines Amtes wieder in dem Kloster Sazawa, dessen Abt er früher gewesen war, wohnte, und dankte ihm. Dann ritt er wieder gegen den Mittag des Landes.

4

Es weheten die Banner.

Am sechsten Tage nach der Erhebung Wladislaws war die Bischofswahl in Prag, weil Silvester bei der Niederlegung seines Amtes beharrte. Es wurde Otto der Propst von Prag zum Bischofe über Böhmen gewählt, und es ging eine Botschaft an den Heiligen Vater nach Rom, und eine an den Oberhirten, unter dessen Stabe auch das Land Böhmen stand, an den Erzbischof von Mainz.

Die Leute zerstreuten sich nun von Prag.

Der Leche Bolemil war schon früher mit seinen Söhnen und Enkeln und mit Geleite nach dem Abende des Landes Böhmen gegangen, Diwiš in seine Župe nach Saaz, Nemoy nach Netolic, Chotimir nach Dečin in Mitternacht, Ctibor nach Austi, und Lubomir mit den Seinigen [] in die Župe Daudleb, und Zdik begab sich in seinen Bischofsitz Olmütz zurück.

Andere Leute gingen wieder nach Prag. Darunter waren junge Söhne von Herren, Kriegsknechte, dann auch Gewerbmänner, Bildner in allerlei Dingen, Männer des Wissens, Gaukler, Sänger, Sackpfeifer, Juden, Dirnen, Geldwechsler, und ähnliche.

Wladislaw vervollständigte noch die Ämter. Er ließ die Männer, die unter Soběslaw Dienste geleistet hatten, in ihren Würden. Die nächsten an ihm waren seine Brüder Diepold und Heinrich, und der alte Leche Načerat.

In kurzer Zeit nach der Bichofswahl ritt Wladislaw mit einem Gefolge junger Männer nach Hostas Burg. In derselben hatte Adelheid die Witwe Soběslaws das Gemach, in welchem der Herzog Soběslaw gestorben war, mit dunkeln Tüchern behängen lassen, das Bett mit der Bärendecke und der Schrein, aus welchem er das goldene Kreuzlein für den Bischof Silvester genommen hatte, und das hölzerne Gesiedel, auf welchem sie gesessen war, da sie ihn pflegte, waren stehen geblieben. Das Kreuz, das sie nach dem Tode Soběslaws umschlungen hatte, war an einen Fensterpfeiler gebracht worden, und davor ein Schemel gestellt. An die Rückwand des Gemaches hatte man ihr ein Bettlein stellen müssen, in welchem sie in den Nächten schlief. Als Wladislaw vor die Mauern der Burg gekommen war, sandte er einen Mann zu Adelheid, um zu fragen, ob er zu ihr kommen dürfe. Sie ließ ihm durch diesen Mann sagen, daß sie ihn erwarte. Der Herzog ging also mit den zwei Männern Welislaw und Odolen in die Burg, und wurde in das dunkle Gemach geführt. Adelheid stand auf, da er eintrat, sie verneigten sich gegen einander, und als ihm eine Frau einen hölzernen Stuhl gereicht, und als sich beide gesetzt hatten, sagte sie: »Was begehrest du, mein erlauchter Vetter?«

»Ich bin gekommen, meine erhabene Muhme«, antwortete [] Wladislaw, »um dir mit meinem eigenen Munde mein Beileid über deinen großen Verlust zu sagen, den du durch den Tod deines Gatten des ruhmvollen Herzoges Soběslaw erlitten hast, um dir mit meiner eigenen Person den Schutz meiner Macht anzubieten, und um dir zu sagen, daß ich für deine und der Deinigen Bedürfnisse sorgen werde, du magst in welchem Orte des Landes immer wohnen, wozu dir die Wahl frei ist.«

»Mein lieber gütiger Neffe«, erwiderte Adelheid, »du hast mir in den ersten Tagen deiner Herrschaft einen Trostesgruß gesendet, und ich habe dir meinen Dank dafür zurückgeschickt; nun kommst du selber, um mir dein Mitleid darzubringen, und ich sage dir auch selber meinen Dank. Du hast meinen Gemahl geliebt, er wußte es, und hat dich auch geliebt. Er hat anders von dir gedacht als deine Nächsten, und seine Gedanken sind auch die meinigen. Es ist gut, daß es so ist. Und wenn der Mensch auch auf das Irdische denken darf, nicht für sich, sondern für seine Kinder, so habe Dank für dein Anerbieten der Versorgung, und lasse es uns ablehnen; unsere Habe reicht für mich und meine kleineren Kinder hin, brauche deine Macht, daß kein Vornehmer deines Reiches sie schädige. Die Wahl meiner Wohnung lasse auf diese Burg fallen, ich begehre keine andere.«

»Habe deinen Willen«, sagte Wladislaw, »so lange mir Gott die Macht läßt, werde ich dich schützen. Deine kleinen Kinder werde ich zur Erhöhung unseres Geschlechtes erziehen helfen, von den größeren ist Maria in den guten Händen Leopolds des Markgrafen von Österreich, und wird durch seine Schwester Gertrud mit mir und dem Lande noch mehr verbunden werden, und deinen Sohn Wladislaw werde ich aus Mähren nach Böhmen zu einer Ausstattung ziehen, wie sie einem aufgesproßten Reise des heiligen Stammes Přemysls ziemt. Bleibe mit deinen Kindern in dieser Burg, so lange Frieden in [] dem Lande ist, und so lange du es wünschest, da du das Gedächtnis Soběslaws hegst.«

»Es wird immer das nämliche bleiben«, sagte Adelheid.

»In diesem Hause kann dein Herz nicht genesen«, erwiderte Wladislaw.

»Es ist mir hier am wohlesten«, sagte Adelheid.

»So sei es«, entgegnete Wladislaw.

»Lasse es sein«, sagte Adelheid, »und lasse mir das Vertrauen auf deine Worte.«

»Ich nehme dieses Vertrauen als eine Freude auf meinen Weg«, antwortete Wladislaw.

»Befiehl nun deinen Männern«, sagte Adelheid, »daß sie in die Burg kommen, damit man sie bewirte. Es werden noch Vorräte aus den Tagen Soběslaws da sein. Boreš wird sorgen.«

»Ich werde meine Männer nicht in die Burg führen«, antwortete Wladislaw, »daß sie dich nicht stören. Wir haben unsere Erquickung auf Säumern mit, und können sie überall einnehmen. Boreš bleibt dein Kastellan, nur in Dingen des Baues dieser Burg und ihrer Sicherheit muß er mir gehorchen.«

»So bringt drei Becher Wein für die drei Männer, meine liebe Agnes«, sagte Adelheid.

Eine der Frauen, die um Adelheid waren, entfernte sich, und brachte auf einem Tragbrette drei silberne Becher mit Wein. Adelheid nahm den schönsten der Becher, nippte von ihm, und reichte ihn Wladislaw. Dieser setzte ihn an die Lippen, und trank den Wein aus. Die zwei andern Becher wurden den Männern Welislaw und Odolen gereicht, und sie leerten dieselben ebenfalls.

»Und nun hast du die Bewirtung in deinem Hause an uns vollbracht«, sagte Wladislaw, »und wir verabschieden uns. Erlaube daher, hohe Muhme.«

Er näherte sich ihr, und küßte sie auf ihre Stirne.

Dann stand er vor ihr, sie aber hob ihre Hände empor, [] legte sie auf sein Haupt, und gab ihm den Kuß auf die Stirne zurück.

»Gott lasse alle deine Unternehmungen gedeihen«, sagte sie.

»Möge dein Gebet nur bewirken, daß die besten an ihr Ziel kommen«, antwortete er.

Dann nahm er sie noch einmal bei der Hand, und wendete sich zum Gehen. Sie ging an seiner Hand und seiner Seite bis zur Tür. Dann neigten sie sich, lösten die Hände, er ging zur Tür hinaus, sie in das Gemach zurück.

Draußen schlug er mit den Seinigen wieder den Weg nach Prag ein.

Als er nach Prag zurück gekommen war, sandte er Boten nach den Herren Jurik Bohuslaw und Zdeslaw.

Als diese zu ihm gekommen waren, sagte er: »Bereitet euch, ihr drei Herren, und reitet in die Stadt Kiew, dort werdet ihr einen Mann aus dem Stamme unseres geheiligten Přemysl finden. Es ist Otto der Sohn des schwarzen Otto des Sohnes des schönen Otto, der ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist. Er ist nach der Schlacht bei Chlumec, in der sein Vater durch die Scharen Soběslaws gefallen ist, entflohen und nicht mehr zurück gekommen. Sagt ihm: Wladislaw der Herzog der Länder Böhmen und Mähren läßt dir seinen Gruß entbieten, und läßt dir sagen: Das Herzogtum von Olmütz ist bei deinem Großvater Otto gewesen, es ist bei deinem Vater Otto gewesen, und wird bei dir dem dritten Otto sein. Folge uns, und gehe zu dem Herzoge Wladislaw, daß er dir das Land übergebe. Die Briefe, welche ihr dem Manne reichen sollet, werden verfertiget werden. Indessen wählt eure Begleiter, und richtet eure Dinge in Ordnung.«

Die drei Männer versprachen es, und verließen das Gemach.

[] Darauf sandte der Herzog Boten an die Herren Bogdan, Sezima und Zwest.

Als sie gekommen waren, sprach er: »Seid gebeten, ihr Männer, nach Mähren in die Stadt Znaim zu reiten. Dort ist bei dem Herzoge Konrad der erstgeborne Sohn des verstorbenen Herzoges Soběslaw namens Wladislaw. Sprecht zu ihm: Wladislaw der Herzog von Böhmen und Mähren läßt dir in Liebe und Freundschaft sagen, da du auf seine erste Botschaft, die dich nach Böhmen eingeladen hat, geantwortet hast, daß du sehr gerne kommen werdest, so bittet er dich, du mögest das Geleite dieser Männer nach Prag nicht verschmähen, daß er dir wie ein Bruder sei, daß er dir gebe, was dein Rang und dein Herkommen heischt, und daß du nach Gefallen seine Umgebung verherrlichest. Wenn du mit seinen Männern nicht zu ihm kömmst, so wird er mit Leid sehen, daß du gegen ihn feindlich gesinnt bist. Macht eure Vorbereitung, und empfangt dann, was an ihn wird geschrieben werden.«

Er entließ sie, und sie entfernten sich.

Da diese Herren ihr Gefolge ausgelesen, sich gerüstet, und die Schriften empfangen hatten, ritten sie ihrer Bestimmung zu.

Als sich der Monat März zu Ende neigte, kam die Braut Wladislaws, Gertrud, die Schwester Leopolds des Markgrafen von Österreich nach Böhmen. Ein großes Geleite von Frauen und Herren war bei ihr. Es waren Chunrad von Asparn, Bruno von Pusinberg, Wernhard von Brun, Hadmar und Albero von Chunring, Heinrich von Gundramsdorf, Marchard von Hintberg, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk und Wolftrigil von Stein. Der Herzog sendete ihr eine gleiche Zahl von Männern entgegen: Načerat, Smil, Ben, Znata, Milota, Bartholomäus, Wecel, Drslaw, Domaslaw, und Stibor. Sie legten alle Pracht an, welche ihr Reichtum erlaubte, erwarteten[] den Zug an der Grenze, und geleiteten ihn nach Prag. Dort wurde die Vermählung vollzogen, und der Herzog Wladislaw und die Herzogin Gertrud gingen sogleich gegen Würzburg, um am siebenten Tage des Monates April mit dem deutschen Könige Konrad, dem Halbbruder Gertruds, in dieser Stadt zusammen zu treffen.

Als Wladislaw wieder zurück gekommen war, ritt er mit einem Geleite in seine Burgen. Er ritt in die erste, untersuchte sie, und ordnete an. Dann ritt er in die zweite, und tat desgleichen, und so fuhr er fort.

Witiko aber, da er Silvester verlassen hatte, ritt gegen Mittag durch die Orte Dobriš Pisek und Netolic, bis er zu dem großen Walde gekommen war, der im Mittag und Abende das Land Böhmen von dem Lande Baiern schied. Es war jetzt Schnee auf seinen Zweigen und zwischen seinen Stämmen, und oft längere Zeit die Stille des Winters. Witiko ritt in die Gehölze hinein, und in ihnen fort. An manchen Strecken hatte er einen Führer. Am Mittage des dritten Tages, da er im Walde ritt, kam er über einen sanften Waldhang zu einem flachen spitzigen aber baumlosen Berg, auf dessen Gipfel ein rotes Kreuz stand. Witiko ritt an dem Berge vorüber, und kam an dessen Mittagseite zu einer hochfenstrigen Kirche, deren Turm ein braunrotes Keildach hatte, darauf kein Schnee war. Die Kirche war in geringer Entfernung mit einer Mauer umgeben. Von ihr ging das Land sanft gegen Mittag nieder, und es standen auf ihm zwei Zeilen von Häusern und Hütten hinab. Hinter und zwischen den Häusern und Hütten standen noch Bäume des Waldes. Weiter unten war ein kahles Tal, und jenseits des Tales stand eine Waldwand, welche höher und mächtiger war als alle, die Witiko bisher überritten hatte. Im Mittage dieser Wand mußten die Fluren sein, durch die Witiko vor zwei Jahren gekommen war, als er von Heinrich und den Angehörigen desselben Abschied genommen hatte.

[] Er ritt an der Ringmauer der Kirche vorüber, und ritt dann zwischen den Häusern hinunter. Gegen das Ende derselben lag ein wenig gegen Morgen von den andern entfernt ganz allein ein steinernes Haus. Witiko lenkte von seiner Richtung ab, und ritt auf einem schmalen Schneepfade, der sich ihm bot, dem Hause zu. Als er dort angekommen war, ritt er durch das Tor, das sich in einer Mauer, die vom Hause weg ging, befand, und offen stand, in den Hof. Der Hof war gebildet durch das Haus, den Torbogen, einen steinernen Schoppen, eine steinerne Scheuer und einen steinernen Stall. Witiko stieg im Hofe von seinem Pferde. Da kam ein alter Mann aus dem Hause. Da ihn Witiko erblickte, rief er: »Sei gegrüßt, Martin.«

Der alte Mann rief: »Witiko, Ihr seid es, um Gott, welch eine Freude. Da müssen wir ja gleich das Pferd versorgen.«

Sie führten das Pferd in den Stall, befreiten es von Sattel und Zaum, hingen es mit einer Halfter an, und deckten, daß es sich langsam abkühle, eine große Wolldecke, die da war, über den Leib. Dann schlossen sie die Stalltür gut zu, und gingen in die Stube.

»Da seid Ihr wieder nach so langer Zeit, Witiko«, rief der alte Mann.

Witiko legte seinen groben Wollmantel ab, nahm seine Lederhaube von dem Haupte, legte sie auf den Tisch, und setzte sich selber auf einen Stuhl.

»Ja, da bin ich«, sagte er, »und werde wohl eine gute Weile bei euch bleiben.«

»Das ist sehr erfreulich«, antwortete der alte Mann, »aber wie werdet Ihr im Winter in dem Walde bleiben können?«

»Im Winter, und vielleicht noch länger«, sagte Witiko.

»Da muß ja das Haus zubereitet werden«, erwiderte der Mann.

[] Er ging nach diesen Worten zu der Tür der Stube und rief hinaus: »Lucia! Lucia!«

Eine Magd kam herein, welche in einen kurzen dunkeln und faltigen Rock gekleidet war, eine weiße Schürze und ein weißes Tuch um das Haupt hatte. Sie fragte nach dem Begehren des alten Mannes.

»Der Sohn der Herrin dieses Hauses wird im Winter und im Sommer und vielleicht noch länger hier bleiben«, sagte er, »du mußt ihm ein Essen bereiten, mußt in den Ofen neues Holz legen, und mußt das Haus in den gehörigen Stand setzen.«

»Ich werde sogleich heizen«, sagte das Mädchen, »werde Speisen auf den Herd setzen, und wenn die Dinge ins Sieden kommen, werde ich zu Dorotheens Agathe gehen, daß sie mir mit ihrer Schwester bei dem Ordnen des Hauses hilft.«

»Tue so«, sagte der alte Mann, und die Magd verließ das Zimmer.

Dann sagte der alte Mann zu Witiko: »Wir haben schon gegessen, und Ihr müßt nun ein wenig warten, bis für Euch aufs neue etwas bereitet wird.«

»Ich kann leicht warten«, entgegnete Witiko.

»Ihr seid sehr lange nicht in diesem Eurem Hause gewesen«, sagte der Mann.

»Nun bin ich hier«, entgegnete Witiko.

»Möge es Euch eine gute Herberge werden«, sagte der andere.

»Wie es ist, wird es mir recht sein«, antwortete Witiko.

Er stand nach diesen Worten auf, schnallte sein Schwert von seiner Hüfte, legte es auf den Tisch, und sagte: »Hier werde ich es wohl nicht brauchen.« Eben so zog er seine Pelzhandschuhe von den Händen, und legte sie zu dem Schwerte. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl, und sagte: »Hier bin ich also.«

Der alte Mann setzte sich in einiger Entfernung von Witiko [] auch auf einen Stuhl, und fragte nicht, woher der junge Reiter gekommen sei.

Witiko sprach auch nicht, und so saßen sie eine Weile schweigend da.

Dann sagte Witiko: »Wir müssen nun weiter zu dem Pferde sehen.«

Sie standen auf und gingen in den Stall. Witiko befühlte mit der Hand das Tier, ob es gut ausgekühlt sei. Dann gab er ihm reinen Haber in den Born. Der alte Mann streute frisches Stroh, wenn es sich später zur Ruhe legen wollte. Auch brachte er ihm nach einer Zeit Wasser zum Trinken. So gingen sie öfter zu dem Tiere, bis es versorgt war.

Nachdem eine Stunde seit der Ankunft Witikos vergangen war, kam die Magd mit weißem Linnenzeuge in die Stube, legte die Lederhaube und das Schwert und die Handschuhe von dem Tische auf eine Bank, und deckte das Linnenzeug über den Tisch. Dann legte sie einen hölzernen Teller und Eßgeräte vor Witiko. Hierauf brachte sie Brod gesottenes geräuchertes Schweinfleisch geschnittenen gesäuerten Kohl, Klöße, die aus Roggenmehl bereitet waren, und Bier.

Witiko aß von den Speisen nach seinem Hunger, und trank von dem Biere nach seinem Durste.

Sodann wurde der Tisch abgeräumt.

Hierauf öffnete Lucia eine Tür, welche in eine Kammer führte, die sich neben der Stube befand. Zwei andere Mädchen kamen mit Wasser in Zubern, mit Strohknäueln und Sand, und begannen, den Fußboden der Kammer zu scheuern. Da sie mit dieser Arbeit fertig waren, wurden die Fenster der Kammer geöffnet, daß die kalte Winterluft den Boden trockne. Hierauf wurde auf ein Gestelle, das aus Tannenbalken und Tannenbrettern gemacht war, frisches reines Stroh gebunden, auf das Stroh wurde weiße Leinwand gedeckt, und auf die Leinwand wurde [] ein Strohpolster und wurden wollene Decken und Felle zu Witikos Nachtlager gelegt. Dann wurden die Fenster geschlossen, der trockene Boden wurde mit weißem Sande bestreut, und in dem Ofen wurde ein Feuer aus Tannenscheiten angezündet. Als die Kammer durchwärmt war, wurde Witikos Mantel sein Schwert seine Lederhaube und seine Handschuhe in dieselbe getragen, und ein Teil dieser Dinge auf eine Bank ein Teil auf eine Truhe, die da stand, gelegt. Darauf wurde er gebeten, auch in die Kammer zu treten.

Da er es getan hatte, wurde mit der Scheurung und Reinigung der Stube der Bank um den Ofen der andern Bänke der Stühle und des Tisches begonnen.

Als dies Werk vollendet, die Stube mit Sand bestreut, ausgewärmt, und in ihren Geräten in Ordnung gebracht war, öffnete der alte Mann die Tür der Kammer, führte Witiko heraus, und sagte ihm, diese zwei Gemächer seien seine Wohnung, so lange es ihm gefallen wolle, in dem Hause zu bleiben.

Als er noch redete, trat ein Mann in einem kurzen Lammspelze und einer Lammspelzhaube und mit einer Axt auf der Schulter in die Stube.

Der alte Mann sagte zu ihm: »Der junge Reiter ist der Sohn unserer Herrin, er wird in dem Hause hier bleiben, so lange er es für gut hält.«

Dann sagte er zu Witiko: »Das ist Raimund der Knecht. Er ist in dem Walde gewesen, um Holz zu spalten, und kommt jetzt, da die Dämmerung eintritt, zurück. Wir besorgen so das Haus, ich, der Knecht Raimund und Lucia die Magd. Die Taglöhner, die wir dingen, helfen nur bei größeren Arbeiten.«

»Und wo wohnet denn ihr, wenn du mir die große Stube dieses Hauses und die Kammer zur Wohnung einräumst?« fragte Witiko.

»Das Haus hat ja noch Raum genug«, sagte der Mann, [] »wißt Ihr es denn nicht, wir wohnen ja nie in der Stube und Kammer, ich bin in dem Stüblein, welches der Stube gegenüber liegt, und dessen Fenster auf den Hof hinaus sehen, Lucia schläft in der Kammer neben der Küche, und der Knecht schläft in dem Bretterverschlage in dem Stalle. Dann ist ja noch allerlei Raum.«

»Nun es wird sich schon fügen«, sagte Witiko.

»Wir werden Euch alle Dienste leisten, die Ihr braucht«, sagte der alte Mann.

»Ich werde nicht viel verlangen, Martin«, entgegnete Witiko, »und ich werde euch, wo ich es kann, in euren Geschäften helfen.«

»Das wäre nicht recht und nicht billig«, versetzte Martin.

»Nein, das wäre nicht recht«, sagte der Knecht.

»Wir wollen nicht hadern«, entgegnete Witiko, »es wird sich alles finden.«

»Ja, ja«, sagten die andern.

Hierauf reichte der Knecht Witiko die Hand, und ging aus der Stube.

Es war indessen Abend geworden. Witiko besorgte sein Pferd mit der Hilfe Martins, aß noch etwas von der Suppe, die ihm Lucia gebracht hatte, sperrte, als sich Martin entfernt hatte, die Stubentür, und legte sich in der Kammer auf seinem Tannengestelle zur Ruhe.

Im Morgengrauen des anderen Tages fragte er Martin, ob er ihm Fußbekleidungen verschaffen könne, mit denen er durch jede Tiefe des Schnees zu gehen vermöchte. Martin bejahte es, und brachte ihm einen Mann, der solche Dinge verfertigte. Witiko las sich aus dem mitgebrachten Vorrate zwei Paare langröhriger aus starkem Leder verfertigter Stiefel aus, bezahlte sie, und zog sogleich ein Paar an. Als er sein Morgenmahl, das Lucia aus Milch und Mehl bereitet hatte, verzehrt, als er die Besorgung seines Pferdes beendet hatte, und als eben die Sonne über den Föhrenwald, welcher im Morgen des [] Ortes stand, herauf ging, trat er aus der Tür des Hauses in das Freie. Er ging auf dem schmalen Pfade zu den Häusern, ging zwischen ihnen empor, ging an der Kirche vorüber, und begann, den Berg, auf welchem das rote Kreuz stand, zu besteigen. Er fand keinen Weg, sondern mußte sich einen durch den Schnee brechen. Er ging zwischen blaulichem Wacholdergestrippe, das hie und da durch den Schnee hervor ragte, bis zu dem roten Kreuze empor. Dort tat er ein kurzes Gebetlein, und sah dann herum. Zu seinen Füßen unter dem Berge lag der Ort mit den Schneedächern seiner Hütten und Häuser. Hie und da stieg ein Rauch empor. Weiter unten war die längliche weiße Tafel des Tales. Witiko wußte, daß dort die Moldau sei; aber sie war nicht zu sehen, alles war durch die gleiche weiße Hülle des Schnees gedeckt. Um das Tal war lauter Wald. Im Morgen ging nicht fern von den Häusern sanft ein Föhrenwald empor. Von ihm weiter gegen Mittag war ein breiter mächtiger Waldrücken, dessen Rand, wohl vier Wegestunden entfernt, schon bläulich dämmerte. Witiko kannte ihn sehr wohl. Es war der Wald des heiligen Thomas, auf dessen Rande er dort, wo das Bild des heiligen Apostels Thomas gewesen war, vor zwei Jahren mit dem Führer Florian gestanden war, und von dem er dann zu der Moldau und den Häusern von Friedberg hinab gestiegen war. Witiko sah lange auf den Wald. Dann blickte er gegen Mittag auf die Waldwand, jenseits welcher das Aigen sein mußte, von wo aus der Führer Florian mit ihm gegangen war. Hierauf lenkte er seine Augen gegen Abend auf eine noch größere Waldwand, die von Steinrippen durchzogen war, welche im Morgenlichte sichtbar wurden, und in welchen der schwarze See war, auf den er mit Wolf hinab geschaut hatte, und dessen Dasein von dieser Ferne kaum zu ahnen war. Gegen Mitternacht sah er ganz nahe an seinem Berge den Waldhang, über den er gestern herein geritten war, und über [] welchen hin in großer Ferne Prag liegen mußte, das er vor zwei Jahren des Herzogs Soběslaws willen gesucht, und das er nun wieder verlassen hatte.

Als er seinen Augen Genüge getan hatte, sprach er vor dem Kreuze die Worte des Kreuzzeichens, und stieg über den Berg durch den glänzenden Schnee hernieder.

Da er zu den Häusern gekommen war, ging er auf ein kleines Steinhäuschen, das neben der Kirche stand, zu, ging in dasselbe hinein, und trat in die Stube. In derselben saß ein Greis mit weißem Barte vor einem großen Buche. Am Ofen saß ein Mütterlein, und spann.

»Seid mir willkommen, ehrwürdiger Herr«, sagte Witiko, »ich bin in Eure Stube getreten, Euch zu grüßen, und Euch zu besuchen.«

»Ei, Witiko«, sagte der alte Mann, indem er aufstand, »seid Ihr auch wieder einmal nach Plan gekommen? Und wie schön und frisch Ihr ausseht. Seid recht herzlich gegrüßt.«

Das Mütterlein war von dem Spinnrade aufgestanden, wischte mit ihrer blauen Schürze einen Stuhl ab, und reichte ihn Witiko zum Sitzen.

Dieser ließ sich auf den Stuhl nieder.

»So seid Ihr noch immer auf der Pfarre in Plan?« sagte Witiko zu dem alten Manne.

»Ich bin noch da«, entgegnete der Mann, »werde wohl auch da bleiben, und in nicht entfernter Zeit als Pfarrer von Plan sterben. Ihr kennt ja meine Schwester Anna auch noch?«

»Freilich«, antwortete Witiko, und sah gegen die Spinnerin hin.

Diese blickte ihn mit freundlichen blauen Augen an.

»Plan ist ein sehr schöner Ort«, sagte der Pfarrer, »er liegt lieblich in dem Walde, und er ist auch wichtig. Als das Christentum noch wenig verbreitet war, als das ganze Land Böhmen noch am Heidentume hielt, waren hier zwei christliche Einsiedler, die den Fleck reuteten, darum [] er der obere Plan heißt, und die die christliche Lehre ausbreiteten. Darum ist dann auch eine Kirche geworden, die sehr alt ist. Die vielen Einsiedler in dem großen langen Walde hinauf sind die ersten Prediger der christlichen Lehre in diesem Lande geworden. Werdet Ihr lange hier bleiben?«

»Vielleicht länger als sonst«, sagte Witiko, »es ist noch ungewiß.«

»Dann werdet Ihr doch auch zuweilen zu mir kommen, und gestatten, daß ich Euch auch in Euerem Hause begrüße«, sagte der Pfarrer.

»Ich werde kommen, und es wird mir eine Freude sein, Euch bei mir zu sehen«, entgegnete Witiko.

Die alte Anna, welche aus der Stube gegangen war, kam jetzt wieder herein, und brachte auf einem Teller Brod und Salz und in einem Kelchglase Met.

Sie stellte die Dinge vor Witiko auf den Tisch, und sagte: »Wohl bekomme es zum Gruße.«

Witiko nahm ein Schnittchen Brod, salzte es, und aß es. Dann tat er einen Schluck aus dem Glase.

Hierauf erhob er sich, um sich wieder zu entfernen.

Der alte Pfarrer nahm einen Lammspelz von einem Nagel an der Wand, zog ihn an, und begleitete Witiko aus dem Hause.

Eine kurze Strecke unterhalb des Pfarrhäuschens kam Witiko an der Schmiede vorüber. In derselben wurde ein Pferd beschlagen. Witiko ging näher, schaute zu, besah das Pferd, und redete dann mit dem Schmiede und dem Eigentümer des Pferdes über das Pferd und über einige andere Dinge.

So sprach er auch mit mehreren Männern und Frauen, welche, da er an ihren Wohnungen vorüber ging, heraus kamen, und ihn grüßten.

Des Mittags mußten Martin Lucia und Raimund mit ihm an dem großen Tische in der Stube essen.

[] Am Nachmittage ritt er auf seinem Pferde in der Richtung gegen Morgen in den Wald, und kam nach zwei Stunden wieder zurück.

Am Abende, da das Pferd besorgt war, da Raimund und Lucia mit der Pflege der Rinder fertig waren, und Lucia ihre Milch aus dem Stalle in die Vorratskammer gebracht hatte, wurde das Licht auf der Leuchte der Stube, die wie ein Herd in der Wand angebracht war, durch aufgelegte fette Kieferhölzer so verstärkt, daß die ganze Stube schimmerte. Martin Raimund und Lucia mußten zu ihrem Abendaufenthalte, wie sie auch sonst taten, in die Stube kommen. Selbst Martins großer graugetigerter Hund mußte herein gelassen werden. Lucia spann an der Leuchte, Raimund flickte weiter entfernt an einem Dreschflegel, und Martin saß müßig auf der Ofenbank. Witiko saß auf einem Stuhle. Der Hund hatte sich unter den Tisch gelegt.

Nach der siebenten Stunde trat ein Mann in einem Lammspelze einer Lammspelzhaube und in groben weißwollenen Beinbekleidungen mit schweren Stiefeln in die Stube.

»Gottes Gruß«, sagte der Mann.

»Gottes Dank«, sagten die Anwesenden.

»So lebst du auch noch, Tom Johannes, der Fiedler«, sagte Witiko, »es freut mich, daß du uns besuchst. Wie geht deine Kunst?«

»Ei, Witiko«, entgegnete der Mann, »so kennt Ihr mich noch. Und die Kunst, wie sie geht? Die Hochzeiten kommen fast ab, und bei den Tänzen werden die Spielleute immer mehr. Ich kann von den Rüben meines Feldes besser leben als von der Kunst.«

»Nun von beiden«, sagte Witiko.

»Und was hat denn Euch im Winter zu uns geführt?« fragte der Mann.

»Es hat sich so gefügt«, sagte Witiko.

[] »Und werdet Ihr jetzt länger bei uns bleiben als früher?« fragte der Mann.

»Wie es eben geschieht«, antwortete Witiko, »ich weiß es selber noch nicht.«

Während dieser Worte hatte Martin einen Laib schwarzen Roggenbrotes und ein Messer auf den Tisch gelegt, und Salz dazu gestellt. Der Mann setzte sich zu dem Tische, schnitt sich mit dem Messer ein Schnittchen Brod ab, bestreute es mit Salz, und aß es.

Dann sprachen sie von mancherlei: von Leuten, die gestorben sind, von andern, die geheiratet haben, wieder von andern, die in die weite Welt gegangen sind, und von solchen, die in den innern Ländern Krieg wünschen, um dahin zu gehen, und Beute zu machen. Sie sprachen von dem Landbaue von der Viehzucht, und was sich in dem Walde begibt, und was sonst Neues in der Welt ist, und von ähnlichen Dingen.

Um die neunte Stunde erhob sich der Mann, sagte eine ruhige Nacht, und entfernte sich. Lucia trug ihr Spinnrad aus der Stube, Martin mit dem Hunde und Raimund suchten ihre Schlafstellen, und Witiko legte sich auf sein Tannengestelle, indem er die Tür von der Kammer in die Stube offen, und die Föhrenklötze auf der Leuchte verglimmen ließ.

Am nächsten Morgen besah Witiko, so wie er am Tage vorher Berg und Tal und Wald überschaut hatte, das Haus, in dem er war, und seine Wirtschaft. Er besah die zwei Gespanne Ochsen, die Kühe, die einigen Schafe, die Schweine und das Federvieh, er besah die Scheuer die Holzlaube die Wagenlaube die Vorratskammer und den Keller. Dann ging er in drei der nächsten Nachbarhäuser, und besuchte deren Bewohner. Nach dem Essen ritt er auf seinem Pferde wieder in den Wald. Am Nachmittage ließ er einen Mann kommen, welcher Kleider verfertigte, und bestellte sich ein Gewand aus dem groben weißgrauen [] Wollstoffe, welcher in dem Walde gemacht und getragen wurde. Durch Martin ließ er sich eine graue Filzhaube kaufen.

Am Abende dieses Tages kamen vier Männer in Lammspelzen zu Witiko in die erleuchtete Stube. Es war Tom Johannes der Fiedler, es war Stephan der Wagenbauer, es war Christ Severin der Wollweber, und es war David der Zimmerer. Martin setzte ihnen wieder Brod und Salz vor, und sie taten, wie gestern Tom Johannes. Lucia saß an der Leuchte, und spann, Raimund schnitt aus Buchenklötzen lange Späne, Martin flocht an einem breiten Tragbande, und Witiko auch an einem. Man sprach wie gestern von verschiedenen Dingen, und um die neunte Stunde entfernten sich die Männer, und gingen nach Hause.

Am dritten Tage war es ungefähr wie an den vorhergegangenen zwei Tagen.

Am vierten Tage kam gegen den Mittag ein Mann auf einem Saumtiere gegen das steinerne Haus. Er war in ein sehr weites dunkelbraunes Wollgewand gekleidet, das ein Ledergürtel zusammenhielt. Auf dem Haupte hatte er eine Haube von schwarzen Lammfellen, die über die Ohren und den Nacken ging. Er saß zwischen zwei Päcken von rauher Dachshaut auf seinem Saumpferde. Als er in den Hof des Hauses gekommen war, gingen Witiko und Martin hinaus. Der Mann stieg von seinem Tiere, und sagte: »Boreš läßt Euch sehr schön grüßen, Witiko, es wird nichts fehlen.«

»Das ist gut«, sagte Witiko, »wann bist du in Hostas Burg weggeritten?«

»Vor neun Tagen«, antwortete der Mann, »der Schnee hindert das Weiterkommen sehr.«

»Du bist gut genug weiter gekommen«, sagte Witiko, »Raimund wird die Päcke abschnallen helfen, du bringe dann dein Pferd in den Stall, und gehe darauf in die Stube, daß man dir eine Erquickung gebe.«

[] Martin rief nach Raimund, und da er gekommen war, lösten sie die Päcke von dem Saumtiere, und Raimund trug sie in Witikos Kammer. Witiko folgte ihm. Der Mann brachte das Pferd in den Stall, und ging dann in die Stube. Dort legte er sein baumwollenes Oberkleid und seine Lammshaube ab, und setzte sich an den Tisch. Man gab ihm Bier und Brod.

Witiko ging in die Kammer, kam bald darauf wieder heraus, und trug ein Päckchen in der Hand, das in Fuchsfell genäht war.

»Da ist etwas an einem meiner zwei Päcke angebunden gewesen, das ich nicht kenne«, sagte er.

»Es wird schon recht sein«, entgegnete der Mann, »Boreš hat es mir gegeben, und hat gesagt, ich soll sehr acht darauf haben, deshalb habe ich es an einen Pack gebunden.«

Witiko trennte die Naht, und es kam ein sehr schlechter Gürtel aus dem Fuchsfelle. Der Gürtel hatte eiserne Buckeln, und war mit Leder gefüttert. Als Witiko noch einmal in dem Fuchsfelle nachsah, fand er ein Papier, auf dem von Boreš' Hand geschrieben stand: ›Die hocherlauchte Herzogin Adelheid hat manchem Manne des verblichenen Herzoges ein Ding des Herzoges gegeben, und dir Witiko gibt sie den Gürtel, den der Herzog auf dem Sachsenzuge getragen hat, sie gibt ihn dir, weil der Herzog gesagt hat, du seiest auf jenem Zuge klug gewesen, und sie gibt ihn dir, weil der Herzog ebenfalls gesagt hat, daß du in eine große Gefahr für ihn nach Prag gegangen bist.‹

Witiko hielt den Gürtel eine Zeit in der Hand, und betrachtete ihn. Dann ging er in seine Kammer, und legte ihn in das Fuchsfell gewickelt in die Truhe.

Hierauf öffnete er die rauhen Päcke, und nahm die Dinge, die in ihnen waren, heraus. Es war die Kleidung und Ausrüstung eines Reitersmannes. Er legte alles in die Truhe [] zu dem Gürtel. Darauf ging er in die Stube hinaus, und sagte: »Es ist alles richtig. Verweile, so lange du willst, bei uns. Ich werde dir dann deinen Lohn geben, und du kannst wieder deiner Wege ziehen.«

»Mit Eurem Wohlnehmen werde ich einen Tag rasten, und dann auf den Rückweg gehen«, sagte der Mann.

»Tue nach deinem Gefallen«, entgegnete Witiko, »wo ist denn die erlauchte Herzogin?«

»Ei in Hostas Burg«, antwortete der Mann.

»Ist sie noch in der Burg, in welcher ihr erlauchter Herzog gestorben ist«, sagte Witiko.

»Sie schläft in dem Gemache, in welchem der Herzog gestorben ist«, sagte der Mann.

»Und wer ist bei ihr?« fragte Witiko.

»Ihre kleinen Kinder«, sagte der Bote.

»Und wo ist Wladislaw?« fragte Witiko.

»Er ist nach Mähren entflohen, weil er den neuen Herzog fürchtet«, antwortete der Bote.

»Hat sie ihren Schmerz gemildert?« fragte Witiko.

»Ja«, erwiderte der Bote, »sie sagt gar kein Wort.«

»Wird sie lange in Hostas Burg bleiben?« fragte Witiko.

»Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann.

»Es ist gut«, sagte Witiko, und schwieg.

»Ich habe auch einen Brief von Boreš«, sagte der Mann.

»Nun, so gib ihn«, sagte Witiko.

Der Mann nestelte sein Wams auf, zog ein graues Papier daraus hervor, wickelte es auf, und tat ein Päckchen Papier heraus, das mit rotseidenen Bändern umwickelt, und mit Wachs versiegelt war. Witiko öffnete das Papier, las die Zeilen, die es enthielt, und sagte: »Ich werde dir eine Antwort mitgeben.«

Dann ging er in seine Kammer.

Der Bote blieb an diesem Tage und an dem folgenden in dem steinernen Hause. Er legte sich in die Heustelle in dem Stalle, wo sein Pferd stand, schlafen. Am dritten [] Tage morgens richtete er sich zur Rückkehr. Er erhielt von Witiko seinen Lohn und den Brief an Boreš. Dann ritt er in seinem braunen Oberkleide und in seiner schwarzen Lammshaube auf dem schmalen Schneepfade zu den Häusern hinein, zwischen den Häusern empor, am Kreuzberge vorüber, und den Waldhang hinan, über den Witiko vor sechs Tagen herab gekommen war.

Da der Bote das steinerne Haus verlassen hatte, war es wieder wie vorher. Witiko legte das weißgraue Wollstoffgewand, welches fertig geworden war, an, und setzte die graue Filzhaube auf sein Haupt. Das Gewand bestand in einem Rocke, der mit Haften zusammen gehalten wurde, und in Beinbekleidungen, über welche die Stiefel empor gingen. So blieb er nun immer. Er teilte sich mit Martin in die Leitung des Hauswesens, beriet sich mit Martin, ordnete manches an, und tat manche Arbeit. Täglich ritt er auf seinem Pferde in der Zeit von fast zwei Stunden in den Wald. Außerdem ging er auch auf Bergen und in Tälern herum, und durchforschte sie. Er ging öfter auf den Kreuzberg, und blickte herum. Die Pflege seines Pferdes besorgte er mit der Hilfe Martins selbst.

Am Abende, wenn das Licht auf der Leuchte brannte, kamen immer wieder Männer. Es kam jetzt auch zuweilen Peter Laurenz der Schmied, es kam Paul Joachim der Maurer, Adam der Linnenweber, dann Zacharias der Schenke, Mathias, Norbert, Jakob und andere. Wenn Rockenfahrt in Witikos Stube war, und zu derselben Mädchen und auch Frauen mit ihren Spinnrädern kamen, um in der Stube zu spinnen, fanden sich auch junge Männer und Jünglinge ein, wie Philipp der Steiger, Maz Albrecht, der rosenwangige Urban, der der Vetter des Schmiedes Laurenz war, Veit Gregor, Lambert der Zimbelschläger, Wolfgang, Andreas, Augustin der Pfeifer, und mehrere. Dann sangen zuweilen die Mädchen, zuweilen sangen die jungen Männer, oder beide zugleich, [] oder beide in Wechselliedern. Um die neunte Stunde gingen sie nach Hause.

Witiko war manches Mal abends auch in einem anderen Hause, so wie Martin, oder der Knecht Raimund, oder Lucia, wenn sie auf einer Rockenfahrt war. Dann aß er von dem Brote und Salze, das ihm gereicht wurde, saß im Lichte der Leuchte, und sprach mit den Männern oder den Frauen, die gegenwärtig waren. Er besuchte zuweilen auch eine Rockenfahrt, saß unter den Sängern und Sängerinnen, die spannen, und lobte oder tadelte einen Gesang, wie es fiel. Bei einem Vergnügen, wenn etwa ein Tanz war, wo der Fiedler die Geige klingen ließ, der Pfeifer pfiff, der Zimbelschläger die Schlägel rührte, oder wenn man sich auf dem Eise versammelte, sah er zu, und hielt zuweilen mit. Er besuchte nach und nach alle Bewohner des Ortes, und wenn er auf der Gasse ging, und ihm einer begegnete, oder wenn er im Freien wandelte oder ritt, und einer etwa auf einem Schlitten aus groben Bohlen Dünger auf ein Feld führte, oder Holz nach Hause brachte, oder zu einer Arbeit oder in den Wald ging, so blieb er bei ihm stehen, und redete mit ihm. Er war öfter bei dem greisen Pfarrer, und der Pfarrer war öfter bei ihm. An Festtagen war er in der Kirche, in welcher sich die Bewohner des Ortes versammelten, und in welche auch Menschen aus manchem Häuschen herbei kamen, das im Walde versteckt war.

Er betrachtete die Arbeiten der Bewohner, und suchte sie kennen zu lernen, wie sie ihre Vorräte aufbewahrten, und zur Verzehrung einteilten, wie sie ihre Tiere erzogen, wie sie die Feldgeräte herrichteten, Pflüge Eggen Wägen Rechen Schaufeln Zuber Körbe und dergleichen, wie sie mit Axt Säge und Hammer Ausbesserungen an ihren Häusern machten, oder Holz, das sie im Winter gefällt hatten, auf dem leichteren Mittel des Schlittens in die Nähe ihrer Wohnungen führten, oder wie sie in wenigen [] Gewerben die anderen Bedürfnisse ihres Lebens aufbrachten.

Bei gemeinschaftlichen Arbeiten half er mit, wenn etwa ein Weg durch den Schnee zu brechen war, oder wenn ein Pfad zu finden, und mit Reisern zu bezeichnen war, da der alte samt seinen Reisern unkenntlich geworden war, oder wenn man gegen einen Wolf oder ein anderes Waldtier ging, oder Anstalten traf, ein solches ferne zu halten.

Er beteiligte sich auch bei allgemeinen Angelegenheiten in Beratungen, oder wie es sonst begehrt wurde.

So ging die Zeit hin, es mochte eine heitere trockne Wintersonne sein, oder Schneegestöber sein, oder Sturm sein, oder der Winternebel in die Zweige der Tannen herab reichen.

Die Tage wurden länger. Die Sonne war morgens schon sehr zeitlich über den Föhren heroben, und am Abende stand noch spät die blaue Seewand im Golde des Himmels. Das Heulen des Wolfes war nicht mehr zu vernehmen, dafür tönte der Schrei des Hirsches, oder der Ruf des Auerhahnes, oder ein schneller Klang der Frühlerche.

Der Reif ging von den Wäldern, daß sie dunkel da standen, der Schnee rann als Wasser von den Bergen und durch die Senkung der Täler, bis kein kleines Teilchen der Hülle mehr sichtbar war. Die längliche Tafel des Tales zeigte nun in ihrem unteren Teile Wiesen, und in dem fahlen Wintergrase war die blaue Schlange der Moldau. Weiter oben waren die braunen Streifen der geackerten Felder, oder die grünen derer, die Wintersaaten trugen, dann war der Wald.

Es begannen nun die Frühlingsarbeiten, und Martin und Raimund rückten mit ihren Gespannen in ihr Feld, und gedungene Lohnarbeiter halfen ihnen, und Witiko war auch dabei, und legte, wo es nötig war, Hand an, bis die Wiesen und Felder bestellt waren, und ihrer Ruhe und Entwicklung entgegen harren konnten.

[] Die Wintersaaten wurden höher und grüner, die Sommersaaten keimten, die Wiesen färbten sich dunkel, der Waldkirschenbaum, welcher im Sommer die kleinen schwarzen Kirschen bringen sollte, war mit weißen Blüten überdeckt, die Schlehe und der Kreuzdorn blühten, der Holzbirnbaum auch, darnach begann der Waldapfelbaum, die Tannen setzten die neuen lichtgrünen Sprossen an, und endlich öffnete sich auch die Blume der lichteren und dunkleren Waldrose mit den fünf Blättern, die am Hage oder am Saume des Waldes dahin stand.

Die Herden des Ortes gingen mit ihren Hirten in die Wälder empor, wo Rasen zwischen den Föhren und andern Bäumen war, die Kinder spielten in der Sonne, und die Mädchen sangen, wenn sie das junge Gras aus dem Walde trugen, jetzt in die blaue Luft empor. Sie hatten nicht, wie tiefer im Lande, die weiten Gewänder, sondern kurze faltige Röckchen und eine Schürze, und sie hatten weiße oder rote Tücher um das Haupt und die Schultern, und öfter gingen zwei Zöpfe über den Rücken des Mieders bis zu dem Röcklein hinunter.

Als die Lenzarbeiten vorüber waren, als die fünfblättrige Waldrose am Hage oder zwischen dem Gesteine blühte, nahm Witiko eines Tages nach dem Essen sein Ledergewand, kleidete sich damit, sattelte sein Pferd, schickte nach Benedikt, dem Sohne Zacharias' des Schenken, daß er ihm als Führer diene, und ritt von diesem begleitet in der Richtung gegen Morgen in den Wald. Benedikt ging mit einem langen Stabe voran, Witiko folgte ihm. Sie gelangten unter den Föhren bis an den Kamm der Höhe empor. Dann kamen sie durch Buchenwald und Tannen wieder in ein Tal hinab, in welchem ein Bach floß. Witiko sah Rehe daraus trinken, und einen Hirsch darin stehen. Sie durchschritten den Bach. Dann ging ein Wald sachte aufwärts, und da sie ihn zurückgelegt hatten, kam eine Ebene. Auf ihr stand nicht mehr hoher Wald, sondern [] kurze, dünne, kranke Föhren, und viele Stellen hatten gar keinen Baum. Das Gras war grau und trocken, und wo Erde zu sehen war, erschien sie in dunkler aschgrauer Farbe.

»Da ist ein seltsamer Boden«, sagte Benedikt, »wenn man ihn auf die Achsen der Wagenräder streicht, so gehen sie so lind wie mit fetten Dingen geölt.«

»Da sollte man den Boden untersuchen«, sprach Witiko.

»Ja das sollte man«, sagte Benedikt.

Sie zogen auf der Ebene hin, die Sonne schien schon tief aus Wolkenschleiern. Und da sie an das Ende der Ebene gekommen waren, ging sie unter. Nun fing wieder hoher Wald an, der sachte abwärts ging. Weil es in ihm dunkelte, stieg Witiko ab, und führte sein Pferd hinter sich her. Nach einer Stunde kamen sie auf eine freie Stelle. Sie hörten im Walde einen Ruf. Sie blieben stehen. Es war stille. Dann tönte wieder der Ruf. Sie blieben noch stehen. Die Stelle war sehr sonderbar. Es glänzte Wasser im Monde, es glänzte das Gras um das Wasser, und die Büsche daran glänzten auch, aus ihnen ragten dunkle Giebel wie Dächer von Hütten empor, und oben war der Mond in gelblichen Wolken. Am Saume des Waldes standen drei Gestalten, welche in weite Gewänder gehüllt waren, und die Gewänder auch über die Häupter gezogen hatten. Sie schienen Weiber zu sein. Es tönte wieder im Walde der Ruf, dann war es wieder stille. Dann tönte der Ruf noch einmal aber schwach, dann begann ein Gesang wie von vielen Stimmen. Der Gesang war ruhig und langsam. Er dauerte eine Weile, dann war es stille. Dann begann der Gesang wieder.

»Das ist ein heidnisches Ding«, sagte Benedikt leise zu Witiko, »es muß einer gestorben sein. Weil sie es nicht auf seinem Grabe tun können, da es die Priester verboten haben, so gehen sie in den Wald, und tun es dort. Ich kenne den Gesang, meine Großmutter hat ihn oft ertönen [] lassen, und einmal habe ich ihn auch im Walde oberhalb Horec gehört.«

»Aber werden denn die Leute nicht belehrt?« fragte Witiko.

»Sie tun es im geheimen«, antwortete der Führer, »und sagen nichts davon, daß sie von ihren Göttern nicht gestraft werden.«

»Dann müssen wohl neue Geschlechter kommen, die die Sünden der alten vergessen«, sagte Witiko.

»So wird es schon sein«, entgegnete der Führer.

Der Gesang hatte wieder aufgehört, begann wieder, und schwieg endlich ganz. Witiko und sein Führer blieben noch immer stehen. Nach einer Zeit kamen Gestalten bei den drei Weibern aus dem Walde. Sie waren in weite Gewänder gehüllt, die durch Gürtel zusammen gefaßt wurden. Es waren Männer und Frauen. Sie blieben bei den Weibern stehen, und wurden immer mehr. Dann zerstreuten sie sich. Einige gingen auf dem Pfade am Waldsaume abwärts, auf dem Witiko seinen Weg fortsetzen sollte, andere kamen gegen Witiko herauf, und gingen an ihm vorüber in den Wald. Manche gingen schweigend vorbei, andere sagten: »Gelobt sei der Heiland.«

»Gelobt sei der Heiland«, antworteten Witiko und sein Führer.

Endlich war keine der Gestalten mehr zu sehen, die drei Weiber standen auch nicht mehr auf ihrem Platze, und es regte sich nichts als der sanfte Wolkenzug, den der Mond durchschien.

Jetzt nahmen Witiko und sein Führer auch den Weg wieder auf. Sie gingen auf dem Pfade am Waldsaume hinunter. Als sie den Grasplatz verlassen hatten, kamen sie wieder in dichten Wald. Aber der Weg war da breiter und ausgetretener. Sie gingen langsam auf demselben fort, und hatten manches Mal unter den Blättern eine durchbrechende Helle des Mondes.

[] Da sie eine Stunde auf diesem Wege zugebracht hatten, gelangten sie wieder in das Freie. Es war ein breites Tal, von Wald umgeben. In dem Tale konnte man Gebüsche Felder und Wiesen unterscheiden, und hie und da glänzte es wie Wasser. Aus dem Wasserglanze stand ein großer viereckiger schwarzer Turm empor.

»Wir haben länger gebraucht, als ich gedacht habe«, sagte Witiko.

»Die Verschlingungen des Pfades und die Wurzeln hindern das Fortkommen«, sagte der Führer, »und die Irrgräser machen den Weg länger.«

»Es ist schon gut«, entgegnete Witiko.

Bei diesen Worten bestieg er wieder sein Pferd, und ritt auf dem Wege gegen den Turm zu. Sie konnten nur auf einem schmalen Erdstriche zwischen Schilf und Wasser zu demselben gelangen. Er war durch ein Tor geschlossen. An dem Tore hing ein Ochsenhorn. Der Führer nahm es, und blies in dasselbe. Eine Zeit darnach öffnete sich eine Luke im Tore, und ein Mann sah heraus. Er sprach: »Sei gegrüßt, Benedikt.«

Dann öffnete er das Tor.

Witiko ritt durch den Bogen hinein, und kam in einen Hof. Das Tor wurde hinter ihm wieder geschlossen. Im Hofe stieg er von dem Pferde. Der Führer und der Mann, der das Tor geöffnet und wieder geschlossen hatte, halfen ihm das Pferd in den Stall bringen. Da es dort angebunden und bedeckt war, führte der Mann Witiko und den Führer in eine Stube. Dieselbe war sehr groß, und hatte an ihrem oberen Ende die Leuchte. Von derselben ging ein sehr langer Tisch aus Tannenbrettern bis gegen die Tür. An der Leuchte saß ein barhäuptiger Mann in einem weiten schwarzen Gewande, dessen Gürtel gelöst war. Neben ihm saß ein anderer in grauem Gewande, das aber gegürtet war. Er hatte gleichfalls auf dem Kopfe keine Bedeckung. An dem langen Tannentische saßen mehrere [] Männer und Jünglinge vor Krügen. Sie waren auch in weite gegürtete Gewänder gekleidet, und trugen keine Bedeckungen auf den Häuptern.

Als Witiko und der Führer eingetreten waren, erhob sich der Mann im schwarzen Gewande an der Leuchte, und rief. »Ich bin Rowno der Wladyk, was begehret ihr?«

»Ich heiße Witiko«, antwortete Witiko, »stamme aus dem Mittage Böhmens, und bitte dich um Gastfreundschaft. Dieser da ist mein Bote.«

»Komme an das obere Ende des Tisches, Witiko«, entgegnete Rowno, »und Benedikt soll sich an das untere Ende setzen.«

Witiko ging an das obere Ende des Tisches, und als er bei Rowno angekommen war, reichte ihm dieser die Hand, und sagte: »Du bist willkommen, nimm dir einen Stuhl, und setze dich neben uns an den Tisch. Es wird dir sogleich eine Erquickung gereicht werden, und dein Führer wird auch Speise und Trank erhalten.«

Witiko setzte sich nieder, wie es Rowno gesagt hatte, und dieser nahm auch seinen Platz wieder ein. Die Männer und Jünglinge an dem Tische waren vor Witiko aufgestanden, und setzten sich wieder nieder.

Nun kam ein Mann, der auf einem großen Brette das Lendenstück von gebratenem Schweinfleisch trug. Er setzte es vor Witiko hin. Ein anderer brachte einen Krug mit Bier und einen Laib Brod.

Witiko schnitt sich von dem Fleische ab, schnitt sich von dem Brote ein Stück herab, und begann, seinen Hunger und Durst zu stillen.

Dem Führer hatte man auch am untern Ende des Tisches zu essen und zu trinken vorgesetzt.

Da Witiko fertig war, hob Rowno sein Horn, und sagte: »Ich bringe dir den Willkommtrunk, Witiko.«

Witiko hob den Krug, und erwiderte: »Ich bringe Bescheid.«

[] Dann tranken beide.

Dann sagte Rowno: »Du bist Witiko der Knabe, der auf dem Wahltage auf dem Wyšehrad gesprochen hat, daß man ihn zu einer Botschaft an den Herzog Soběslaw in der Versammlung belasse.«

»Ich bin es«, antwortete Witiko, »ich weiß, daß du auf dem Wyšehrad warst. Ich wohne jetzt als dein Nachbar in dem Hause meiner Mutter auf dem oberen Plane, und biete dir Gastfreundschaft an.«

»Ich empfange sie, wenn ich zu dir komme«, erwiderte Rowno.

Jetzt erhob sich auch der andere Mann, der an der Leuchte saß, und mit einem grauen Gewande angetan war. Er trat zu Witiko, und sprach: »Ich bin Osel, und habe dich auch auf dem Wyšehrad gesehen, wo du gesprochen hast. Ich bin bei Rowno auf Gastfreundschaft, und reite morgen beim Tagesgrauen fort. Wenn du nach Dub kommst, wo wir in unsern Häusern sitzen, hast du Gastlichkeit bei uns.«

»Ich nehme sie an«, sagte Witiko, »und du hast sie auch bei mir.«

»Ich empfange sie«, sagte Osel, »du bist ja aber auch Witiko von Přic, das weiter im Lande ist, und dahin wir von Dub keinen großen Weg haben.«

»Wir haben ein Eigen in Přic«, antwortete Witiko, »ich bin aber tiefer in den Wald gegangen.«

»Du bist tiefer in den Wald gegangen«, erwiderte Osel, »weil du zu denen gehörst, die sich dem Herzoge Wladislaw widersetzt haben.«

»Ich gehörte nur zu Soběslaw«, entgegnete Witiko, »und habe einen Auftrag von ihm vollführt. Alles andere lag nicht in meinen Dingen.«

»Bist du nach der Wahl gleich zu Soběslaw gegangen, und hast du ihn sterben gesehen?« fragte Rowno.

»Ich bin nach der Wahl gleich auf Hostas Burg geritten«, [] sagte Witiko, »bin in dem Gemache gewesen, als der Herzog die Augen schloß, und war unter denen, die ihm das Geleite in die Gruft gegeben haben.«

»Wir haben es ihm auch gegeben«, sagte Rowno, »und der Herzog selbst hat ihn auch geleitet. Soběslaw war für das Land ein guter Mann bis auf den Tag von Sadska. Wie hast du nach seiner Bestattung von Prag fortkommen können?«

»Der Herzog hat befohlen, daß man mich ungekränkt von dannen lasse«, entgegnete Witiko.

»Das ist gerecht«, sagte Rowno. »Da er auf den Fürstenstuhl gesetzt wurde, und da die Menschen jubelten, war er sehr in sich gekehrt. Hast du die Feierlichkeiten gesehen?«

»Ich bin bei dem toten Herzoge Soběslaw in Hostas Burg gewesen«, antwortete Witiko.

»Sie haben indessen den lebendigen gegrüßt«, entgegnete Rowno, »alle, die da waren, haben ihm vor Freude zugerufen, da er zu dem Stuhle Přemysls geführt wurde, weil nun das Kämpfen Morden und Zerstören vorüber ist, das eintrat, wenn ein schwacher Mann auf dem Fürstenstuhle saß, und andere darnach strebten. Und wenn auch das Unheil nicht leicht in unsern Wald kömmt, weil er unwegsam ist, so könnte es doch jetzt eher geschehen, weil der Krieg ist, den der Markgraf Leopold von Österreich um Baiern führt, und es ist gut, daß es unterbleibt.«

»Ich bin noch zu unerfahren in diesen Dingen«, sagte Witiko. »Erlaube, Rowno, daß ich mich auf ein kurzes entferne, um nach meinem Pferde zu sehen.«

»Es sei, wenn du es selber tun willst«, sagte Rowno.

Witiko ging aus der Stube, und kam nach einer Weile wieder.

»Andere Männer«, sagte er, »fürchten doch etwas.«

»Das ist der alte Bolemil und der alte Diwiš«, sagte Osel, »und Lubomir, welche die früheren Kriege gesehen haben. [] Sie sind aus Alter furchtsam geworden, und glauben stets, das Entsetzen wird gleich wieder kommen. Die Lechen Kmeten und Vornehmen möchten wohl immer herrschen, das ist wahr, und sie möchten deshalb Unfrieden anzetteln; aber wir und Tausende stehen lieber zu einem einzigen mächtigen Manne, der uns schützt, als daß wir uns von mehreren plagen lassen, damit sie prassen, und in schimmernden Kleidern einher gehen.«

»Und das, meinen sie, könnte zum Streite führen«, antwortete Witiko.

»Gegen den Mutigen fehlt der Mut«, sagte Rowno. »Unsere alten Priester haben erzählt, daß gegen Pře mysl den Mann Libušas kein wilder Herr des Landes den Arm aufzuheben versucht hat.«

»Und möchte nur unser Wladislaw immer ein solcher Přemysl sein«, entgegnete Osel, indem er wieder zu seinem Sitze ging.

»Der hochehrwürdige Bischof Zdik hat sich mit seinem Leben für ihn verbürgt«, antwortete Rowno.

»Als der erlauchte Herzog Soběslaw im Sterben lag«, fügte Witiko hinzu, »habe ich ihn zu seinem Sohne Wladislaw sagen gehört: Unterwirf dich Wladislaw. Načerat wird gegen ihn nicht siegen.«

»Es haben die Männer in Prag erzählt, daß er so gesagt hat«, entgegnete Rowno.

»Das hat er im Sterben gesagt, da sein Sinn irrte«, rief Osel, »Načerat hat ja den Herzog Wladislaw auf den Fürstenstuhl geführt, er ist der mächtigste Mann in dem Lande Böhmen, und wenn auch die Angehörigen Bolemils und wenn Diwiš und Božebor und Wšebor und Lubomir versucht sein möchten, den jungen Wladislaw den Sohn Soběslaws auf den Herzogstuhl zu führen, so werden sie es gegen Načerat nicht zu unternehmen wagen.«

»Der Herzog hat auch gleich im Beginne seiner Herrschaft [] auf seine Kriegsmacht gesehen«, sagte Rowno, »er vermehrt sie, und ist im Lande gewesen, die Burgen zu stärken. Er hat Otto den Sohn des schwarzen Otto zurückbringen lassen, und ihm das Herzogtum Olmütz gegeben, und der junge Wladislaw der Sohn des verstorbenen Herzogs Soběslaw ist bei ihm in Prag voll Ehren und Reichtümer. So hat er sich zwei Freunde gewonnen. Er hat die einundzwanzigjährige Gertrud die Schwester des Markgrafen Leopold von Österreich geheiratet, und ist dadurch der Stiefschwager des deutschen Königs Konrad geworden und der Schwager des Markgrafen von Österreich, der, wenn er das Herzogtum Baiern, mit dem ihn der König Konrad belehnt hat, dem Anhange des stolzen Heinrich zu entreißen vermag, der mächtigste Herr in den deutschen Ländern wird.«

»Er wird es ihm entreißen, weil der stolze Heinrich gestorben und sein Sohn der andere Heinrich nur ein Büblein ist«, sagte Osel.

»Nun so ist es ja recht, und alles ist gut«, entgegnete Rowno, »und wir haben zu Hause Raum, uns zu bewegen. Im Walde geht es auch vorwärts, Witiko. Die Hlenici bauen eine Kirche, und es werden noch mehrere entstehen, weil in dem Walde hie und da eine Hütte gebaut wird, und die Menschen mehr werden. In Friedberg wird gereutet, in Horec sind wieder neue Häuser entstanden, und an der Stelle, wo die Moldau gegen den Thomaswald fließt, und wo es an der unteren Moldau heißt, haben sie ein stattliches Herberghaus gezimmert, damit die, welche dort über die tiefere Sattlung nach Baiern hinaus gehen, ins Aigen oder weiter ins Gericht Velden, Einkehr und Erquickung finden. Die Wladyken müssen größer werden. Wir dehnen unsere Besitzungen gegen den Wald aus, du mußt auch streben, Witiko, gleiches zu tun, und mit der Hilfe Gottes und der heiligen Jungfrau Maria und unserer Heiligen Wenzel und Adalbert [] und der heiligen Diasen und Wilen im Himmel werden wir unsere Ziele erreichen, die Großen und Herrschsüchtigen zu drücken.«

»Ich habe vor zwei Monaten meinen drei Knaben die Haare festlich beschneiden lassen«, sagte Osel, »daß sie in das Jünglingsalter eintreten, daß sie tüchtig werden, und an unserem Werke mitarbeiten.«

»Ich bin nur ein einzelner, und meine Kraft ist gering«, sagte Witiko.

»Es ist immer nur einer gewesen, der der Stifter eines großen Geschlechtes geworden ist«, antwortete Rowno.

Die Männer und Jünglinge an dem Tische hatten diesen Gesprächen bloß zugehört, und wenn sie untereinander sprachen, so war es leise, daß sie keine Störung verursachten.

Witiko ging noch einmal zu seinem Pferde. Da er zurück kam, redete man von den Dingen in dem Walde, von den Beschäftigungen seiner Bewohner, und wie man vieles einrichten sollte.

Da die Nacht vorgeschritten war, stand Rowno auf, um zur Ruhe einzuladen. Mit ihm erhoben sich alle, und verabschiedeten sich.

Zu Witiko trat ein Mann mit einem brennenden Buchenspane, um ihn in seine Schlafkammer zu geleiten. Er führte ihn über eine Treppe empor in eine Kammer, in welcher auf einem hölzernen Gestelle sein Lager bereitet war. Der Mann steckte den brennenden Span in eine eiserne Schere, die in der Mauer befestigst war, und unter welcher sich auf dem Fußboden eine große eiserne Schüssel befand, daß in sie die glühenden Kohlen des Spanes hinabfallen konnten. Er legte noch mehrere Späne, die er unter dem Arme getragen hatte, an die Mauer, und entfernte sich. Witiko schob den großen Eichenriegel, der an der Tür befindlich war, vor, entkleidete sich, hing sein Gewand an den Kleiderschragen, und legte sich zur [] Ruhe, indem er den einen Span in seiner eisernen Schere verglimmen ließ.

Mit dem ersten Grauen des Morgens stand er auf, und ging zu seinem Pferde in den Stall. Da sah er noch einmal Osel, der sein Pferd zäumte und sattelte, um den Turm zu verlassen. Witiko sprach mit ihm, und sagte: »Komme bald zu mir, Osel.«

»Ja bald«, sagte der Mann, »und du zu mir.«

»Ja«, sagte Witiko, »und lebe wohl.«

»Lebe wohl«, entgegnete Osel, bestieg sein Tier, und ritt unter dem Torbogen hinaus.

Als Witiko die Pflege seines Pferdes beendigt hatte, ging er in die Stube. In derselben hatten sich schon viele Menschen versammelt. Es waren jetzt auch ältere Männer da, die Witiko gestern nicht gesehen hatte. Auch Frauen und Mädchen waren da. Die meisten von ihnen standen. In der Nähe eines Fensters stand Rowno. Er hatte das schwarze Kleid an wie gestern; aber heute war es gegürtet. Auf dem Haupte trug er eine graue Filzhaube. Neben ihm stand eine Frau mit sanften Wangen. Sie war in ein fließendes lichtgraues Gewand gekleidet, das ein blauer Gürtel hielt. An ihrer Seite stand ein Knabe und ein Mädchen. Dann stand eine schöngewachsene Jungfrau in einem dunkelblauen Kleide mit einem veilchenblauen Gürtel. Ihre Haare waren schwarz, ihre Augen waren schwarz, ihre Wangen tief gerötet und ihre Lippen rot wie die Kirschen in dem Felde. Dann standen die Männer und Jünglinge. Sie waren meist alle in weite dunkle Gewänder gegürtet. Sämtliche Männer trugen keine Waffen. Dann waren die Frauen und Mädchen, die entweder dunkelgraue oder braune weite Gewänder hatten. Ihre Gürtel waren schön gearbeitet.

Auf dem Tische stand ein sehr großes Gefäß mit warmer Milch, aus dem in Becher geschöpft wurde, die man herumreichte. Ein Mann reichte Witiko einen solchen [] Becher. Witiko trank ihn aus, und setzte ihn auf den Tisch. Dann näherte er sich Rowno. Dieser grüßte ihn, führte ihn zu der Frau mit den sanften Wangen, und sprach: »Das ist Ludmila, mein Eheweib.«

Dann wies er auf die Kinder, und sagte: »Das ist Miš mein Söhnlein und Durantia mein Töchterlein.«

Dann führte er ihn zu der Jungfrau mit dem dunkelblauen Kleide, und sprach: »Das ist Dimut meine Schwester.«

Dann wies er auf die Männer, die weiter hinab standen, und sagte: »Das ist Jaroš mein Oheim mit seinem Erstgebornen Luta und seinen andern, das ist mein Oheim Stan mit seinem Erstgebornen Braniš und seinen andern, das ist mein Oheim Detleb mit seinem Sohne Porey, das ist mein Vetter Wenzel, das ist mein Vetter Mišek, das ist mein Bruder Duda, und das ist mein Bruder Weliš.«

Dann wies er auf die Frauen, und sprach: »Diese ist Swatislawa das Eheweib Stans, diese ist Mlada das Eheweib Detlebs, diese ist Richsa das Eheweib Bruniš', und diese Jutta das Eheweib Poreys. Die jüngeren Männer und Mädchen nenne ich dir nicht, du wirst sie kennen lernen. Sie sind alle gekommen, dich zu begrüßen, und werden dann an ihre Geschäfte gehen.«

Hierauf rief er gegen die Versammelten gewendet: »Das ist Witiko von Plana unser Nachbar und unser Gast.«

Nach diesen Worten kamen viele herbei, und reichten Witiko die Hand. Andere neigten sich bloß, und man fing an, sich aus der Stube zu entfernen.

Witiko schritt gegen Ludmila Rownos Gattin, und sagte: »Ich bin zu Rowno, den ich auf dem Wahltage auf dem Wyšehrad gesehen habe, und der mein Nachbar ist, gekommen, um ihn zu besuchen, und mit ihm zu sprechen.«

»Ihr seid in unserem Hause und bei unseren Sippen willkommen«, antwortete Ludmila.

Dann wendete er sich an die Jungfrau, und sprach: »Ihr [] werdet wohl auch den Fremdling in der Gastlichkeit dieses Hauses nicht unhold ansehen.«

»Die Freunde meines Bruders sind auch die meinigen«, sagte das Mädchen.

Nach diesen Worten war der Morgengruß geendigt, und man zerstreute sich.

Rowno führte Witiko in das Freie. Sie gingen durch das Tor auf die Erdzunge, die von ihm wegführte. Da sah Witiko, daß der große viereckige dunkle Turm von Moorgrunde umgeben war. Dann kamen sie über den Damm auf nasse Wiesen, in welchen hie und da kleine Teiche und andere Wässer waren. Endlich, wo der Boden sich hob, fingen die Felder an, auf denen die Getreide schon die Farbe der beginnenden Reife bekamen. Hinter ihnen war der Wald.

Als sie auf den breiteren festen Boden kamen, standen mehrere Hütten und Häuser. Von einigen ging Rauch auf, vor einigen spielten Kinder, und hie und da trat eine Frau aus der Tür, und sah ihnen nach.

Außerhalb der Häuser gingen sie durch die Felder, auf denen Menschen an verschiedenen Stellen arbeiteten. Wo die Felder zu Ende waren, ging noch Weidegrund empor, auf welchem zerstreut verschiedene Bäume standen, und auf welchen sich Herden von Rindern Schafen Schweinen und Ziegen befanden, die ihre Hirten leiteten. Dann erst begann der undurchdringliche Wald.

»Wir pflegen die Güter, welche wir von unseren Vorvätern ererbt haben, ungeteilt und gemeinschaftlich«, sagte Rowno, »ich bin zum Haupte erwählt worden, nach meinem Tode wird ein anderer erwählt. Sie liegen vor dir ausgebreitet: der Turm die Wiesen die Felder die Weiden und der Wald. Der größte Teil des Bodens, der uns gehört, ist mit Wald bedeckt. Wir streben ihn aber zu reuten, und unser urbares Besitztum zu vergrößern. Wenn die Zahl unserer Stammesglieder wächst, bauen wir stets [] ein neues Haus oder eine neue Hütte. In dem Turme haben alle Menschen mit ihrer Nahrung und alle Tiere mit ihrem Futter Platz. Wenn uns ein Feind bedrohte, so könnten wir in den Turm gehen, und uns verteidigen, bis er abzöge; denn lange könnte er nicht bleiben, weil er in dem Walde erhungerte. Brennt er die Häuser und Hütten vor dem Turme nieder, so bauen wir sie nachher wieder auf. Seit den Zeiten unsers Urgroßvaters ist aber ein solcher Angriff nicht gemacht worden. Damals war ein Streit. Ob vorher einer stattgefunden hat, wissen wir nicht, da niemand lebt, der von jenen Zeiten etwas erzählen könnte.«

Von dem Weidegrunde aus gingen Witiko und Rowno in einem Umkreise wieder durch die Felder auf einem anderen Wege zu der Erdzunge zurück, die sie in den Turm leitete. Im Turme zeigte Rowno Witiko die Räume und Gelasse, in denen Tiere und Vorräte untergebracht werden könnten, und er zeigte ihm auch die Ställe, die sonst da waren. Dann führte er ihn über Treppen in die öffentlichen Gemächer empor, die nicht zu seiner und der Seinigen Wohnung dienten. Sie waren sämtlich mit Kalk getüncht, und hatten einfache Geräte aus Tannenholz. In den größeren waren Waffen Knüttel Keulen Morgensterne Wurfbeile Streitäxte Speere Schwerter Armbruste und Schleudergeräte. Einige der Gemächer waren zur Verteidigung eingerichtet. Von den obersten derselben gingen sie auf das Dach hinaus. Dieses war aus starken Bohlen wenig schief gegen innen gezimmert, und hatte außerdem die Einrichtung, daß man auf ihm aus Balken schnell einen waagrechten Boden legen konnte, um darauf große Wurfdinge stellen zu können. Das Dach hatte rings herum starke Brustwehren aus Mauerwerk, und weil das Regenwasser nach innen glitt, so hatte es zu seiner Ableitung eine hölzerne Rinne, die durch die Mauer hindurch weit oberhalb des Sumpfes hinaus ragte.

[] Man konnte von dem Turme nur das Tal sehen, und vermochte über den umgebenden Wald nicht hinaus zu blicken.

Als der Mittag gekommen war, wurde das Mahl in der Stube eingenommen. Bei demselben war auch Ludmila war Dimut und waren andere Frauen. Sonst aber waren weniger Menschen anwesend, als sich am Morgen zur Begrüßung Witikos eingefunden hatten, weil die, welche Angehörige besaßen, mit ihnen in ihren Hütten und Häusern aßen. Es wurden Rinderbraten Fische Geflügel Bier und Roggenbrot auf den Tisch gesetzt.

Witiko blieb drei Tage bei Rowno.

Am vierten ritt er beim Aufgange der Sonne in der Richtung nach Morgen weiter. Er ritt durch die Wiesen Felder und Weiden, die um den Turm waren, und kam wieder in den Wald. Da floß ein Bach in der Richtung gegen Morgen, und an dem Bache ging der Pfad hin. Witiko ritt auf demselben weiter. Er ritt eine Stunde lang an den Krümmungen des Wassers über Wurzeln Moorgrund und Gestein. Dann änderte der Bach seinen Lauf, und ging an einem großen waldigen Abhange gegen Mitternacht. Witiko ritt auf dem Pfade an ihm eine halbe Stunde fort. Dann nahm der Bach einen zweiten auf, und sie gingen vereinigt wieder gegen Morgen. Witiko ritt zwei Stunden durch dichten Wald, bis er zwischen zwei Felsrücken samt dem sprudelnden Wasser zur Moldau hinaus kam. Da war der Platz, auf dem die krumme Au lag.

Witiko suchte für sich und sein Pferd eine Herberge zur Erquickung. Er blieb zwei Stunden da. Was er das erste Mal getan hatte, tat er wieder. Er ging auf den Fels der krummen Au, und betrachtete ihn. Im Mittage hatte derselbe an seinem steilen Absturze die dreifache Krümmung der Moldau, innerhalb welcher die Häuser der krummen Au lagen, in Mitternacht war die Schlucht, [] durch welche Witiko herein geritten war, im Abende ging er in sanftes sich ausbreitendes Land über, das zur Anlage von Feldern und Gärten geeignet gewesen wäre, und im Morgen senkte er sich gleichfalls sachte nieder.

Als Witiko und sein Pferd gestärkt waren, ritt er wieder weiter. Er schlug neuerdings die Richtung nach Morgen ein. Er ritt zwischen hohen Felsen und der Moldau fort, so lange diese nach Morgen floß. Da sie sich nach Mitternacht wendete, verließ er sie, ritt über Anhöhen hinaus, und verfolgte seine Richtung. Der Wald erlangte jetzt sein Ende, und Witiko ritt zwischen Feldern Wiesen Weiden Gebüschen einzelnen Wäldchen und zerstreuten Häusern hindurch. Als die Sonne sich schon beinahe zu ihrem Untergange neigte, war er vor dem Župenorte Daudleb angekommen. Er ritt auf dem Fahrstege über den Fluß Malsch, zwischen den Häusern fort, und gegen den Župenhof zu. Derselbe lag abgesondert, hatte graue Mauern und steile Schindeldächer. Er war durch starke Zinnen beschützt. Witiko ritt gegen das Tor, welches niedrig war und einen großen Rundbogen aus alter Zeit hatte. Es stand offen, und er ritt durch dasselbe hinein. Er kam in einen Hof, welcher von Ställen Scheunen und ähnlichen Gebäuden gebildet wurde. Hier fragte ihn ein Mann um sein Begehren. Witiko sagte, daß er zum Župane wolle. Der Mann hielt ihm den Bügel, da er abstieg, und half ihm, sein Pferd unterbringen. Darauf führte er ihn in einen zweiten Hof, und von diesem in einen großen Saal, in welchem mehrere steinerne Tische waren. Vor einem derselben saß auf einem steinernen unbeweglichen Stuhle, über welchen ein Teppich gebreitet war, der Župan Lubomir. Er hatte ein weites dunkles Gewand an, auf welches seine unbedecktem weißen Haare nieder fielen. Vor ihm stand ein Mann in einem grauen Gürtelkleide, mit welchem Manne er redete. Einige Schritte hinter dem Manne stand ein Weib in einem [] halbweiten blauen Kleide, um welches sie einen Gürtel aus einem Baststricke hatte. Der Mann, welcher Witiko herein geführt hatte, bedeutete ihn, wieder einige Schritte hinter dem Weibe stehen zu bleiben, und zu warten, und entfernte sich dann aus dem Saale. Lubomir setzte sein Gespräch mit dem Manne in dem grauen Gürtelgewande fort. Endlich machte der Mann eine Bewegung wie die des Dankes, und verließ den Saal. Jetzt trat das Weib zu Lubomir, und begann zu sprechen, er antwortete ihr, sie sprach wieder, und er antwortete ihr wieder. Dieses dauerte eine geraume Zeit. Dann wollte sie den Zipfel seines Kleides küssen, er ließ es aber nicht zu, und sie ging aus dem Saale. Nun näherte sich Witiko. Als er vor Lubomir stand, sagte dieser: »Was begehrest du, mein Sohn?«

»Mein Begehren ist nur«, antwortete Witiko, »daß Ihr erlaubt, daß ich Euch sehe, und daß ich Euch danke, weil Ihr einmal für mich gesprochen habt.«

»So komme in mein Empfangsgemach«, entgegnete Lubomir.

Er stand auf, und ging gegen eine Tür. Witiko folgte ihm. Lubomir öffnete die Tür, und führte Witiko über eine steinerne Treppe empor. Sie kamen in einen großen Vorsaal mit dunkelgrauen Wänden, in welchem mehrere Bewaffnete waren. Lubomir sagte: »Gehe hinunter, Slawa, und halte im Steinsaale Wache, wenn etwa noch jemand vor Sonnenuntergange mit mir sprechen will.«

Einer der Bewaffneten entfernte sich über die Treppe hinab.

Lubomir führte Witiko nun in ein zweites Vorgemach, welches aber viel kleiner war als der Saal. In demselben befanden sich drei unbewaffnete Männer. Lubomir sagte zu einem: »Radim, bringe Empfangswein und Kuchen.«

Der Mann entfernte sich, und Lubomir und Witiko traten aus dem Vorgemache in eine große Stube. Dieselbe [] war eine Eckstube, und hatte an jeder der Außenseiten vier Fenster. Sie war ganz mit Ulmenholz getäfelt, und hatte eine Decke, die aus Ulmenholz geschnitzt war. Der Fußboden war mit einer Hülle von Rehfellen überzogen. In der Stube standen drei große Tische aus Ulmenholz und viele Stühle aus demselben Holze. Über der Tür und über jedem Fenster war ein erlesenes Hirschgeweih. An den Wänden hin und in die Vertiefungen der Fenster hinein lief eine Bank ebenfalls aus Ulmenholz. Nur an vier Stellen war die Bank unterbrochen, und an diesen Stellen standen auf hohen Unterständern vier große menschliche Gestalten, die aus Eichenholz geschnitzt waren.

Als die Männer die Mitte der Stube erreicht hatten, blieb Lubomir stehen, und sagte: »Sei mir willkommen, Witiko, wofür willst du mir danken?«

»Ihr kennt mich?« fragte Witiko.

»Du bist mit mir an dem Sterbebette des gütigen Herzoges Soběslaw gewesen«, erwiderte Lubomir, »und bist für ihn in eine Sendung gegangen, welche dir übel hätte werden können.«

»Es rührt mich im Herzen, daß Ihr an dem Sterbebette Soběslaws gestanden seid«, sagte Witiko, »und zu danken bin ich hier, daß Ihr in dem großen Saale des Wyšehrad für mich gesprochen habt.«

»Ich habe nicht für dich gesprochen«, antwortete Lubomir, »sondern für die Sache. Aber es hat mir sehr wohlgefallen, was du getan hast, und es freut mich, daß du zu danken gekommen bist. Du siehst, wir sind hier von dem umgeben, was ein Land bieten kann, das an den großen Wald grenzt: Holz von seinen Bäumen und Felle und Geweihe von seinen Tieren. Die Gestalten, die hier stehen, sind aus der alten Geschichte des Reiches: Samo, Krok, Libuša und Přemysl. Der Abt Božetěch, der ein Freund meines Vaters war, hat sie geschnitzt, und hat sie [] ihm gegeben. Von meinem Vater sind sie in meine Hände gekommen.«

Als Lubomir dieses gesprochen hatte, kam der Mann Radim, den er um Wein gesendet hatte, in die Stube, und brachte auf einem Tragbrette zwei silberne Becher mit Wein und einen kleinen runden Kuchen. Er stellte das Brett auf den mittleren Tisch, und entfernte sich wieder.

»Nun, Witiko, nimm den Wein des Willkommens, und brich das Stückchen Kuchen der Einkehr dazu«, sagte Lubomir.

Witiko nahm einen der silbernen Becher, und trank etwas Wein daraus. Als er den Becher wieder hingestellt hatte, brach er ein Stückchen Kuchen ab, und aß es. Lubomir trank aus dem anderen Becher, und brach auch ein Stückchen Kuchen. Dann sagte er: »Du bist sehr gerne in meinem Hause aufgenommen, Witiko, und wirst in demselben als Gast geehrt werden, so lange du in ihm verweilen willst. Setze dich jetzt zu mir auf einen dieser Stühle.«

Er wies auf einen Stuhl neben dem Tische, auf dem der Wein stand, Witiko setzte sich auf denselben, und er auf den nächsten.

Dann sagte Witiko: »Ich danke Euch für die gute Aufnahme, ich werde in Eurem gastlichen Hause, wenn Ihr es erlaubt, nur einige Tage verweilen.«

»Tue nach deinem Willen, wir werden diesen Willen immer achten«, erwiderte Lubomir.

»Und ich werde streben die Gastfreundschaft nicht zu verunehren, die Ihr mir gewähret«, antwortete Witiko.

»Du bist nach der Erhöhung Wladislaws von Prag fortgegangen, Witiko, wir haben es in unserer Gegend wohl gehört«, sagte Lubomir.

»Es liegt ein kleines Haus, das uns eigen ist, in dem Walde, der an Baiern reicht«, entgegnete Witiko, »in dem Hause ist ein alter Schaffner, und ich bin dahin gegangen, weil ich es lange nicht gesehen habe.«

[] »Es liegt im Walde an der Moldau«, sagte Lubomir.

»Mehr als eine Tagreise von hier im Walde gegen Abend«, antwortete Witiko, »nicht ganz an der Moldau sondern bei dem Kirchenorte Plana.«

»Ich weiß«, erwiderte Lubomir, »das Tal ist ganz von dem großen Walde umgeben.«

»Ganz von dem großen Walde«, sagte Witiko.

»Es sind dort noch Luchse Bären Wölfe«, sagte Lubomir, »und wären noch mehr, wenn nicht die strengen Winter herrschten.«

»Sie geben den Leuten Pelze, die sich nicht sonderlich vor den Tieren fürchten«, sagte Witiko.

»Die Waldkirche des oberen Planes ist sehr alt«, entgegnete Lubomir, »es war schon lange vor der Bekehrung des Herzogs Bořiwoy, da sich die Lechen aus dem Mittage des Landes taufen ließen, die Betstelle des Siedlers Ciprinus dort.«

»So sagte mir ungefähr auch der Pfarrer von Plan«, entgegnete Witiko.

»So besorge in der Zeit dein Haus, wie es deine jungen Kräfte vermögen«, sagte Lubomir.

»Ich helfe und sorge wie ich kann«, antwortete Witiko, »der Boden ist dort für Getreide karg, und für Obst noch karger.«

»Wo der Boden karg ist, sind die Leute hart«, entgegnete Lubomir, »und sie wissen beides nicht.«

»Sie leben bei uns von dem, was der Boden bringt«, sagte Witiko, »und was sie aus dem Walde ziehen. Einige suchen sich auch von auswärts her Erwerb zu schaffen.«

»Wenn sie es nur nicht durch den Krieg tun, an dessen Ertrag sie sich gewöhnen«, sprach Lubomir.

»Es ist in früheren Zeiten wohl geschehen«, sagte Witiko, »sie erzählen noch davon, und es sind Dinge vorhanden, die vom Kriege stammen.«

»Wie es überall ist«, sagte Lubomir.

[] »Jetzt wissen sie wenig von der Zeit und ihrer Bedeutung«, sagte Witiko.

»Wie alle wenig wissen«, entgegnete Lubomir. »Die Zeit ist noch nicht reif, mein Sohn Witiko. Die zwei Willen, welche den Bau des neuen Herzoges aufgerichtet haben, müssen erst zerfallen, und dann wird das Unheil und Blutvergießen in das Land kommen, was die einen zu verhüten geglaubt haben. Unter allen war vielleicht nur ein Mann, der die Zukunft genau wußte, nämlich der Herzog Soběslaw; doch der ist jetzt ein toter Mann. Er wollte die Übel verhindern, da er zu seinem Sohne Wladislaw sagte: Unterwirf dich deinem Vetter, und da er Zeugen zu den Worten rief, darunter auch junge, wie dich, daß sie die Worte auf spätere Zeiten brächten; aber es wird nichts helfen, Soběslaw handelte unter Zwang als ein sterbender Mann mit den sterbenden Kräften. Hätte er gelebt, so würde er vielleicht alles gehemmt haben.«

»Ich kann viele Menschen in ihrem Tun nicht begreifen und erkennen«, sagte Witiko.

»Sie sich selber nicht«, antwortete Lubomir, »sie werden von der Wut ihrer Triebe gejagt, und können nicht ermessen, was sie zu einer Zeit zu tun im Stande sein werden. Wenn der alte Bolemil das neunzigste Jahr erreicht, wie es seinem Vater gegönnt war, dann können seine Augen noch sehen, was er ihnen geweissagt hat. Dich wollte ja der neue Herzog bei sich behalten?«

»Ja«, entgegnete Witiko, »ich muß mich aber erst zurecht finden.«

»Du wirst vielleicht das Rechte finden, mein Kind Witiko«, sagte Lubomir, »die Bestrebungen müssen erst offener werden, dann werden viele Sinne klarer sehen, was sie tun sollen. Der Herzog sucht sich überall zu stärken. Er vermehrt seine Leute um sich, sucht Landesteile zu befestigen, und Freunde zu gewinnen. Er hat den Sohn [] des schwarzen Otto wieder in das Herzogtum Olmütz eingesetzt, und hat Wladislaw den Sohn des Herzogs Soběslaw, der früher dort war, zu sich nach Prag gezogen, um seine Augen auf ihm zu behalten. Er hat ihn sehr reichlich ausgestattet, und zieht ihn überall hervor. Er ist auch mit seiner jungen Gemahlin im Frühling zu dem deutschen Könige Konrad nach Würzburg gegangen.«

»Der deutsche König Konrad ist ja der Halbbruder Gertruds der Gemahlin Wladislaws«, sagte Witiko.

»Es kann dies der Grund sein, weshalb sie zu ihm gegangen sind, es können auch Bündnisse geschlossen worden sein«, entgegnete Lubomir. »Die dem Wahltage auf dem Wyšehrad beigewohnt haben, sind zum Teile um Wladislaw, zum Teile sind sie zerstreut, können aber immer wieder gesammelt werden. Sei es nun, wie es ist, wir müssen harren, was kommen wird.«

»Wisset Ihr etwas von der erlauchten Herzogin Adelheid?« fragte Witiko.

»Ich weiß etwas von ihr«, sagte Lubomir, »sie ist noch immer mit ihren Kindern Soběslaw Ulrich und Wenzel in Hostas Burg.«

»Im Winter hat mir ein Bote gesagt, daß sie damals dort war«, entgegnete Witiko.

»Sie ist noch dort«, sagte Lubomir, »und will dort bleiben, und trauern. Sie hat die unbeschränkte Herrschaft über die Burg, und der Herzog hat Boreš zu ihrem Kastellan eingesetzt.«

»Das ist gut für sie«, sagte Witiko.

»Es ist gut«, antwortete Lubomir.

»In dem Lande ist aber überall Ruhe«, sagte Witiko.

»Jetzt ist Ruhe«, antwortete Lubomir, »insonderheit bei uns, die wir abgelegen sind. Hier lebt das Volk in der Unwissenheit der Dinge, die da kommen werden, es bebaut die Felder, und liebt die Sackpfeife und den Tanz. Wir, [] die wir in dem Lande zu Wächtern der Pflege des Volkes gesetzt sind, können nichts tun, als ihre Anliegen schlichten, ihnen Rat und Hilfe geben, und den Glauben fördern, durch den sie gesitteter und beglückter werden.«

»Ich habe vor vier Tagen gehört, wie sie im Mondscheine im Walde einen heidnischen Gesang gesungen haben«, sagte Witiko.

»Sie haben eine Tryzne gefeiert«, entgegnete Lubomir, »das geschieht noch immer, und wird vielleicht noch lange dauern. Das Volk liebt die alten Bräuche, und das ist gut; es würde Land und Leute umkehren, wenn es sich in jedem Augenblicke änderte. Wenn auch der Glaube hier im Mittage viel älter ist als gegen Mitternacht, wo sie näher an den heidnischen Gebieten liegen, so sind doch auch hier viele Sitten geblieben, die an die alte Zeit erinnern, und werden viele Jahre bleiben. Wenn die Bräuche nicht Glaubenslehren sind, so schaden sie nicht viel. Und einmal wird eine Zeit kommen, wo sich alles vermischt, und die Leute nicht mehr wissen, ob ein Brauch ein heidnischer oder christlicher ist. Wenn du zur Zeit der Sonnenwende einmal hier wärest, so würdest du auf allen Hügeln die alten Feuer erblicken, die sie einst der Wende der Sonne angezündet haben. Wenn sie die heilige Jungfrau Maria anrufen, so gehen noch manche zu heiligen Bäumen, oder zu heiligen Felsen, und singen zu ihr, da sie sich die Stirne berühren. Sie üben auch Zeichendeuterei, feien das Vieh, wenn es zum ersten Male auf die Weide geht, und halten den Sperber für einen heiligen Vogel.«

»Ich habe überall die Sonnenwendfeuer anzünden gesehen, wo ich bisher gewesen bin«, sagte Witiko, »die Baiern an der Donau an dem Inn an der Traun und an der Enns tun es auch.«

»So ist der Brauch ein weit verbreiteter«, entgegnete Lubomir, »und wird um so weniger schnell verschwinden. [] Sonst ist unser Volk hier gut und sanft, und verdient wohl, daß man es schützt, und wahrt, und nicht in Leiden stürzt, die es nicht verschuldet hat. Ich werde dir jetzt das Gemach zeigen lassen, das wir dir in diesem Hause zur Wohnung geben, damit du ausruhen, oder sonst die Zeit nach deinem Willen verwenden kannst, bis ich dich zu meiner Gemahlin führe, und du das Abendessen mit uns teilest. Dein Pferd wird gut versorgt werden.«

»Wenn Ihr erlaubt, so besorge ich es selber«, antwortete Witiko.

»Das ist gut von dir, daß du es tust«, sagte Lubomir, »die Pferde lohnen oft die Pflege dem Pfleger besser als jedem anderen Reiter. Tue es auf deine Art, ich werde dir jemand geben, der dir dienen muß. Jetzt trinke aber noch aus deinem Becher, ehe wir die Stube verlassen.«

Er griff bei diesen Worten nach seinem Becher und trank daraus. Witiko tat das gleiche aus dem seinen.

Dann standen sie auf, und gingen zur Tür hinaus.

Im Vorgemache sagte Lubomir: »Radim, gehe mit diesem jungen Reitersmanne, und tue, was er heischt. Ich nehme jetzt Abschied von dir, Witiko, und werde dich später selber zu dem Abendtische geleiten.«

Nach diesen Worten verließ er durch eine Tür das Gemach.

Witiko verlangte von seinem Begleiter in den Stall zu seinem Pferde geführt zu werden. Da es geschehen war, gab er dem Pferde die erste Pflege, dann gebot er seinem Manne, ihm das Gemach zu zeigen, welches für ihn bestimmt sei. Der Mann führte ihn über zwei Treppen empor, und durch ein Vorgemach in eine geräumige Stube, welche drei Fenster hatte. Witiko sagte hier: »Du kannst dich nun entfernen, ich bedarf deiner Dienste nicht mehr.«

Der Mann ging durch die Tür. Witiko schritt in seiner [] Stube vorwärts, und sah sie an. Sie war ganz mit geflammtem Tannenholze getäfelt, und hatte eine Diele von rotem Eibenholze. Der Fußboden war mit einem Binsengeflechte überspannt. Das Bettgestelle, auf dem ein Lager aus weichen Tüchern und Fellen bereitet war, dann der Tisch und mehrere Stühle, ein Kleiderschragen, ein Waschgestelle und zwei Bänke, die an den Wänden hinliefen, waren von gebohntem Eichenholze.

Witiko ging einige Male in dem Gemache hin und wider. Dann setzte er sich auf einen Stuhl. Dann trat er an das Fenster, und sah auf den Ort Daudleb hinab. Giebel Dächer Schornsteine und das Dach der großen Kirche und ihr Turm ragten in den gelben Abendhimmel empor. Er sah, daß der Ort auf einer Zunge Landes liege, welche durch eine lange Schleife der Malsch gebildet wurde. Im Morgen hing die Zunge mit dem andern Lande zusammen. Über die Häuser sah er auf schwach hügliges Land, auf dem Felder Wiesen Weiden Wäldchen und erkennbare menschliche Wohnungen waren. Dann kam ein dunkler Streifen, der den Wald anzeigte, aus dem er gekommen war. Der Streifen ging bis tief in den Abendhimmel zurück. Von dem Orte schollen Töne menschlichen Lebens herauf.

Nach einer Weile ging Witiko wieder in den Stall, um die Wartung seines Pferdes zu vollenden.

Als dieses geschehen war, ging er wieder in sein Gemach.

Da die Dämmerung beinahe in Finsternis überzugehen begann, kam Lubomir, um Witiko in das Speisezimmer zu führen. Sie gingen durch die Tür, hinter welcher zwei Männer warteten, die dann hinter ihnen hergingen. Sie gingen über die Treppe hinab, durch einen langen Gang, und traten dann in die Speisestube. Dieselbe war eine lange Halle, die an ihren beiden Enden große Bogenfenster hatte. Die Wände waren von Granitwürfeln, die bis über Manneshöhe von geglättetem Wacholderholze [] überzogen waren. An den beiden Wänden liefen Eichenbänke hin. Durch die Länge der Halle stand ein Tisch mit weißen Linnen bedeckt und mit Speisegeräten versehen. Drei große Lampen hingen von der Wölbung gegen den Tisch herab, und in jeder derselben brannten mehrere Lichter.

Innerhalb der Tür des Saales standen mehrere Männer. Lubomir führte seinen Gast an den Männern vorüber gegen das obere Ende des Tisches. Dort stand eine Frau in einem weiten dunkelbraunen Gewande, das durch einen goldgewirkten Gürtel zusammen gehalten wurde. Die vielen schneeweißen Haare trug sie in einem Goldnetze. Hinter der Frau standen zwei jüngere Frauen und hinter denen drei Mädchen. Lubomir führte Witiko zu der Frau, und sagte: »Boleslawa, ich bringe dir hier den Jüngling Witiko, welcher für den Herzog Soběslaw zu dem Landtage auf den Wyšehrad gegangen ist, welchen der Herzog Soběslaw unter die Zeugen seines letzten Willens über die Nachfolge gerufen hat, und welcher jetzt in einem Waldhause in unserer Nähe lebt.«

Die Frau wendete ihr Angesicht mit freundlichen Mienen gegen Witiko, und sagte: »Unser Herr und Župan Lubomir mein Ehegatte hat mir angezeigt, daß Ihr unser Gast seid, ich heiße Euch in Freuden willkommen, und bitte, seid mit dem zufrieden, was unser armes Haus gewähren kann, und was zwei alte Leute, die einsam sind, zu Euerm Vergnügen tun können.«

»Ihr erweist mir eine hohe Gunst, erhabne Frau«, entgegnete Witiko, »daß Ihr mich gastlich in Euerem Hause aufnehmet, ich werde es dankbar erkennen.«

Hierauf wendete sich Lubomir gegen die Männer, die an der Tür standen, und indem er auf den ersten wies, sagte er: »Das ist Rastislaw mein Sippe, der mir in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann wies er auf den zweiten, und sagte: »Das ist Widimir, [] mein Sippe, der mir auch in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann wies er auf den dritten und sagte: »Das ist Wentislaw mein Sippe, der mir gleichfalls in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann wies er nach der Reihe auf die folgenden, und sagte: »Das ist Kodim, das ist Momir, das ist Diš, das ist Derad, das ist Wazlaw, und das ist Hostiwil.«

Und bei jedem fügte er bei: »Es ist mein Sippe, der mir in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann fügte er noch hinzu: »Sie sind alle meines Dankes, und wir sind uns alle des gegenseitigem Schutzes versichert.«

Hierauf wendete er sich halb gegen Witiko und rief zu den Männern: »Dieser Jüngling ist Witiko unser Nachbar im Walde, und, so lange es ihm genehm ist, unser Gast.«

»Er ist willkommen«, rief einer der Männer.

»Er ist willkommen«, rief ein anderer.

Und: »Er ist willkommen«, riefen alle.

Da dieses vorüber war, öffnete sich die Tür, und man brachte Speisen und Getränke in verschiedenen Gefäßen und stellte sie auf den Tisch.

»So betet nun zu Gott«, sagte Lubomir.

Ein Mann in dunklem weitem Gewande, der ganz rückwärts gestanden war, trat an den Tisch, und sprach laut ein Gebet, dem die andern antworteten.

»Sim, weise die Plätze«, sagte Lubomir.

Ein Mann in weißem Wollgewande, der die Türen geöffnet hatte, als die Diener die Speisen brachten, wies Witiko einen Stuhl, und mit Zeichen der Hand, die schon verstanden wurden, den Männern ihre Stühle. Lubomir und Boleslawa setzten sich selber.

Lubomir saß oben an. Zu seiner Rechten war Boleslawa zu seiner Linken Witiko. Neben Boleslawa saßen ihre [] Frauen. Die drei Mädchen standen hinter ihr. Die Männer saßen an beiden Seiten hinab. Dann waren noch einige Jünglinge. Ganz unten saß der Mann, welcher das Gebet gesprochen hatte.

Die Speisen bestanden in Rindbraten Geflügel Fischen und Wild nebst Brod und verschiedenen Kuchen. Das Getränke war Wein, der aus großen Eimern in silberne Becher geschenkt wurde. Es standen auch Krüge mit Bier in Bereitschaft.

»Vor Jahren sind auch meine Söhne und Töchter bei mir an dem Tische gesessen«, sagte Lubomir, »jetzt aber sind alle fort, ich danke Gott, er hat mir kein einziges genommen; aber alle haben sich ihr Haus gegründet, und leben bei den Ihrigen.«

»Das ist nun so«, sagte Boleslawa, »in der Jugend ist man bei seinen Eltern, in späteren Jahren bei seinen Kindern, und im Alter allein.«

»Und doch nicht allein«, entgegnete Lubomir, »wir sind hier in der Burg inmitten aller, und wenn wir auf ihre Zinnen gehen, oder wenn wir auf einem Hügel außerhalb ihr sind, so sehen wir die Büsche oder die Wäldchen oder die Bühel, hinter denen unsere Kinder sind, die wieder ihre Kinder um sich haben, die auch zu uns gehören. Wir denken hin, sie denken her, und wir kommen hin, und sie kommen her.«

»Meine Mutter ist in Přic oft lange allein gewesen«, sagte Witiko, »dann ist sie zu einer Base nach Landshut gegangen. Ich bin jetzt immer allein.«

»Nicht so, mein Sohn«, sagte Lubomir, »der Segen deiner Mutter und ihr Wunsch ist dir gefolgt, und kehrt allemal wieder zu ihr zurück.«

»Ja meine Gedanken kehren zu ihr zurück«, sagte Witiko, »und die ihrigen werden wohl auch zu mir gehen.«

»Siehst du«, sagte Lubomir.

»Alle Menschen suchen ihre Zukunft«, sagte Boleslawa, [] »und glauben, daß sie noch etwas recht Gutes erreichen werden.«

»Wenn sie es nicht täten«, entgegnete Lubomir, »so käme das Leben zum Stehen. Es ist noch glücklich, wenn nicht von fremder Seite her Dinge kommen, die den Menschen verwirren, und aus seinem Wesen schlagen.«

»Und dann kann er noch suchen, Gutes für die zu erwirken, die um ihn leben«, sagte Boleslawa.

»Wenn ich, der ich keine neue Zukunft mehr erstrebe, bei den Leuten draußen bin, die um uns wohnen«, sagte Lubomir, »und sie mich fragen, oder etwas begehren, oder ich mit ihnen rede, so ist das um mich, was ich ihnen wohl will.«

»Des Menschen Tun und Lassen ist auch seine Gesellschaft«, sprach Boleslawa, »ist es nicht so, ehrwürdiger Vater?«

»Was ein Mensch in Demut verrichtet«, sagte der Mann am untersten Ende des Tisches, »ist seine Nachkommenschaft, die ihm bleibt, wie sehr sie auch Stückwerk sei.«

»Wenn nur das Glück dieses Landes nicht gestört wird«, sagte Lubomir, »und nicht Unheil in die schuldlosen Hütten, Häuser und Felder kömmt.«

Als das Essen vorüber war, trat eines der Mädchen zu Boleslawa, und hielt ihr ein silbernes Becken unter die Hände, das zweite goß aus einer silbernen Kanne Wasser auf die Hände, Boleslawa wusch die Finger, und trocknete sie an dem weißen Tuche, welches das dritte Mädchen hielt. Und so wurde jedem durch Diener ein Becken zum Händewaschen und ein Tuch zum Trocknen gereicht. Dann standen alle auf. Der Mann am untern Ende des Tisches sprach wieder ein Gebet, dem die andern antworteten, wie vor dem Mahle.

Hierauf sagte Lubomir zu Witiko: »Man wird dich in dein Gemach führen, schlafe wohl unter diesem Dache.«

»Nehmt eine erste gute Nachtruhe in unserem Hause«, [] sagte Boleslawa, »und erwacht fröhlich, wie es Euern Jahren eigen ist.«

»Es wird wohl so sein«, antwortete Witiko, »und ich gebe den Wunsch guter Ruhe zurück.«

»Amen«, sagte Lubomir, »gehabt euch wohl, meine Sippen.«

»Mit Gott«, riefen die Männer.

Nun öffnete der Mann mit dem weißen Gewande wieder die Türflügel, eine der Frauen ging mit einem Wachslichte hinaus, Boleslawa folgte ihr, und ihr folgten die zweite Frau und die drei Mädchen. Dann ging Lubomir hinaus, dem Slawa leuchtete.

Hierauf sagte Witiko zu den Männern, die da standen: »Gehabt euch wohl, und seid mir gut gesinnt.«

Auf diese Worte traten sie gegen ihn heran, und reichten ihm die Hände.

»Ruhe unter der Gastlichkeit und unter unserm Schutze in diesem Hause«, sagte der, welchen Lubomir Rastislaw geheißen hatte.

»Ruhe wohl«, »Lebe wohl«, »Gehab dich gut«, riefen andere.

»Ruhet wohl«, sagte Witiko.

Und wie sich die Männer wieder von Witiko teilten, kam der zum Vorscheine, der am untern Ende des Tisches gesessen war. Er sagte: »Ruht in Gott, und du, junger Gast, ruhe in Gott.«

»Ruht in Gott, ehrwürdiger Vater«, sagte Witiko.

Die Männer machten Platz, und wollten ihn zur Tür hinaus lassen. Er aber sagte: »Ihr zuerst.«

»Zuerst Witiko«, riefen einige.

Witiko ging zur Tür hinaus, Radim leuchtete ihm vor. Dann folgten die andern mit Lichtern. Der letzte war der Mann im dunkeln Gewande.

Radim führte Witiko in sein Gemach, zündete dort den Docht einer silbernen Lampe an, und verließ ihn darauf.

[] Witiko ging noch eine Zeit in dem Gemache herum, saß auch ein wenig auf einem Stuhle, tat sein Abendgebet, entkleidete sich, löschte die Lampe, und legte sich auf sein Lager.

Sein Schlaf war, wie er ihm gewünscht worden war, und sein Erwachen, wie Boleslawa gesagt hatte.

Er ging in den Stall zur Wartung seines Pferdes.

Als sich die Sonne erhob, wurde er von Radim zu Lubomir gerufen. Radim führte ihn über eine Treppe in eine große Stube, die mit Eichenholz getäfelt war. In ihr stand ein hohes Kreuz aus Eichenholz mit dem Heilande. Viele Stühle waren da, ein langer Tisch und mehrere Betschemel. Die Fenster waren farbig mit dem Heilande mit Engeln und Heiligen. Alle, die sich gestern beim Abendessen befunden hatten, waren in dem Saale versammelt.

»Ich lade dich ein, Witiko«, sagte Lubomir, »mit uns dem Gottesdienste beizuwohnen.«

»Ich werde es tun«, entgegnete Witiko.

Hierauf gingen alle, welche in dem Saale waren, die Treppe hinunter, aus dem Župenhofe hinaus, und zwischen den Häusern in die große hohe Dechantkirche. In der Kirche war nahe am Altare ein Platz für sie bereitet, auf dem sie sich niederließen. Es war viel Volk in der Kirche, das der Andachtsübung harrte. Einige hatten das weite faltige Gürtelgewand an, welches im böhmischen Lande gebräuchlich war, andere trugen engere Röcke mit Haften und Beinbekleidungen, wie man in Baiern pflegte, Mädchen und Weiber, die zu ihnen gehörten, hatten faltige Röcke und Brustlatze so wie Schürzen und weiße Kopftücher. Einige waren sehr bunt, andere mehr einfarbig. An dem Hochaltare wurde das Meßopfer von mehreren Priestern gefeiert, unter welchen der war, der im Župenhofe das Tischgebet gesprochen hatte. Nach dem Gottesdienste ging der Zug Lubomirs wieder in die [] Županei. Der Mann, welcher das Tischgebet gesprochen hatte, war der letzte im Zuge.

Man ging in den Speisesaal. Dort war Milch Honig Butter und manches andere auf dem Tische, wovon jeder sein Morgenmahl nahm.

»Willst du ein wenig zusehen, Witiko«, sagte Lubomir, »wie die Leute zu uns kommen, so gehe nach dem Frühmahle in den Steinsaal. Dann sollen dir meine Vettern Kodim und Diš die Burg zeigen, bis ich wieder Frist gewinne, selber bei dir zu sein.«

Witiko ging nach dem Frühmahle in den Steinsaal. Dort breiteten sie Tücher um einen steinernen Tisch, Tücher auf den Tisch und auf den Steinstuhl, und taten ein zusammengelegtes Tuch zu den Füßen des Stuhles. Nun kam Lubomir, und setzte sich auf den Stuhl vor dem Tische. Mehrere seiner Sippen setzten sich ebenfalls auf Stühle. Hierauf kamen Leute in den Saal, bunt und einfarbig, wie sie in der Kirche waren, weit und eng gekleidet, alt und jung, Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen, ja selbst fast Kinder. Sie wurden in der Reihe vor Lubomir geführt, und er redete mit ihnen, und schlichtete ihre Sachen. Ein Schreiber schrieb, was nötig war, in eine Mappe.

Als Witiko dieses eine geraume Weile betrachtet hatte, ging er mit Kodim und Diš, die Burg zu besehen. Sie gingen zuerst in die kleine Burgkirche, dann in den Betsaal, in den Speisesaal, in den großen Empfangsaal, in den kleinen Empfangsaal, in welchem Witiko gestern mit Lubomir gesessen war, in die drei Gemächer Lubomirs selber, in die Gemächer der Beherbergungen, dann in die Räume der Bemannung der Burg, dann in die des Gesindes. Sie gingen in die Rüstkammern, in denen Waffen der Verteidigung und des Angriffes waren, Panzerhemden, Schilde, Helme, Lederrüstungen, Schwerter, Lanzen, Bogen, Pfeile, Köcher, Armbruste, und ähnliche [] Dinge. Sie gingen in den Raum der Wurfgeräte, Schutzkörbe, Flechtwerke und anderer Mittel. Dann besahen sie die Pferde und die anderen Tiere in den Ställen, und die Räume der Vorräte.

In der Zeit war es Mittag geworden, und das Mahl wurde in dem Speisesaale gehalten.

Nach dem Mahle ritten Lubomir und seine Sippen mit Witiko in die Felder. Es waren da die Äcker, auf denen der Weizen Lubomirs stand, die Felder mit dem Roggen der Gerste und anderen Früchten. Es waren die Wiesen die Weiden und das Waldland. Sie kamen auf eine Höhe, von der man weit herum sehen konnte. Lubomir hielt an, und sagte zu Witiko: »Siehst du, dorthin, wo die Eichen stehen, ist der Hof Chlum, auf welchem mein Sohn Moyslaw mit den Seinigen ist, und weiter hin rechts in größerer Entfernung würden wir den Hof Dauby erreichen, in dem mein Sohn Pustimir mit seinen Angehörigen ist, dort hinter dem Waldberge ist Trebin, wo mein dritter Sohn Radosta mit seinem Weibe und seinen Kindern lebt. Weiter in dem Lande sind meine Töchter Maria und Euphemia bei ihren Gatten und Kindern, und gegen Mähren hin ist die jüngste, die wie ihre Mutter Boleslawa heißt, bei den Ihrigen.«

Sie ritten gegen den Abend in einem großen Umkreise in die Županei zurück.

Am nächsten Tage sah Witiko den Markt von Daudleb, wo die Dinge waren, welche die Leute von dem umliegenden Lande zum Verkaufe herein brachten, und hinwieder die Dinge, die sie kauften, um sie nach Hause mitzunehmen. Am Nachmittage tummelten die Sippen Lubomirs ihre Pferde auf dem Weidegrunde, und zeigten ihr Geschick in Bewegungen und im Gebrauche der Waffen.

Witiko blieb fünf Tage bei Lubomir. Am sechsten des Morgens nahm er Abschied. Lubomir gab ihm zum Geschenke [] eine schöne Armbrust: Er hing sie an seinen Sattel. Mehrere der Sippen Lubomirs gaben ihm eine Stunde das Geleite gegen den Wald hin, woher Witiko gekommen war. Dann verabschiedeten sie sich, und ritten zurück.

Witiko kam gegen den Mittag in die krumme Au. Dort blieb er zwei Stunden. Dann ritt er eine Stunde an der Moldau dem Wasser entgegen mittagwärts. Hierauf bog sein Weg gegen Abend, und er ritt eine lange Anhöhe empor. Als er oben war, sah er auf der Fläche einen großen Hof vor sich, der von einer starken Mauer im Gevierte umgeben war. Um den Hof standen noch Hütten und Häuser. In der Mauer des Hofes war ein Tor, das offen stand. Witiko ritt durch das Tor ein. Da trat ihm ein Mann entgegen, der in hohen faltigen Lederstiefeln ging, Beinbekleidungen von grobem grauen Wollstoffe und von demselben Stoffe einen Rock mit Haften hatte. Auf dem Kopfe trug er eine schwarze Filzhaube mit einer roten geraden Hahnenfeder. Er sagte zu dem Reiter: »Du bist Witiko, der auf dem Wyšehrad gesprochen hat, was begehrst du?«

»Wenn du Diet von Wettern bist, der im Hornung auf dem Wyšehrad gestimmt hat«, entgegnete Witiko, »und wenn dieses Haus dein Hof Wettern ist, so begehre ich, der ich Witiko bin, eine Nacht Beherbergung und einen Tag Gastfreundschaft.«

»Ich bin Diet von Wettern, der gestimmt hat«, sagte der Mann, »dies ist mein Hof Wettern, und ich gewähre dir, was du begehrest.«

Dann trat er hinzu, und hielt Witikos Pferd beim Zügel, zum Zeichen, daß er absteigen möge.

Witiko stieg ab, und der Mann führte das Pferd, neben dem Witiko einher ging, am Zügel in den Stall, und versorgte es dort mit Witikos Beihilfe. Dann geleitete er Witiko in eine große Stube, deren Wände mit weißem [] Kalke getüncht waren, und in der ein großer Tisch und Bänke und Stühle von Buchenholz standen. In der Stube tat er einen Zug an einer großen Glocke, die da hing, daß sie ein Mal schellte. Als ein Knecht eintrat, sagte er zu ihm. »Es ist ein Gast da.«

Der Knecht entfernte sich, und kam bald wieder, und stellte Roggenbrot Salz und Bier auf den Tisch.

»Du bist willkommen bei mir, Witiko«, sagte Diet.

Witiko schnitt auf diese Worte ein Stückchen Brod ab, salzte es, und aß es. Darauf nahm er einen Trunk Bier.

Diet tat nun zwei Züge an der Glocke, daß sie zwei Mal schellte.

Eine kurze Zeit darauf trat eine junge Frau herein. Sie hatte die schwarzen Haare in ein Band geschlungen, um die Brust trug sie ein blaues Mieder, davon ging ein faltenreicher schwarzer Rock und eine weiße Schürze nieder. Die Füße waren mit rotgegerbten Stiefeln bekleidet.

»Elisabeth«, sagte Diet zu der Frau, »dieser Mann ist Witiko, der um des Herzogs Soběslaw willen auf den Reichstag in den Wyšehrad gekommen ist, er wird unser Gast sein, so lange er will, begrüße ihn, und rüste die Eichenstube und die Bewirtung. Diese Frau ist mein Eheweib, Witiko.«

»Sei mir gegrüßt«, sagte Elisabeth zu Witiko, »mein Ehemann hat mir erzählt, daß du aus dem Teile des Landes stammst, den wir bewohnen. Nimm das mit Freundlichkeit auf, was wir dir in unserm Hause bieten können.«

»Ich nehme es mit großem Danke an«, sagte Witiko, »und biete euch Gastfreundschaft in meinem Hause in Plan oder in Přic an.«

»Es kann sein, daß ich sie annehme, wenn ich einmal zu dir komme«, sagte Diet, »wenn du auch dem verstorbenen Herzoge Soběslaw anhängst, und gerne dessen Sohn Wladislaw zum Herzoge gehabt hättest.«

[] Die Frau verließ nach diesen Worten die Stube.

Witiko aber sagte zu Diet: »Ich bin zu Soběslaw gegangen, und habe ihm gedient, weil er der rechtmäßige und der rechte Herzog gewesen ist, und ich hätte ihm weiter gedient, wenn er mit Gottes Gnade am Leben geblieben wäre. Über die Nachfolge bin ich nicht Wähler und nicht Richter; aber meine Gedanken sagen mir, daß es wohl wahr sein wird, was der alte Leche Bolemil gesprochen hat. Weil der Herzog Soběslaw und die Männer des Landes zugleich mit einander in Sadska den Sohn des Herzoges Soběslaw Wladislaw zum Nachfolger bestimmt hatten, so war er der rechtmäßige Nachfolger. Der andere Wladislaw ist nur durch eure Wahl allein ohne Mitwirkung des Herzogs nicht der rechtmäßige geworden. Weil aber später der Herzog Soběslaw vor den herzugerufenen Zeugen zu seinem Sohne gesagt hat: Unterwirf dich ihm, wie ich es selber an seinem Bette von seinen Lippen gehört habe, so ist der andere Wladislaw der rechtmäßige Herzog geworden. Ob er der rechte ist, wird sich erst zeigen.«

»Es hat sich gezeigt«, rief Diet, »es hat ihm keiner zu widersprechen gewagt. Die an Soběslaw und seinem Sohne hingen, sind still auseinander gegangen. Die großen Lechen stehen bei dem Herzoge, viele kleine sind in seinem Gefolge, er hat die Macht, und wird unsere Rechte schützen.«

»Ich kenne diese Dinge nicht genau«, sagte Witiko.

»Es ist alles gut«, sagte Diet, »es darf sich keiner rühren, damit wir zu schalten vermögen, und uns in dem Besitze befestigen können, der von unsern Vätern auf uns gekommen ist. Doch wozu reden wir von diesen Dingen, an denen sich nichts mehr ändert. Da du mein Gast bist, so komme, und sieh den Hof an, in dem du dich befindest, und alle seine Dinge.«

Die zwei Männer verließen die Stube, und Diet führte [] Witiko zur Beschauung seines Besitzes. Sie gingen zuerst in die Ställe. Da standen Pferde, wie man sie zu Reisen zur Jagd und selbst zum Kriege gebrauchen konnte. Es waren schöne da, minder schöne, und solche, deren Vorzüglichkeit nur in ihrer Ausdauer bestehen mochte. Pferde zum Landbaue schienen nicht vorhanden. Dann kam eine Reihe von Ochsen für die Arbeiten des Hofes, mittelgroße Tiere zu Bergfeldern brauchbar. In engeren Ständen waren die Kühe der Stier und die Kälber. Dann waren unter flachen Gewölben die Ställe für die Schweine. Die Schafe standen in großen luftigen Räumen mit lichten Fenstern, und in einem eigenen Gehege dieser Räume waren die Ziegen. Die Hühner und Tauben hatten einen Hof mit einem Auffluge. Für die Gänse und Enten war ein Anger mit einem Teiche. Diet führte Witiko in die Scheuern, in welchen das Heu und das Getreide im Stroh aufbewahrt wurde, dann in den Speicher, in welchem die Ackerfrucht in Haufen aufgeschüttet war. Dann gingen sie durch die Lauben, in welchen sich die Wägen die Pflüge die Eggen und die Ackergeräte befanden, durch die Werkzeugkammer, durch die Arbeitsruhe und durch die Kammern der Knechte und Mägde.

»Einen großen Teil dieses Wesens hat erst mein Urahn gereutet«, sagte Diet, »wir besitzen es durch die Erstgeburt der Söhne, und erben es nach der Erstgeburt der Söhne weiter. Die jüngeren Söhne und die Töchter erhalten zu ihrem Wirken eine Ausstattung, und so hoffen wir es in ferne Zeiten zu bringen. Wir müssen es zu vergrößern suchen, darin an Besitz und Kraft wachsen. Habt Ihr Euer Angehöriges weit von hier?«

»Wir besitzen im oberen Plane ein Haus mit Gründen«, sagte Witiko, »in Přic haben wir mehr, und dort sind jetzt unsere Vorfahren gewesen, von dem im Wangetschlage bei Friedberg kann wohl nicht geredet werden.«

[] »Ist das das Haus, in welchem Huldrik ist?« fragte Diet.

»Ja«, sagte Witiko, »kennst du es?«

»Ich kenne es«, antwortete Diet, »und wußte bisher, daß es in die Fremde gehöre. Du mußt dich an einem Platze festsetzen, Witiko, und vergrößern, und vor deinen Nachbarn Ansehen gewinnen, und den Lechen entgegen streben.«

Witiko antwortete nichts auf diesen Rat, und da sie über den Hofraum gingen, kam Elisabeth zu ihnen, und sagte, daß alles geordnet sei, daß man für Witiko die Kammer hergerichtet habe, und daß in der Stube das Abendessen harre. Sie gingen also, obgleich die Sonne noch am Himmel stand, dahin, während im Hofe eine helle Glocke geläutet wurde. Als sie in die Stube traten, waren darin schon einige Menschen versammelt, andere gingen nach ihnen hinein. Es waren fünf Kinder da, drei Knaben und zwei Mädchen, Diet rief die Knaben herbei, stellte sie vor Witiko, und sagte: »Das sind meine Söhne nach ihrem Alter: Diet Wolf und Eberhard.«

Die Knaben hatten Kleider von gelblichem grobem Wollstoffe an.

Dann rief er die Mädchen, stellte sie ebenfalls vor Witiko, und sagte: »Das sind meine Töchter Sophia und Helicha.«

Die Mädchen hatten ihre Haare aufgebunden, hatten rote Mieder, schwarze Faltenröckchen und weiße Schürzen.

Dann setzte man sich an den großen Buchentisch. Obenan saßen Diet und Elisabeth, und zwischen ihnen Witiko. Dann saßen die Kinder. Weiter unten waren die anderen Leute, lauter Knechte und Mägde. Auf dem Tische waren Roggenbrote, Gerstenbrote und Bier. Auf den oberen Teil setzte man einen geräucherten gebratenen Schinken und Sauerkohl, auf den untern eine Suppe mit Stücken geräucherten Schweinfleisches Klößen und Sauerkohl.

[] Als das Abendmahl geendet war, wurde Witiko von Diet ohne Leuchte, weil noch der Tag an dem Himmel schien, in seine Kammer geführt. Sie war eine Eckstube des Gebäudes gegen den Wald. Sie hatte wie die große Stube weiße Wände, ein starkes Bettgestelle aus Eichenholz, darauf Witikos Lager bereitet war, und andere Geräte aus festem Eichenholze. Als Diet Abschied genommen hatte, schloß Witiko die Tür mit dem Eichenriegel, und bereitete sich für die Nacht vor. Und als die tiefe Dämmerung eingetreten war, legte er sich auf sein Bett zum Schlafe.

Des andern Morgen besorgte er bei dem frühesten Tagscheine sein Pferd. Dann wurde eine Suppe aus Milch und Mehl mit weißem Brote als Frühmahl in der großen Stube verzehrt. Herauf führte ihn Diet in die Gemächer des Hauses. Sie waren fast alle wie die große Stube, und dienten zur Wohnung Diets und der Seinigen und für Gäste. In den meisten waren Geräte aus Buchenholz, in einigen bessere Geräte aus Eichenholz. In einem Gewölbe weiten Raumes waren Waffen und Wurfgeräte zur Verteidigung des Hofes. Auf diesem Gewölbe war ein höherer Aufbau, in den man vom Gewölbe aus gelangen konnte. Sie stiegen empor. Dort konnte man wie von einer Warte herum sehen.

»Siehst du«, sagte Diet, »auf jenem Wege bist du gestern gegen die Moldau zu meinem Hofe her geritten, ich habe dich gesehen, und bin dir unter das Tor entgegen gegangen.«

»Und jener Fels ist der der krummen Au«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete Diet.

»Dort sollte eine Burg stehen«, sagte Witiko.

»Wenn ich dessen mächtig wäre, ich hätte sie schon gebaut«, antwortete Diet.

»Etwa baut sie einmal einer deines Geschlechtes«, entgegnete Witiko.

[] »Oder ein anderer, wer kann das wissen«, sagte Diet.

Nachdem sie noch ein Weilchen durch die Waldschlucht gegen den Fels der krummen Au hingeschaut hatten, wendete sich Diet gegen Abend, und sagte: »Da sind nun unsere Felder Wiesen und Weiden. Du siehst, wie noch hie und da Felsen oder Bäume in den Wiesen und selbst in dem Getreide sind. Es konnte noch nicht alles weggeschafft werden, das muß die Zeit reinigen. Den tiefsten nassesten Boden haben wir zu Wiesen gelassen, dann kömmt das Feld, und höher oben gegen den Wald ist die Weide. Wir können uns noch weiter gegen Mittag ausbreiten, und werden es tun.«

Dann wies er gegen Morgen, und sagte: »Da ist wenig zu gewinnen, als bessere Sicherheit.«

Witiko sah, daß hier das Haus an den Wald stieß, der von da mit mächtigen Tannen steil zur Moldau hinab stieg.

Hierauf führte Diet Witiko an die Zinnen der Mauer, welche den Hof umgab, und zeigte ihm, wie man das Haus verteidigen könnte.

Dann gingen sie durch das große Tor in das Freie, und beschauten die Felder. Sie gingen an mehreren Häuschen vorüber, in denen Leute Diets wohnten, und an andern, in welchen solche waren, die sich in der Nähe des Hofes Eigentum erworben hatten. Am Mittage kehrten sie in den Hof zurück. Des Nachmittags waren sie bei manchen Arbeitern.

Witiko bat Diet, daß er ihm für den nächsten Tag einen Führer gebe, der ihn bis in den Wangetschlag zu Huldriks Häuschen geleite. Diet versprach es.

Am andern Morgen verabschiedete sich Witiko von Diet und Elisabeth, und stieg im Hofe auf sein Pferd. Dort wartete schon der Führer, welcher auf einem kleinen Pferde saß, wie sie Witiko im Stalle gesehen hatte.

Die zwei Männer ritten durch die Gründe Diets mittagwärts, [] bis sie wieder der Wald aufnahm. Sie ritten in ihm mittagwärts weiter.

Nach zwei Stunden kamen sie in eine Lichtung, in welcher Stämme geschlagener Bäume lagen, in welcher an verschiedenen Stellen Feuer brannten, um das überflüssige Reisig zu verzehren, in welcher mehrere Ochsen Kühe und Ziegen weideten, in welcher einige Hütten aus Balken und Baumrinden erbaut waren, und in welcher Männer Weiber und Kinder mit Säge Axt Karst und Haue zur Reinigung arbeiteten. Die Männer hatten alle die groben grauwollenen engeren Kleider an, die in den mittäglichen Teilen des Waldes gebräuchlich waren, und die Frauen trugen die kurzen Faltenröcke, und hatten ein Tuch um das Haupt gebunden.

»Das ist der Kirchenschlag«, sagte der Führer, »wohin sie die neue hölzerne Kirche bauen wollen, weil sie da mitten in den zerstreuten Waldhäusern stünde.«

Die zwei Männer stiegen ab, und gaben den Pferden etwas Nahrung, die der Führer von Wettern mitgenommen hatte, und tränkten sie dann aus einer Quelle. Witiko ging auf der Lichtung herum, betrachtete die Arbeiten, und redete mit den Leuten. Nach einer Stunde ritten sie wieder mittagwärts in dem Walde weiter.

Da sie abermals zwei Stunden geritten waren, kamen sie wieder auf eine Lichtung hinaus. Diese mußte aber schon vor vielen Jahren gemacht worden sein. Es standen zerstreute Häuser auf ihr, und sie enthielt Felder Wiesen und Hutweiden.

»Das ist der Wangetschlag«, sagte der Führer, »und jenes weiße Häuschen, das aus Steinen erbaut ist, und auf dessen breitem Dache Ihr auch Steine seht, ist Huldriks Haus. Ihr könnt nun nicht mehr fehlen.«

»Reitest du nicht mit mir hin?« fragte Witiko den Führer.

»Nein«, antwortet dieser, »ich muß heute wieder nach [] Hause kommen, und daher umkehren. Ich werde erst im Kirchenschlage mein Pferd füttern, und selber etwas aus meinem Vorrate verzehren.«

»So habe Dank«, sagte Witiko, »und handle nach deinem Auftrage.«

Er reichte ihm eine Gabe. Der Führer nahm sie, wendete sein Pferd, und ritt gegen den Wald zurück.

Witiko aber ritt auf einem kleinen Pfade, der von dem Wege dem weißen Häuschen zuging, an dasselbe hinan.

Da er dort abstieg, kam ein alter Mann mit einer Fülle weißer Haare aus dem Häuschen. Er ging auf Witiko zu, schaute ihn eine Weile an, und rief dann plötzlich: »So ist meine Bitte im Himmel erhört worden, und meine Augen sehen auf dieser Stelle Witiko, von dem Heil ausgehen wird.«

»Was redest du für Dinge, Huldrik«, entgegnete Witiko, »ich verlange nur eine kleine Nachtherberge.«

»Nun ist Jakob im Holze und Regina im Kohlfelde«, sagte der alte Mann, »aber ich werde Euch helfen.«

Sie brachten das Pferd in den Stall, wo sie eine Kuh auf einen andern Platz hängen mußten, um dem Pferde einen eigenen Stand auszuwirken. Und als Witiko das Pferd wie gewöhnlich bedeckt hatte, sagte er: »Nun führe mich in die Stube.«

»In die Stube, in die Stube«, sagte der alte Mann, »so folgt mir.«

Er führte nun Witiko in die Stube, welche eine Eckstube mit vier Fenstern geweißten Wänden und alten Buchengeräten war. Daneben befand sich eine Kammer mit einem Fenster.

»Da muß ich Euch ja gleich etwas zum Essen bringen«. sagte der alte Mann.

»Tu das, Huldrik«, sagte Witiko.

Der alte Mann ging fort, und brachte dann in einem grünen Schüsselchen Milch, ein Laibchen weißes Brod, ein [] Messer und einen Hornlöffel. Er stellte die Milch auf den Tisch, und legte Brod Messer und Löffel daneben. Witiko setzte sich auf einen Stuhl an den Tisch, schnitt sich Stückchen Brotes in die Milch, und aß mit dem Hornlöffel. Huldrik stand vor ihm. Er hatte ein sehr grobes lichtgraues Wollgewand. Sein Rock war viel kürzer und weiter als gewöhnlich, kaum über den Oberkörper hinab reichend. Er war mit Haften geknüpft. Dann war die Beinbekleidung, schlottrig, als sei sie ihm wegen seines Alters zu groß geworden, und dann die Stiefel auch kürzer als gewöhnlich, von dickem Leder, und an den Sohlen mit dicken Eisennägeln beschlagen. Auf dem Kopfe hatte er, selbst da er zu Witiko hinaus gekommen war, keine Bedeckung gehabt.

»Das ist eine Freude«, sagte er, indem er Witiko in das Angesicht sah, »nun nahet die Erfüllung. Seit Euren Kinderjahren seid Ihr nicht hier gewesen.«

»Es hat sich nicht gefügt«, sagte Witiko.

»Ihr seid einmal in Friedberg gewesen«, sagte Huldrik.

»Damals mußte ich nach Prag reiten«, entgegnete Witiko.

»Ich habe es von Florian erfahren«, sagte Huldrik, »und wie groß und schön Ihr seit den fünf Jahren geworden seid, da ich Euch nicht gesehen habe.«

»Ich erkannte dich gleich wieder, Huldrik«, sagte Witiko, »aber des Häuschens hätte ich mich aus meiner Kinderzeit nicht mehr erinnern können.«

»Nun seid Ihr hier, und nun wird alles anders werden«, entgegnete Huldrik, »Eure Mutter hätte Euch vor fünf Jahren schon, da ich bei Euch war, mit mir gehen lassen sollen, damit damals schon der Anfang gemacht worden wäre.«

»Ich bleibe aber nicht lange bei dir«, sagte Witiko.

»Das ist nun einerlei, weil Ihr nur einmal da seid, und der Beginn eingetreten ist«, antwortete Huldrik, »Ihr [] mögt nun in Plan sein, wie bisher, oder sonst irgend wohin gehen, das ändert jetzt nichts mehr, und die Geschicke gehen schon fort.«

»Jetzt müssen wir zu dem Pferde sehen«, sagte Witiko, indem er den Hornlöffel hinlegte.

»Ja«, sagte Huldrik.

Sie gingen nun von der Stube wieder in den Stall, und Witiko fuhr in der weitern Besorgung des Pferdes fort.

»Zeige mir jetzt doch auch die Dinge bei euch«, sagte er dann.

»Nun, hier sind vier Kühe«, sagte Huldrik, »dort zwei Kälber, und in den leeren Stand gehören die zwei Ochsen, mit denen Jakob in das Holz gefahren ist. Folgt mir nun zu den Schafen.«

Sie gingen nun in einen Stall, in welchem in einer Abteilung zwölf Schafe, in einer andern vier Ziegen und ein Ziegenbock waren. Dann zeigte Huldrik Witiko die vier Schweine in ihrem Stalle. Dann führte er ihn in die Scheuer, wo nur ein Rest Heu vom vorigen Jahre übrig war.

»Die Hühner und andern Federtiere sind im Hofe und sonst überall«, sagte Huldrik, »das Gewölbe mit der Milch den Eiern und andern Dingen werde ich Euch zeigen, wenn Regina nach Hause kömmt. Sie bewahrt den Schlüssel. In der kleineren Milchkammer ist auch immer nur der kleinere Vorrat. Durch das Scheuertor seht Ihr hier die Hauswiese mit den zwei Rotkirschbäumen, die sehr gute Kirschen geben, und dort über Adams Haus hin, das Stück Feld gehört zu uns, dann ist der Kohlacker, wo die Steine liegen, und dort rechts an den Büschen, wo die Ebereschen stehen, ist ein Streifen Wiese, und wo der Weg von dem Walde herab geht, und die dunkeln Flecke sind, haben wir heuer den Haber, und unter dem Hügel ist auch noch etwas. Ich werde Euch morgen zu allem führen, oder heute noch, es ist nur jetzt niemand bei dem Pferde.«

[] »Lassen wir es auf morgen«, sagte Witiko.

»Morgen ist auch mehr Zeit«, antwortete Huldrik.

Sie gingen nun wieder in die Wohnteile des Hauses, und dort zeigte Huldrik Witiko die Gelasse, in denen er und der Knecht und die Magd hausten. Dann zeigte er ihm noch die Kammern der Vorräte.

»Wir senden doch alle Jahre einen Betrag des Anwesens ein«, sagte er, »wenn es auch das jetzt nicht ist, was es war. Siebenzig schöne Ziegenkäse einen Laib Rinderkäse und schönes Mehl haben wir Eurer Mutter nach Landshut geschickt.«

»Sie hat große Freude daran gehabt«, sagte Witiko.

»Das andere liefern wir nach Přic«, sagte Huldrik.

»Es ist sehr gut«, antwortete Witiko.

»Es ist, wie es sein kann«, sagte Huldrik, »jetzt beginnt das Weitere.«

Sie vollendeten nach einer Weile die Wartung des Pferdes.

Nun kam auch der Knecht mit dem Holze nach Hause, und lud es an einer Stelle, die etwas von dem Häuschen entfernt war, ab. Dann kam die alte Magd Regina, und brachte in ein grobes Tuch gebunden Kohlblätter, die man den Kühen unter das Futter mischte. Sie wurden Witiko vorgestellt, und begrüßten ihn, und er begrüßte sie. Dann gingen sie noch an ihre heutigen Tagesgeschäfte.

Witiko wandelte nun allein noch eine Zeit gegen die zerstreuten Wohnungen des Schlages herum. Abends bereitete ihm Regina ein Mahl aus geräuchertem Schweinfleisch und Kohl, und er begab sich, als jede Tagesarbeit vollendet war, auf sein Lager in der Kammer zur Ruhe.

Als am andern Tage die Morgenaufgabe getan, und das Morgenmahl eingenommen war, führten sie Witiko hinaus, und Huldrik zeigte ihm die Stückchen Wiesen und Felder, die zu dem Häuschen gehörten. Jakob und Regina gingen hintendrein, sie hatten sich wegen der Ankunft [] Witikos einen Feiertag gemacht. Witiko besah alles sehr genau, und sprach darüber.

Da sie wieder in der Stube waren, sagte Huldrik, indem er auf einem Stuhle in der Nähe Witikos saß, und indem etwas ferner auch Regina saß, und die Hände in dem Schoße hielt, der Knecht aber stehend zuhörte: »Das ist nun das Wesen, welches Ihr und Eure Mutter in dem Walde hier besitzet, es trägt nicht viel, es trägt aber doch etwas, wie ich Euch gesagt habe. Euer Vater ist öfter hier gewesen, Eure Mutter auch, und einmal sind zwei Jungfrauen mit ihnen gewesen, die auf Zeltern ritten. Wir haben ihnen ein feines Lager in der Kammer bereitet. Euer Vater ist zuweilen unversehens von Přic gekommen, und hat sich in Stroh gebettet, oder in Heu, oder was es war. Das letzte Mal hat er in der Kammer geschlafen, da wir den Bären in dem Nahleswalde erlegt hatten. Und nun seid Ihr hier, wie es geweissagt worden ist.«

»Dazu braucht es keiner Weissagung«, antwortete Witiko, »es ist ja zu denken, daß ich einmal kommen werde, und ich will das Haus manches Mal besuchen, wenn es sein kann.«

»Ja, ja, so ist es«, sagte Huldrik, »da haben sie den Wald ausgereutet, und haben hie und da ein schlechtes Haus gebaut, und haben alles den Wangetschlag geheißen, und haben Felderteile gemacht, auf denen nicht viel wächst, und Wiesen und Hutweiden und Waldschläge, die andern gehören, und von denen auch ein Teil uns gehört, und im Winter liegt sehr lange der tiefe Schnee hier, und die Frucht ist mager, welche dann gedeiht.«

»Wie es eben das Land bringt«, sagte Witiko, »eines hat dieses, ein anders hat jenes.«

»Ja so ist es, so ist es«, sagte Huldrik.

Als sie eine Weile geruht hatten, zeigte die alte Regina Witiko die Butter- und Milchkammer, wo sie im kalten rinnenden Quellwasser, das durch eine steinerne Kufe [] ging, ihre Butterlaibe schwimmen, und ihre Milchtöpfe stehen hatte, und wo der Vorrat der Eier lag, und zeigte ihm die Kammer, in der die Käse waren. Dann nannte sie ihm die Namen der Kühe und Kälber, und zeigte ihm Geflügel im Hofe und nannte die Namen der Tiere. Am Reste des Tages gingen Witiko Huldrik und Jakob in den Wald, der zu dem Hause gehörte, und die zwei Männer zeigten ihrem Herrn den schönen Bestand der Tannen Fichten Buchen und anderen Holzes, das da war, und den Forellenbach, der zu dem Walde gehörte. Diese Dinge waren nun sehr vollkommen.

So verging der Tag.

Am Abende saßen sie nicht an der Leuchte, weil die Sommerdämmerung sehr lange dauerte, sondern sie saßen in der Dämmerung, und sprachen. Als es dunkel wurde, ging man zur Ruhe.

Am folgenden Tage besah Witiko alle Arbeiten des Hauses, und nahm Anteil an allem. Abends saßen sie wieder, da es dämmerte, in der Stube.

Da sie am dritten Tage, nachdem die Forellen, welche Jakob gebracht hatte, verzehrt waren, wieder in der Abenddämmerung saßen, da Regina an einem alten Rocke flickte, Jakob eine Schnur flocht, und Witiko von der Milch dem Butter und dem Honig, das man ihm noch aufgenötigt hatte, etwas gekostet, und dann die Dinge auf dem Tische weiter geschoben hatte, sprach Huldrik: »Es gehen alle Zeichen in Erfüllung, und es wird wahr, was die alten Leute gesagt haben, daß es wahr werden soll, und es ist wahr, wie sie gesagt haben, daß es gewesen ist.«

»Nun, was haben sie denn gesagt?« fragte Witiko.

»Ihr wißt es ja ohnehin«, sagte Huldrik.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete Witiko.

»So hätten sie es Euch sagen sollen, da es Euch angeht«, erwiderte Huldrik.

[] »Mich geht es an?« fragte Witiko.

»Freilich«, sagte Huldrik. »In alten Zeiten, als noch Thor und Freia herrschten und Perun und Lada, und als die Diasen waren, ist hier gar kein Wald gewesen, weit herum gar keiner, sondern schöne Felder und Gärten und Fluren und Haine, und da sind friedsame Völker gewesen, von hier bis an das Meer. Die Wälder waren dort, wo jetzt die Sonne steht, und hier haben milde Lüfte geweht.«

»Das habe ich nie gehört«, sagte Witiko.

»Das hat mir mein Urgroßvater erzählt, und ihm hat es wieder sein Urgroßvater erzählt, und so immer die Urgroßväter; denn bei uns sind die Männer sehr alt geworden«, entgegnete Huldrik, »bis auf jenen Urgroßvater hinauf, der gelebt hat, da es hier so war. Und das Land hat Eurem Stamme gehört, Witiko, sie haben verschiedene Schlösser gehabt, und haben bald in dem einen bald in dem andern gewohnt. Und wo dieses Häuschen steht, ist auch ein Schloß gestanden voll Pracht. Und das ist tausend Jahre gewesen. Dann kamen kriegerische Männer aus Welschland, und haben ein großes Reich gemacht, und haben die Völker vor sich hergetrieben, daß Land und Leute zerstört worden sind. Da ist auch hier alles zu Grunde gegangen, es ist der Wald gewachsen, als wäre nie etwas anderes da gewesen, und die winterliche Luft ist gekommen und die dürftigen Gewächse. Dann ist einmal nach langer Zeit von Euren Voreltern, die damals fortgeführt worden waren, ein Sprößling namens Witiko mit Leuten von Rom hieher gegangen, hat den neuen Glauben gebracht, und hat von dem Volke, das das Land an sich gerissen hatte, den Wald erobert, und hat wieder Schlösser gebaut, und hat weit geherrscht, und seine Nachkommen haben geherrscht; denn es ist geweissagt worden, daß immer ein Witiko den Stamm erretten werde. Sie haben Jagdhäuser erbaut, und wo dieses Häuschen steht, ist zwar nicht mehr das alte Schloß voll Pracht, [] aber ein Jagdhaus erbaut worden. Da haben sie Feste gegeben, und haben des Vergnügens genossen, bis wieder das Unheil gekommen ist, bis wieder alles zerstört worden ist, und bis wieder der Wald gewachsen ist, den man hat reuten müssen, um dieses Häuschen zu erbauen. Nun seid Ihr gekommen, Witiko, wie es in der Weissagung heißt: der reichste Herr des Stammes wird kommen, und Milch und Honig auf dem Buchentische essen, wo dann die silbernen und goldenen Tische stehen werden.«

»Das sind wunderliche Dinge«, sagte Witiko.

»Ihr seid wieder Witiko«, sprach der Alte, »der Stamm wird auferstehen, weil es gesagt worden ist, und meine Augen werden es noch sehen.«

»Möge dir Gott ein langes Leben schenken«, sagte Witiko.

»Das geht sehr schnell«, antwortete Huldrik, »und ich werde Euch den Bügel halten, wenn Ihr hier in Euer Schloß einzieht.«

»Wenn ich einziehe, so halte den Bügel«, sagte Witiko.

»Und zahlreiche Nachkommenschaft werde ich von Euch noch sehen«, sagte Huldrik.

»Jetzt bin ich aber allein«, entgegnete Witiko.

»Die Jungfrau blüht schon, die Euer Weib sein wird«, sagte Huldrik.

»Versuchen wir nicht Gott, Huldrik«, sagte Witiko, »und erwarten wir, was sein wird.«

»Es wird sein, es wird sein«, sagte Huldrik.

Er stand auf, und sah dem Jünglinge freundlich in das Angesicht. Dieser saß in seinem Ledergewande auf dem Buchenlehnstuhle. Der alten Magd Regina waren die Hände in den Schoß gesunken, Jakob hatte von seiner Arbeit aufgehört, und beide sahen den Greis an.

Witiko stand auch auf.

»Erlaubt, daß ich Euch in Eure Kammer geleite, hoher Herr«, sagte Huldrik.

[] »Lebe wohl und schlafe ruhig, Huldrik«, sagte Witiko.

»Wie es Gott fügt«, antwortete Huldrik.

Und sie verließen alle die Stube, und gingen in ihre Schlafkammern.

Witiko blieb noch einen Tag in dem Hause.

Am nächsten Tage verabschiedete er sich, und verlangte, daß der Knecht mit ihm nach dem Orte Friedberg gehe, und daß er von da sein Pferd an der Moldau aufwärts bis zu der Herberge an der untern Moldau führe, und dort auf ihn warte; denn er selber werde auf den Kamm des Thomaswaldes gehen, und dann in der Herberge eintreffen. Der Greis Huldrik ließ es nicht zu, und sagte, er selbst müsse das Pferd führen, der Knecht könne neben ihm hergehen.

Witiko fügte sich, und so ritt er von dem Wangetschlage weg. Der Greis ging in seinem Anzuge, zu dem er noch eine graue Filzhaube mit einer kleinen blauen Taubenfeder aufgesetzt hatte, einige Schritte hinter dem Pferde, und wieder einige Schritte hinter dem Greise ging der Knecht Jakob. In Friedberg zogen sie auf dem Fahrstege über die Moldau. Am jenseitigen Ufer stieg Witiko ab, und legte die Zügel des Pferdes in die Hände Huldriks. Dieser schlug von dem Knechte gefolgt das Pferd führend in dem Walde den schmalen Saumweg ein, der dem Wasser entgegen fortlief, und Witiko schritt links, und begann, die breite Höhe des Thomaswaldes hinan zu steigen.

Auf dem Wege, den er einmal mit dem Führer Florian herab gekommen war, gelangte er nach etwas mehr als einer Stunde auf den Waldkamm, und fand sehr bald die Lichtung, auf welcher die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden war. Hier blieb er stehen, und sah auf das Land Baiern hinab, um welches jetzt Leopold und die Angehörigen des stolzen Heinrich stritten, und von welchem der Teil gegen Morgen, durch den die Donau, die [] Traun und die Enns flossen, vor ihm ausgebreitet lag, bis wo die Alpenberge zogen, und die steirische Mark begann. Dann sah er gegen das Land Böhmen, in welchem jetzt ein so wichtiger Wechsel des Herrschers vollzogen worden war. Er sah unter sich den blaulichen Wald durchstreift von der lichten Schlange der Moldau, dann sah er in der Richtung zwischen Morgen und Mitternacht den Blansko als letzte Waldhöhe an dem Himmel, in der Richtung zwischen Mitternacht und Abend konnte er in den dunkeln Wäldern den fahlen Wacholderberg erkennen, der bei Plan stand, und von diesem Berge gegen Abend die blaue Wand, die den dunkeln See und die drei Sessel hegte. Der Ort, wo er stand, war die höchste Waldesstelle. Dann ging er auf einem schmalen Pfade schief in der Richtung gegen Mitternacht und Abend durch den Thomaswald wieder zu dem Wasser der Moldau nieder, und kam an der Stelle an, welche die untere Moldau hieß, und an welcher die gezimmerte Herberge stand, von der Rowno gesagt hatte.

In der Herberge fand er Huldrik und den Knecht Jakob und sein Pferd. Nachdem die Pflege des Pferdes besorgt worden war, und nachdem er mit seinen Begleitern ein Mittagmahl eingenommen hatte, verabschiedeten sie sich, Huldrik ging mit dem Knechte auf dem Saumwege an der Moldau nach Friedberg und von da in den Wangetschlag zurück. Witiko ritt von der Herberge auf dem Stege über das Wasser der Moldau, dann mitternachtwärts an dem neuen Eckschlage vorbei, dann gegen Abend über ein schwarzes Moor, dann durch dichte Wälder, und kam am Nachmittage in dem oberen Plane an.

Er wurde von den Seinigen sehr freundlich begrüßt, und Raimund trug die schöne Armbrust in die Kammer.

Witiko legte nun seine Lederbekleidung wieder ab, tat sein Waldgewand an, und lebte wie früher. Er machte nun häufig Übungen mit seinem Pferde im Schnellaufen [] auf einem Boden mit Unebenheiten Gestrippe und andern Hindernissen.

Am Ende des Herbstmonates kam ein Mann mit einem Wanderstabe zu ihm, und sagte, daß er von Hostas Burg komme. Er habe zu den Leuten der Burg gehört, weil er aber schon alt werde, verlangte es ihn in seine Heimat, Boreš erwirkte ihm seine Verabschiedung, und er verließ die Burg. Weil seine Heimat aber auch im Walde sei, so habe ihm Boreš eine Nachricht an Witiko mitgegeben.

»Welche Nachricht?« fragte Witiko.

»Daß die Herzogin Adelheid gestorben ist«, sagte der Mann.

»Die Herzogin Adelheid ist gestorben«, rief Witiko, indem er von seinem Stuhle aufsprang, »die Herzogin Adelheid ist gestorben.«

»Ja«, sagte der Mann.

»Wie hat denn das sein können?« fragte Witiko.

»Wir wissen es nicht«, sagte der Mann, »die erlauchte Herzogin ist in dem Gemache gewesen, in welchem der Herzog gestorben war, hat dort ihre Kinder gepflegt, hat dort geschlafen, ist immer dort gewesen, hat keine Krankheit gehabt, ist stets weißer geworden, und ist am fünfzehnten Tage des Herbstmonates gestorben.«

»Und was ist mit den Kindern geschehen?« fragte Witiko.

»Sie sind nach Prag gebracht worden«, antwortete der Mann.

»Und hast du die Herzogin in ihrer letzten Zeit gesehen?« fragte Witiko.

»Ich habe die Herzogin noch gesehen, da sie tot war«, erwiderte der Mann, »sie hat tot so ausgesehen wie lebendig.«

»Und hat man ihr in Hostas Burg, da sie lebte, Ehren erwiesen?« fragte Witiko.

»Der Herzog hat ihr alle Macht übergeben«, entgegnete der Mann, »und wir sind ihr alle untertan gewesen.«

[] »Und wo ist sie bestattet worden?« fragte Witiko.

»Sie ist mit Würden in den Wyšehrad zu ihrem Gemahle geführt worden«, antwortete der Mann.

Witiko ging einige Male in der Stube auf und nieder. Dann setzte er sich wieder an den Tisch, und sagte: »So ist sie ihm also gefolgt, so ist sie ihm also gefolgt.«

Und er stützte sein Haupt in seine Hände.

Nach einer Weile sah er wieder zu dem Manne empor, und sagte: »Du hast mir eine wichtige wenn auch traurige Nachricht gebracht, ich danke dir inständig, und bitte dich, bleibe bei uns, und genieße mit uns, was wir haben, so lange du willst.«

»Ich habe Euch in Hostas Burg gesehen«, erwiderte der Mann, »wo Ihr dem Herzoge einen Dienst erwiesen habt, und bin recht gerne zu Euch gekommen, um Euch die Nachricht zu bringen.«

»Du bist auch im Walde zu Hause?« fragte Witiko.

»Ja, in den Häusern des Winterberges«, sagte der Mann.

»Du wirst jetzt bei den Deinigen bleiben«, sagte Witiko.

»Bei zwei Brüdern ist mir das Verbleiben ausbedungen«, antwortete der Mann.

»So genieße deiner Ruhe, wenn es die Zeiten erlauben«, sagte Witiko.

»Bei uns ist es immer stille und gleich«, antwortete der Mann.

»Möge es bleiben«, entgegnete Witiko.

Dann ging er in das Freie, und wandelte zwischen den Feldern dahin.

Der Mann blieb zwei Tage in dem steinernen Hause. Dann empfing er Geschenke von Witiko, nahm seinen Stab, und trat die Wanderung wieder an. Er ging mit dem ersten Lichte des Tages an der linken Seite des Wacholderberges gegen Abend hin, und strebte seinem Ziele zu, das er beim Untergange der Sonne erreichen konnte.

[] Es kam allgemach der zweite Winter, den Witiko in Plan zubrachte.

Als noch der Schnee auf den Feldern lag, erschien in dem oberen Plane ein wirrer Mann, und sagte, daß er von seinem Hause vertrieben worden sei, und daß er habe entfliehen müssen. Der Herzog wüte gegen seine Untertanen, verjage sie von Haus und Hof, oder töte sie. Es seien auch zwei Männer in dem Walde von Horec angekommen, und haben dort eine Siedelei gründen wollen, sie seien aber wieder weiter gezogen.

Da man ihn mit Speise und Trank erquickt hatte, ging der Mann in dem tiefen Schnee durch den Wald nach Baiern hinüber.

Witiko aber gürtete sein Schwert, nahm seinen Wollmantel, hieß den Knecht Raimund ihm folgen, bestieg sein Pferd, und schlug den Weg mitternachtwärts in das Land ein.

Als sie in die freien Gegenden gekommen waren, erfuhren sie, daß der Herzog die Räuber in dem Lande plötzlich habe verfolgen, und die, welche nicht zu entfliehen vermochten, ergreifen und auf Bäumen oder Pfählen aufhängen lassen. Die Kriegsknechte hätten sich versammelt, seien in die Häuser und Vesten gedrungen, in denen die Schuldigen sich verteidigten, und haben sie ihrem Urteile zugeführt. Dann seien sie wieder in ihre Burgen, in denen sie sonst zerstreut waren, zurück gegangen.

In dem Lande war eine große Unruhe.

Witiko kehrte mit dem Knechte wieder in das steinerne Haus zurück.

Als der Lenz gekommen war, ritt eines Tages ein Mann in einem schönen braunen Gewande mit einer schwarzen Haube auf dem Kopfe, in der eine gerade weiße Feder stak, von einem Gefährten begleitet, gegen das Haus. Als er vor demselben angekommen war, stieg er von dem Pferde, ließ es von seinem Gefährten halten, trat in die [] Stube, und setzte sich dort von Witiko dazu eingeladen zu ihm an den Tisch. Er war jung, und hatte blonde Haare und blaue Augen.

»Ich bin Mikul«, sagte er zu Witiko, »und bin in der Versammlung auf dem Wyšehrad gewesen, in welcher du als Hörer zugelassen worden bist.«

»Ich kann dich nicht erkennen«, antwortete Witiko, »weil ich mir die Männer, die in jenem Saale gewesen sind, nicht habe in das Gedächtnis sammeln können. Was ist dein Begehren?«

»Weil du so treu an deiner Meinung gehalten hast, und weil du so standhaft dem Tode entgegen gesehen hast, den dir der wilde Milhost gedroht hat«, entgegnete Mikul, »so haben mich einige Männer an dich gesendet. Sie werden am vierten Tage des Heumondes in dem Plakahofe eine Versammlung abhalten, in welcher sie über die Dinge des Landes sprechen werden, und in welcher manche sich näher werden kennen lernen. Sie laden dich zu der Versammlung ein.«

»Ich weiß es nicht, ob ich zur Versammlung kommen werde«, sagte Witiko, »aber ich danke dir für die Reise zu mir. Lasse deinen Gefährten die Pferde herein bringen, und genießet in dem Hause, was es hat.«

»Ich muß dir den Dank für dein Erbieten aussprechen«, antwortete Mikul; »aber unsere Zeit ist sehr kurz, und wir müssen ohne Aufenthalt weiter reiten.«

»So tut nach eurem Ermessen«, sagte Witiko.

Bei diesen Worten stand Mikul auf, und verabschiedete sich. Witiko geleitete ihn vor das Haus zu den Pferden. Mikul schwang sich auf das ledige, das sein Gefährte hielt, beide Männer grüßten noch einmal gegen Witiko, und ritten dann einer hinter dem andern auf dem schmalen Wege gegen die Häuser des oberen Planes.

Am dritten Tage des Heumondes rüstete sich Witiko, und ritt auf dem Wege, auf welchem er von Prag in den oberen [] Plan herein geritten war, mitternachtwärts in den Wald. Er ritt durch manche Baumbestände, über manche Waldblöße, und übernachtete in einer Hütte. Am nächsten Tage, welcher der vierte des Heumondes war, langte er nach Sonnenaufgang in dem Plakahofe an. Derselbe lag am Saume des Waldes auf einer sumpfigen Wiese, und war ein sehr langes Gebäude. Witiko ritt auf dasselbe zu. Als er zu dem Tore gekommen war, fand er es offen. Vor demselben und innerhalb desselben im Hofraume waren hölzerne Stände für die Pferde. Manche hatten ihre Tiere auch an Bäume des Waldes vor dem Gebäude angebunden. Im Innern desselben gingen Männer hin und her, und sprachen mit einander. Witiko kannte manche. Es war Bogdan gekommen, der an dem Tage auf dem Wyšehrad der erste nach Witikos Eintritt in den Saal über ihn gesprochen, und angetragen hatte, daß er zu einem Gerichte in den Turm geworfen werde, es war Beneš da, der ihn sogleich gerichtet haben wollte, es war Domaslaw gekommen, der ihn zu einem Gerichte für den künftigen Herzog aufbewahren wollte, es war Milhost zugegen, welcher ihn sogleich auf einen Pfahl hatte aufhängen lassen wollen, es war Kochan da, der ein strenges Gericht gegen ihn empfohlen hatte, es war Bohuš da, der die Übel angeführt hatte, welche dem Lande von allen Herzogen widerfahren waren, es war der Mährer Drslaw gekommen, der auch über Witiko ein strenges Gericht ausgesprochen hatte, es war Jurata da, der alte Mikul, der alte Rodmil, und noch mehrere, welche Witiko nicht kannte. Mit jedem schienen noch Leute und Anhänger zu sein. Witiko führte sein Pferd, nachdem er abgestiegen war, in einen leeren Stand, band es an, und sorgte für dasselbe. Dann wandte er sich einem großen Raume zu, der in der Länge des Gebäudes zu einer Empfangshalle hergerichtet worden war. Er mochte sonst zur Aufbewahrung von Geräten des Hofes so wie anderer Dinge [] dienen; jetzt war er geräumt, und hatte einen sehr langen Brettertisch, an dem Bretterbänke hinliefen, und auf dem Bier Wein und Speisen standen. Auf den Bänken saßen Männer, und aßen von den Speisen und tranken von den Getränken, andere gingen hinzu, erquickten sich, und verließen die Stelle wieder. Witiko aß ein Stückchen Brod, und trank einen Trunk Bier.

»So läßt dein Herr auch im Sommer in seinem Walde jagen, wo die Jagd nichts nützig ist?« fragte ein Mann in einem groben rotbraunen Kleide, das er mit Lederriemen gebunden hatte, indem er eine Hand auf seinen Bierkrug legte.

»Ja, du Gauch«, sagte ein anderer, der auf einem großen Holzblocke saß, neben dem ein Krug mit Wein stand, »der Herr des Plakahofes braucht seine Tiere nicht zu zählen, und wie du Bier trinkst, so trinken wir Wein, und wie dein Herr Hasen hat, so haben wir Luchse und Wölfe und Füchse und Bären, und die darf man auch im Sommer und zu Ostern und zu aller Zeit jagen. Und darum hat unser Herr die reichen Freunde und die mächtigen Männer zu diesem Jagen geladen, das du nicht begreifst.«

»Bei uns sind noch ganz andere Jagen«, sagte der erste.

»Ja, auf Fliegen und Hummeln«, antwortete der zweite.

Witiko achtete nicht weiter auf ihr Reden. Bisher hatte niemand zu ihm gesprochen. Jetzt näherte sich ihm aber der junge Mikul in demselben braunen Kleide und mit derselben weißen Feder, die er gehabt hatte, als er bei ihm in dem steinernen Hause in Plan gewesen war. Er grüßte ihn, und sagte: »Es ist gut und recht von dir, Witiko, daß du gekommen bist, es haben mehrere Männer dich sicher hier erwartet. Strich, der alle zu sich geladen hat, ist draußen in dem Walde, um mit ihnen zu jagen; aber sie müssen bald zurückkehren. Du siehst, wie geehrte Gäste er beherbergt, daß er in dieser Zeit jagt.«

Es traten nun mehrere Männer zu Witiko: der rothaarige [] Beneš der blonde Drslaw der schwarze Bogdan Domaslaw und Jurata, und grüßten ihn. Er dankte. Sie nahmen Speisen und Wein. Es kamen andere herzu, sprachen etwas, und gingen wieder weg.

Als die Hälfte des Vormittages vergangen war, näherte sich eine Schar Reiter dem Hofe. An der Spitze war ein Mann auf einem braunen Pferde, er hatte ein weites dunkelblaues Gewand mit einem stählernen Gürtel und einem Jagdspieße. Auf dem Haupte hatte er eine schwarze Haube mit einer grauen Feder. Er hatte braune Haare und um das Kinn einen braunen Bart.

»Das ist Strich, der Herr des Plakahofes«, sagte Mikul zu Witiko.

Hinter dem Manne kamen die andern. Sie hatten auch weite Gewänder mit Gürteln, und trugen Jagdspieße. Diener und Hunde waren nicht bei ihnen. Sie ritten bei dem Tore herein, ihre Pferde wurden in die Stände verteilt, und sie gingen in die Halle.

Als sie sich dort verteilt und Speise und Trank genommen hatten, stieg ein Mann in einem schneeweißen wollenen Gewande und einen langen blauen Stab in der Hand haltend auf eine Bank, und rief: »Die Diener hinaus!«

Männer von verschiedenen Gestalten und in verschiedenen Bekleidungen verließen auf diesen Ruf die Halle durch die zwei Tore an den zwei Enden derselben, und an jedem Tore stellten sich drei Männer mit Speeren auf.

Da dieses geschehen, und einige Zeit darauf vergangen war, stieg ein Mann in einem dunkeln weiten sammetnen Gewande, das ein aus Silber gearbeiteter Gürtel zusammen hielt, auf die Bank. Er hatte weiße Haare und einen weißen Bart. An seiner Seite hing ein Schwert, und auf seinem Kopfe war keine Haube. Witiko erkannte in ihm Načerat, der in der Versammlung auf dem Wyšehrad das dunkelpurpurne Gewand getragen hatte. Als es in [] der Halle stille geworden war, sprach der Mann: »Liebe Getreue, Ansehnliche! Es sind mehrere darin überein gekommen, daß ich, weil ich vielleicht der älteste an Jahren bin, unserem Wirte den Dank abstatte, daß er uns ein so freundliches Fest und ein so schönes Jagen auf seinem Hofe Plaka gegeben hat. Ich bin von Prag, wo ich viele Arbeit verlassen habe, dazu her gekommen. Und wenn auch andere besser geeignet wären, auf dem Platze zu stehen, auf dem ich jetzt stehe, so will ich doch reden, weil mich einige Freunde hieher gedrängt haben, und weil ich aus Alter ein wenig geschwätzig geworden bin. Ihr werdet mir es schon nachsehen. Strich der mächtige ansehnliche und gute hat uns hieher auf einen seiner Höfe, der den Namen Plaka führt, geladen, daß wir erfahren, wie sein Wild sein zahmes Getier seine Kuchen sein Bier und sein Wein schmecken, daß wir die Wälder sehen, die er da besitzt, und daß wir in diesen Wäldern jagen. Wir haben seit dem grauen Morgen gejagt, und sind jetzt hieher zurückgekehrt, damit wir die Hitze des Tages nicht zu sehr empfinden, die sich nun erheben wird. Ich sage ihm mit meinen Freunden den besten Dank dafür, und alle werden ihm gewiß so danken wie wir. Die Geladenen können sich nun in ihre Heimat begeben, und nehmen eine Freude und ein Vergnügen mit sich auf den Weg. Sie haben sich hier gesehen, und haben freundschaftliche Bande geknüpft, und werden nun gewiß einander, wie es die Lage ihrer Wohnungen gibt, besuchen, bald hier, bald dort, bald anders wo, um ihre Freundschaft fortzuführen, ihre Bündnisse fester zu machen, und von dem zu reden, was ihnen im Herzen ist. Wenn unser guter erlauchter Herzog Wladislaw, den wir erwählt und eingesetzt haben, sich nicht so sehr von uns zurückzöge, so könnte er in unserer Mitte sein, könnte unser Vergnügen teilen, und würde unsere Freude erhöhen. Haben nicht die Herzoge früherer Zeiten mit den [] Lechen gejagt und getafelt? War es anders? Sind nicht die Lechen ihre Gefährten und ihre gesetzlichen Gesellschafter? Sind sie nicht durch die Lechen eingesetzt und erhalten, und sind nicht die Lechen für die Handlungen derselben verantwortlich, und lastet nicht ihre Wahl, wenn sie verfehlt war, verderblich auf dem Lande? Aber hat unser guter Herzog Wladislaw das Vergnügen eines Lechen oder Wladyken geteilt, und ist er auf seinem Hofe gewesen, oder an seinem Tische gesessen? Ihr schweigt, er hat es also nicht getan. Er würde das Vergnügen vermehrt haben, er würde selber Vergnügen genossen haben, wenn er es getan hätte, und wir würden heute noch freudiger sein, als wir sind, wenn er da wäre. Wir bedauern ihn, daß er sich diese Lust versagt, und kehren ohne ihn in unsere Wohnungen zurück. Ich kümmere mich um diese Dinge wenig, ich bin alt, und trage die Sorge für das Land; aber die Jugend will Freude. Unser erlauchter Herzog, ehe wir ihn auf dem ehrwürdigen Schlosse Wyšehrad zum Ersten unter uns gewählt haben, ist immer mit unseren Kindern und mit der Jugend des Landes gewesen, und hat ihre Fröhlichkeit mitgenossen. Er tut es jetzt nicht mehr, und darbt an Vergnügen, obwohl er jung ist. Er liest einige Leute aus, die ihm folgen müssen, wenn er in das Land reitet, wie wir den Unsrigen sagen, daß sie mit uns sein sollen, wenn wir jagen. Er ritt mit mehreren nach Hostas Burg, und redete mit der erlauchten Adelheid der Witwe unseres ruhmreichen verstorbenen Herzoges Soběslaw. Da ich ihm wohlwollend sagte, daß er sich die Mühe auflade, die sonst der Rat übernähme, spottete er meiner. Er ritt mit mehreren jungen Männern in die Burgen des Landes, und machte Anordnungen, die die Räte und Herren des Reiches nicht kannten. Als er zurückkehrte, schlossen wir, nämlich mein Bruder Znata, Milota, dann der ältere Mikul und Domaslaw, die bei diesem Feste, das uns unser lieber [] Wirt gibt, anwesend sind, und ich mit manchen unserer Leute, die wir zusammenbringen konnten, uns ihm an, damit wir seinem Zuge den Glanz gäben, der ihm gebührte, und den er sonst nicht gehabt hätte, weil keiner der alten Lechen dabei gewesen wäre. Oder lebt unser erlauchter Herzog, wenn er schon die Fröhlichkeit unserer Jugend nicht teilt, sonst mit ihr zusammen? Ich glaube es nicht. Hat nicht Wladislaw der älteste Sohn unseres höchst ruhmreichen verstorbenen Herzoges Soběslaw, der, wie er auch die Herren unterdrückte, doch der gute und der weise war, in diesem Winter von Prag nach Ungarn fliehen müssen? Ich bedaure unsern guten erlauchten Herzog Wladislaw, daß er sich die Vergnügungen entzieht. Er nimmt die Arbeiten und die Beschlüsse an sich, welche sonst dem obersten Kämmerer und dem Hofrichter und dem Kanzler und dem obersten Truchsesse und den Herren und Räten des Reiches gebührten, und hat der Sorgen und Plagen genug, daß keine Freude Raum findet. Es sind nicht zwölf Wochen vergangen, daß er Kriegsknechte versammelt, und alle, die Räuber genannt wurden, verjagt oder vertilgt hat. Und weil er dazu Macht braucht, so sitzt er, statt unseren Festen beizuwohnen, und brütet in seinen Gedanken, wie er seine Macht vermehre. Ich bedaure unsern guten Herzog, daß er nicht bei uns ist, und unsere fröhliche Lust teilt. Boleslaw der Grausame, welcher seinen Bruder den heiligen Wenzel erschlagen hat, ist genötigt worden, daß er seine geraubte Macht erhalte, die Lechen und die Herren des Landes zu unterdrücken. Bis zu ihm waren sie Führer des Volkes wie die Herzoge, und der Herzog war unter ihnen nur der Erste unter seinesgleichen. Es war ein Glanz durch das ganze Land, und keiner war in Knechtschaft. Dann wurde es so, daß er sie durch seinen Anhang zwang, ihm zu dienen, daß sie seine Krieger waren, und seine Geleiter. Selbst ihr Name Führer verschwand, und wird nicht [] mehr gehört. Und alle späteren Enkel Přemysls sahen es so, und mußten bedacht sein, ihre Macht, durch die sie herrschten, zu erhöhen. Ich bedaure unsern guten Herzog, daß er nicht unter uns ist. Auch den Umgang und den Beistand seiner Angehörigen entbehrt er. Die erhabene Witwe des preiswürdigen Soběslaw Adelheid von Ungarn mußte nach dem Tode ihres hohen Gemahles in der einsamen Burg Hostas bleiben, und starb aus Gram und Kummer in dem vergangenen Herbste. Ihre kleineren Kinder, die er in seine Hut nahm, können ihm nichts gewähren, und so ist er allein, und beschließt allein über das Land, und wir werden später sehen, ob es demselben fruchtet. Ihr erfahrt nun, daß es wahr ist, was ich gesagt habe, daß ich geschwätzig bin. Ich rede immer von allerlei anderen Dingen, und sage immer nicht unserem sehr guten Wirte unseren Dank für sein heutiges Fest, das er uns so gastherrlich gibt, und kann immer nicht davon wegkommen, zu bedauern, daß unser erlauchter Herzog nicht gegenwärtig ist. Lasset uns also nur das Fest genießen, und wenn die Jugend daran Gefallen hat, so lade ich sie auf den Laurentiustag in meine Burg Ruden, daß dort ein gleiches gefeiert werde. Ich weiß nicht, ob ich werde anwesend sein können; aber ich werde mich bestreben, und gewiß wird alles zum besten Empfange in Bereitschaft sein. Ich steige von der Bank herunter, damit ich nicht von ihr herab gefordert werde, weil ich sie schon zu lange inne habe, und weil ich den Fortgang des Festes störe. Ich fordere nur die Anwesenden, die es vermögen, zu Gleichem mit unserem freigebigen Wirte auf, und sage ihm noch einmal unsern Dank, unsern großen Dank, unsern aufrichtigen Dank, dessentwillen ich auf diesen Brettern stehe.«

»Unsern Dank«, »unsern großen Dank«, »unsern ehrlichsten Dank«, riefen die meisten Stimmen in der Halle.

Načerat stieg von zwei Männern unterstützt, von der [] Bank herab, ordnete sein dunkles durch das Herabsteigen verschobenes Sammetgewand, und ging zu seinem Sitze neben Strich dem Herren des Hofes.

Nun stieg Znata der Bruder Načerats in hellblauem Sammet auf seinen Sitz, und rief: »Von heute ab in drei Wochen lade ich alle, die hier sind, und die sonst kommen wollen, in meine Burg Sturma zu einem Feste.«

»Wir kommen, wir kommen«, riefen viele Stimmen.

Darauf stieg er herunter.

Nach ihm stieg der graubartige Domaslaw im roten Gewande, wie er es auf dem Wyšehrad getragen hatte, auf seinen Sitz, und rief: »Und von heute ab in fünf Wochen lade ich alle, die da sind, und die sonst kommen wollen, auf meine Burg Krut nach Mähren zu einem Feste.«

»Nach Mähren, nach Mähren«, erscholl ein dröhnender Ruf.

»Nach Mähren, nach Mähren, in Mähren ist das Heil«, rief ein Mann mit mächtiger Stimme.

Und ein Jubelgeschrei folgte diesen Worten.

Domaslaw stieg von der Bank herunter.

Nun wichen von dem unteren Tore der Halle die drei Bewaffneten zurück, und Männer in schneeweißen Wollgewändern, wie der hatte, der den blauen Stab trug, kamen herein, und stellten sich in eine Reihe, und begannen ein Sackpfeifen und Flötenspielen, daß der ganze Raum tönte. Und Rufe und Jauchzen der Anwesenden mischten sich hinein.

Jetzt kamen viele Diener, und nahmen die Dinge, die auf dem Tische standen, weg, und brachten ein kostbares Mahl auf denselben. Das Mahl wurde sodann verzehrt, viel Wein wurde getrunken, viele Worte wurden geredet, und es brausten die Stimmen und das Klingen der Pfeifer in der Halle.

Als das Mahl vorüber war, standen viele auf, gesellten sich zu Gruppen und Häuflein, andere suchten ihre [] Pferde, bestiegen sie, und ritten längs des Sumpfes oder des Waldsaumes ihre Wege nach der Heimat, und andere blieben sitzen, und sprachen oder aßen noch und tranken.

Witiko erhob sich von seinem Platze, und ging durch das Gedränge der Männer gegen das Tor der Halle. Da traten der jüngere Mikul und Drslaw und der junge Milhost zu ihm, und Milhost sagte: »Witiko, du weißt es, wie ich mit Schnelligkeit in meinen Sachen vorschreite, du wirst uns gegen diesen Herzog, den du hassest, beistehen.«

Witiko antwortete: »Ich bin nur ein einzelner Mann.«

Da sagte Drslaw: »Viele einzelne Männer sind ein Heer.«

»Du wirst zu den Festen kommen, die angekündigt sind«, sprach Milhost.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Witiko.

»Er hat auch gesagt, er wisse es nicht, da ich ihn zu dem Feste Strichs geladen habe, und ist doch gekommen«, sagte Mikul.

»Er wird kommen, er ist ein wackerer Mann und ein herrlicher Junge«, sagte Drslaw.

»Er wird kommen«, riefen die andern zwei.

»Jetzt muß ich mich verabschieden, da mich die Zeit drängt«, sagte Witiko.

»Lebe wohl, wir sehen uns bald wieder«, rief Milhost.

»Lebe wohl«, rief Mikul.

»Lebet wohl«, sagte Witiko.

Er schritt weiter. Er ging durch das Tor hinaus, er suchte den Stand, in welchem er sein Pferd angebunden hatte, band es los, untersuchte die Rüstung desselben, bestieg es, und ritt über die sumpfige Wiese in den Wald. Er ritt im Walde fort bis zu der Hütte, in welcher er beim Herreiten übernachtet hatte. Er blieb wieder in der Nacht in der Hütte, und ritt am Morgen fort. Er ritt durch dieselben Waldbestände und über dieselben Waldblößen, [] durch die er gekommen war, und gelangte am Abende den fahlen Wacholderberg vorüber nach Plan.

Von diesem Tage an wohnte er wieder in dem steinernen Hause. Er ging nicht zu Znatas Feste nach Sturma, noch zu Domaslaws Feste nach Krut, noch am Laurentiustage zu Načerats Feste nach Ruden, noch zu einem anderen Feste, das gefeiert wurde. Er sandte zuweilen Boten aus, und zuweilen kamen Boten zu ihm. Einige Male ritt er selber fort, und blieb mehrere Tage abwesend.

Als der Lenzmonat nach dem Winter kam, und wieder mehrere Männer bei ihm an der Leuchte saßen, sagte er: »Liebe Männer, es kömmt eine ernsthafte Zeit. Ich habe genaue Kundschaft. So wie ich zu einem Feste nach Plaka geladen worden bin, so sind fortwährend Festlichkeiten der Herren gewesen, bald hier, bald dort, sie haben fröhlich gezecht und gejagt, haben einander Besuche abgestattet, Zusammenkünfte gehalten, sind öfter nach Mähren geritten, und nun sind alle Herren, welche in Böhmen große Landstriche besitzen, nach Mähren gegangen, haben dort ein zahlreiches Kriegsvolk aufgestellt, und werden gegen unser Land vordringen. Ich halte es für meine Pflicht, daß ich fortreite, um zu sehen, was es ist, und daß ich dort helfe, wo ich es für recht erkenne. Ich habe euch dieses gesagt, wenn etwa einer für das Rechte und Gute mithelfen will.«

Es war im Jahre des Heiles 1142 gewesen, da Witiko so zu den Waldmännern an seiner Leuchte Besprochen hatte.

Es antwortete Peter Laurenz der Schmied: »Das ist so, wie es bei unsern Voreltern gewesen ist, sie haben bei den Streiten mitgewirkt, daß das Land beschützt werde, und dem Herzoge kein Schaden geschieht, und haben sich und den Ihrigen durch die Kriegserwerbnisse aufgeholten. Ich meine, wir sollten schauen, was es gibt.«

»Es kann nun nicht andere sein, wir müssen mitgehen«, sagte Tom Johannes der Fiedler.

[] »Ja, wir müssen nach der Sache schauen«, sagte David der Zimmerer.

»Die Feldarbeiten sind noch nicht vor der Tür, und wir können den Weibern auftragen, die Anordnungen zu machen«, sprach Stephan der Wagenbauer.

»Wir sollten genauere Nachrichten einholen«, sagte Christ Severin der Wollweber.

»Die werden wir auf dem Wege schon erfahren«, sagte Tom Johannes der Fiedler, »sonst versäumen wir die beste Zeit.«

»Die Sache ist sehr gut«, sagte Maz Albrecht, »und so tun wir es.«

»Ich glaube, daß wir in wenigen Tagen gerichtet sein können«, sagte Witiko, »und so sollten wir nichts aufschieben.«

»Ja, ja, wer gehen will, ist bald fertig«, sagte Tom Johannes.

»Ja, ja«, sagten mehrere.

Und so verließen sie an diesem Abende Witikos Leuchte.

Am fünften Tage darnach war Witiko gerüstet. Er und sein Pferd waren in den nötigen Stand gesetzt, die Reise zu erneuern, und er hatte Vorsorge getroffen, daß ihm von seiner Habe, was er brauchte, gefördert werde. An diesem Tage waren auch die Männer, die ziehen wollten, bereitet. Da war Christ Severin der Wollweber mit einem Ahornschafte dem Packe der Nahrungsmittel und einem Sacke für die Beute, Stephan der Wagenbauer mit Schwert und Spieß dem Packe der Nahrungsmittel und dem Sacke für die Beute, David der Zimmerer mit Schwert und Streitaxt dem Packe der Nahrungsmittel und dem Sacke für die Beute, eben so Paul Joachim mit einem Spieße, Jakob mit Spieß und Schwert, Tom Johannes der Fiedler mit einem Spieße und einem großen Sacke für die Beute, angleichen Maz Albrecht mit einem Ahornschafte, dann Peter Laurenz der Schmied, mit einer [] Eisenstange und einer eisernen Wurfkeule, dann Urban, Zacharias, Lambert, und Wolfgang mit Ahornschäften, Gregor Veit mit Schwert und Spieß, dann viele von den jungen Leuten, und Knechte, die entbehrt werden konnten. Sie hatten die groben grauen Wollkleider an, Stiefel mit den großen eisenbeschlagenen Sohlen an den Füßen, und dicke Filzhauben auf den Häuptern. Der Knecht Raimund hatte begehrt, mit Witiko zu gehen, und Witiko hatte eingewilligt. Weil Witiko erklärt hatte, daß er im Schritte reiten werde, sagten die Männer, man solle bei einander bleiben, und neben ihm gehen. Witiko hielt es für gut.

Als sie versammelt waren, segnete sie der Priester mit den weißen Haaren, sprach zu ihnen, und machte das Zeichen des Kreuzes über sie. Die Weiber standen da, und weinten, und hielten noch Kinder zum Abschiede hin. Die Mädchen schauten verzagt und freudig auf die jungen Männer. Die Knaben hatten Stäbe und Stänglein als Lanzen in Nachahmung der Männer, und standen ganz vorne. Martin stand neben dem Pfarrer, und tröstete die weinende Lucia.

Endlich zogen sie fort. Viele Weiber manche Mädchen und alle Knaben gingen hinter ihnen her, bis sie die strenge Weisung erhielten, zurückzukehren, und dann blieben sie erst noch stehen, bis die Männer im Walde waren.

Da der Abend dieses Tages heran nahte, war der Zug durch den feuchten Schnee bis zu Rownos Turm gelangt. Dort sahen sie, daß Rowno sich und die Seinigen rüste. Es war eine große Bewegung in dem Turme und zwischen den Hütten. Als Rowno die Ankömmlinge erblickte, rief er: »Da ist Witiko von Plana, das ist recht, daß du dich rüstest. Witiko, wer hätte das gedacht? Wir wissen nicht einmal genau, wer gegen den Herzog ist, und wer mit ihm. Wenn alle die Anhänger des verstorbenen Soběslaw zu den Mährern gehen, der wilde Wšebor, [] und der alte Diwiš, und der uralte Bolemil mit seiner großen Sippschaft und Untergebenheit, und der alte Lubomir, und der starke Božebor, so kann ein schwerer Krieg werden, und der junge Wladislaw der Sohn Soběslaws kann gegen den älteren Wladislaw, den wir erwählt haben, siegen. Wir wollen die Rechte der Wladyken schützen, daß sie nicht von den großen Lechen verletzt werden können, wir wollen für ihre Unabhängigkeit und Wohlfahrt streiten. Komme herein, und übernachte in meinem Hause.«

Witiko ritt in den Turm, und die andern wurden in den Hütten aufgenommen, erwärmten sich, und erhielten Speise und Trank.

Da der Morgen des nächsten Tages angebrochen, und Witiko in die große Stube gekommen war, standen viele Männer in derselben. Sie hatten das weite Kleid kurz geschürzt und gegürtet, hatten rauwollige Beinbekleidungen und grobe Stiefel, und auf den Häuptern dicke Filzhauben. Jeder hatte ein Schwert und eine Lanze, und viele trugen, wie es gelegentlich hervor schimmerte, Panzerhemden unter dem Überkleide. Rowno trug ein Panzerhemd und ein Schwert; aber er war noch nicht völlig bekleidet, namentlich war sein Haupt unbedeckt. Es wurde Bier zum Frühtrunke gereicht, und an einige Männer, die noch in die Stube kamen, wurden Waffen verteilt. Ludmila die Gattin Rownos war mit ihrem Knäblein Miš und mit ihrem Töchterlein Durantia in die Stube getreten, um die Männer und Witiko zu begrüßen. Sie war blaß und stille.

Rowno sagte zu Witiko: »Trink einen Frühtrunk, ehe du aufbrichst, und sage Ludmila einen Morgengruß.«

Witiko tat einen Trunk aus einem Krüglein, in welchem Bier war, und schritt dann zu Ludmila, und sagte: »Seid gegrüßt, edle Frau, und es seien auch Eure Kindlein gegrüßet, wir werden einen Zug in das Feld bekommen.«

[] »Der Beschluß der Männer wird geschehen«, sagte Ludmila, »und sie werden wahren, was ihnen gebührt.«

»Ich werde im Felde sein«, sagte Rowno, »Bustin wird den Turm besetzt halten, der Turm wird gut versehen sein, es werden sich in ihm die nötigen Männer befinden, und die Knaben, die da sind, mögen in dem Walde Kundschaft treiben, und wenn etwas geschieht, das euch Gefahr droht, sendet schnell, und ich werde zurückkehren.«

»Tue nach deinem Herzen, Rowno«, sagte Ludmila, »und Ihr Witiko seid gegrüßet, und habet Dank für den Gruß an die Kinder.«

Da ging bei diesen Worten die Tür der Stube auf, und die Jungfrau mit den schwarzen Haaren den schwarzen Augen den roten Wangen und den kirschroten Lippen, die das dunkelblaue Kleid mit dem veilchenblauen Gürtel angehabt hatte, da Witiko einmal als Gast in dem Turme war, Dimut die Schwester Rownos trat herein. Sie trug aber kein dunkelblaues Kleid mit irgend einem Gürtel, sondern an ihrer Brust glänzte ein helles Waffenhemd, das wohlgereinigt schimmerte, und mit kurzen weiten Ärmeln über das Kleid ihrer Arme ging. Das andere Kleid außer dem Panzerhemde war schwarz und weitfaltig. An den Füßen hatte sie schwarze Stiefel. Ihr Haupt war mit einer schwarzen dicken Filzhaube bedeckt. Sonst trug sie eine Waffe nicht. Sie ging an den Männern vorüber zu Ludmila, und sagte: »Sei gegrüßt, Schwester.«

Dann ging sie zu Rowno, und sagte: »Ich bringe dir den Morgengruß.«

Und dann sagte sie zu Witiko gewendet: »Ich grüße Euch auch, Witiko, Ihr geht gegen Mähren.«

»Ich gehe in den Krieg«, antwortete Witiko.

»Du hast dich auch gerüstet«, sprach Rowno zu ihr.

Dimut antwortete: »Ihr werdet alle, die ihr es könnt, in das Feld gehen, ihr werdet dort genau er gründen, wo das [] Recht ist, und werdet für das Recht mit eurem Leben streiten, und wenn es sein muß, euer Leben dafür lassen. Ich will tun, was ein Weib vermag, zu meinem Schutze soll wenigstens niemand benötigt sein. Das Rechte muß geschehen, wie es auf Erden und im Himmel gilt.«

»Du wirst immer klug handeln, meine Dimut«, sagte Rowno.

»So klug, wie es der Teil Klugheit verlangt«, entgegnete Dimut, »der mir geschenkt worden ist.«

Dann ging sie zu den bewaffneten Männern, und reichte ihnen die Hände.

»Ich muß jetzt fortgehen«, sagte Witiko.

»So gehe, und wir werden dich vielleicht noch erreichen«, entgegnete Rowno.

Witiko verabschiedete sich, verließ die Stube, suchte sein Pferd, und ritt über den Damm hinaus. Die Männer von Plan schlossen sich an, und gingen mit ihm. Als weit hinter Rownos Turm der Wald aus war, hörte der Schnee auf, und sie kamen am Abende in den Župenort Daudleb. Dort kaufte Witiko für Raimund ein Pferd, besorgte noch manches für seinen Zug, und die Männer beschlossen, eine Zeit auf Kundschaft hier zu bleiben.

Als Witiko in den Župenhof ging, war er verschlossen, es wurde ihm das Tor geöffnet, und er wurde, weil ihm der Torwart gesagt hatte, daß Lubomir fort sei, zu Boleslawa geführt, die mit Männern in dem Hause war. Witiko begrüßte sie, und sagte: »So ist Lubomir in seinem Alter fortgegangen?«

»Ja, er ist fortgegangen«, sagte Boleslawa. »Da es an der Zeit war, kam, wie es sich gebührt, unser Erstgeborner Moyslaw mit seinen Männern von seinem Hofe Chlum zu uns, dann kam unser Zweitgeborner Pustimir von seinem Felde und Walde in Dauby mit seinen Männern, dann kam auch der Drittgeborne Radosta mit seinen [] Männern von Trebin, es kamen die Gatten Marias Euphemias und Boleslawas mit ihren Männern, Lubomir hatte seine eigenen Leute versammelt, der demütige Priester dieses Hauses hat sich auch zu trösten und zu helfen beigesellt, und sie gingen alle zu Wladislaw dem Herzoge.«

»Zu Wladislaw dem Herzoge?« fragte Witiko.

»Zu Wladislaw dem Herzoge«, entgegnete sie. »Du bist auch auf dem Zuge, Witiko, sei eingedenk, das Rechte zu tun.«

»Gehabt Euch wohl, erhabne Frau«, antwortete Witiko, »ich will das Rechte tun, das ich erkenne.«

»So tue es«, sagte sie, »und sei in andern Zeiten wieder einmal hier unser Gast.«

»Ich werde um Einlaß bitten, wenn alles vorüber ist, und sich das Tor mir nicht verschließt«, sagte er.

Er verabschiedete sich, und wurde wieder ins Freie geführt.

Die Männer des Waldes blieben zwei Tage in Daudleb. Am dritten zogen sie fort, und hielten ihre Nachtruhe in Podhrad, wo Sümpfe und Einöden waren.

Am folgenden Tage gingen sie nach Austi in wohlbebautes Land. Da blieben sie wieder zu kundschaften fünf Tage. In den Häusern waren wenige Männer, und die Leute, welche da waren, blieben in den Stuben. Auf den Wegen waren Bewaffnete und allerlei Volk, das gegen Mitternacht zog. Ctibor, der sonst bei Austi auf einem Hofe wohnte, war mit seinen Männern zu dem Herzoge Wladislaw gegangen.

Als sie erfahren hatten, daß nach Mitternacht hin die Kriegsheere stehen müssen, zogen sie in dieser Richtung weiter. Es begegneten ihnen Leute, die ihr Vieh nach dem Mittage und gegen die Wälder trieben. Sie hielten die Nachtherberge an dem Hofe Nacehrad.

Am nächsten Tage begegnete ihnen sehr viel Volk. Es säumte meistens seine Güter auf Pferden oder Ochsen in [] fernere Gegenden, oder es trug, was ihm gehörte, auf dem eigenen Rücken. Da es Nachmittag geworden war, sahen sie in der Richtung von Abend her viele Menschen auf einem Wege kommen, der in den ihrigen ging, und sahen, daß sie ihnen den Weg verstellten. Es waren Männer, welche in hochgeschürzten Faltengewändern gingen, sie hatten schwere Stiefel an den Füßen, und auf den Häuptern hatten sie dicke Filzhauben, welche kaum die Augen sehen ließen, und dann mit einem Lappen über die Wangen und den Bart hinab gingen. Sie trugen Schwerter und Spieße. Wo die Wege sich vereinten, hielten sie an, sammelten sich auf dem Wege und dem Felde, und blickten auf Witiko und seine Schar. Sie wurden immer mehr. Dann kamen auch Reiter hinter ihnen, die Beinbekleidungen kürzere gegürtete Röcke und Filzhauben mit einer geraden Feder trugen, wie die Männer gekleidet waren, die den scharlachroten Prinzen begleitet hatten, ehe er Herzog geworden war. Einige hatten feine Gewänder andere gröbere und unscheinbarer an Farben. Sie trugen keine Lanzen aber alle hatten Schwerter, und viele trugen Schilde. Es waren mehrere sehr große und starke Männer unter ihnen. Sie sammelten sich ebenfalls neben den Fußgängern auf dem Felde. Endlich sprengte einer an den Reitern vorwärts, der eine graue Falkenfeder auf der schwarzen Haube und grüne Kleider hatte. Er ritt gegen Witiko und rief: »Was versperrst du hier den Weg, daß unsere Leute im Weiterziehen gehindert sind?«

»Ich versperre nicht deinen Weg«, rief Witiko entgegen, »siehst du nicht, daß unsere Richtung von Mittag nach Mitternacht geht, und daß ihr von Abend herein gekommen, und daß ihr es seid, die uns den Weg versperren?«

»Du hast deine Leute aufgestellt, daß sie uns be trachten«, rief der andere, »wir müssen uns also auch ordnen, daß [] wir gerüstet sind, wenn ihr uns etwas anhaben wollt, und das ist es, wodurch du uns hinderst.«

»Du erkennst wohl, daß wir die wenigen euch die so vielen nicht angreifen werden«, entgegnete Witiko, »wenn du uns aber anfällst, so werden wir unsern Körper verteidigen, so gut wir es können. Diese aber sind nicht meine Leute, ich weiß nicht, was sie in der Zukunft tun werden, jetzt sind sie nur neben mir gegangen, weil wir aus der nämlichen Heimat sind.«

Während dieses Rufens waren immer mehr Reiter gekommen, und hatten sich neben den grünen Mann gestellt. Jetzt kamen zwei Saumpferde, eines vorn und eines hinten, sie trugen eine offene Sänfte, und in derselben saß ein Mann in ein sehr weites braunes mit Pelzwerk verbrämtes Kleid gehüllt, und unter der schwarzen Haube drangen weiße Haare herab, und auf das braune Kleid floß ein sehr langer weißer Bart. Der Mann war sehr alt, und sein Haupt war nach vorwärts geneigt. Da er zu dem grünen Reiter gekommen war, hielt die Sänfte an, der grüne Reiter stellte sich neben sie, und sagte: »Hochehrwürdiger Großvater, dort steht der Bote, welchen der kranke Herzog Soběslaw einmal in die Versammlung auf den Wyšehrad gesendet hat, er richtet seine Leute gegen uns, daß er uns etwa schädige.«

Der alte Mann hob sein Haupt empor, wendete sein Angesicht und seinen Körper gegen die Stelle, auf welcher Witiko stand, und sagte: »Sohn des Wok, ziehe deiner Wege, gehe zu Wladislaw dem Sohne Soběslaws oder zu andern Feinden des Herzoges, wir werden dich dort bekämpfen, hier ist nicht Zeit, daß wir dich vertilgen. Rühre keinen der Männer an, die um mich sind.«

Dann wendete er sich an den grünen Reiter, und sprach »Dalimil, sage den Leuten, daß sie weiter ziehen, und eine Säumnis nicht mehr eintreten lassen.«

Der grüne Reiter ritt gegen die Fußgänger vorwärts, der [] alte Mann in der Sänfte aber nahm sein braunes Kleid fester an sich, und neigte sein Haupt wieder nach vorne, wie er es früher gehabt hatte.

Die Fußgänger und Reiter fingen an, sich wieder zu bewegen. Witiko aber rief: »Hochehrwürdiger Leche Bolemil, ich rühre keinen deiner Männer an, und wer weiß, ob unsere Wege nicht die gleichen sind.«

Bolemil antwortete nicht, sondern nickte nur mit dem Haupte.

Der Zug bewegte sich schneller, und die Pferde mit der Sänfte fingen zu gehen an. Hinter ihr kamen wieder Reiter. Witiko aber blieb stehen, bis alle vorüber waren, und man endlich auf dem fernen Wege kaum mehr einen der Männer erblicken konnte. Dann setzte er sich in Bewegung, und zog ihnen nach.

Er kam mit den Männern, die bei ihm waren, an dem Abende dieses Tages zu einem Hofe, der nicht weit von den Häusern stand, die den Namen Suchdol hatten. Sie beschlossen, da zu ruhen. In dem Hofe war kein Mensch, es waren die Türen und Tore eingeschlagen, es waren keine Vorräte da, kaum Futter für Witikos und Raimunds Pferd. Und als die Nacht gekommen war, erblickte man gegen Morgen die roten Scheine von entfernten Feuersbrünsten. Die Männer lagerten in dem Hofe, und aßen von den Nahrungsmitteln, welche sie in den Päcken mit sich geführt hatten. Als der Tag angebrochen war, sahen sie die Häuser von Suchdol deutlich; aber einige waren verbrannt, und andere zerstört. Von Suchdol gegen den Hof war ein Berg, beinahe gegen die Mittagseite gelegen, weit gedehnt und gestreckt, hie und da mit einigem Gebüsche und dann mit Wiesen und Feldern bedeckt. Er hieß Wysoka. Von ihm konnte man in entfernten Morgengegenden Rauchsäulen aufsteigen sehen, und in der Richtung zwischen Mitternacht und Abend sah man auch Rauch zu dem Himmel ziehen. Die [] Männer versammelten den Hof, stellten in ihm Wachen auf, und sandten mehrere fort, um Kundschaft einzuziehen. Die Kundschafter kamen zurück, und sagten, daß vier oder sechs Wegestunden weit zwischen Mitternacht und Abend der Herzog mit seinem Heere sei, daß er es sammle und ordne, und daß gegen Morgen hin eine Tagereise oder mehr entfernt die Lechen, welche sich zusammen getan hatten, lagern, und daß sie Zuzüge und Verstärkungen rufen. Der Leche Načerat, der ein hoher Herr bei dem Herzoge Wladislaw gewesen sei, stehe an ihrer Spitze. Alle Häuser rings herum sind leer, viele sind verbrannt oder zerstört, die Menschen sind mit ihrem Vieh und ihrem Gute fortgezogen. Hie und da zeigen sich Bewaffnete, und manches Mal ein Mensch, der etwa ein Dieb oder ein anderer dieser Art sein kann.

Die Männer von Plan beschlossen, in dem Hofe zu bleiben, bis sie genauer erkundet hätten, was sich begebe. Sie gingen daran, das Gebäude besser zu befestigen.

Es waren indessen die milderen Tage des Lenzes gekommen, die Gesträuche, welche auf dem Berge Wysoka standen, bekamen grüne Blättchen, die Wiesen erhielten Gras, und die Wintersaaten sproßten. Die Felder, auf welchen die Sommersaaten stehen sollten, waren nicht bestellt worden.

Es war nun auch Rowno mit seiner Schar in die Gegend gekommen, und da die Männer von Plan streiften, trafen sie ihn, er ging mit ihnen samt den Seinen in den Hof, und vereinigte sich mit ihnen. Auf diese Art kam auch Osel mit seinen drei Knaben, Diet von Wettern, dann ein Mann, der an der Moldau in dem Hofe Attes wohnte, dann der von Hora, dann Wolf von Tusch und Wernhard von Ottau. Jeder hatte eine Schar mit sich. Es kamen dann auch die von Friedberg, von Horec, die Hlenici, und da sie Diet von Wettern und die aus dem Turme Rownos erfragten, gingen sie in den Hof, es kamen von [] denen, die im neuen Kirchenschlage reuteten, die vom schwarzen Bache, vom Wangetschlage, vom Eckschlage, vom Rathschlage, dann kamen, die an der Moldau hinab saßen, wo bei Friedberg gereutet wurde, dann die von den Häusern an dem Moldaufelsen, welcher der Rosenberg geheißen wurde, wo Witiko einmal mit Florian ein Mittagsmahl gehalten hatte, dann einige von den Hütten, die mittagwärts von der Waldblöße des heiligen Thomas lagen. Von dem Häuschen im Wangetschlage, das Witikos Stamme gehörte, kam der Knecht Jakob mit einem lahmen Pferde.

Sie versammelten sich alle bei dem Hofe, und versprachen, zusammen zu halten. Sie lebten von den Nahrungsmitteln, die sie mitgebracht hatten, und richteten zu ihrem Getränke wieder den Brunnen des Hofes zurecht. Zugleich begannen sie, um den Raum Gräben zu machen, und sich durch Pfahlwerke zu schützen.

Eines Tages kam eine Schar schöner Reiter gegen den Hof. An ihrer Spitze war ein Jüngling in himmelblauem Gewande mit einer weißen Feder auf dem Haupte. Er ritt näher, und betrachtete den Hof und die Befestigungen um ihn. Witiko bestieg sein Pferd, ein Tor der Pfähle wurde geöffnet, und er ritt von einer großen Schar Fußgänger begleitet hinaus. Da er zu dem Jünglinge gekommen war, rief er aus: »Wladislaw, der Sohn des Herzogs Soběslaw!«

»Ja, ich bin es, den du genannt hast«, rief der Jüngling im blauen Kleide entgegen, »Witiko, der treue Freund meines Vaters, Witiko, den meine Mutter geehrt und beschenkt hat, wie freut sich mein Herz, daß ich dich sehe!«

Es kamen noch mehr Fußgänger aus dem Hause heraus, und alle stellten sich halbkreisartig hinter Witiko auf. Das gleiche taten die Reiter hinter Wladislaw.

»Nun ist die Zeit gekommen, Witiko«, sprach der Prinz, [] »daß wir die Schmach auslöschen, die uns geschehen ist, daß wir den Hohn tilgen, der meinem Vater angetan worden ist, daß wir den Schmerz vergelten, den meine Mutter leiden mußte, und daß wir alles, was recht ist, wieder herstellen. Du und die Männer, die dir gehorchen, sind mit dazu erlesen.«

»Und wie wird das geschehen?« fragte Witiko.

»Es ist alles wohl geordnet und zum Gelingen bereit«, antwortete Wladislaw, »höre mich. Der uns den Herzogstuhl geraubt, und mich in die Untertänigkeit gestürzt hat, der nämliche hat mir auch meine Habe entrissen. Er hat mir das Herzogtum Olmütz, das ich besaß, genommen, und hat es Otto dem Sohne des schwarzen Otto gegeben, den er aus Rußland gerufen hatte. Mich zwang er nach Prag zu sich. Aber ich bin in dem vorvorigen Winter entflohen, und bin bei meinen königlichen Sippen in Ungarn gewesen. Indessen hat der, welchen sie noch bei dem Leben meines Vaters des ruhmreichen Herzoges Soběslaw gegen ihren Eid auf dem Wyšehrad zum Herzoge gewählt haben, die Rechte aller großen Lechen gekränkt, er hat sie bei Seite gesetzt, und hat ohne ihren Rat und Beistand gehandelt. Sie sind von ihm abgefallen, und die ihn eifrig gewählt haben, stehen jetzt gegen ihn. Načerat der große und mächtige ist jetzt in Mähren, eben so sein Sohn Dus und sein Bruder Znata. Dann ist der alte reiche Mikul, dann ist Jurata, dann ist der alte Rodmil, dann Groznata, Slawibor, Domaslaw, Kochan, Bohuš, dann der junge tapfere Milhost, Strich von Plaka, der junge Mikul, Bogdan, Beneš und die Mährer Drslaw, Mireta, Zibota, Soben, Treba, Stibor, und sehr viele andere. Ich bin zu ihnen gegangen, um Vergeltung zu üben. Sie haben einen Bund gestiftet, um eine andere Herrschaft einzuführen. Die Fürsten aus dem Stamme Přemysls sind dem Bunde beigetreten: Wratislaw der Herzog von Brünn, Konrad der Herzog von [] Znaim, Otto der Herzog von Olmütz, welchen Wladislaw aus Rußland zurückgerufen hatte, dann die Söhne Bořiwoys des Oheims Wladislaws Leopold und Spitihněw. Sie haben alle Konrad von Znaim zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt. Sein Heer steht nicht zwölf Wegestunden von hier gegen Morgen. Immer kommen noch Züge zu demselben, und wenn es gerüstet ist, werden alle Häupter zu ihm kommen, und werden gegen Wladislaw vorrücken, und ihn, der die Herren schwächen, und sich mit den kleinen Leuten und mit dem Volke stärken wollte, vertilgen.«

»Weißt du das ganz genau, und bist du nicht getäuscht worden, Wladislaw?« fragte Witiko.

»Die hier mit mir sind«, antwortete Wladislaw, »stammen aus den besten Geschlechtern, sie streifen, um die Lage und Begebnisse der Gegend zu erforschen, und sie können dir sagen, daß ich die Wahrheit rede.«

»Der hohe Prinz spricht wahr«, rief ein Mann in dunkelroten Kleidern, der in der vorderen Reihe des Zuges stand.

»Er spricht wahr«, riefen mehrere Stimmen.

»Du wirst auch, wenn du bei uns bist, Witiko«, sagte Wladislaw, »die Schrift sehen, in welcher alles verzeichnet ist. Sie enthält die Namen, die ich dir nannte, und in ihr sind die Rechte aufgeschrieben, welche der künftige Herzog denen gegeben hat, die ihn wählten, und die für ihn streiten wollen. Wir werden nur noch über die Felder von Suchdol reiten, wo wir in der Richtung gegen Abend sehen können. Du kannst indessen deine Leute ordnen, und dann mit uns ungefährdet zum Heere ziehen.«

»Du sagst, daß alle großen Männer der Länder mit euch sind?« fragte Witiko.

»So ist es«, entgegnete Wladislaw.

»Du hast Zdik den Bischof von Olmütz nicht genannt, welcher der eifrigste in jener Versammlung auf dem [] Wyšehrad war, um die Wahl Wladislaws zum Herzoge von Böhmen und Mähren zu bewirken.«

»Zdik ist ein Verräter«, antwortete Wladislaw, »er hat schon wohl den Sinn und die Absichten meines Vetters Wladislaw gekannt, daß er die Herren unterdrücken, und die Kleinen und die Bischöfe empor bringen wird, darum hat er dessen Wahl so emsig befördert, und jetzt hat er seinen Bischofsitz und das Land Mähren verlassen, und ist in das Lager Wladislaws gegangen.«

»Du hast den alten Lechen Bolemil nicht genannt«, sagte Witiko.

»Der ist uralt, und führt keine Kriege mehr«, entgegnete Wladislaw.

»Er ist mit einer großen Schar von Fußgängern und Reitern zu dem Herzoge gezogen, ich habe ihn selber gesehen, und habe mit ihm gesprochen«, antwortete Witiko, »der Župan von Daudleb Lubomir ist mit seinen Scharen und mit denen seiner Söhne Moyslaw Pustimir und Radosta und mit denen seiner drei Töchtermänner zu dem Herzoge gegangen. Ctibor, welcher mit vielen Männern in den Gefilden von Austi wohnte, ist mit ihnen zu dem Herzoge gegangen. Weißt du etwas von Diwiš, dem Župane in Saaz?«

»Man erzählt, daß er bei dem Herzoge sei«, sagte Wladislaw, »allein das ändert nichts, wir werden sie alle niederwerfen.«

»Und Božebor und Wšebor und Nemoy und Chotimir und der alte Preda und Jurik und der alte Milota?« fragte Witiko.

»Es können nicht alle bei uns sein«, sagte Wladislaw, »die mehreren und die besten haben wir.«

»So wird der ehemalige Bischof Silvester, der deinetwegen Tränen in der Versammlung vergossen, und deinetwegen sein Amt niedergelegt hat, bei dir sein?« fragte Witiko.

[] »Silvester ist ein gebrechlicher Mann«, entgegnete Wladislaw, »und hat sein Kloster nicht verlassen.«

»Wladislaw«, sagte Witiko, »von den Männern, die ihren Eid von Sadska gebrochen haben, sind nur diejenigen in Mähren, welche es nicht ihres Landes sondern ihres Nutzens willen getan haben, und sind nun ihrem neuen Eide wieder untreu. Ich habe es geahnt, da Načerat in der Versammlung auf dem Wyšehrad gesprochen hat, und ich habe es erkannt, als ich ihn bei einem Feste im Plakahofe sprechen gehört habe. Die Fürsten, die Söhne des Stammes Přemysl, sind ihrem eigenen Stamme untreu, da sie gegen den obersten Sohn des Stammes, dem sie unterworfen sind, dem sie gehorchen sollen, aufgestanden sind, um für sich Vorteile zu gewinnen, Otto der Sohn des schwarzen Otto, den der Herzog aus der Verbannung zurückgerufen hat, dem er das Herzogtum Olmütz gegeben hat, ist zur Untreue auch noch undankbar, Konrad, welcher gar keine Rechte auf den Fürstenstuhl besitzt, hat ihn zu kaufen versucht, weil er seinen Helfern, wie du sagst, in einer Schrift Zugeständnisse versprochen hat, die sie für ihren Beistand erlangen sollen, und du aber, Wladislaw, hast dich selber preisgegeben.«

»Witiko, du treuester Diener Soběslaws, du willst doch nicht von ihm abfallen?« rief der Prinz.

»Nicht von Soběslaw falle ich ab, ich bleibe ihm treu«, sagte Witiko, »dein Vater hat mich rufen lassen, als er auf dem Totenbette gesagt hat: Mein erstgeborner Sohn Wladislaw, du bist von dem deutschen Könige Konrad mit den Ländern Böhmen und Mähren belehnt, und von den Herren beider Länder auf dem Tage in Sadska anerkannt worden. Jetzt aber haben sie auf dem Wyšehrad deinen Vetter Wladislaw den Sohn meines verstorbenen Bruders des Herzoges Wladislaw für meinen Tod zum Herzoge gewählt. Unterwirf dich ihm, und gehorche ihm, daß die Sünden nicht werden, welche in meiner Jugend [] gewesen sind. Načerat wird gegen Wladislaw nicht siegen. Ich habe mir die Worte tief in mein Gedächtnis geprägt, weil sie mir sehr merkwürdig erschienen waren. Dein Vater hat die Wahl seines Neffen anerkannt, und hat dir den Rat gegeben, dein Recht auf die Nachfolge in der Herrschaft der Länder hinzugeben, daß das Heil des Reiches nicht zerstörst werde. Du konntest den Willen deines Vaters nicht erfüllen, du hast ihm damals nichts zugesagt, du konntest mit den Waffen gegen deinen Vetter aufstehen, dein Recht aufrecht halten, das Heil des Landes in die Schanze schlagen: viele wären an deiner Seite gestanden, wahrscheinlich die besten, die jetzt gegen dich sind, und ich wäre gewiß unter deine Fahnen gegangen; du aber hast dein Recht selber hingeworfen, weil du in die Dienstbarkeit eines andern gegangen bist, der Herzog sein will. Jetzt lebt die Anerkennung deines Vaters für Wladislaw als Recht auf, das haben sie alle, welche für dich und das Recht auf dem Wyšehrad gesinnt gewesen waren, erkannt, der edle Diwiš, der treue Freund deines Vaters, der ihm vor den Verschwörern das Leben gerettet hat, Bolemil der weise alte Mann, der vor den Greueln der Nachfolgekriege so ängstlich gewarnt hatte, der gute Lubomir, der mir dem Boten deines Vaters Gehör von der Versammlung erbeten hatte, dann Wšebor, der die Leiden deines Vaters zu ehren gefleht hatte, Jurik, Chotimir, der Feldherr Smil, und vor allen der untadelige Bischof Silvester, dem für dich sein lauteres Leben zerstört ist, sie haben es erkannt, und stehen jetzt zu dem Rechte, das neu geworden ist, und das du selber durch dein Tun hervorgerufen hast. Du sagst, daß ich nicht treu bin. Bist du der treue Sohn deines Vaters, der sich in seiner Herrschaft gemäßigt hat, daß nicht das Volk durch die Großen gedrückt wurde, und daß er es nicht selber drücke, und der sich im Tode noch mehr zu mäßigen gewußt hat, indem er das Land über seine Kinder [] stellte? Er hat dir den Rat und, ich kann sagen, den Befehl gegeben, dich zu fügen, er hat ihn dir nicht umsonst vor so vielen Zeugen gegeben, weil er gewollt hat, daß dir keiner beistehe, wenn du dich erhebest. Bist du der treue Sohn deiner Mutter, die ihrem toten Gatten angehangen hat, bis ihr das Herz gebrochen ist, und bist du der treue Prinz deiner selbst, da du der Aftermann eines Aftermannes geworden bist? Ich bin dem treu geblieben, was ich für meine Pflicht hielt. Ich sehe jetzt sehr klar, wo das Rechte und das Gute liegt, wie Boleslawa die edle Gattin Lubomirs gesprochen hat, ich sage mich auf immer los von dir, und bin von dieser Stunde an der Helfer und der Mann des Herzogs Wladislaw. Die hier um mich sind, haben mir nicht zu gehorchen, ich bin nur als ihr Heimatgenosse bei ihnen, ich bin nur ein einzelner für meine Beschlüsse, ich weiß nicht, was sie tun werden; aber wenn sie meinem Worte folgen, so werden sie zu dem Herzoge gehen; eines weiß ich aber ganz gewiß, daß, wenn du mir mit deinen Reitern nur ein Haar krümmen wolltest, sie mich als den treuen Heimatsmann nicht im Stiche lassen würden.«

Es waren, als Witiko redete immer mehr Männer aus dem Hofe und seiner Nähe herzu gekommen, sie standen dicht hinter ihm, hielten ihre Spieße in den Armen, und hefteten ihre Blicke auf den Prinzen.

Dieser aber rief: »So gehe zu Wladislaw, du treubrüchiger Hund, der du das Brod meines Vaters in Hostas Burg gegessen, und die Güte meiner Mutter erfahren hast; aber wisse, wenn ich dich im Kampfe treffe, so soll nicht ein Tropfen Blut in deinen Adern bleiben, den nicht die Erde trinkt, und wenn du jetzt mit deiner Rotte die Reiter, welche um mich sind, beschädigen wolltest, so werden wir mit unsern kriegsgeübten Schwertern eher eine unermeßliche Schmach unter euch anrichten, ehe ihr uns nur ein kleines Unheil zufügen könnt.«

[] »Sei ruhig, Wladislaw«, sagte Witiko, »wenn du mich in dem Kampfe triffst, so tue mit mir, wie du Macht hast; wenn ich in den Kampf gehe, so ist es ja eben nicht, daß ich mir dadurch mein Leben sichern will; hier aber will ich dich nicht ergreifen. Wenn diese da um mich zu dem Herzoge gehen, werden wir dich in der Schlacht finden, und weil du Blut und Flammen über das unschuldige Land hervorrufen geholfen hast, da du der Dienstmann eines Aufrührers geworden bist, so werden wir dieses Land im Kampfe verteidigen, so gut oder so schlecht wir es verstehen, die wir vom Walde gekommen sind.«

»Das ist recht«, rief eine Stimme hinter Witiko.

»Das ist recht«, riefen sogleich viele Stimmen.

Wladislaw sagte nach diesen Rufen etwas auf seine Reiter zurück, sie machten eine halbe Wendung zur Seite, und ritten die Blicke auf Witikos Umgebung heftend fort. Als sie eine Strecke zurückgelegt hatten, wendeten sie ganz, und eilten davon. Sie ritten aber nicht gegen Abend, um, wie Wladislaw gesagt hatte, zu kundschaften, sondern gegen Morgen, von woher sie gekommen waren.

Witiko aber war ruhig stehengeblieben, die Männer hinter ihm auch.

Als die Reiter schon weit entfernt waren, und man nur mehr einen schwachen Staub erblicken konnte, wo sie ritten, wendete sich Witiko zu den Männern, und sagte: »Ihr habt es nun gehört, was sie wollen. Die Geschwätzigkeit dieses Mannes hat uns mehr geoffenbaret, als wir je auszukundschaften im Stande gewesen wären. Sie haben sogar ein Papier aufgesetzt, auf welchem geschrieben steht, was der neue Herzog den Fürsten und hohen Herren zahlen wird, wenn sie ihn auf den Herzogstuhl setzen, und den Preis wird nicht er entrichten, sondern das Volk und die kleinen Leute werden ihn zu tragen haben, deren Beschützung die hohen Herren dem Herzoge [] Wladislaw so übel nehmen, wie dieser Mann da so eben gesagt hat. Darum sind die Söhne Přemysls dem Gesetze des Blutes zuwider aufgestanden, weil sie Raub wollen, darum ist der mächtige Herr und Leche Načerat nach Mähren gegangen, weil er den Vorteil, den er durch die Erhebung Wladislaws, der früher mit seinem Sohne und dessen Freunden umgegangen ist, nicht gefunden hat, und ihn nun bei Konrad sucht. Der weise Bolemil hat alles vorausgesehen, da er auf dem Wyšehrad gesagt hat, sie werden alle Mal wieder einen Herzog wählen, wenn ihnen der gewählte nicht recht tut. Ich weiß nun, was mir obliegt, ich brauche nicht länger hier auf Kundschaft zu verweilen, ich reite zu dem Herzoge. Was ihr auch tun wollt, so glaube ich, daß ihr nicht länger mehr bei diesem Hofe verweilen sollet, damit nicht die Mährer kommen, und euch belagern, und damit nicht eure Macht gelähmt oder vertilgt werde, die, wenn sie auch nicht groß ist, doch dort, wo sie einwirkt, zur Entscheidung beitragen kann.«

Nach diesen Worten sprang Rowno hervor, und rief: »Witiko von Plana, du Sohn deines Vaters Wok, du hast recht gesprochen; wenn du auch jung bist, so verstehst du doch schon, was ich gesagt habe. Sie wollen uns unterdrücken, sie wollen uns berauben, daß sie noch mehr prassen können, als bisher. Du meinst es gut mit denen, die nicht große Macht und großen Glanz haben, andere auszubeuten, und du meinst es gut mit dem Volke, das im Schweiße seines Angesichtes sein Brod erwirbt. Ich werde mein Pferd satteln lassen, und meine Reiter werden ihre Pferde satteln, und wir werden mit dir zu dem Herzoge reiten. Meine Fußgänger werden sich rüsten, und uns folgen.«

Dann trat Diet von Wettern hervor, und sagte: »Sie sollen uns nicht in unserem Besitze stören, den wir von unseren Vätern ererbt haben, und den wir erweitern wollen, [] und den sie verschlingen wollen, wenn ihnen der neue Herzog mehr Macht gibt. Du siehst jetzt, Witiko, daß es wahr ist, was ich gesagt habe, daß Wladislaw der rechte Herzog ist, der uns schützt. Ich gehe mit meinen Reitern, die die Waldpferde haben, und mit meinen Fußgängern, die sich aus dem Walde Spieße geholt haben, mit dir zu dem Herzoge.«

Dann sagte Wernhard von Ottau: »Ich gehe mit meinen Leuten auch mit dir, Witiko, zu dem Herzoge.«

Hierauf trat Osel von Dub vor, und sprach: »Ich habe meinen drei Knaben die Haare festlich beschneiden lassen, daß sie in das Jünglingsalter eintreten, und tüchtig werden, ich habe sie mit mir in das Feld genommen; aber ich wollte eher, daß sie tot und blutig auf dem Felde liegen bleiben, als daß der Übermut geduldet würde, den jener blau gekleidete Knabe, der in der Sonne schimmerte wie ein Falter, vor uns dargelegt hat. Es ist nicht so geworden, wie wir in Rownos Turme gesprochen haben, Witiko, Diwiš, Bolemil, Lubomir sind nicht Verräter geworden, sondern Načerat, und die andern, die ich für Stützen gehalten habe. Möge dieser schurkische Načerat in den tiefsten Grund der Hölle fahren. Ich führe meine drei Knaben und meine Männer mit dir zu dem Herzoge, Witiko.«

»Ich gehe auch mit dir, Witiko«, sagte Wolf von Tusch.

Hierauf rief eine gewaltige Stimme in dem Haufen: »Lasset mich reden.«

»So rede, du Mann unter den Leuten«, rief Rowno, »und komme hervor.«

Da drängte sich unter den Männern, welche hinter Witiko standen, einer nach vorwärts, der groß gewachsen war, und breite Schultern hatte, die mit grobem grauen Wollzeuge bedeckt waren. Er hatte statt des Spießes nur eine eiserne Stange, und an seinem linken Arme hing mit einem Riemen eine eiserne Keule. Es war Peter Laurenz, [] der Schmied von Plan. Da er heraus gekommen war, und im Freien stand, sprach er nicht.

»So rede nun«, sagte Rowno.

Der Mann suchte seine Stimme zu sammeln, wendete sich gegen die Leute, und sprach: »Männer von uns! ihr habt es gesehen, wie der junge Reiter gekommen ist, und was er da für Dinge gesagt hat, wie die großen Herren wachsen sollen. Das müssen wir nicht dulden. Witiko hat es recht gesagt und Rowno und Osel und die andern. Ihr wisset, wie der junge Witiko im Winter in seinem Hause in Plan die Einkehr genommen hat, und er ist da geblieben, und ist zwei Jahre da geblieben, und er wäre nicht fortgegangen, wenn er nicht in den Krieg gegangen wäre, und wir sind auch in den Krieg gegangen. Er hat das Gewand getragen wie wir, wir sind an seiner Leuchte gesessen, da es Winter war, er ist auch an unserer Leuchte gesessen, und hat uns nicht verachtet, und ich habe sein Pferd beschlagen, und er hat mit mir geredet, sein Haus steht bei uns, wir sollen ihn auch nicht verachten, und ihn zu unserm Führer wählen die von Plan, daß wir zusammenhalten und uns nicht zerstreuen.«

»Das ist recht«, rief Tom Johannes der Fiedler, »das hätte ich längst gesagt, und hätte es besser gesagt.«

»Wie hättest du es denn gesagt, du Fiedelbogentropf«, rief der Schmied, »und warum hast du es denn nicht gesagt, wenn du so vernünftig bist?«

»Streitet nicht«, rief David der Zimmerer, »Witiko soll uns führen, weil er es besser versteht als wir.«

»Er soll uns führen«, rief eine Stimme.

»Er soll uns führen, weil er mehr Verstand hat als ihr alle«, rief Tom Johannes der Fiedler, »ich hätte einen zierlichen Antrag gestellt.«

»So schweige du Geiger«, rief Christ Severin der Wollweber, »wir sollen zusammenhalten im Leben und Tode, daß wir etwas vorwärts bringen, und da soll uns Witiko führen.«

[] »Er soll uns führen«, riefen viele Stimmen.

»Er soll uns führen«, wiederholten noch mehrere.

Dann war es still.

Dann sagte Witiko: »Liebe Freunde und Heimatgenossen, wir wollen von der Sache noch später reden, ich will euch, daß wir beisammen bleiben, zu dem Herzoge führen, und wir wollen hören, was er sagt. Und wenn es ihm genehm ist, und ihr es noch wollt, so will ich gerne getreu zu euch halten, und mich bestreben, daß ihr wirken könnt, wie es sich ziemt, und daß ihr nicht leichtfertiger Weise Schaden leidet.«

»Ja, so ist es«, rief Tom Johannes, »und das ist gut gesprochen.«

»So ist es«, rief eine Stimme.

»Er ist ein guter Mann«, rief ein anderer.

»Er soll uns führen«, riefen viele.

Dann, als es stille war, rief der von Hora: »Witiko, ich gehe mit dir zu dem Herzoge.«

Und dann sagte der von Attes: »Witiko, ich gehe auch mit dir zu dem Herzoge.«

Nun trat ein Mann hervor, der einen zähen Schaft von Ebereschen hatte, und ein weites geschürztes dunkles Gewand trug, und sagte: »Ich gehöre zu den Hlenici, und ich meine, wir sollen uns unter die Führerschaft Rownos stellen, der unser Nachbar ist.«

»Unter die Führerschaft Rownos«, riefen viele Stimmen.

Dann trat ein anderer Mann gleichfalls im weiten Gewande und mit einem Ebereschenschafte hervor, und sagte: »Ich gehöre nach Horec, und wir mit den Ebereschenschäften sollen alle zu Rowno stehen.«

»Zu Rowno«, riefen viele Stimmen.

Dann trat einer mit faltigen Lederstiefeln groben grauwollenen Beinbekleidungen einem Rocke desselben Stoffes mit Haften und einer schwarzen Filzhaube auf dem Haupte vor, und sagte: »Ich gehöre zu denen, die im [] Kirchenschlage reuten, und meine, wir sollten zu Diet von Wettern stehen, bei dem wir nahe sind.«

»Zu Diet von Wettern«, riefen mehrere Stimmen.

Jetzt trat einer hervor, der feste Lederstiefel hatte, deren Sohlen mit Eisen beschlagen waren, der aber sonst gekleidet war wie der frühere. Er sagte: »Ich bin von dem schwarzen Bache, und wir, die wir an der Moldau sind, und die Ahornschafte tragen, die an der untern Moldau und die vom Eckschlage und vom Rathschlage, wir sollten zu denen von Plan und Witiko halten.«

»Zu Witiko«, riefen viele Stimmen.

»Und wir vom Wangetschlage«, sagte einer, ohne vorzutreten, »gehören zu Witiko, weil er ein Haus bei uns besitzt.«

»Zu Witiko«, riefen einige.

»Wir in Friedberg gehen auch zu Witiko, dessen Haus im Wangetschlage unser Nachbar ist«, rief einer.

»Wir gehen zu Witiko«, riefen ihm mehrere nach.

»Und wir, die wir von Friedberg an der Moldau hinab sind, gehören zu Friedberg«, rief eine Stimme aus dem Haufen.

»Zu Friedberg«, antworteten andere.

Jetzt rief niemand mehr.

Die Knechte Witikos Raimund und Jakob hatten indessen ihre Pferde gezäumt und gesattelt, sie ritten heraus, und stellten sich zu Witiko.

Witiko aber sagte: »Rowno, Diet von Wettern, Osel, und ihr andern, liebe Freunde, die Reiter, welche bei uns gewesen sind, kommen heute noch in das Lager ihrer Freunde. In der Nacht kann von dorther aus Zorn und Rache eine große Abteilung aufbrechen, und in den Frühstunden des Tages belagern sie diesen Hof. Ich meine, wir sollen in der Nacht beraten, uns ordnen, etwas Speise genießen, und ehe der Tag zu grauen beginnt, unsern Zug zu dem Herzoge antreten.«

[] »So ist es gut, und so tun wir«, sagte Rowno.

»Wir tun so«, sagte Diet.

»So tun wir«, riefen alle.

»Die Männer müssen sich nun einteilen, wie sie gesagt haben«, sprach Witiko.

Der Haufen löste sich, und ordnete sich anders, viele gingen in den Hof, andere blieben heraußen. Witiko ritt in das Gebäude, und die Seinen begleiteten ihn.

Als der Abend gekommen war, hielten sie insgesamt Beratschlagung, dann aßen sie, dann ordneten sich die Männer, wie sie im Zuge zu gehen hatten, und ehe noch irgend ein Schein des Tages auf den Berg Wysoka fiel, begann der Zug.

Es waren drei Abteilungen, die Witikos, Rownos und Diets von Wettern. Osel führte ein Teilchen, das er zu Rowno stellte, darunter die drei Knaben, jeder mit einem Schwerte und jeder auf einem falben Pferdchen. Wernhard von Ottau, Wolf von Tusch und die von Hora und Attes und die vom Rosenberge waren noch besondere Häuflein; aber sie schlossen sich zu Abteilungen.

In der Mitte des Zuges waren die Karren mit der Habe, die teils von Pferden teils von Menschen gezogen wurden.

Sie gingen auf den Anhöhen zwischen Gesträuchen und auf Feldwegen, welche ihre Späher in den Tagen vorher erkundet hatten, dahin, damit, wenn Reiter auf sie eindringen wollten, dieselben schwer oder nur einzeln auf sie heran kommen könnten. Es kam aber keiner. Als die Morgenröte von Mähren her aufging, waren sie schon weit von ihrem Platze, und ehe die Sonne zum Abende neigte, stiegen sie zu der Ebene hinab, in welcher sich Wladislaws Lager befand, das weit verteilt war, und in dessen Mitte ein großes rosenfarbenes Banner wehte. Sie wurden, als man sie erkannt hatte, und als sie ihre Absicht angegeben hatten, zu denen gestellt, die von dem [] Walde gekommen waren; denn der ganze Wald in seiner Länge hielt zu Wladislaw. Sie kamen zu denen, die weiter von Plan hinauf waren. Da standen die von Prachatic, die in den Schneehäusern wohnten, die in Wallernreut waren, die bis zu den Wildnissen des Ursprunges der kalten und warmen Moldau hinauf streiften, die vom Winterberge, die von dem Berge des reichen Gesteines, und andere.

Die Männer schritten daran, sich seßhaft einzurichten. Besonders suchten sie Stellen, auf welchen sie Feuer anzünden konnten, um an denselben kochen, und neben denselben ruhen zu können.

Witiko besorgte sein Pferd an einer guten Stelle, empfahl es dann der Obhut Jakobs und Raimunds, und verlangte zu dem Herzoge. Ein Mann von denen aus dem Walde, die schon länger da waren, erbot sich, ihn zu führen. Er ging voran, Witiko folgte. Sie kamen an allerlei Menschen vorüber. Zunächst waren noch die aus dem Walde. Sie hatten fast keine Zelte. Sie hatten sich trockene Stellen ausgesucht, hatten dort Feuer angezündet, welche mit Klötzen großer Bäume oder mit Zaunpfählen oder Dachbalken genährt wurden, und hatten sich auf grobe Hüllen zu den Feuern nieder gelegt. Einige kochten Speisen. Die Ahornschäfte oder die Schäfte aus Ebereschen oder die Spieße aus der Steinbuche staken in Spitzhaufen neben einander in der Erde. Die wenigen Pferde waren in Stände verteilt, und mit Decken verhüllt. Dann kamen die von den fruchtbaren Feldern in dem Abende des Landes. Sie hatten grobe Linnen über Stangen gebreitet, darunter zu ruhen. Witiko sah die Leute Bolemils. Sie waren alle bei einander. Die großen starken Männer, die er gesehen hatte, standen in einem Haufen, und blickten auf ihn. Den grünen Reiter sah er auch, der mit ihm gesprochen hatte, und mehrere, die an ihm vorüber gezogen waren. Es redete keiner von ihnen mit [] ihm. Es war ein großes schönes Gezelt aus wachsgetränkter Leinwand da, welches aber leer und offen war, daß die Luft durchziehen konnte.

»Da drinnen wohnt ihr Führer Bolemil«, sagte der Mann, der bei Witiko war, »aber er ist jetzt bei dem Herzoge.«

Die Pferde der Männer standen in langen Reihen von Ständen dahin. Dann kamen die aus der Mitte des Landes. Sie hatten viele Zelte. Sie trugen die weiten Gewänder mit metallenen Gürteln hoch hinauf geschürzt, und hatten Hauben tief in Stirn und Nacken geschnitten. An den Zeltstangen hingen zahlreiche Bogen und Köcher so wie Schilde und andere Geräte. Tische und Bänke standen da, und Weiber verrichteten Hausgeschäfte. Dann kamen die Krieger von Prag. Sie hatten bunte Gezelte schöne Waffenkleider Schwerter Lanzen Schilde glänzende Kissen und Decken und mutige Pferde in langen Reihen. Die Pfeifer und Flötenspieler ließen fröhliche Weisen hören.

»Da gehest du nun über den breiten Raum, der hier leer ist, und von den Kriegsleuten, die auf ihm verteilt sind, wird dich einer fragen, und dich zu dem Herzoge führen«, sagte der Mann, der Witiko geleitet hatte, »das graue große und lange Gezelt, vor dem die Stange mit dem roten Banner ist, gehört dem Herzoge. Weiter hin, wo die Federn auf den Gezelten sind, lagern die von Dečin, welche Chotimir anführt, und dann sind die, welche von dem Riesengebirge gekommen sind. Den Rückweg zu unserem Lager wirst du schon allein finden.«

»Ich werde ihn finden«, sagte Witiko, »und ich danke dir für dein Geleite.«

»Nichts zu danken«, sagte der andere, und trat seinen Rückweg an.

Witiko ging auf dem Platze vor dem langen grauen Gezelte, davor das rosenfarbene Banner wehte, vorwärts, Hier war es weniger prunkend als in dem Lager der [] Prager Krieger. Einige Abteilungen von Kriegern standen wohlgerüstet und geordnet da, manche Männer saßen auf den Pferden, Diener hielten ledige Pferde, und Geleite schienen auf Herren zu warten. Als Witiko in gerader Richtung gegen das graue Gezelt ging, trat ihm ein Mann aus einer Rotte, die mit ihren Speeren da stand, entgegen, und sagte: »Wer bist du, und wohin gehst du?«

»Ich bin Witiko von Přic, und gehe zu dem Herzoge«, antwortete Witiko.

»Du mußt hier warten«, sagte der Mann.

Witiko blieb stehen, und wartete.

Der Mann ging zur Rotte, und sagte einem etwas. Dieser trat vor, ging gegen das Gezelt, kam wieder zurück, und machte die Meldung. Der Mann, welcher Witiko aufgehalten hatte, trat nun wieder zu ihm, und sagte: »Du bist der rechte Witiko in dem ledernen Gewande, und darfst zu dem Herzoge gehen.«

Witiko schritt nun ungehindert bis zu dem grauen Gezelte. Vor demselben standen Krieger, und ein Mann in einem glänzenden Waffenkleide sagte zu Witiko: »Witiko, du mußt hier warten, bei dem Herzoge ist Rat.«

Witiko sah den Mann an, der seinen Namen genannt hatte, er kannte ihn aber nicht.

Er blieb bei den Kriegern stehen.

Nach einer Stunde kam ein junger schlanker Mann aus dem Gezelte. Er hatte schwarze Haare, auf denselben eine schwarze Haube mit einer kurzen grauen Reigerfeder, um die Brust hatte er ein schimmerndes Waffenhemd, und von dem stählernen Gürtel hing in rotsammetner steinbesetzter Scheide das Schwert. Witiko blickte gegen ihn, und rief: »Odolen!«

»Ja, du lederner Reiter, bist du endlich gekommen, du toller Kopf, gehe hinein, daß dich der Herzog strafe«, sagte der andere, nahm ihn bei der Hand, schüttelte sie [] ihm, und sah ihm mit den schwarzen Augen freundlich in das Angesicht. Dann schob er mit dem andern Arme die Falte des Gezeltes bei Seite, und führte Witiko in das Innere.

Dasselbe war ein großer langer Raum, in welchem ein langer Tisch aus Tannenholz stand von vielen Feldstühlen umgeben. Witiko sah hier viele Leute, die er kannte. An dem oberen Ende des Tisches saß Wladislaw der Herzog. Sein Haupt war entblößt, und hatte die blonden Haare nieder gestrichen. Die schwarze Haube mit der kurzen geraden weißen Feder lag neben ihm auf dem Tische. Er hatte ein Panzerhemd an, und dunkelbraune Kleider. Der Gürtel war aus Metallfäden gewirkt, und das Schwert hatte eine braunsammetne Scheide ohne Steine. Neben ihm saß auf einem Stuhle der greise Bolemil in schwarzem Sammetgewande. Links von ihm und ein wenig weiter zurück stand Zdik der Bischof von Olmütz mit seinem braunen Barte und in Waffenrüstung. Dann saß Diwiš der Kastellan von Saaz in dunklem Gewande, und dann Lubomir in schwarzem Kleide mit dem weißen Barte und den weißen Haaren. Neben Bolemil standen zwei Äbte mit Kreuzen und in der Rüstung. Den einen erkannte Witiko als den von Kladrau, der ihn vor zwei Jahren in der Versammlung auf dem Wyšehrad vorgestellt hatte, den andern hielt er für den Abt von Břewnow. Hinter ihnen stand jener Priester Daniel in Rüstung, der das Kreuzlein beglaubigt hatte, welches Witiko nach Prag mitgegeben worden war. Dann sah er Ben, welcher in der Versammlung auf dem Wyšehrad der zweite Führer des Hauses gewesen war, und neben ihm Smil, den er auch in der Versammlung gesehen, und den er schon auf dem sächsischen Zuge als Kriegsanführer kennen gelernt hatte. Dann erblickte er noch Nemoy von Netolic und Ctibor von Austi, und an der Stelle, wo er herein gekommen war, standen junge [] Männer, die er in jenem fröhlichen Ritte hinter der Župenstadt Chynow bei dem scharlachroten Reiter gesehen hatte, der jetzt Herzog war, Odolen, Welislaw, die zwei Söhne Smils, Ben der jüngere, Casta der jüngere. Sonst waren noch Männer und Herren da, welche Witiko nicht kannte. Vor dem Bischofe Zdik saß neben dem Herzoge ein Mann in schöner kirchlicher Kriegertracht, es war Otto der neuerwählte Bischof von Prag. Er schien den Ehrenplatz an der andern Seite des Herzogs dem greisen Bolemil überlassen zu haben. Neben dem Bischofe standen zwei junge Männer. Sie waren veilchenfarb gekleidet, hatten ein schimmerndes Waffenhemd, einen silbernen Gürtel, und auf dem Haupte eine veilchenfarbene Haube mit einer geraden grauen Feder. Sie waren die Brüder des Herzogs Diepold und Heinrich, die sich gleich gekleidet hatten. Dann waren noch Božebor und Wšebor da in Waffenhemden, die alten Männer Preda und Milota in weiten gegürteten Gewändern, dann Bartholomäus und Gervasius in kriegerischem Priesterschmuck, Chotimir und Předbor in Rüstungen, und mehrere andere.

Als Witiko eintrat, waren die meisten der Herren von ihren Sitzen schon aufgestanden, und sprachen mit einander.

Auf dem Tische neben dem Herzoge lagen mehrere Schriften.

Da Witiko durch die Zahl der jungen Männer, die am Eingange standen, vorwärts in den freien Raum getreten war, wurde es stiller, und manche Blicke wendeten sich auf ihn.

»Tritt näher, Witiko«, rief der Herzog.

Witiko ging bis zu dem Herzoge vorwärts, und verneigte sich. Dieser stand auf, reichte ihm die Hand, und sagte: »Sei willkommen. So bist du doch gekommen, dem schlimmen Herzoge zu dienen? Oder bringst du ihm die [] Absage in eigener Person, wie du es getan hast, nachdem ihm andere in Prag gehuldigt hatten?«

»Nein, hoher Herr«, entgegnete Witiko, »ich bin gekommen, dir zu dienen, und bringe einige arme Waldleute mit.«

»Ich weiß es«, antwortete der Herzog, »es ist mir schon gesagt worden. Du bist in den Wald trotzen gegangen, Witiko, bist du nicht ein unvernünftiger Mann?«

»Ich habe die Vernunft in einer andern Gestalt als in der ihrigen nicht erkannt«, sagte Witiko.

»Da war gar keine Vernunft in gar keiner Gestalt, als du mich kennen lerntest«, entgegnete der Herzog, »aber du hättest die Zeit abwarten sollen.«

»Ich bin von dir fortgegangen, hoher Herr«, sagte Witiko, »weil ich dem Herzoge Soběslaw, wenn er auch tot war, dienen wollte, und weil, wenn auch Soběslaw seinem Sohne Wladislaw geraten und ihm geboten hatte, sein in Sadska erworbenes Nachfolgerecht auf dich zu übertragen, er es nicht getan hat, und mir sein Recht zu bestehen schien. Jetzt aber hat er es weggeworfen, und auf einen unbefugten Mann kommen lassen, und es fällt auf dich, weil du gewählt bist, und dich Soběslaw anerkannt hat, du bist der Herzog, und ich bin gekommen, meine Pflicht zu erfüllen.«

»Seht ihr, die ihr dort unten steht, ich habe es gesagt, daß er kommen wird«, entgegnete der Herzog, »und es freut mich, daß du es wahr gemacht hast, Witiko, du gutes junges Blut. Das Land bedarf der Ehre, und hier ist sie um mich versammelt. Du darfst nun so wie diese Männer, die du hier siehst, ohne daß dich meine Wachen aufhalten können, zu mir in mein Zelt kommen, wenn du willst. Du und dein Anhang werdet auf dem äußersten rechten Ende des Heeres sein, und Smil wird die Oberleitung bei euch übernehmen. Ihr könnet dann meinem treuen Diener Načerat begegnen, der von Mähren [] gegen uns herüber kommen wird. Eure Untereinteilungen und Führerschaften möget ihr behalten, wie ihr sie eingerichtet habt, daß die beisammen sind, welche sich lieben, und sich wechelweise zu verteidigen geneigt sind. Jetzt gehabe dich wohl, Witiko, und komme bald wieder zu mir.«

Witiko verneigte sich, und trat zurück. Als er vor dem alten Bolemil vorüber ging, neigte er sich auch vor diesem.

Bolemil sagte zu ihm: »Du hast den rechten Weg gefunden, mein junger Knabe. Es freut mich deinetwillen.«

»Ich habe es ihm gesagt, daß er ihn finden wird«, sprach über den Tisch herüber Lubomir.

»Du hast gut getan wie auf dem Wyšehrad, mein Sohn«, sagte Diwiš.

Witiko ging bis zu den jungen Männern, die an der Tür standen. Sie umgaben ihn, begrüßten ihn, reichten ihm ihre Hände, und drückten die seinigen.

Der Herzog aber rief: »Ihr Herren, Bischöfe Prinzen Lechen Führer und andere! Wir haben beraten, und was beschlossen worden ist, wird in Vollzug gesetzt werden. Ich verabschiede euch für heute, daß ihr die Zeit dieses Tages noch für euch verwendet. Ich danke euch, und bitte euch, daß ihr dem Lande wieder zur Seite steht, wenn es eurer bedarf.«

Nach diesen Worten neigte er sich vor der Versammlung, nahm seine Haube von dem Tische, und setzte sie auf das Haupt.

Die Männer, die noch gesessen waren, erhoben sich, alle in der Versammlung grüßten gegen den Herzog, und begannen, sich aus dem Gezelte zu entfernen.

Die jungen Männer, welche an der Tür standen, wichen zu beiden Seiten zurück, und es gingen an ihnen die Bischöfe die Prinzen die Lechen die Führer und die älteren Männer hinaus. Da dieses geschehen war, nahmen die [] jüngeren Witiko in die Mitte, und führten ihn auch in das Freie. Dort warteten sie wieder. Den Prinzen Diepold und Heinrich wurden von Dienern ihre Pferde zugeführt, sie bestiegen dieselben, und ritten mit einem Gefolge nach ihrem Lager. Die Bischöfe gingen zu ihren Pferden, und ritten in einem Geleite von Priestern und Dienstmännern gegen ihre Gezelte. Bolemil wurde in die Sänfte gehoben, von vielen, die mit ihm in das Lager gekommen waren, umringt, von den Sänftenmännern gehoben, und fortgetragen. Lubomir ging zu Witiko, blickte ihn freundlich an, und sagte: »Wenn alles vorüber ist, und uns Gott erhalten hat, dann komme wieder nach Daudleb, Witiko, und nimm eine gern gegebene Gastfreundschaft an.«

»Ich werde kommen, wenn es Gott gefällt«, antwortete Witiko, »und werde wieder wie früher Eure gütigen Worte hören.«

Dann trat Lubomir zu den Seinigen zurück, und seine Söhne und seine Töchtermänner umringten ihn. Sie stiegen alle zu Pferde, und schlugen den Weg in ihr Lager ein.

Smil sagte zu Witiko: »Wir werden unser Werk mit einander schon in Eintracht vollführen, junger Kriegsmann.«

Dann ging er zu seinem Gefolge.

Die andern zerstreuten sich alle nach ihren Richtungen.

Jetzt fingen auch die jungen Männer an, den Platz zu verlassen.

Odolen Welislaw, die Söhne Smils, Casta und Ben die jüngeren, denen sich noch einige junge Krieger anschlossen, erboten sich, Witiko zu den Seinigen zu begleiten. Er sagte, daß er kein Pferd mit sich genommen habe. Sie ließen also ihre Pferde auch bei ihren Dienern zurück, und gingen mit ihm auf dem Wege, auf dem er hergekommen war, zu den Waldleuten.

[] Die Männer von Plan hatten indessen für Witiko ein Zelt errichtet. Sie hatten grobe Wolltücher, wie sie an Säcken oder Bündeln auf den Gepäckkarren hatten, über schiefe Stangen gedeckt, und im Innern aus Pfählen und Brettern ein Bänklein ein Tischlein und ein Lager gemacht, auch stand die kleine Truhe darinnen, in welcher Witiko seine Feldhabe hatte. Vor dem Gezelte brannte ein Feuer, und an demselben kochte der rotwangige Neffe des Schmiedes von Plan Urban eine Speise. Die Knechte Witikos Jakob und Raimund halfen ihm. Weiterhin brannten noch mehrere Feuer, an denen Leute lagerten. Als die Männer von Plan Witiko in dem Geleite der jungen Krieger mit den schönen Gewändern kommen sahen, standen viele auf, und blickten erstaunt auf sie. Die Begleiter Witikos aber schüttelten ihm die Hand, verabschiedeten sich, er dankte ihnen, und sie gingen wieder zu dem Zelte des Herzoges und zu ihren Pferden zurück.

Witiko ging in das Zelt, besah es, und dankte denen, die es errichtet hatten. Dann ruhte er ein Weilchen. Hierauf aß er mit mehreren von der Speise, die bereitet worden war, und sah nach seinem Pferde.

Dann ging er an der Zeile dahin, und betrachtete auch noch die anderen Dinge, welche errichtet worden waren. Da hatten sich einige Männer zusammen ein Obdach gemacht, oder einer allein hatte sich eine Haut oder dergleichen gespannt, oder sie hatten für ihren Obmann gesorgt. Rowno hatte ein geräumiges Zelt, so auch Diet von Wettern, Osel war mit seinen drei Söhnen in einem, dann der von Ottau von Tusch und andere.

Es war indessen Abend geworden, und es begann zu dunkeln. Zu dem großen Feuer, welches vor Witikos Zelte brannte, kamen nun Männer, wie sie in Winterabenden zu seiner Leuchte in dem steinernen Hause gekommen waren. Er reichte ihnen Brod und Salz, und sie nahmen [] es. Sie setzten sich an das Feuer, und es wurde von verschiedenen Dingen gesprochen. Als die neunte Stunde sein mochte, entfernten sie sich, und suchten, so weit es anging, die Ruhe. Witiko legte sich im Zelte auf sein Lager. Daneben hatten Raimund und Jakob auf der Erde Schlafstellen.

Am frühesten Morgen sprach Witiko mit Rowno und Diet, was zu tun sei, und riet, daß man die Anordnung und Aufstellung der Männer bewirken, und sehr gut einüben möge. Die beiden andern waren einverstanden. Witiko stellte die, welche sich zu ihm gesellt hatten, auf. Rechts an diese schlossen sich die Leute Rownos, und von diesen wieder rechts waren die, welche zu Diet gehörten. Die Reiter wurden zwischen den Fußgängern in kleinen Häuflein aufgestellt, wie es ersprießlich schien. Unter den Reitern war Osel mit seinen drei Söhnen. Als die Aufstellung vollendet war, löste man sie auf, bildete sie wieder, löste sie wieder auf, bildete sie wieder, und tat dieses mehrere Male, und sagte den Männern, daß man diese Übung alle Tage so lange machen werde, bis jeder genau seinen Platz kenne, und sich alles schnell ohne Wirrnis fügen könne. Die Männer begriffen dieses, und willigten ein. Von Witiko weiter gegen den Herzog zu waren Leute aus dem Waldsaume hauptsächlich aus der Gegend des Plakahofes. Dann kamen die Leute Bolemils. Von Diet gegen rechts waren noch die ferneren Waldleute aus Prachatic Winterberg und weiterhin. Alle diese nahmen an den Übungen nicht Teil, weil sie andern Unterführern gehorchten.

Gegen den Mittag kam Smil mit seinen beiden Söhnen und einer Schar von Reitern zu den Leuten des Waldes, und kündigte sich ihnen als ihr Oberführer an, der nun hier bei ihnen bleiben, und unter ihnen lagern wolle. Er sammelte sogleich einen Rat von mehreren Männern. Da waren Witiko, Rowno, Diet von Wettern, Osel, Wolf [] von Tusch, Wernhard von Ottau, Witislaw von Hora, Hermann von Attes, Wyhon von Prachatic, Wenzel von Winterberg und noch andere. Sie berieten die Aufstellung und Einteilung der Männer. Es wurde die beibehalten, welche schon gemacht worden war. Nur die Reiter stellte Smil anders.

Am Nachmittage wurden ihm und seinen Söhnen und seinem Geleite Zelte gemacht.

An jedem Tage wurden die Übungen fortgesetzt. Zu der andern Zeit durften die Männer auch herum gehen, und sehen, was außerhalb ihres Platzes geschehe, wie sie sich dort übten, oder erlustigten, oder wie neue Zuzüge kamen, oder Lebensmittel eingebracht wurden.

Witiko ging öfter zu dem Herzoge. Auch die andern Unterführer wurden zu ihm beschieden.

Der Herzog kam auch mehrere Male mit seinem Geleite zu den Waldleuten, besah ihre Aufstellung und Einteilung, prüfte sie, belobte sie, munterte sie zu Übungen auf, und sprach mit mehreren.

Die jungen Männer besuchten zuweilen Witiko, und er besuchte sie wieder.

So war der zwanzigste Tag des Monates April gekommen.

An diesem Tage wurde die Weisung gegeben, sich für den zweiten Tag zum Abzuge gegen den Feind zu rüsten. Im ganzen Lager wurde die Weisung vollführt. Die Zelte wurden abgebrochen, die Wagen geladen, und die Leute geordnet.

Mit dem Morgengrauen des zweiundzwanzigsten Tages des Monates April begann die Bewegung. Sie war so geordnet, wie das Lager geordnet gewesen war. Die Waldleute gingen voran. Sie hatten Pfeifer mit langen geraden Pfeifen, die helle Töne gaben. Zunächst hinter ihnen gingen und ritten die aus dem Waldsaume, und hatten Sackpfeifer und Flötenspieler. Weiter von denen kamen Bolemils [] Leute mit Trompeten und Hörnern, und weiter die andern.

Als der Mittag dieses Tages schien, kamen Witiko und Rowno und Diet, und die zu ihnen gehörten, auf dem Berge Wysoka an. Der Hof, den sie früher besetzt gehabt hatten, war nun verbrannt und zerstört. Sie gingen an ihm vorüber, weiter mittagwärts, um auf dem Grün des Berges zu lagern.

Gegen Ende des Tages war das ganze Heer auf dem Berge angekommen.

Der nächste Tag wurde dazu verwendet, sie so aufzustellen, wie die Kampfbereitschaft es forderte. Sie lagerten nun in dieser Ordnung.

Da der Morgen des vierundzwanzigsten Tages des Monates April angebrochen war, konnte man die Scharen der Verbündeten sehen, und die weißen Banner derselben in dem Grün des Landes erblicken.

Es trafen hierauf Boten von den Feinden ein, welche Friedensfähnlein trugen, und berichteten, daß mehrere der großen Herren und Lechen, die bei Konrad wären, zu Wladislaw kommen wollten, um mit ihm den Streit friedlich beizulegen.

Bolemil, der herbeigetragen wurde, sagte: »Höre sie, Herr, vielleicht ist doch noch der morgige Tag zu wenden.«

Der Herzog sagte: »Ich werde sie hören.«

Er ließ Friedensfahnen aufstellen, und melden, daß die Lechen kommen sollen.

Er berief die Seinen zusammen. Es war auf dem Platze vor dem verbrannten Hofe. Er und die Herren saßen auf Stühlen, die jüngeren Männer standen, und hinter ihnen im großen Kreise waren Reiter und erlesene Fußgänger aufgestellt.

Gegen den Mittag erschienen die Lechen. Sie kamen mit einem großen Gefolge von Reitern heran. Als sie gegen den Herzog ritten, wurde ihnen das Zeichen zum Halten [] gegeben. Sie hielten. Die Herren stiegen von den Pferden, die Reiter stellten sich hinter ihnen dicht geschart auf. Die Herren näherten sich dem Herzoge. An ihrer Spitze ging in ein weites geschürztes rotsammetnes Gewand gekleidet entblößten Hauptes Načerat, neben ihm war der alte Mikul und der alte Rodmil, dann war Znata der Bruder Načerats, sie waren auch in weite geschürzte Gewänder gekleidet. Dann waren noch Domaslaw, Slawibor, Drslaw und Jurata in Rüstung. Alle hatten die Häupter entblößt.

»Setzt euch, und bedeckt euch«, sagte der Herzog.

Sie setzten sich auf die Stühle, die dem Herzoge und den Seinigen gegenüber aufgestellt waren, und bedeckten ihre Häupter.

»Es rede, wer von Euch zum Reden erlesen ist«, sagte der Herzog.

Da erhob sich Načerat, entblößte neuerdings sein Haupt, und wollte sich dem Herzoge nähern.

»Načerat«, rief dieser, »im Feldrate raten wir immer sitzend und bedeckt, und wir wollen es heute auch so halten.«

Načerat befolgte die Weisung, und sprach dann von seinem Sitze: »Erlauchter Sprößling des geheiligten Stammes Přemysl, hochgeehrter Sohn des ruhmreichen und milden und gütigen Herzoges Wladislaw! mich sendet Konrad der Herzog der Länder Böhmen und Mähren an dich, und bietet dir seinen liebreichen Gruß als Vetter und Herr, es bieten dir die liebreichen Grüße Wratislaw von Brünn, Otto von Olmütz, Spitihněw und Leopold, dann Wladislaw der Sohn des letzten ehrwürdigen Herzoges Soběslaw lauter Vettern von dir und Sprossen des heiligen Stammes Přemysl. Sie wollen dir nur Liebes und Gutes, sie wollen, daß kein Blut vergossen werde, und daß keine weitere Habe mehr von den armen Leuten dieser Länder zu Grunde gehe, als zu ihrem großen Schmerze [] und zu unser aller Schmerze schon zu Grunde gegangen ist. Sie lassen dich durch mich fragen, was du begehrest, damit diese Heere, welche sich jetzt gegenüber stehen, sich friedlich als Kinder der nämlichen Länder vereinigen, und dann auseinander gehen. Sie werden mit Freude erfüllen, was dein Herz wünschet.«

»Načerat«, antwortete der Herzog, »Diener der Länder Böhmen und Mähren, der du oft im Rate dieser Länder geredet hast! daß du auch hier wie im Rate reden darfst, danke dem alten Manne mit den weißen Haaren neben mir, den ich verehre wie einen Vater, und den du in der Versammlung auf dem Wyšehrad sprechen gehört hast. Meinen lieben Vettern sage meine Wünsche. Sie sollen das Heer entlassen, und von mir dem Herzoge von Böhmen und Mähren für sich und ihre Verbündeten um Gnade flehen.«

»Hoher erlaubter Herr«, entgegnete Načerat, »du sagst Unmögliches. Konrad von Znaim ist der Herzog der Länder Böhmen und Mähren, er steht mit einem sehr großen Heere vor dir, wie kann es einen andern Herzog geben? Er wird dir mit vieler Liebe Znaim und weitere Ländereien erteilen.«

»Und wie ist Konrad von Znaim der Herzog der Länder Böhmen und Mähren geworden?« fragte der Herzog.

»Er ist von den erhabenen Söhnen des Stammes Přemysl und von den großen und mächtigen Lechen und Herren dieser Länder dazu gewählt worden«, antwortete Načerat.

»Hier sitzt mein Bruder Diepold, ein Sohn des Stammes Přemysl«, entgegnete der Herzog, »neben ihm sitzt Heinrich mein Bruder, ein Sohn des Stammes Přemysl, dann bin ich selber auch ein Sohn des Stammes Přemysl, dort sitzt Otto der Bischof von Prag, neben ihm sitzt Zdik der Bischof von Olmütz, dann sitzen die Äbte von Kladrau Wilimow und Břewnow, dann sitzt Daniel der [] Propst von Prag, und es sitzen andere Priester und Diener Gottes hier. Da sitzt der ehrwürdigste Leche der Länder, Bolemil, dessen Redlichkeit, wie sie sagen, nicht gebeugt werden kann, dann sitzt Lubomir, dann Diwiš, Wšebor, Chotimir, Preda, Milota, und wie du sie weiterhin alle kennest, haben die auch zu Konrads Erhöhung mitgewählt?«

»Sie sind gegen den Herzog in den Waffen«, sagte Načerat, »und ich bin von ihm als Bote zu ihnen gesendet, um ihnen Liebes zu bieten.«

»Am vierten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140«, entgegnete der Herzog, »ist von allen Lechen Herren und Wladyken der Länder Böhmen und Mähren nicht bloß von einem Teile auf dem Wyšehrad ein Herzog gewählt worden, am siebenzehnten Tage des nämlichen Monates ist er auf den Fürstenstuhl gesetzt worden. Wohin ist jener Herzog gekommen, und wann ist Konrad auf den Fürstenstuhl gesetzt worden?«

»Es erfüllet mich mit großem Schmerze, was ich jetzt sagen muß, hoher und erlauchter Herr«, antwortete Načerat, »jener Herzog hat geschworen, daß er die Rechte der Länder schützen und achten werde, und es ist, da er den Fürstenstuhl inne hatte, anders geworden. Die Lechen waren gekränkt, und haben, weil durch den Wegfall des Beschworenen die Wahl nichtig geworden war, den erhabenen Fürsten des Stammes Přemysl Konrad zum Herzoge gewählt. Auf den Fürstenstuhl ist er noch nicht gesetzt, aber er ist jetzt auf dem Wege nach Prag, um dort auf denselben gesetzt zu werden.«

»Hast du die völlige Macht, mit mir vollständig und bis in das Reine abzuhandeln und abzuschließen, Načerat?« fragte der Herzog.

»Ich habe diese Macht«, antwortete Načerat.

»Nun so höre, und handle, und schließe auf folgende Dinge mit mir ab«, entgegnete der Herzog, »oder wenn [] du nicht abschließen kannst oder willst, so verkündige die Dinge denen, die dich gesandt haben. Ich verzeihe den Fürsten des Stammes Přemysl, daß sie sich gegen mich erhoben haben, und belasse sie in ihren Besitzungen und Rechten, ich verzeihe den Priestern Lechen und Herren ihre Empörung gegen mich, und belasse sie in ihren Besitzungen Rechten Ämtern und Würden, ich verzeihe jedem, der gegen mich aufgestanden ist, und werde ihn nicht verfolgen und schädigen, wenn sie sich unterwerfen, die Waffen niederlegen, und die Verzeihung verlangen.«

»Auf diese Dinge kann ich nicht abhandeln und abschließen«, erwiderte Načerat; »denn Konrad ist der Herzog der Länder Böhmen und Mähren, und muß es bleiben.«

»Hochehrwürdige Bischöfe Äbte Priester und Diener des Herrn, Söhne Přemysls Diepold und Heinrich, ehrwürdige Lechen Wladyken und Männer, die ihr um mich versammelt seid«, sagte der Herzog, »habe ich genug getan?«

Otto der Bischof von Prag stand auf, und sagte: »Bolemil möge reden.«

Der Bischof Zdik sagte: »Es rede Bolemil.«

»Bolemil rede«, riefen mehrere Stimmen.

Es wurde stille, Bolemil neigte das Haupt mit den weißen Haaren, und sagte nichts. Nach einer Weile erhob er es, sah den Herzog an, und sprach: »Es ist genug.«

»Es ist genug«, riefen die Stimmen um den Herzog.

»Hebe dich hinweg, Načerat«, sagte der Herzog, »doch halt. Wenn du nicht auf dem höchsten Baume hängst, so dankst du es meinem Wunsche, Blutvergießen zu vermeiden, weshalb ich die Unterhandlung zuließ. Dein Geschick wird dich ereilen. Meinst du, durch die Wahl allein wird der Herzog? Mich hat auch Soběslaw anerkannt. Du bist nie an der Spitze eines Volkes gestanden, das dir traut, das sein Wohl in deine Hände legt, und dem dein [] Gewissen entgegen schlägt, du weißt daher nicht, was in das Herz kömmt, wenn man diese Pflicht übernimmt. Du kennst nur dein Gelüste und die Macht, die du gegen das Volk ausüben möchtest. Du bist nicht das Land, Načerat, und wenn ich jetzt, um das Blut zu schonen, das fließen wird, nachgäbe, so hättet ihr, die ihr Herzoge macht, den Erfolg für euch, der Fürstenstuhl würde in eurer Hand ein Spielzeug, mit dem ihr handeltet, und das Land würde in unabsehliche Verwirrung und Blutvergießung gestürzt werden. Ja, ich will das Land schützen und schirmen, wie ich es geschworen habe, aber gegen euch und euren Übermut. Und wenn mein Vorgänger der ehrwürdige Soběslaw euren Willen nicht tat, und wenn dessen Vorgänger mein gütiger und milder Vater euren Willen nicht tat, und wenn ich bisher deinen Willen nicht tat, Načerat, so werde ich diesen Willen und den Willen derer, die gegen mich in den Waffen stehen, jetzt noch weniger tun. Ihr habt die Zeit gewählt, in welcher der Markgraf Leopold von Österreich tot und sein Bruder Heinrich in die neuen Wirrsale mit Baiern verwickelt ist; aber wenn mir der allmächtige Gott das Leben schenkt, so werde ich die Mittel gegen euch erstreben, bis ich den letzten Zug meines Atems getan habe, und auf euren Seelen liegt das Elend, das entstehen wird. Jetzt gehe.«

»Möge immer Segen und Heil auf deinem Haupte ruhen, erlauchter Herr«, entgegnete Načerat, »ich verabschiede mich, und gehe zu dem Herzoge.«

Načerat erhob sich bei diesen Worten von seinem Sitze, neigte sich in seinem rotsammetnen Kleide vor dem Herzoge, und wendete sich zum Gehen. Die um ihn waren, wendeten sich gleichfalls, setzten wie er ihre Hauben, die sie zum Abschiedsgruße gelüftet hatten, wieder auf das Haupt, gingen zu ihren Pferden, bestiegen sie, vereinigten sich mit ihrer Begleiterschar, und ritten mit dieser davon.

[] »Jetzt rüstet die Schlacht«, riefen zahlreiche Stimmen um den Herzog.

»Es ist noch nicht genug«, sagte der Herzog, »Otto, Bischof von Prag, tritt her zu mir, Daniel, du Priester des Herrn, und tretet hervor Chotimir, Jurik, Nemoy und Ctibor, besteigt schnelle Rosse, nehmt die hundert Reiter meiner Gezelte zur Begleitung, und reitet in Hast mit dem Friedensfähnlein zu Konrad von Znaim und den andern Fürsten des Stammes Přemysl. Wir wissen nicht, ob Načerat ihnen das Rechte von uns sagen wird, und ob er uns das Rechte von ihnen gesagt hat, ihr aber sprecht: Wladislaw der Herzog von Böhmen und Mähren verzeiht jedem Menschen, der an diesem Tage gegen ihn in den Waffen steht, er läßt einem jeden Ämter Würden Besitzungen Rechte, die er hat, und es soll alles sein, wie es zuvor gewesen ist, wenn die Waffen niedergelegt werden, und man zu seiner Pflicht zurückkehrt. Der Herzog tut dieses darum, daß nicht Menschen, welche dieselbe Sprache reden, dieselben Kleider haben, dieselben Fluren bewohnen, dieselben Voreltern zählen, dieselben Gesichtszüge tragen, sich zerfleischen. Ist aber einmal das Blut unseres Landes geflossen, dann muß es gesühnt werden, und die Strafe muß folgen, so hart sie verdient wird. Zu Otto von Olmütz aber sagt: Der Herzog Wladislaw hat dir, den er aus der Verbannung durch eigene Boten zurück geholt hat, das Herzogtum Olmütz gegeben: was kann dir zu Teil werden, Otto, wenn du betest, daß dir gemessen werde, wie du andern gemessen hast? Wenn ihr gesprochen habt, erwartet die Antwort. Unterwerfen sie sich, so reitet mit gehobenen Friedensfähnlein in dieses Lager; verweigern sie es, so senket die Fähnlein, daß wir es von weitem sehen, und uns richten können.«

»Wir werden deine Sendung vollbringen, hoher Herr«, sagte der Bischof von Prag.

Dann entfernten sich die Männer, um ihren Weg anzutreten.

[] Im späten Nachmittage kamen sie mit gesenkten Fähnlein.

Als sie vor dem Herzoge standen, sagte Otto der Bischof von Prag: »Hoher Herr, sie haben deinen Antrag verworfen, und verlangen, daß du kommest, und Konrad huldigest.«

Chotimir warf sein Friedensfähnlein von dem Pferde in das Gras, und sagte: »Daniel hat zu ihnen Worte gesprochen, wie die Priester aus den heiligen Büchern; aber es war vergebens, und sie mögen in die Hölle fahren, die Hunde.«

»Es ist genug«, sagte der Herzog, »kommt zum Rate über die Schlacht.«

Sie setzten sich nun vor dem verbrannten Hofe zum Rate.

Als er geendet war, sagte der Herzog: »So sei also die Ordnung, wie wir beschlossen haben. Nun esse jeder, und bete, und ruhe unter dem Zelte, wenn er ein Zelt hat, auf der Decke, wenn er eine Decke hat, und auf dem Grase, wenn ihm Gras hinreicht. Und ehe der Morgenhimmel sich grau färbt, werden die Zelte und die Wagen und die Geräte hinter uns gebracht, und wir stehen da. Und sobald unsere Späher sich auf uns zurückziehen, und wir die Banner der Gegner vor uns sehen, dann beginnen wir mit der Hilfe Gottes des Allmächtigen, was not tut. Der Ruf des Tages sei: Heiliger Markus!«

Die Männer entfernten sich hierauf von dem Rate, und sie und das Heer genossen ihre Abendspeise, und ruhten dann einige Stunden in der Schlachtordnung.

Ehe der Tage graute, wurden die Hindernisse zurück gebracht, und die Männer stellten sich auf. Witiko nahm seine Waffen, er hatte über seinem Lederkleide das Panzerhemd Adelheids, und sein Schwert hing an dem Gürtel, den sie ihm gesendet hatte. Auf dem Haupte trug er seine Lederhaube, und von dem Sattel seines Pferdes hing heute ein kleiner Schild, den er vorgerichtet hatte. Er bestieg sein Pferd, und ordnete auf seinem Platze seine [] Leute. Er sagte nur die Worte: »Männer, wir gehören zusammen, und wollen beisammen ausharren.«

»Beisammen ausharren«, riefen alle.

Dann stieg er von dem Pferde, und blieb neben ihm unter seinen Leuten stehen. Rechts von ihm stand Rowno mit den Seinigen, und mit Osel und den drei Knaben, dann weiter Diet von Wettern und die andern. Die Waldleute hatten ein rosenrotes Banner von Wladislaw erhalten, und es wehte über ihnen. Links von Witiko befanden sich die aus der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes mit einem rosenroten Banner. Dann waren die Bolemils mit einem rosenroten Banner. Dann stand der Bischof Zdik und Ben mit den Männern der Mitte, dann Lubomir, dann war Diepold mit denen von Prag, und weiterhin, jeder mit einem rosenroten Banner. Dann war der Herzog mit auserlesenen Kriegern. Er hatte das große Banner, das vor seinem Zelte gewesen war. Dann war Chotimir von Dečin, dann Diwiš von Saaz, dann Božebor und Jurik, jeder mit dem roten Banner. Sie standen alle auf dem Berge Wysoka, und man konnte an den roten Seidenbannern die Seinigen absehen.

Als der Morgen helle geworden war, sah man die Feinde gegen den Rand des Berges. Sie hatten weiße Banner, und ihre Reihe war lange hin gedehnt und sehr groß.

Jetzt ging die Sonne auf, und da fielen die Männer von Plan, die um Witiko waren, auf die Kniee, und beteten. Witiko kniete auch nieder, und betete. Und die von Rowno fielen auf die Kniee, und beteten, und die von Diet, und alle weiterhin. Die aber links von Witiko aus der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes knieten nicht. Die Männer des Waldes murrten darüber.

Die Völker unten am Rande des Berges, welche dieselben Kleider hatten, dieselben Vorfahren zählten, dieselben Gesichtszüge trugen, wie die auf dem Berge, rückten nun langsam vor.

[] Witiko trat zu dem Haupte seines Pferdes, liebkoste es, wie man ein vertrautes, vernünftiges Geschöpf liebkoset, und sagte: »Nur heute bleibe treu.«

Das Pferd gab Zeichen auf die Liebkosung zurück.

Dann nahm er den Schild von dem Sattel, und fügte ihn an den linken Arm. Er war weiß, und hatte in der Mitte eine dunkle fünfblättrige Waldrose. Witiko sagte laut, daß es seine Nachbarn hörten: »Wenn es wahr ist, Rose, daß du schon einmal geblüht hast, so blühe wieder.«

Dann bestieg er sein Pferd, stellte sich unter die Seinen, zog sein Schwert, und blieb unter ihnen stehen.

Jetzt kam Smil mit seinen zwei Söhnen und einem Geleite von Reitern nach vorwärts. Er war in sehr schönen grünen Sammet gekleidet, hatte ein schimmerndes Waffenhemd, Steine auf der Schwertscheide und einen Stein an der weißen Feder seiner Haube. Sein Pferd war schwarz mit einer scharlachroten Decke. Seine Söhne trugen auch grüne Gewänder aber lichtere, sie hatten glänzende Waffenhemden und rötlichfalbe Pferde wie einstens bei Chynow.

Smil ritt eine Strecke an den Waldleuten hin, dann hob er sein Schwert, und rief: »Gelobt sei Gott der Herr, ich grüße euch Männer und Brüder, wir wollen einander treulich helfen, und allen hilft Gott.«

Dann stellte er sich zum Befehle unter sie.

Die Reihe der Feinde kam nun so nahe, daß man die Kleider sehen konnte, und daß man zwischen den Kleidern das Schimmern von Panzern zu erblicken vermochte. Sie trugen weiße Abzeichen an sich. Sie erhoben jetzt ein großes Geschrei. Die Männer des Waldes waren ganz still, sie schlossen sich dicht an einander, senkten die Schäfte waagrecht, hielten ihre Köpfe tief, daß sich die Pfeile an den dicken hereingezogenen Filzhauben fingen, und gingen wie überhaupt das Heer Wladislaws vorwärts, indem sie mit ihren schweren Stiefeln in die Erde [] drückten. Und wie der Zusammenstoß folgte, war das Herangehen der Feinde geendet, die Feinde waren nun selber ein Schild gegen die fliegenden Speere und Pfeile, und die Waldmänner drückten vorwärts.

Smil ragte in seinem Schmucke unter ihnen hervor, und lenkte die Ordnung.

Gegen die Männer aus der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes links von Witiko, die nicht zu dem Gebete niedergekniet waren, wurden von den Feinden keine Pfeile gesendet. Aber gegen Smil mehrte sich der Andrang, und es kamen Männer in Panzern zu Pferde, darunter der rothaarige Beneš, der junge Bohuš, der blonde Soben, der hochgewachsene Treba und der junge Stibor. Und sie wurden immer mehr. Aber Smil hielt sie mit seinen Reitern auf, und die zu Fuße neben ihm standen fest, und ließen den Drang nicht vorwärts. Da flog hinter den Panzerreitern ein Pfeil hervor Smil in das Angesicht, daß er tot von dem Pferde fiel. Er wurde von zwei Reitern aufgefangen, und hinter die Reihe getragen. Seine zwei Söhne ritten nun stürmend zur Rache vor; aber sie sanken schnell hinter einander zu Boden, daß die ledigen falben Pferde in die Reihen liefen. Jetzt kam Diet mit den Reitern der Waldpferde zu Hilfe. Die Pferde waren kleiner und schmächtiger als die der Panzerreiter, es kam Rowno mit seinen Männern, Osel mit den drei Knaben, Wernhard von Ottau und Witiko mit mehreren Reitern. Die kleinen Waldpferde flogen sofort unter die Panzerreiter, und Stan der Oheim Rownos stach den blonden Soben vom Pferde, ein Reiter Diets durchbohrte den jungen Bohuš, Treba fiel von der Lanze eines niederen Mannes, und Rowno schlug Stibor zurück. Beneš wich, und es wurde der Platz frei, auf dem die jungen Söhne Smils lagen. Ihre Körper wurden aufgehoben und hinter die Reihe getragen.

Witiko ritt nun schnell zu Rowno rechts, und dann zu [] Diet und zu Wernhard und weiter bis zu Wyhon von Prachatic, und ermahnte zum Vorwärtsgehen, und gab Zeichen zu denen von Winterberg und Bergreichenstein, daß sie vorwärts gehen.

Die Männer des Waldes, auf deren Angesichtern der Zorn zu erblicken war, gingen vorwärts, sie zerstießen nun noch mehr mit ihren schwerbeschlagenen Stiefeln den Boden, und rannten nieder, was sich ihnen entgegen stellte, daß das Grün des Wysokaberges, auf dem sie oft, da sie sich in dem Hofe aufhielten, gegangen waren, sich mit Blut tränkte, und die zarten Gesträuche, die sie damals gesehen hatten, vom Blute rieselten.

Die rosenfarbene seidene Fahne, welche ihnen Wladislaw gegeben hatte, und welche ein starker Mann von Prachatic trug, war schon tief unten gegen den Rand des Berges, und wie Witiko links schaute, sah er das rosenfarbene Banner bei Bolemil auch schon gegen den Rand des Berges, und dann das von Lubomir auch schon, und das von Zdik und von Diepold, und das große seidene rosige Banner des Herzogs ragte fast im Herzen des Feindes, und dann das von Chotimir und Diwiš, und so fort.

»Wir siegen, wir siegen«, tönten mehrere Stimmen.

Da rief links von Witiko, wo die von der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes standen, welche nicht zu dem Gebete niedergekniet waren, eine laute Stimme, daß sie weithin vernehmlich war: »Rette sich, wer kann.«

Und die Reiter, welche an jener Stelle standen, flohen auf den Ruf der Stimme zurück oder zu den Feinden, die Fußgänger warfen die rote Fahne auf den Boden, und rannten zu den Feinden.

Witiko rief: »Laßt sie fliehen, jetzt ist die Ehre erst rein, und die Waldleute werden sie wahren. Schmied von Plan, drücke unsere Leute links, Osel, rücket links, Rowno, Diet, schreit es weiter nach rechts zu denen von Ottau und von Attes und von Prachatic und von Winterberg, [] daß sie links rücken, zieht euch auch ein wenig zurück, daß der Kreis kleiner wird, laßt die Reiter zuerst auf den Platz jagen, daß das Offene weniger sichtlich ist, alle Heiligen im Himmel hassen den Verrat, ich eile an den Rand der Lücke, um Hilfe zu holen.«

Und als er diese Worte gerufen hatte, flog er mit seinem grauen Pferde über das Grün des Berges durch Gesträuche und Unebenheiten, wie er das Pferd im Walde gelehrt hatte, daß die Zweige fast den Bauch des Tieres streiften, bis er zu Scharen Bolemils kam, von deren Seite sich die Verräter losgelöst hatten. Die hohen Männer Bolemils saßen auf den Pferden, hatten ihr Banner tief in den Feind getragen, und kämpften mit ihm. Bolemil saß hoch in der offenen Sänfte, welche Pferde trugen, auf denen Reiter saßen. Er hatte den schönsten Schlachtschmuck an, trug ein Panzerhemd und schimmernde Steine auf der Haube. Die weißen Haare des Hauptes und des Bartes flossen auf das Waffenkleid. Er führte aus der Sänfte den Befehl. Die Reiter hatten den Verrat ihrer Nachbarn gemerkt, sie zogen sich kämpfend langsam zurück, und drückten gegen rechts.

»Bolemil«, rief Witiko, »lasse deine Leute gegen rechts gehen, Verräter haben einen Platz geräumt, der gefüllt werden muß, sende zuerst die Reiter, und lasse die Fußgänger folgen.«

»Mein Sohn«, entgegnete Bolemil, »ich weiß alles, und habe an Dalimil die Befehle schon gegeben. Reite links zu Lubomir.«

Und Witiko ritt zu Lubomir, und sagte ihm die Sache, und er ritt dann zu dem Bischofe Zdik, der sein Banner hart an den Feinden hatte, und berichtete ihm, und er ritt zu Ben; aber er fand Ben nicht mehr, derselbe war gefallen, und lag weit hinter den Reihen, wo man die Zelte gelassen hatte. Witiko ritt nun zu Diepold und von da zu dem Herzoge. Der Herzog hatte sein großes Banner [] an der Stelle, welche die Mitte der feindlichen Reihe bezeichnete. Um ihn waren seine Reiter und erlesenen Männer. Odolen ganz in schwarze Kleider getan mit einer schwarzen Feder auf der Haube und in ein schwarzes glanzloses Waffenhemd gehüllt, war auf seinem schwarzen Pferde mitten in den Feinden, er warf nieder, was sich ihm nahte, und die Männer um ihn lüfteten den Raum. Neben ihm war Welislaw in blauem Gewande und mit guten Reitern, und weitete die Straße in die Feinde. Dann war Casta, der mit Reitern die Wucht der feindlichen Reiter drängte. Dann war Ctibor mit seinen Männern zu Pferde und neben ihm Beneda und der junge Zwest. Sie durchbrachen die Mauer der feindlichen Reiter. Dann war Bohuslaw, der junge Jurik, Sezima und Wecel. Um den Herzog, welcher in einem dunkelbraunen Gewande und in einem matten Waffenhemde und einer Spangenhaube ohne Feder auf einem schwarzen Rosse saß, waren Heinrich sein Bruder, Otto der Bischof von Prag, die drei Äbte und der Probst Daniel, Nemoy von Netolic, der alte Milota, Bartholomäus, der alte Preda, Gervasius und Wšebor. Dem Herzoge gegenüber in den Reihen der Feinde war Konrad von Znaim, den die Mährer zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt hatten, Wratislaw von Brünn, Otto von Olmütz, Spitihněw der Sohn Bořiwoys des Oheims des Herzoges, der alte Mikul, der alte Rodmil, Domaslaw mit roten Federn auf dem Haupte, Slawibor, Bogdan, Mireta, Strich und Jurata. Sie hatten das große weiße Banner ihres gewählten Herzoges bei sich.

Witiko kam auf seinem Pferde zu dem Herzoge geflogen, und rief: »Herzog Wladislaw, die von der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes unter Sohen, die zwischen Smil und Bolemil standen, haben dein Banner weggeworfen, und sind zu dem Feinde gegangen. Es ist ein Raum geworden, der erfüllt sein muß. Smil ist tot, und [] seine zwei Söhne sind tot; aber Rowno und Diet und Osel und ich und die andern halten die Waldleute zusammen, sie folgen uns, und werden stehen; aber lasse rechts rücken, daß sie nicht von dir getrennt werden.«

»Witiko«, sagte der Herzog, »wir haben schon die Kunde des Verrates, und Befehle sind erteilt worden; du hast ihn genauer genannt, und der Raum zwischen dir und Bolemil ist zu ordnen. Nemoy, lasse Botenreiter zu Odolen und zu Welislaw und zu Ctibor und den andern gehen, daß sie sich zurückziehen und fester schließen, die Reihe muß kürzer werden, wir selbst müssen zurückgehen. Heinrich, schicke Boten nach links zu Chotimir und zu Diwiš mit seinem Sohne Zdeslaw und zu Božebor und Jurik, und lasse sagen, daß sie langsam zurück gehen und rechts drücken, und den Schluß mit der rechten Seite halten. Gott wird das Recht segnen. Witiko, nimm die zweihundert Reiter der blauen Fähnlein von mir, Wecel, überbringt ihnen den Befehl, reite mit ihnen zu dem öden Platze, und bedecke ihn mit rennenden Reitern, daß ihn die Feinde nicht fest mit Männern bestellen können, bis wir uns wieder geschlossen haben. Eile von dannen. Und ihr, Männer und Herren um mich, geht zurück, und haltet den Schluß, daß die Feinde nicht eindringen können, wir werden uns ohne die zweihundert behelfen, wenn wir fest in dem engeren Raume sind. Mit Gott und dem heiligen Markus.«

Witiko ritt zu den Reitern mit den blauen Fähnlein, und dann an ihrer Spitze, was ihre Pferde zu laufen vermochten, dahin, und wies ihnen mit seinem grauen Pferde den Weg. Er kam an Diepold vorbei, an denen, wo Ben, der jetzt tot war, befehligt hatte, an denen von Zdik, an Lubomir mit seinen Söhnen Schwiegersöhnen und ihren Scharen, und an der Sänfte des alten Bolemil. Dann traf er an den Platz der Plakaverräter. Da lagen die hohen Reiter Bolemils tot und zerstreut auf dem Felde, und [] ihre Rosse und ihre Feinde lagen umher. Sie hatten die Aufgabe, den Platz rein zu erhalten, mit dem Verluste ihres Lebens erfüllt. Bolemil ordnete eben Fußgänger auf den Platz ab. Witiko ritt vorwärts gegen rechts. Da kam ihm eine Rotte Fußgänger entgegen, er konnte die Abzeichen nicht erkennen, und rief: »Heiliger Markus!« sie antworteten: »Swatopluk«, er stieß gegen sie, und warf sie. Dann ritt er weiter, und kam wieder auf Fußgänger, die Swatopluk riefen, und er warf sie wieder. Und dann kam er auf einen großen Haufen von Fußgängern, die das Wort Swatopluk hatten, er griff sie an, und hieb sie zum Teile nieder, und zerstreute sie zum Teile. Dann kamen Männer mit langen Schäften gegangen. Er schrie gegen sie: »Heiliger Markus!« und sie schrien entgegen: »Heiliger Markus!«

»Peter Laurenz, Schmied von Plan«, rief Witiko.

»Ja, Witiko, mein junger Kriegsmann, wir sind es«, rief der Schmied, »deine Nachbarn alle, die an der Leuchte gesessen waren, und fest hinter uns kommen die des Rowno und von Wettern und von Friedberg und die Waldleute alle. Wir haben uns verabredet, daß wir uns nicht auseinander lassen wollen, wir hatten viel zu tun, uns so fest zu stellen, wie wir jetzt sind, wir gehen zu den Leuten des Herzogs, von denen sie uns haben reißen wollen.«

»So folget mir«, sagte Witiko.

Er schwenkte mit den Reitern herum, ritt wieder links, und die Männer gingen hinter ihm her, und wenn sich feindliche Haufen eindrängen wollten, so warfen sie dieselben auseinander, und gingen weiter, bis sie zu Scharen kamen, die riefen: »Heiliger Markus!« Es waren die Bolemils, sie fügten sich an, und die Reihe war wieder geschlossen. An die Stelle der Reiter, die gefallen waren, stellte Witiko die zweihundert mit den blauen Fähnlein.

Und wie sie geordnet waren, und wie die Glieder sich festigten, [] kam eine große Schar von Reitern aus den Feinden gegen sie, und drängte nach vorwärts. Sie waren sehr schön gekleidet, hatten feurige Rosse, und es schimmerten viele Panzer.

»Ha, da kommen sie nun in größter Zahl und Pracht, daß sie den Platz mit Gewalt haben, den ihnen der Verrat zugedacht hat«, rief Předbor, der in den blauen Fähnlein war, »haltet Stand.«

»Haltet Stand«, rief Witiko.

Und als die Feinde näher kamen, und die Reihe des Herzogs geordnet sahen, hielten sie plötzlich an, und warteten ein Weilchen. Es war ein Mann unter ihnen, der den größten Schlachtenschmuck hatte. Er war in ein gegürtetes Gewand von grauem Sammet mit silbernen Verzierungen gekleidet. Darüber trug er ein schimmerndes Panzerhemd und einen Gürtel mit Steinen, und von einem funkelnden Steine an der schwarzen Haube stieg eine weiße Feder empor. Zu Seiten seiner Wangen sah man graue Haare. Es war Načerat. Er saß auf einem goldlichten Pferde. An seiner Rechten war Znata sein Bruder in scharlachrotem Gewande mit Silberverzierungen einem Waffenhemde und steinbesetztem Geschmeide. Er saß auf einem schwarzen Pferde. Zur Linken Načerats war sein Sohn Dus. Er war in blasses Blau von Sammet gekleidet, das mit Silber geziert war, er hatte ein glänzendes Waffenhemd, der Gürtel und die Schwertscheide waren mit spiegelnden Steinen besetzt, auf der blauen Haube waren funkelnde Steine und eine weiße Feder. Unter der Haube quollen die blonden Haare hervor. Sein Pferd war milchweiß. Dann war der junge Milhost da in grünem Waffenschmucke, dann der junge Mikul, auch grün, dann der junge Rodmil in braunem Gewande, dann Drslaw in Dunkelblau, dann Zibota in Scharlachrot, und dann Männer und Knechte Načerats und Znatas in kriegerischem Schmucke.

[] Načerat rief herüber: »Bolemil, du tust nicht gut, du hast den Mann, der jetzt von euch Herzog genannt wird, in der Versammlung auf dem Wyšehrad verworfen, und jetzt verwirfst du den, welchen du damals gewählt hast: Wladislaw den Sohn Soběslaws.«

»Načerat«, antwortete Bolemil, »rufe nicht dein Geschick. Der Herzog hat gesagt, es wird dich ereilen, und wenn mein Enkel Dalimil nicht tot auf dem Felde läge, so hätte es dich schon ereilt.«

»Es wird ihn auch so ereilen, den verdammten Satansvater der Heuchelei und der Lügen, der ganz Böhmen haben möchte und Mähren«, rief eine dröhnende Stimme aus den blauen Fähnlein.

Es war der großgewachsene schwarzhaarige Předbor, der gerufen hatte. Er richtete sich im Sattel empor, und legte zum Fluge ein.

»Mit mir, ihr guten Reiter«, rief er.

»Vorwärts mit dem heiligen Markus«, rief Witiko, und in der nächsten Frist waren die Reiter an den Feinden, und die Schwerter waren handgemein.

Mit zornesrotem Angesichte und glühenden Augen stürmte Předbor vorwärts, er stürzte alles auf seinem Wege nieder, und war in wenigen Augenblicken bei Načerat.

Kaum zwei Hiebe wurden gewechselt, da sank der Arm Načerats, er wankte auf dem Pferde, und sein graues Gewand färbte sich von innen heraus rot.

»Gebt Raum«, schrie Znata, und eilte hinzu.

»Gebt Raum«, schrie der Sohn Načerats, und war auch da, und mit ihm waren Milhost und der junge Mikul.

Wie aus Entsetzen wich man zurück, und der Kampf ruhte einen Augenblick.

Die Männer nahmen Načerat von dem Pferde, senkten ihn gegen die Erde, und beugten sich über ihn.

Er aber sagte nur die Worte: »Silvester, Silvester.«

[] Dann trat Schaum und Blut vor seinen Mund, und er starb.

Männer aus seinem Gefolge trugen ihn zurück, und wie der Raum von der Leiche frei war, begann wieder der Kampf. Znata sprang zu Pferde, und stürmte wütend vorwärts. An seiner Seite war Drslaw. Dus der Sohn Načerats war auch schon auf dem Pferde, und drang vor. Předbor verwundete Znata, daß er zurückgetragen werden mußte, und stürzte Drslaw in sein Blut. Die übrig gebliebenen Reiter Bolemils hatten sich gesammelt, und mordeten jetzt mit Wut und Rachgier in den Feinden.

Dus der Sohn Načerats hatte sich gegen links gewendet, wo neben Witikos Reitern die Waldmänner standen, und die Schäfte nach vorwärts hielten. Er suchte durch die Fußgänger eine Lücke in die Reihe zu gewinnen. Hinter ihm waren die Jünglinge Milhost und Mikul und die Anhänger Načerats. Er schlug eine Lanze seitwärts. Der erste Mann, der vor ihm stand, war Norbert von Plan. Hinter Norbert stand Zacharias, und hinter Zacharias der Jüngling Urban. Norbert sank in sein Blut. In diesem Augenblicke hörte man von hinten eine furchtbare Stimme rufen: »Rühre den Knaben nicht an.«

Es war Peter Laurenz der Schmied von Plan, welcher gerufen hatte.

Der Sohn Načerats aber drang gegen Zacharias den Vordermann des Jünglings Urban. Da sah man eine eiserne Keule gegen seine Stirne fliegen. Dus der Sohn Načerats sank auf seinem Pferde gegen rückwärts, sein rosiges Antlitz ward aschfarb, und in diesem Augenblicke strömte das Blut auf seine schönen Kleider und auf die milchweiße Farbe seines Pferdes. Milhost und Mikul suchten ihn aufzufangen, er entglitt ihnen aber, und stürzte auf die Erde. Da jetzt wieder an dieser Stelle der Kampf auf die Zeit eines Augenblicks ruhte, konnten die Seinen die [] besudelte und entstellte Leiche des Jünglings nach rückwärts bringen. Der Schmied holte sich seine Keule.

Die Waldmänner schlossen die Lücke ihrer Reihe, welche Dus, der Sohn Načerats, gemacht hatte, wieder, und suchten sie jetzt fester zu erhalten. Der Kampf ging fort. Witiko leitete die Reiter mit den blauen Fähnlein, und rief seine Befehle auf die Fußgänger rechts. Milhost, da er sich von der durch Dus gemachten Lücke ausgeschlossen sah, schrie: »Witiko, du meineidiger Schurke, hätten sie dich doch auf den höchsten Baum gehängt.«

Als er diese Worte kaum vollendet hatte, stach ihn ein Waldschaft durch die Brust, Blut stürzte auf sein grünes goldgewirktes Kleid, und er fiel über das Haupt seines Pferdes in das Gras. Der Jüngling Mikul wurde gleich nach ihm gestürzt. Jetzt kamen auch die kleinen Waldpferde Diets und Rownos. Zibota wurde noch gestürzt, mehrere Männer Načerats wurden noch gestürzt, und die glänzenden Reiter, jetzt auch ohne Führer, wendeten sich, und flohen zurück.

Die Männer unter Bolemil Witiko und weiter rechts hatten nun Ruhe. Der Platz vor ihnen war leer. Sie suchten jetzt durch Fühlung gegen links zu erfahren, ob die Reihe des Herzogs zusammenhänge. Da kam eine Botschaft von ihm, daß die Reihe wieder fest gefügt sei, und daß sie sie halten sollten. Die Botschaft ging gegen rechts weiter. Wirklich konnte man die rosenfarbenen Seidenbanner fort und fort an der Reihe sehen, wie sie in Abständen standen, und wie die hohe Fahne des Herzoges ragte; aber sie waren näher bei einander, die Reihe war sehr kurz geworden, und sie standen nicht mehr unten an dem Rande des Berges sondern wieder oben, wo am Morgen begonnen worden war. Die weißen Banner des Feindes rückten auch wieder geordnet vor, und der Kampf begann an den ganzen Reihen der Heere. Stunde an Stunde verfloß, Männer von großem Ansehen, Reichtum, [] Würden und Ämtern fielen auf die Erde, Männer von geringerer Bedeutung sanken auf das zertretene Gras, und niedere unbekannte Leute gingen zu Grunde: aber der Raum des Kampfes wurde nicht verändert. Die Feinde des Herzoges hatten die größere Zahl, ihre Zahl war durch die Verräter noch vermehrt worden, und sie hatten die Begierde, ihre Sache zur Entscheidung zu bringen: die Männer des Herzoges hatten den besseren Stand des Ortes, und hatten das Recht. Die letzte Kraft wurde verwendet, die Sonne neigte bereits zum Untergange, man hatte nicht geruht und nichts genossen, Leib und Seele war ermattet, und der Kampf erlosch. Die Reihen von beiden Seiten schwankten zurück, daß ein Raum wurde. Man stand, und es war, als könnte man sich nicht regen.

Die Heere standen nicht wie solche, welche ruhen, und wieder zum Kampfe vorwärts gehen wollen, sondern wie solche, die ausgerungen haben.

Einzelne Rotten und Abteilungen wichen zurück, und der Raum vergrößerte sich.

Kundschafter schlichen hinvor, um zu erspähen, was die Gegner etwa beginnen wollten.

Und als der Raum immer größer wurde, und als man erfahren hatte, daß die aus Mähren gegen ihr Lager zurück drängten, ließ Wladislaw seine Männer auch zurück gehen. Sie waren jetzt wieder wie am Morgen vor dem verbrannten Hofe in der Nähe der Häuser, welche Suchdol hießen.

Ganze Scharen sanken in das Gras, und ehe sie nach Speise und Trank fragten, suchten sie das Nächste zu erlangen, was not tat, Ruhe.

Witiko war unter den Männern des Waldes, die zu ihm gehörten. Sie lagen, oder saßen auf der Erde. Einige hatten ihren Sack geöffnet, und langten Brod, oder was sie hatten, hervor, um zu essen, andere ruhten bloß. Man [] hatte in einem großen Kruge Wasser aus dem Bache herzu gebracht, weil der Brunnen unbrauchbar war, und die Männer tranken aus dem Kruge.

»Es wird doch nötig sein, liebe gute und getreue Heimatgenossen«, sagte Witiko, »so ermüdet wir auch sind, daß einige von uns zu der Stelle gehen, wo wir mit den Feinden gekämpft haben, sobald man nämlich dahin gelangen kann, um zu sehen, wer aus den Unsrigen dort etwa verwundet oder gar tot liege, daß wir ihm beistehen, oder, wenn er ausgelebt hat, ihn, so es sich tun läßt, begraben. Indessen können wir unter uns hier sehen, wer etwa fehle.«

Auf diese Worte erhoben sich Maz Albrecht und Lambert und Urban und andere junge Männer, und Lambert sagte: »Wir sind nicht so ermüdet, es ist nicht der Rede wert, wir können schon gehen.«

»Es haben sich schon etliche fortgeschlichen«, sagte Christ Severin, »ihr könnt ihnen nachgehen. Wir müssen uns einander beistehen, und daß wir zu Hause keinen Vorwurf haben.«

Die jungen Männer hielten ihr Stück Brod, das sie aßen, in der Hand, und gingen fort.

Witiko sandte nun auch eine Botschaft zu Rowno und Diet und den andern, und erfuhr, daß sie dicht an ihm zur Rechten gelagert seien, sich erquicken, und auch schon nach ihren Verwundeten und Toten gesendet haben.

Nach einer Weile kam von dem Herzoge Wladislaw die Nachricht, daß die Männer sich lagern dürften, daß sie aber in der Ordnung bleiben sollten, welche sie in der Schlacht gehabt haben, daß sie Speise und Trank genießen möchten, daß sie, wenn die Nacht komme, schlafen dürften, und dann des weitern, was geschehen würde, gewärtig sein sollten. Die Führer seien nach kurzer Frist zu dem Herzoge zu einer Beratung geladen.

[] Die Männer richteten sich nun bequemer zur Ruhe, suchten Lagerstellen zu bereiten, zündeten hie und da Feuer an, und Witiko brachte sein Pferd an eine gute Stelle, und versorgte es reichlich mit Hüllen.

Dann ging er zu dem Herzoge.

Er ging an den Leuten vorbei, wie sie sich in der Schlachtordnung befunden hatten, da er zu dem Herzoge um Hilfe geritten war; aber die Reihe war jetzt wieder um viel viel kürzer als damals, teils, weil der Männer weniger geworden waren, teils, weil sie sich tiefer zurück gelagert hatten, teils weil manche in die Zelte, die noch hinter den Reihen in dem Lager standen, rückwärts gegangen waren.

Der Herzog befand sich vor dem abgebrannten Hofe. Viele Stühle waren auf den Platz gebracht worden. Eine große Anzahl von Männern war um ihn. Einige saßen, mehrere aber standen. Gleich nach Witiko waren auch Rowno und Diet angelangt. Als alle versammelt waren, stand der Herzog in seinem braunen Gewande und in seinem matten Waffenhemde von seinem Stuhle auf, und sprach: »Da sind wir wieder auf dem Platze, auf welchem wir gestern mit den Verrätern verhandelt haben. Es liegt ein schwerer Tag dazwischen. Gott hat das Recht nicht sinken lassen, wenn er es auch noch weiter prüft. Der Verrat hat unser Werk vereitelt, doch das seine nicht vollbracht. Wir sind in der festgefügten Ordnung, in welcher wir in der Schlacht gewesen waren, zurück gegangen, und stehen nun am Beginne fernerer Mühen. Ich habe die Wachen ausgestellt, die den Raum um uns durchblicken, ich habe die Kundschafter ausgesendet, die alles durchforschen sollen, ich habe Männer abgeordnete die nach den Toten und Verwundeten suchen sollen. Die edlen Toten, die eine ferne Grabstätte haben, werden wir fortsenden, eben so die Verwundeten, welche eine Reise vertragen. Für die Beerdigung und Pflege der [] andern ist die Einleitung getroffen worden, und es wird noch weiter geschehen, was die Umstände zulassen. Die Kundschafter haben gemeldet, daß die Feinde wieder ihr Lager bezogen haben, aus dem sie am Morgen gegen uns ausgerückt sind. Ich habe gesagt, daß doch einige von uns, wenn sie nicht gar zu ermüdet sind, zu beiden Seiten des Heeres ausgesendet würden, um zu erforschen, ob die Feinde nicht in der Nacht an uns vorübergehen, und uns die Wege verlegen könnten.«

»Es ist geschehen, hoher Herr«, sagte Chotimir, »junge Reiter und Fußgänger haben sich zu diesem Geschäfte erboten, sie werden sich zu Zeiten ablösen, und berichten.«

»Es ist gut«, sagte der Herzog. »Ehe wir zu dem schreiten, was ferner zu tun ist, lasset uns den Dank abstatten. Männer, Herren, teure Freunde! habet den Dank des Landes, habet meinen Dank. Lasset uns zuerst von denen sprechen, die selber nicht mehr sprechen können. Smil und Ben liegen tot auf der Erde, zwei edle tapfere Männer und Führer unserer Heere. Ihr Werk ist vollbracht, und die Geschichten werden von ihnen reden. Smils Söhne sind hingestreckt. Die guten Jünglinge haben ausgeführt, was sie oft gesagt haben, daß sie sich gegenseitig ihr Leben schützen wollen. Sie haben es sich gegenseitig bis zum Tode geschützt. Dalimil, der Enkel des alten hochehrwürdigen Lechen Bolemil hat sein Leben zum Opfer gebracht, daß auf dem Platze neben ihm der Verrat nicht siegreich wurde. Andere Enkel werden die Tat den Urenkeln, und diese sie andern Urenkeln erzählen. Pustimir, der Sohn unsers teuern väterlichen Mannes Lubomir, hat für die Sache, die er sich erwählt, seinen Geist zum Himmel gesendet. Und mehrere werden sein, die wir noch nicht kennen, und deren Namen uns heute noch werden genannt werden. Den Toten gibt Gott im Himmel die Ruhe und auf Erden den Ruhm. Jedem [] Freunde, er sei hoch oder gering, der heute auf diesem Berge verstummen mußte, folgt unser Gebet, und bleibt ihm sein Lohn in der Ewigkeit.«

»In der Ewigkeit«, sagten die Anwesenden mit leiser Stimme nach.

»Und nun zu den Lebenden«, fuhr der Herzog fort. »Otto Bischof von Prag, ich danke dir für deine Taten und deine Worte.«

»Ich glaube, ich bin auf der Seite des Rechtes gestanden«, sagte der Bischof.

»Ich glaube es, so mir der Allmächtige helfe«, sagte der Herzog.

Dann fuhr er fort: »Zdik Bischof von Olmütz, ich sage dir meinen Dank, du hast, als Ben an deiner Seite gefallen war, den Streit geleitet.«

»Ich habe den Mann beweint, hoher Herr«, antwortete Zdik, »die Schlacht hast du geführt, wie ich wußte, daß du sie führen wirst.«

»Ich danke dir Daniel, Propst von Prag, für deine Taten und Worte«, sagte der Herzog.

»Die Taten sind gering, die Worte halfen nicht«, entgegnete Daniel, »möge mein Gebet kräftiger sein, daß dieser Streit ohne zu großes Unheil für die Länder beendigt werde.«

»Ich danke euch, Äbte von Břewnow, Kladrau und Wilimow, und allen Priestern«, fuhr der Herzog fort, »und ich sage euch meinen Dank, Brüder Diepold und Heinrich, Söhne Přemysls, ihr seid die einzigen aus dem Stamme, die treu geblieben sind.«

»Wir werden es auch immer bleiben«, sagte Diepold.

»Ich weiß es«, entgegnete der Herzog.

Dann fuhr er fort: »Bolemil, du vielerfahrener Mann, der immer seiner Treue folgt, und sie auch übt, wo sie ihn schmerzt, du Mann, der so viele Dienste verrichtete, von der Zeit meines Großvaters, des Königs Wratislaw, [] an bis auf heute, wo du weit über deine Zeit hinaus geholfen hast, habe meinen Dank. Mein Dank ist viel zu klein für deine Tat und deinen Verlust.«

»Hoher Herr«, antwortete Bolemil, »ich habe gewußt, was geschehen wird, es konnte uns nicht erspart werden. Als ich von dem Sterbebette Soběslaws gehört hatte, wußte ich auch, was ich tun werde, und habe mich darauf vorbereitet. Meine Sippen und Männer liegen auf dem Felde erschlagen. Die leben, mögen um sie trauern. Ich werde bald mit ihnen vereint sein. Sorge nur, Herr, daß dieser Streit kurz daure.«

»Wir werden sorgen, daß es so sei«, sagte der Herzog.

Nach diesen Worten war eine kleine Stille.

Dann sprach der Herzog: »Lubomir, du hast tiefes Herzeleid erfahren. Ich danke dir, und traure mit dir.«

»Wenn ich wieder in Daudleb bin, mein erhabener Herr«, antwortete Lubomir, »und wenn ich dort allein an meinem Tische sitze, und meine Kinder, die in andern Fluren sind, zähle, so zähle ich auch Pustimir mit, obwohl er jetzt weit von mir ist, und dann zähle ich die Enkel, und auch die von ihm, und tröste Boleslawa, weil er heldenmütig gestorben ist. Er ruhe friedlich, Herr, und möge der Streit mit den geringsten Opfern des unschuldigen Landes enden.«

»Euch, Chotimir, Diwiš, Božebor, Jurik, euch Führern danke ich«, fuhr der Herzog fort, »ihr habt festgehalten, wo der Verlust einer Handbreit Erde ein großes Unglück gewesen wäre, und ihr habt eure Männer stark geschart wie die Glieder einer Eisenkette zurück geführt. Diwiš, du bist immer treu, und dein Sohn Zdeslaw folgt dir. Euch Männer Milota Preda Wšebor hat das Alter nicht abgehalten, auf dem Felde der Ehre zu sein. Předbor, ich danke dir. Denken wir nicht mehr im Zorne dessen, mit dem du gestritten, und der gestern noch in der Fülle des reichsten Mannes dieser Länder und in der Fülle [] des Lebens hier vor uns gesprochen hat, und jetzt sich mit einem Häufchen Erde begnügt. Nemoy, du bist ein Nachbar Bolemils, und strebst seinen Tugenden nach, und du Ctibor hältst es wie Lubomir, an den du grenzest, du hast deine Leute genommen, und sie zum Schutze des Fürstenstuhles geführt. Casta, du hast immer gesagt, daß du für deine Freunde in den Tod gehen könntest, rufe dein Schicksal nicht, es hätte dir heute bald für mich willfahrt. Pflege deine Wunde, daß ich dir bald einen Gegendienst tun kann. Welislaw, wie kannst du wagen, hieher zu kommen? Dich haben sie halb tot vom Felde getragen, und nun sitzest du hier, und trotzest deiner Wunde? Du bist der Genosse meiner Jugend gewesen, willst du mich in meinen Mannesjahren verlassen?«

»Solche Dinge heilen in der Tätigkeit am ehesten«, versetzte Welislaw.

»Ich werde dir den Arzt zugeben, der dir nicht mehr von der Seite darf«, sagte der Herzog, »und denke, daß ich nicht Männer brauche, die sich so sinnlos dem Feinde entgegen werfen.«

»Dich muß ich auch schmähen, Odolen«, fuhr der Herzog fort, »ich sehe, daß es wahr ist, was deine Feinde sagen, daß du Berge umwerfen möchtest, um zu stürmen. Hast du keine Wunde empfangen?«

»Welislaw, der mir in allem zuwider handelt, hat sie mir weggenommen«, sagte Odolen.

»Sezima Wecel Zwest«, sagte der Herzog, »habt meinen Dank, ich weiß, was ihr getan habt. Jurik, du bist immer in der Nähe deines Vaters, du bist in einer guten Schule, aber sie ist nicht ohne Gefahr. Beneda, du hast dir dein Lob verdient.«

»Witiko, Rowno, Diet, und ihr andern Männer des Waldes«, fuhr er dann fort, »wie danke ich euch. Ihr habt einen harten Teil bestanden. Bei euch hat man den [] Versuch gemacht, alles zu gewinnen. Man hat euch abtrennen wollen, wie man einen Tropfen Wasser von der Hand schüttelt; ihr aber seid gewesen wie das Pech eures Waldes, und seid kleben geblieben. Ich werde doch noch diesen Wald einmal sehen, und euch in ihm wieder danken können. Wer sind die Knaben?«

Osel trat vor, und sprach: »Wenn du die Männer des Waldes Pech heißest, hoher Herr, so sind diese junges Pech. Ich heiße Osel, wohne in Dub im Walde, und bin ihr Vater. Sie haben sich von einer falben Stute drei falbe Pferdlein auferzogen, und in der Sonnenwende habe ich ihnen die Haare beschnitten, daß sie Jünglinge werden, und habe sie jetzt in den Krieg mitgenommen, daß sie gegen den Übermut der Lechen streiten, und lieber einem einzigen dienen lernen, der uns wohl will. Ich habe sie auf diesen Platz geführt, daß sie dich sehen, und es zu Hause erzählen.«

»Nenne mir die Namen der Knaben«, sagte der Herzog.

Osel antwortete: »Dieser ist Olen der älteste, dann kömmt Diš, der um ein Jahr jünger ist, und dann Os, der wieder um ein Jahr später kam.«

»Die zwei jüngsten bluten ja«, sagte der Herzog.

»Ein wenig«, entgegnete Osel, »ich habe es schon angesehen, es ist nichts. Sie sind nicht träge gewesen, aber kindisch. Der älteste tut auch das Seine, wenn gleich das Zeichen ausblieb.«

»Sorge, daß du auf deine schönen Knaben siehest, Osel«, sagte der Herzog, »damit sie Männer werden.«

»Im Walde lernt man früh ein hartes Leben«, antwortete Osel.

»Meine Kinder«, entgegnete der Herzog, »ich werde euch schon wieder sehen, und dann müßt ihr mir eure falben Pferdlein zeigen, und in eurem Walde müßt ihr mir eure schönen Bäume zeigen.«

»Ja«, antwortete Olen.

[] »Männer, Priester, Prinzen, Lechen, Wladyken, Freunde«, fuhr der Herzog fort, »ermüdet noch nicht. Wir haben der ersten Pflicht genügt, der des Dankes, laßt uns nun auch zu der zweiten gehen, der des Rates, was nun ferner zu tun sei. Die Feinde sind in das Lager gegangen, wir auch, die Feinde sind erschöpft, wir auch, die Feinde haben schwere Verluste gehabt, wir auch, und die unsrigen sind durch den schimpflichen Verrat, der auf lange Zeit dieses Land verdüstern wird, noch größer geworden, als sie sonst gewesen wären, die Zahl der Feinde ist die größere, die der Unsern die kleinere, und sie ist durch den Verrat noch kleiner, die der Feinde größer geworden, die Feinde haben ein böses Gewissen, weil sie zum Verrate gegriffen haben, unser Bewußtsein ist gut, sie kämpfen für Raub und Vorteil, und wählen jedes Mittel des Blutvergießens und der Zerstörung, wir streiten zum Schutze des Landes, und müssen alles sparen, was dem Lande kostbar ist, sie haben die ungünstigere Stellung im Tale, wir die günstigere auf der Höhe: wir können heldenmütig den Kampf wieder aufnehmen, und mit Gott den Sieg erringen, oder ruhmreich erliegen: oder wir können in eine sichrere Stellung gehen, uns verstärken, und dann mit genügender Macht die Entscheidung suchen. Wie weit wir heute geschmolzen sind, läßt sich noch nicht genau sagen, nur im allgemeinen überschauen. So wird es im Vergleiche auch bei den Feinden sein. Und nun Otto Bischof von Prag rede.«

»Zur Schonung des Blutes und Lebens des Landes soll größere Sicherheit gesucht werden«, sagte der Bischof.

»Und du Zdik?« fragte der Herzog.

»Ich meine das gleiche«, antwortete Zdik der Bischof von Olmütz.

»Und Daniel?« sagte der Herzog.

»Das gleiche«, antwortete der Propst Daniel.

»Und du, ehrwürdiger Bolemil?« fragte der Herzog.

[] »Ich habe schon gesagt«, antwortete Bolemil, »sorge, daß dieser Streit kurz daure, hoher Herr. In dem, was auf dem Wyšehrad geschah, lag das Übel, nämlich, daß man zu dem Wählen griff, wie man bei deinem Vater zu dem Wählen gegriffen hatte. Was damals gekommen ist, mußte wieder kommen, und ist gekommen. Der sterbende Soběslaw hat alles gewußt, da er gesagt hat: Načerat wird gegen Wladislaw nicht siegen. Ergreife jedes Mittel, das die größte Sicherheit des Sieges über den Feind gibt.«

»Und Lubomir?« fragte der Herzog.

»Suche die größte Sicherheit für das Land«, sagte Lubomir.

»Und Diwiš?« fragte der Herzog.

»Ich spreche wie Bolemil«, sagte Diwiš.

»Und was sagt Chotimir?« fragte der Herzog.

»Chotimir sagt das gleiche«, antwortete der Gefragte.

»Und Wšebor?« fragte Wladislaw.

»Ich rede wie meine Freunde. Suche mit Macht, den Streit eines Schlages zu enden«, antwortete Wšebor.

»Und Jurik?« fragte der Herzog.

»Die Männer, welche gegen uns in den Waffen sind, suchen den Raub«, sagte Jurik, »darum haben sie schon die Schrift aufgesetzt, in der enthalten ist, was ihnen ihr Herzog für ihre Beihilfe zusagen mußte. Sie ergriffen deshalb jedes Mittel, zu ihrem Ziele zu gelangen, wie schon heute ihr Verrat gezeigt hat. Wider solche Männer ist schwerer streiten als wider ehrliche Gegner, weil man nicht die gleichen Mittel will. Darum sage ich wie Bolemil: wähle die Wege größter Sicherheit.«

»Und was sprechen meine andern alten Räte?« fragte der Herzog.

Und Milota und Božebor und die Äbte und Bartholomäus sprachen für die größte Sicherheit.

Preda sprach gleichfalls dafür.

[] »Und euch Prinzen frage ich erst jetzt, weil ihr jünger seid«, sagte der Herzog.

»Ich rede für größere Sicherheit«, antwortete Diepold.

»Ich für morgige Entscheidung«, sagte Heinrich.

»Und ihr dort weiterhin?« fragte der Herzog.

»Für morgige Entscheidung«, rief Zwest.

»Für morgige Entscheidung«, rief Jurik der Sohn Juriks.

»Für morgige Entscheidung«, rief Beneda.

»Morgen Schlacht, und ganz gewisser Sieg«, schrie Odolen.

»Morgen Schlacht, morgen Schlacht«, riefen nun mehrere Stimmen der jungen Männer.

»Es ist gut«, sagte der Herzog, »ihr wollt die Schlacht und ruhmreichen Sieg oder ruhmreichen Untergang. Ich rede als Ritter wie ihr. Ihr dürft euer Leben hinwerfen; ich der Herzog aber darf euer Leben nicht hinwerfen, und das Heil des Landes nicht auf die Spitze stellen. Wir gehen in unsere feste Stadt Prag, in welcher der Fürstenstuhl steht, festigen die Mauern um ihn und um uns noch mehr, und suchen Verstärkungen zu gewinnen, wie wir sie nur immer zu gewinnen vermögen. Haben wir dann die Macht, die letzte und gewisse Entscheidung herbeizuführen, so treten wir an den Feind, und suchen diese letzte Entscheidung, aber Entscheidung für uns. Ihr, meine jungen Männer, zeigt hier die größere Tapferkeit, nämlich die, euern Mut zu zügeln, und folgt dem Rate der Alten, die auch tapfer aber auch weise sind.«

»Es wird so gut sein«, sagte Bolemil.

»Es ist gut«, sagte Otto der Bischof von Prag.

»So tun wir«, sagte Zdik der Bischof von Olmütz.

»So tun wir«, sagte Lubomir.

»Pflegt einige Stunden in der Nacht der Ruhe«, sprach der Herzog, »dann, ehe der Tag scheint, brechen wir auf, es wird die Weisung erfolgen. Und nun noch eines. Es wird ein bißchen Abendkost bei mir bereitet, und wohl [] auch noch ein Wein wird vorhanden sein. Wer es mit mir teilen will, ist abends willkommen. Jetzt, Herren, seid für euern Rat bedankt.«

Die Männer begannen sich zu zerstreuen.

»Führt mich hinweg«, sagte Welislaw, »ich bin weder zum Rate noch zur Schlacht tauglich.«

Zwei Männer führten ihn von dannen.

Witiko ging zu den Seinigen. Rowno, Diet, Osel, und die andern gingen auch zu ihren Waldleuten.

Nun, da der Herzog mit den Führern beraten hatte, ging er auch noch zu den Kriegern. Er ging längs der ganzen Reihen, besah die Männer, sprach mit ihnen, tröstete die Verwundeten, und ermunterte die andern.

Als er zu Witiko kam, stellte dieser seine Leute auf.

»Witiko«, sagte der Herzog, »wir rechnen noch einmal eigens für den heutigen Tag ab.«

Dann sprach er zu den Leuten: »Männer des Waldes, ihr habt eigentlich den Tag gerettet. Ich sage euch den größten Dank. Ich will mir eure Angesichter einprägen, daß ich sie wieder kenne, wenn ich sie sehe. Haben wir diese Sache geendet, will ich eurer gedenk sein, und ihr sollt keinen undankbaren Herzog an mir finden.«

»Der junge Witiko hat die Sache geführt, als Smil gestorben war«, sagte Stephan der Wagenbauer.

»Ich weiß es«, antwortete der Herzog, »und gedenke es ihm.«

»Wir gehen nach Prag, um die Stadt zu verteidigen«, fuhr er fort, »bis wir wieder angreifen. Ihr wer det wollen in euern Wald gehen?«

»Mit Gewährung, Herr Herzog«, sagte der Schmied von Plan, »wir konnten auf diesem Berge nicht von dir abgetrennt werden, weil wir wieder zu dir gingen, als die Lügner vom Plakahofe davon gelaufen waren, sonst hätten wir unser Vorhaben nicht ausgeführt. Wir werden schier alle mit dir nach Prag gehen, wenn du uns zu essen [] geben kannst; denn das Brod und das Rauchfleisch in unseren Säcken ist zur Neige. Und sie werden uns die Stadt so wenig nehmen können, wie diesen Berg, und etwa reißen wir ihnen dann den Flimmer und die schönen Steine vom Leibe, die sie prahlerisch angelegt haben.«

»Wer mit mir nach Prag geht, wird die Lebensmittel erhalten, die wir haben«, sagte der Herzog.

»Dann ist es schon recht«, entgegnete der Schmied.

In diesem Augenblicke kamen einige Männer herbei, und trugen den Fiedler Tom Johannes.

»Wer ist der Mann?« fragte der Herzog.

»Das ist der Fiedler von Plan«, sagte Paul Joachim, »und die ihn tragen, haben wir um unsere Leute auf die Kampfstelle geschickt.«

»Ist er tot?« fragte der Herzog.

»Nein, mein guter Mann«, antwortete der Fiedler, »aber der Fiedelbogen wird wohl krumm bleiben.«

»Ich werde sogleich jemanden senden, der für dich sorgen soll«, sprach der Herzog.

Dann sagte er etwas zu einem Manne seines Geleites, der sich darauf entfernte.

»Dieser wird einen Arzt bringen«, sagte der Herzog.

»Habt ihr noch mehr Verwundete?« fragte er dann.

»Der ist der letzte, welchen wir herauf getragen haben« sagte Maz Albrecht, »den armen Norbert haben sie zu einem Strauche hingelegt, den Zimmerer David und Veit Gregor haben wir zur Pflege hergetragen, Christ Severin der Wollweber und Mathias und Urban sind selber gegangen. Sie haben schon Tücher mit Wasser um, und Philipp ist um Kräuter gegangen.«

»Der Arzt wird alle in Pflege nehmen«, sagte der Herzog, »und nun ruhet ein Weile, und wer nach Prag gehen will, wird in der Nacht das Zeichen erfahren.«

Nach diesen Worten entfernte er sich, und ging zu[] Rowno und Diet und zu den andern, um ihnen zu danken.

Als es Abend war, gingen viele zu dem Herzoge, das kleine Mahl zu teilen. Mehrere saßen in dem Gezelte, andere standen. Die Kundschafter meldeten, daß die Feinde Späher ausgesandt haben, die erfahren sollen, ob sie nicht in der Finsternis der Nacht von dem Heere des Herzogs Wladislaw würden umgangen werden können.

»Desto sicherer ist unser Zug«, sagte Wladislaw.

Als das Mahl aus war, verabschiedeten sich die Männer, und gingen, die Ruhe zu suchen.

Witiko begab sich zu seinem Pferde, und wusch ihm mit Wein, den er sich verschafft hatte, die Gelenke.

Dann legte er sich auf seine Schlafstelle.

Und nun war Ruhe und Stille in dem Lager des Herzogs, nur daß die Wachen sich regten, Kundschafter streiften, und die Feuer gemach verbrannten.

Dieser Tag war der fünfundzwanzigste des Monates April des Jahres 1142 gewesen.

Ehe der Morgen graute, wurde ein Zeichen, welches kein Laut war, durch das Lager gesendet, zum Aufbruche bereit zu sein.

Und noch in der Dunkelheit setzte sich der Zug nach Prag in Bewegung.

Zweiter Band

1

Der Schein ging über Feld und Wald.

Als der Herzog Wladislaw auf seinen Zug nach Prag ging, war derselbe in der folgenden Weise eingerichtet. Zuerst waren Reiter, welche den Weg erforschen, berichten, und Hindernisse, wenn es geschehen konnte, zerstreuen sollten. Dann kamen Fußgänger mit jenen Reitern und Wägen, die zu ihnen gehörten. Diese Vorhut führte Diepold der Bruder des Herzogs. Dann kamen die Verwundeten Welislaw, Casta, Hermann von Attes, Beneda, und andere. Sie waren in Tragbahren, deren Bänder über die Buge von je zwei Pferden gingen. Sie wurden von Reitern behütet, die Milota führte. Dann kamen wieder Reiter und Fußgänger. Diese führte Heinrich der zweite Bruder des Herzogs. Nach ihnen waren Wägen, welche Kriegsdinge und Kranke und Verwundete trugen. Die Männer der Wägen befehligte Jurik der Sohn Juriks. Hierauf kamen die entseelten Körper derjenigen, die auf dem Berge Wysoka ihr Leben ausgehaucht hatten, und denen man die Sorge weihen wollte, daß sie nach Prag gebracht würden. Darunter waren die Körper Smils und seiner beiden Söhne, Bens, Dalimils, Pustimirs und anderer hervorragender Männer. Die Ärzte hatten sie in der Nacht, soweit es erreicht werden konnte, mit Spezereien gegen das Verderben eingerieben. Diese Körper waren in Tücher gehüllt, und wurden entweder von Säumern getragen, oder auf Wägen geführt. Das Geleite dieser Mitfolge befehligte Zwest. Nun erschien zum [] Schlusse die größte Schar der Krieger Wladislaws, Reiter und Fußgänger. An diese Stelle waren die erfahrensten Kriegsherren und jene Abteilungen der Männer gewiesen worden, die den geschlossensten Stand zu halten vermochten, damit sie, wenn die Feinde nacheilen und angreifen sollten, schnell in Schlachtordnung wären, und so lange ausdauern könnten, bis auch die andern in Kampfesbereitschaft wären. Diese Nachhut führte der Herzog Wladislaw selbst. Um ihn waren die vorzüglichsten Männer, die Bischöfe und die Führer. Der alte Bolemil war in seiner Tragbahre mit seinen noch übrigen Reitern da. Der alte Lubomir ritt mit seinen Söhnen, die ihm geblieben waren, neben dem Herzoge. Diwiš und sein Sohn Zdeslaw waren da. Odolen folgte mit seinen Freunden. Preda und Gervasius ritten mit. Die Waldleute hatten den Vorzug erhalten, der Abteilung des Herzogs einverleibt zu werden, und zogen nun in ihr dahin. Unter ihnen war Witiko, Rowno, Diet von Wettern, Osel und die anderen, die von dem Mittage des Landes stammten. Zwei der Männer trugen in Tüchern, die man an zwei Stangen gebunden hatte, den verwundeten Tom Johannes den Fiedler. Sie hatten ihn sorgsam zugedeckt, und hatten ihm einen Pack Frühlingskräuter auf die Wunde gebunden. Zwei andere Männer trugen David den Zimmerer, und wieder zwei Veit Gregor. Christ Severin der Wollenweber und Mathias und Urban, der Neffe des Schmiedes, gingen in dem Zuge, weil sie geringere Wunden hatten. Die Waldleute hielten sich geschlossen, und suchten das Benehmen der andern Krieger nachzuahmen. Am Ende des Zuges waren wieder Reiter, wie sie am Anfange waren. Zu beiden Seiten des Weges waren Reiterfähnlein ausgesendet worden, das Land zu durchsuchen, und zu melden, was sie gesehen hätten.

Die Häuser von Suchdol waren nach und nach rückwärts des Zuges gekommen, die Mauern von Radbař, die zuerst [] gegen Mitternacht gestanden waren, konnten nun gegen Mittag erblickt werden, und man näherte sich den Wiesen von Wolešec.

Von den streifenden Reitern kamen Abgesendete herzu, die sagten, daß kein Mensch in der Gegend sei, daß sich die Felder in Unordnung befinden, und kein Vieh zu sehen ist, und daß sich keiner der Feinde zeige.

Die Sonne ging nun über die Länder Mähren und Böhmen herauf, und beleuchtete den Zug. Man konnte an dem Rauche, der gegen Morgen war, sehen, daß die Feinde etwa an der Stelle seien, von der aus sie die Schlacht begonnen hatten, ja aus entfernterem Rauche, daß einige vielleicht schon gegen Mähren zurück gehen.

Die Scharen kamen in den Ort Wolešec, und gingen durch ihn, der leer war, hindurch. Als die letzten die Häuser hinter sich hatten, wurden die Zeichen zur ersten Rast gegeben. Die Zeichen wiederholten sich in den Abteilungen, und man richtete sich zur Ruhe. Einige Zelte wurden aufgeschlagen, zumeist aber ließen sich die Männer nur in die Breite auseinander, um sich nieder zu setzen. Die Waldleute kamen an eine Mauer aus losen Steinen, die neben dem Felde lief. Einige setzten sich auf die Steine der Mauer, andere an die Mauer in das kurze Frühlingsgras der Wiese, die neben dem Felde war. Wie ihnen der Herzog Lebensmittel versprochen hatte, ging es jetzt in Erfüllung. Es kamen Träger und Karren zu ihnen, und brachten Säcke mit geräuchertem Schweinefleisch, mit Brod aus Gerste und Roggen, mit Käseziegeln und Klößen. Auch Fässer mit Getränken wurden herbei geführt, von denen die meisten mit klarem Wasser gefüllt waren, das man aus kühlen Quellen geschöpft hatte. Andere enthielten Bier und Met. Die Waldmänner erquickten sich zuerst an den Getränken, am Wasser, am Biere, am Mete. Dann nahmen sie von den Speisevorräten in ihre Säcke, was sie zum Zuge nach Prag als nötig [] gedachten. Dann aßen sie, tranken wieder, und machten sich zurecht, die kurze Rast zu genießen. Was von den Lebensmitteln übrig geblieben war, wurde wieder fort geschafft. In dieser Zeit kam Jakob, der Knecht aus dem Wangetschlage, mit seinem lahmen braunen Pferde zu den Waldleuten. Man hatte nichts von ihm gewußt, und in dem Kampfe seiner nicht gedacht. Er erzählte, daß er in der Schlacht gewesen sei, und daß sie ihn mit einer Lanze in die Wange gestochen haben. Er habe sich aber sehr gewehrt, und sei jetzt dem Zuge nach geeilt, um ihn einzuholen. Witiko untersuchte seine Wunde, und fand sie geringe. Dann gab er ihm von seinen Vorräten zu essen, und ließ das gehetzte Pferd erquicken.

Als die Ruhezeit aus war, tönten die Hörner zum Aufbruche. Die Eckmänner der Waldleute gaben ihre Zeichen mit Hörnern von Ziegenböcken.

Der Zug richtete sich wieder ein, und ging weiter.

Man rastete noch zwei Male, und am Abende lagerte man sich auf weiten baumlosen Feldern, an denen keine Häuser waren, und die in dieser Kriegszeit keine Saaten trugen. Es wurden Gezelte geschlagen, die Grenzen des Lagers gesteckt, Wachen gestellt, und Kundschafter ausgesendet. Dann zündete man Feuer an, pflegte sich, und bereitete Schlafstellen. Und die Körper der Krieger genossen eine festere Ruhe, als sie in der vorigen Nacht gehabt hatten. Bis zum Morgen war es stille in dem Lager und um das Lager.

Wie an diesem Tage, so war es ähnlich an dem zweiten und an dem dritten und an dem vierten.

Und am fünften Tage kam Wladislaw mit seinen Kriegern vor der Stadt Prag an.

Die Augen aller Krieger sahen auf diese Stadt. Da war der hohe Wald des Berges Petrin, und von diesem Walde gingen die lichten Mauern dahin, die Soběslaw hatte umbauen und mit Türmen versehen lassen, und hinter [] den Mauern ragten die Gebäude empor: die Kirche des heiligen Veit, die Kirche der heiligen Jungfrau Maria, die Kirche des heiligen Georg, die Hofburg des Herzoges, der Bischofsturm, die Priesterhäuser, die Häuser der Ämter, und noch viele andere, die sie nicht kannten. Aber zwischen dieser Stadt, die sie aufnehmen sollte, und den Kriegern war der weit gedehnte rechtsufrige Burgflecken Prag. Und vor dem Burgflecken standen unzählige Menschen gedrängt, um den Herzog und sein Heer zu sehen. Einige waren auf Dächer und Bäume geklettert. Vor allen Menschen aber stand die Herzogin. Neben ihr stand der Hofrichter und der Kämmerer und der Maier des Herzogs, welche nicht in den Streit hatten mitziehen dürfen, es standen die Kmeten neben ihr, die der Herzog über seinen rechten und linken Burgflecken gesetzt hatte, und es standen der Unterkämmerer, der Truchseß und der Schenk des Bischofes und der Dechant und der Hüter und Priester neben ihr, es stand Hugo, der Propst vom Wyšehrad mit Priestern neben ihr, und der Kmete vom Wyšehrad, und jeder hervorragende Mann, der zur Hut von Prag hatte zurückbleiben müssen. Die Herzogin und alle, die sie umstanden, begrüßten den Herzog und die Seinigen.

Der Herzog dankte des Grußes, die Herzogin und die um sie bestiegen ihre Pferde, und der Herzog führte von allen begleitet seine Krieger durch die langen Gassen des Burgfleckens und die vielen Menschen in ihnen auf das große Feld, das zwischen dem Burgflecken und dem Wyšehrad war, und als Verkaufsplatz diente.

Dort ließ er sie ein Lager schlagen, und in dem Lager sich niederlassen. Er aber ritt mit der Herzogin und mit den Bischöfen Priestern Lechen Kriegsherren und einem Geleite von Kriegern in die Burg. Diwiš ging in sein eigenes Haus, dort zu übernachten, eben so Bolemil. Lubomir ging in das Haus seines Stammes, so tat auch [] Ctibor, so Chotimir und Nemoy und Preda und andere. Der Bischof Zdik ging mit seinen Priestern und Leuten in das Haus des Bischofes von Prag, und auch Božebor ging mit einem Geleite dahin. Witiko wurde in dem Hause der Priester des heiligen Veit aufgenommen. In zwei kleinen Gemächern neben dem Torwege fand er Raum für sich und die Knechte Raimund und Jakob, und für die Pferde erhielt er einen kleinen Stall.

Im Morgengrauen des nächsten Tages machte Wladislaw mehrere Anordnungen. Die erste war, daß die Körper der Toten zu ihrer Bestattung möchten hergerichtet werden; die zweite war, daß man die Einteilung treffe, daß die Krieger von dem Verkaufsfelde in die Stadt hinauf zögen, und ihre Abteilungen die Plätze einnähmen, die für sie bestimmt wären. Hierauf sendete er Kundschafter aus, dann ordnete er Werbungen von Arbeitern an, die Mauern, wo es notwendig wäre, noch mehr zu befestigen, und auszubessern. Dann befahl er Sendungen in das Land, um Krieger zum Zuzug aufzufordern, und Lebensmittel einzubringen, und endlich schickte er seinen Bruder Heinrich in das Land Budissin, um dort Männer zur Beihilfe zu werben.

Da der Abend heran nahte, wurde gemeldet, daß man zur Bestattung der Toten in Bereitschaft sei. Der Herzog begab sich auf das Verkaufsfeld, wo sie aufgestellt waren. Eine große Menschenmenge und die Schar der Priester war um sie. Pustimir in schwarzen Sammet gekleidet lag auf einem mit schwarzem Sammet überzogenen Wagen, um nach Daudleb geführt zu werden. Der demütige Priester von Daudleb kniete an dem Wagen, und betete. Smil und seine zwei Söhne lagen auf drei Wägen von grünem Sammet und Silber in dunkelgrüne Sammetgewänder gekleidet mit Silber verziert, die weißen Federn auf den Hauben, und das helle Schwert an der Seite, um gegen Dečin gebracht zu werden. Dalimil, in Braun [] und Gold gekleidet sollte von seiner Sippschaft nach Taus geleitet werden. Swen, ein hochbeherzter Mann, dessen Begräbnisstelle in Mähren lag, sollte, da er mit Spezereien eingesalbt war, in eine Gruft der Marienkirche getragen werden, daß er nach Beendigung des Streites endlich in seine Heimat gebracht werden könnte. Die andern sollten in Prag begraben werden. Der Bischof Otto von Prag, der Bischof Zdik von Olmütz, Peter der Abt von Břewnow, Gezo der Abt von Strahow, die Äbte von Kladrau und Wilimow, der Priester Daniel und viele Priester feierten die heilige Handlung. Der Bischof Otto hielt nach der Segnung eine Predigt, und als sie geendigt war, und als alle auseinander gehen wollten, viele darunter mit Tränen in den Augen, sagte der Herzog: »Die Waffenbrüder der Verstorbenen, dann Männer und Frauen und Jünglinge und Jungfrauen, welche das Land lieben, mögen die, welche für das Land gestorben sind, nicht vergessen.«

»Sie werden nicht vergessen«, riefen sehr viele.

»Nein, wir vergessen sie nicht«, riefen andere.

Mehrere Menschen gingen noch besonders zu der Stätte Bens des Kriegsanführers, um von ihm Abschied zu nehmen, der so bald nach dem Tage auf dem Wyšehrad sein Leben hatte verlieren müssen.

Dann zerstreuten sich alle, und die Toten wurden ihren Bestimmungen entgegen geleitet.

Am Morgen des nächsten Tages begann der Zug der Krieger von dem Verkaufsfelde und derer, die bisher in dem Burgflecken gewesen waren, in die Burg, welche besonders und mit Vorzug die Stadt Prag geheißen wurde. In langer Reihe gingen sie über die hölzerne Brücke, sie gingen zu dem Brückentore der Stadt, und dann in der Stadt empor, an allen den hohen und erhabenen Gebäuden, die da waren, und an dem Herzogstuhle vorüber.

[] Sie wurden in der Stadt eingeteilt, und jeder Abteilung der Platz zugewiesen, der ihr zur Wirksamkeit dienen sollte.

Witiko erhielt von dem Herzoge den Oberbefehl über die Waldleute, die sich auf dem Wysoka freiwillig unter ihn gestellt hatten.

Da die Krieger in die Stadt gezogen waren, rüsteten sich nun die Bewohner der beiden Burgflecken auf die Dinge, die da kommen sollten. Die fremden Kaufleute in dem Teyn verpackten ihre Waren, und sendeten sie auf dem Wege über Pilsen gegen Taus in die deutschen Länder hinaus, oder sendeten sie sonst irgend wohin, und richteten sich, ihnen zu folgen. Die Juden bargen, was sie Wertvolles hatten, und schickten, was in kleinem Raume großen Wert hatte, in entfernte Gegenden. Manche Menschen verließen die Stadt, und die da blieben, vergruben Habseligkeiten, und behielten so viel, den Feinden, die da kommen würden, Verpflegungen zum Schutze vor Mißhandlung reichen zu können.

Als die Krieger auf der Burg ihre Plätze eingenommen, und sich dort eingerichtet hatten, ordnete Wladislaw eine Versammlung auf dem freien Platze vor dem Herzogstuhle an, zu welcher die Kriegsherren und Unterführer geladen waren, und zu welcher Preda mit den Gefangenen kommen mußte. Als sich alle versammelt hatten, und rings um sie viele andere Krieger und Leute aus dem Volke standen, erschien der Herzog auf seinem Pferde, und neben ihm ritt die Herzogin in einem schönen Gewande. Sie stiegen von den Pferden, und der Herzog begab sich auf eine Erhöhung, die hergerichtet war, und sprach zu der Versammlung: »Waffenbrüder, Freunde, Kriegsherren, Männer des Landes, Krieger und Volk, das gekommen ist! Ich spreche zu euch allen, ich spreche, was ich für unser Land als nötig erachte. Mein Großvater Wratislaw ist ein großer und weiser König gewesen, den [] Ländern zum Wohle, sein Sohn, der Herzog Wladislaw, mein Vater, war großmütig und gütig, sein anderer Sohn, der letzte Herzog Soběslaw, lebt in euerm Angedenken, und wird in dem Angedenken derer nach Euch leben. Ich bin auf sie gefolgt. Ich bin nicht wie mein Großvater, mein Vater und mein Oheim. Ich weiß nicht, ob ich ihnen an Gaben gleich oder untergeordnet bin; aber im Guten will ich ihnen gleich sein. Vor diesem ehrwürdigen Stuhle, der schon so viele große und gute Fürsten getragen, und auch manche Verirrungen gesehen hat, kann ich es aussprechen, daß ich die Pflichten treu in mein Herz geschrieben habe, die mir durch diesen Stuhl entstanden sind. In dem Kampfe, der naht, werde ich entweder siegen, und dieses wird nach dem Ratschlusse Gottes dem Lande zum Heile sein, wir werden Gott preisen: oder ich werde unterliegen, und dieses wird nach dem unerforschlichen Ratschlusse Gottes dem Lande zum Heile sein, wir werden auch Gott preisen. Wir kleinen Menschen können das Höchste nicht sehen; aber wir, die wir hier versammelt sind, glauben, daß wir auf dem Rechte stehen, und wir müssen das Recht mit der Herzhaftigkeit und der Einsicht, die wir haben, zu Ende bringen. Ich werde alle Mittel, die zu erringen sind, gebrauchen. Über die Mittel werden wir beraten, wenn wir wissen, was not tut. Jetzt aber sage ich nur, wer im geringsten an der Gerechtigkeit unseres Vorhabens zweifelt, oder wer nicht mit seiner ganzen Seele bei dem Vorhaben ist, der verlasse das selbe mit getrostem Mute, er mag gehen, wohin er will. Der größte Teil der reichen und vornehmen Herren der Länder ist bei den Feinden, der ehrenreichste kleinste Teil der Priesterschaft und der Lechen ist bei mir, und jener kleinerer Männer, die von mir Schutz erwarten, den ich gewähren will. Selbst von meinen Burgflecken kann gehen, wer es verlangt. So sage ich, wie jener kühne Führer aus der alten heiligen Zeit, der zu [] mehreren Malen die fortgehen ließ, die dem Kampfe abträglich sein könnten. Beherziget es.«

Wladislaw schwieg. Da trat Otto der Bischof von Prag hervor, und sprach: »Die Lechen und Herren, die um dich versammelt sind, haben gedacht, wie du sprechen willst, erlauchter Herzog, und haben mich zur Antwort erwählt, nicht um meiner Gaben willen, sondern, weil ich die kirchliche Herrschaft in dem Lande führe, und so sage ich: Keiner aus denen, die schon auf dem Wysoka für das Recht gekämpft haben, und keiner aus denen, die zu dem jetzigen Kampfe gekommen sind, zweifelt an dem Rechte, und keiner wird sich dem, was kommt, entziehen. Wer von den untergeordneten Kriegern gehen will, die werden sie verzeichnen, und die mögest du ziehen lassen.«

»Sie werden in dem Amte meiner Kammer das Reisegeld zum Wege in ihre Heimat finden«, sagte der Herzog.

»Heil Wladislaw«, rief eine Stimme.

»Heil dem großmütigen Herzoge«, rief eine andere.

»Heil«, »Segen«, »Glück« und andere Rufe tönten nun vielstimmig durcheinander.

Da es wieder ruhig geworden war, rief Wladislaw: »Ihr, die ihr dort unter der Hut meines alten Županes Preda steht, und die der Tag auf dem Berge Wysoka als Gefangene in meine Hände gegeben hat, ihr seid frei. Ich fordere nicht, daß ihr versprechet, in diesem Kriege nicht mehr gegen mich zu kämpfen, wer Ehre hat, wird es nicht tun, der andere wird es nicht lassen, und wenn er in meine Hände fällt, wird er auf einem Baume aufgehängt, wie vor zwei Jahren die Diebe des Landes. Wer geht, erhält morgen das Reisegeld in meiner Kammer, wer aber seine Handlungen gegen mich bereut, und mir dienen will, der melde sich, er wird mit Liebe angenommen werden. Jetzt aber entfernet euch.«

Unter den Gefangenen entstand ein Jubelruf; sie wendeten [] sich gegen den Herzog; aber auf den Befehl Predas stellten sie sich, und zogen unter Freudenrufen ab.

Unter dem Volke ertönten wie aus allen Kehlen Rufe der Freude und des Vergnügens.

In diesem Augenblick aber ritt ein Mann auf den Platz, und meldete, daß die Späher eine Jungfrau mit mehreren Begleitern gefangen hätten, und daß die Jungfrau vor den Herzog wolle.

»So laßt sie kommen«, antwortete Wladislaw.

Der Mann ritt fort, und kam in kurzer Frist wieder zurück. Es waren nun vier Männer auf kleinen Pferden bei ihm und ein Mädchen auch auf einem Pferde. Die Männer waren in sehr grobe dunkelwollene weite gegürtete Gewänder gekleidet, trugen Schwerter, und auf den Häuptern rauhe Wolfshauben. Das Mädchen saß auf einem schönen braunen Pferde, es hatte ein schwarzes Gürtelgewand an, darüber ein Waffenkleid, das wie Silber glänzte, und an dem Gürtel ein Schwert. Auf dem Haupte trug es eine Spangenhaube, darunter schwarze Haare hervor sahen. Das Angesicht war jung.

Der Mann führte seine Begleiter vor den Herzog, wies mit der Hand auf ihn, und sagte: »Das ist der erlauchte Herzog, edle Jungfrau, welcher dir die Huld erweist, mit dir zu reden.«

Das Mädchen stellte sich mit seinem Pferde vor die vier Männer, sah den Herzog an, und sprach: »Bist du der Herzog Wladislaw, welcher im Kriege mit den hohen Fürsten ist, die im Lande Mähren einen Bund wider Böhmen geschlossen haben?«

Kaum hatte das Mädchen diese Worte gesprochen, so ertönte aus dem hinteren Geleite des Herzoges ein Laut, der das Wort ›Dimut‹ ausrief. Es war Rowno gewesen, der den Ruf ausgestoßen hatte, und der nun sein Pferd gegen den Herzog vorwärts drängte.

»Rowno«, sagte das Mädchen gegen ihn hin, »ich rede [] jetzt nicht mit dir, jetzt rede ich mit dem Herzoge, und wenn das Gespräch geendet ist, so komme ich zu dir, und werde mit dir reden.«

»Wenn du Rechte gegen die Jungfrau hast, Rowno«, sagte der Herzog, »so übe sie ungeschmälert aus; jetzt aber erwarte das Ende des Gespräches, um das sie gebeten hat, und das ich ihr gewährt habe.«

Rowno zog die Zügel des Pferdes zurück, und blieb stehen.

Der Herzog wendete sich wieder zu dem Mädchen, und sagte: »Dimut heißest du, schöne Jungfrau?«

»Ob ich schön bin, reden wir nicht«, antwortete das Mädchen; »aber Dimut heiße ich.«

»Schön bist du, und als dich meine Krieger gefangen nahmen, hast du zu mir verlangt?« fragte der Herzog.

»Nein«, antwortete das Mädchen, »ich bin von meiner Heimat aus zu dir geritten.«

»Zu mir?« fragte der Herzog.

»Ja«, sagte Dimut, »in dem Walde im Mittage des Landes steht in einem gereuteten Tale ein Turm, in welchem mein Bruder Rowno herrscht. Er ist der Wladyk seines Stammes, und sein Stamm wohnt um ihn. Ich bin in dem Turme. Als noch der Schnee lag, kam die Kunde, daß reiche und mächtige Herren und Fürsten wider dich in Waffen wären, und das Land Böhmen nehmen wollen. Da beschloß Rowno, und es beschlossen Leute aus unserer Župe, auszuziehen, um zu sehen, was sich ergäbe. Ich sagte damals: ihr werdet alle ins Feld gehen, die ihr könnt, ihr werdet ergründen, wo das Recht ist, und dafür mit euerm Leben streiten, und, wenn es sein muß, sterben. Ich will tun, was ein Weib vermag. Das Rechte muß geschehen, wie es auf Erden und im Himmel gilt. So sagte ich, und Rowno und Osel und Diet von Wettern und Witiko zogen fort. Und darauf meldete Rowno, daß das Recht bei dir sei, daß die reichen Herren noch reicher [] werden und noch mehr Županeien haben wollen, und daß du die kleineren Männer gegen sie schützest. Und weil die Knaben des Waldes auf Kundschaft liefen, brachten sie die Nachricht, daß eine große Schlacht gewesen sei, in der Herren und Fürsten und niedere Männer und Knechte erschlagen worden sind, und weil ich solche Dinge, so lange ich lebe, nicht gehört habe, so konnte ich nicht mehr bleiben, ich nahm die vier Männer, und ritt fort, und da erfuhren wir, daß die Schlacht erst jetzt gewesen ist, daß du nach Prag gezogen bist, und da ritt ich nach Prag zu dir.«

»Wenn alles so ist, schöne Jungfrau, ich muß dich wieder schön nennen«, antwortete der Herzog, »was ist in Prag bei mir dein Begehren?«

»Zu sehen, wie die Sache ist«, antwortete Dimut.

»Nun, so siehe, wie die Sache ist«, erwiderte der Herzog; »aber beeile dich, es könnte bald alles anders werden, und wenn draußen Gefahr ist, könnten wir dir kein großes Rückgeleite geben, weil wir die Männer brauchen.«

»Dann würde ich ja nur wissen, wie die Sache jetzt ist, nicht wie sie immer wieder ist«, entgegnete Dimut.

»Und das willst du wissen, Dimut?« fragte der Herzog.

»Ja, hoher Herr«, antwortete Dimut.

»Was sagt meine erlauchte Herzogin dazu?« fragte der Herzog.

»Lasse das Mädchen heute abends zu mir in meinen Hof kommen, damit ich mit ihm spreche«, antwortete die Herzogin.

»So machet die Sache nach Euerm Sinne in das Reine«, sagte der Herzog, »die Jungfrau wird uns von unsern Vorräten hier wenig wegzehren. Aber Rownos Wille muß gehört werden, und seinen Rechten muß Genüge geschehen.«

»Wenn das Gespräch zu Ende ist«, sagte Dimut, »so werde ich jetzt mit meinem Bruder reden.«

[] »Es ist zu Ende«, sprach der Herzog, »rede mit ihm.«

»Ich aber rede nicht mit ihr«, rief Rowno von seinem Platze, »ich bitte den erlauchten Herzog um ein Wort meiner Stimme zu ihm.«

»Du hast jederzeit die Erlaubnis, mit mir zu reden«, sagte der Herzog.

»Hoher Herr«, rief Rowno, »ich bin kein Krieger deiner Župe Daudleb, was wir gegen die Županei schuldig sind, haben wir erfüllt, und Lubomir ist mit allen Župenkriegern zu dir gegangen, ich bin ein freier Mann in Rowna, dem Eigen unserer Sippen, ich bin freiwillig mit den Rownakriegern in die Schlacht auf dem Berge Wysoka gegangen, bin dir freiwillig nach Prag gefolgt, und bleibe freiwillig bei dir. Ich bitte dich, erlauchter Herzog, um die Vergunst, daß ich vor der ganzen Versammlung reden darf.«

»Wenn es notwendig ist, so rede«, sagte der Herzog.

»Du wirst selber sehen, daß es notwendig war, wenn ich gesprochen habe«, entgegnete Rowno.

»So komme hervor, und sprich«, sagte der Herzog.

Rowno ließ seinem Pferde den Stachel spüren, es setzte sich in Bewegung, die Männer machten eine Gasse, und er ritt durch dieselbe vorwärts bis zu dem Herzoge. Dort stellte er sich den vier Männern gegenüber, die mit Dimut gekommen waren. Er war wie einer von ihnen. Er hatte wie sie ein dunkelwollenes weites gegürtetes Gewand an, trug ein Schwert, und hatte auf dem Haupte eine rauhe Wolfshaube. Er richtete sich aber hoch empor, sah die Männer an, und rief mit lauter Stimme: »Du, Wentimir, und du, Diš, und du, Meneš, und du, Walchun, reitet ungesäumt über diesen Berg hinab, und reitet ohne einen andern Aufenthalt fort, als zu eurer und eurer Pferde Erquickung notwendig ist, reitet immer fort, bis ihr in Rowna angekommen seid. Dort stellt euch unter die Herrschaft Bustins, den ich zur Verteidigung [] des Turmes zurückgelassen habe, und sagt, euer Urteil, daß ihr Rowna verlassen habt, werde ich sprechen, wenn ich aus diesem Streite werde nach Hause zurückgekehrt sein, und sagt, Bustins Urteil, daß er euch fortgelassen hat, werde ich zu derselben Zeit sprechen.«

Er schwieg, und die versammelt waren, schwiegen, und warteten.

Die vier Männer wendeten ihre Pferde um, und suchten einen Weg nach abwärts. Keiner sprach ein einziges Wort. Man machte ihnen Platz, und man sah sie nach dem Tore gegen den Burgflecken hinab reiten. Sie waren bald nicht mehr zu sehen. Jetzt war nur mehr Rowno allein mit einer Wolfshaube auf dem Platze.

Er sprach nun zu Dimut: »Wenn ich von dieser Stelle fort reite, wirst du mir folgen.«

»Ich werde dir folgen«, antwortete Dimut.

Nach diesen Worten wendete er sich zu dem Herzoge, und sagte: »Erhabener Fürst und Herzog! Du siehest, daß ich vor allen, die hier sind, sprechen mußte, weil die Sünde des Ungehorsams vor allen begangen worden ist. Das Land und die Leute müssen wissen, daß die Wladyken Gerechtigkeit üben, weil sonst das Land und die Leute zu Grunde gingen. Wer gegen seinen Obern seinen eigenen Willen verlangt, ist ein Unterdrücker.«

»Du hast recht getan, so zu sprechen«, sagte der Herzog, »ich bin ja auch ein Wladyk, gegen den seine Sippen jetzt ihren eigenen Willen verlangen, und diese Sippen fügen sich nicht so wie die deinigen, darum dieser Kampf entstanden ist. Ich denke nun, du wirst, wenn hier in Prag oder bei Prag alles ausgeordnet ist, und du wieder in deine Heimat zurück gekehrt bist, Bustin, den du zum Führer deiner Burg zurück gelassen hast, bestrafen, daß er Männer leichtfertig aus derselben gelassen, und du wirst ihn belohnen, daß er die Torheit deiner Schwester unschädlich gemacht hat, und du wirst die vier Männer[] strafen, daß sie ihren Platz verlassen haben, und du wirst sie belohnen, daß sie deiner Schwester in Gefahren beigestanden sind.«

»Hoher Herzog, höre mich an«, sagte Rowno, »da lebt in der Burg Daudleb der edle Župan Lubomir. Er hat seine Sippen in den Ämtern. Da ist sein Sippe Wentislaw der Župenrichter, sein Sippe Rastislaw der Meier, sein Sippe Widimir der Schreiber, sein Sippe Kodim der Kämmerer, sein Sippe Momir der Zöllner, und da ist seine Base die Kleideralte. Mit diesen richtet und rüstet er alles, die Pflege der Županei, die Gerechtigkeit, die Zier und Ordnung des Krieges, und sie sind ihm untertan, und er hält sie in der Zucht. Ich bin kein Župan, ich bin ein Wladyk des Waldes; aber ich will in meinen Sippen das Recht erhalten, wie ein Župan, und werde nach der Gerechtigkeit sprechen, wie Lubomir.«

»Wenn dieser Mann seinen Wert so genau betrachtet, und auch so eifrig ist in den Taten des Krieges, so können wir auf ihn bauen«, sagte die Herzogin.

»Das können wir«, entgegnete Wladislaw, »er hat es auf dem Berge Wysoka erwiesen. Rowno, du hast dir an Lubomir ein gutes Vorbild des Rechten gewählt, und denke, daß jeder, der ein Župan ist, einmal keiner gewesen ist.«

»Ich bin in den Krieg gegangen«, sagte Rowno, »daß das Recht werde, daß der Unterdrücker gestraft werde, und daß ein kleiner Mann sich etwa dehnen könne.«

»So strebe darnach«, sagte der Herzog, »und mit deiner Schwester rede nach deinem Rechte und deinem Ansehen, damit das, was wir mit ihr vorhaben, deine Billigung erhält.«

»Sie wird meinen Befehlen folgen«, antwortete Rowno.

»So sprecht mit einander, zeige uns vor Abend deinen Beschluß an, und jetzt entferne dich«, erwiderte der Herzog.

Rowno verneigte sich, bedeutete Dimut, ihm zu folgen, [] wendete sein Pferd, und ritt wieder unter die versammelten Menschen hinein. Dimut grüßte, wie Frauen von Pferden zu grüßen pflegen, gegen den Herzog und die Herzogin, und folgte ihrem Bruder.

Wladislaw sagte nun. »Die Versammlung ist schon zu lange aufgehalten worden, es ist billig, daß wir sie schließen, seid nicht ungünstig des Verzuges, hohe Herren, und seid für das Erscheinen bedankt.«

Er und die Herzogin bestiegen ihre Pferde, und entfernten sich.

Die Versammlung ging auseinander, und die Leute sahen teils dem Herzoge und der Herzogin, teils Dimut und ihrem Bruder nach, und zerstreuten sich dann.

Als der nächste Tag gegen das Ende ging, kamen mehrere Männer von dem Berge Wysoka an. Es waren die Männer, die Wladislaw zur Besorgung der Verwundeten und Begrabung der Toten zurückgelassen hatte. Die Begraber sagten, es seien in der Nacht, die auf die Schlacht gefolgt ist, ruchlose Menschen gekommen; denn am Morgen haben sie sehr viele nackte Tote gefunden, und nur einen Teil mit Gewändern. Sie haben alle zur Ruhe bestattet, und auch manchen Feind, weil sie ihn nicht kannten, geborgen. Die Feinde haben desgleichen getan, und fromme Priester sind herbei gekommen, und haben geholfen. Die für die Verwundeten sorgten, sagten, es seien mildtätige Frauen und Brüder mit Labung und Tragen gekommen, und denen haben sie einige gegeben, andere haben sie mitgenommen, und haben sie in abgelegene Häuser, wenn ein Mensch in ihnen zu finden war, oder in die Stadt Prag gebracht. Die Feinde sind noch immer weit entfernt, und die Gegend zwischen Suchdol und Prag ist leer.

Von den Leuten des Waldes kamen auch einige Männer. Sie sagten, daß sie Norbert unter den Büschen begraben haben. Dann haben sie Tesin von Prachatic und Arnold [] vom schwarzen Bache und auch einige Leute von den untern Friedberghäusern und den Steingewänden begraben, weil sie gelobt haben, im Kriege einander beizustehen. Und weil sie Verantwortung geben müssen, so haben sie an den Gräbern aller gebetet, und ein Pfarrer hat mitgebetet. Wenhart vom Dürrwalde hat einen Haufen Männer um sich versammelt, und sie haben gesagt: arme Leute können hier nichts mehr erwerben, sie gehen in die Heimat, weiter von diesem Berge werde ihnen schon jemand Nahrung geben, und immer wieder so, bis sie zu ihren Sippen kommen.

»Das sind verzagte Rehe«, sagte der Schmied von Plan, »die Herren, welche bei dem anderen Herzoge Konrad sind, haben große Županeien, es hat einer gar drei Županeien, und sie haben Gründe und Felder und Sippen und Gesinde, und sie haben Steine, deren einer leicht ein Pfund Pfennige wert ist, und Gold und Silber. Das alles gehört dem Herzoge, wenn wir sie besiegt haben, und er verteilt davon an die, welche ihm geholfen haben. Die einen werden Župane, die andern kommen in Ämter, und die andern erhalten Wälder und Länder, und die andern Geld und Gut. Und die fort gegangen sind, haben sich alles vereitelt. Ihr habt ja gehört, wie manche Männer groß geworden sind. Und dem armen Witiko werden auch ein paar Hände voll Goldstücke wohlbekommen.«

Die Leute, die von dem Wysoka gekommen waren, sagten, darum seien sie nach Prag gegangen, und werden in Prag bleiben.

An diesem Tage machten die Kriegsherren auch die Namen derer kund, die sich zum Wegziehen aus Prag gemeldet haben. Sie sagten, es seien Strolchenmänner, die dem Lotterleben nachliefen, und keiner Sache gehörten. Die Leute erhielten ihr Weggeld, und wurden entlassen. Von den Gefangenen gingen viele fort, andere gesellten sich zu den Kriegern Wladislaws.

[] Am Morgen des Tages, der folgte, ritt der Herzog herum, und sah, wie weit alles in der Stadt gediehen sei. Mit ihm ritten Diepold und die Herzogin, gefolgt von Frauen ihres Hofes, darunter Dimut in ihrem Waffengewande. Der Herzog ritt zu allen Plätzen, und sah, wie die Männer von ihren Führern geübt und belehrt wurden, und wie die Krieger und die Hilfsarbeiter die Geräte und die Wehren richteten. Er belobte sie, ordnete noch manches an, und beriet sich mit den Kriegsherren. Die Männer auf den Zinnen hatten zuversichtliche Angesichter, und taten willig die Arbeit. Als die Schau beendigt war, ritten der Herzog und die Herzogin wieder in ihren Hof.

In dieser Zeit kamen fortan auch Wägen mit Lebensbedürfnissen in die Stadt, es kamen Boten und Kundschafter, und wurden wieder fort gesendet. Es kamen noch manche Krieger, welche sich von dem Berge Wysoka aus zerstreut hatten, und nun wieder die Ihrigen suchten. Es kamen auch neue Krieger, welche bei der Verteidigung der Stadt helfen wollten. Noch immer verließen Menschen die Burgflecken, und zogen in weite Entfernungen, andere aber kamen von den Feldern herein, und suchten Schutz in den Häusern.

Witiko brachte seine meiste Zeit bei den Waldleuten zu. Er unterrichtete und übte die, welche ihm untergeben waren, in allem Notwendigen, und sie suchten es zu erlernen. Eine andere Zeit wendete er dazu an, daß er die genaue Einsicht gewinne, was seine Führerschaft verlange, und wie die Verteidigung werde geführt werden. Er ging zu den älteren Führern um Rat, und sie erteilten ihn gerne, besonders Lubomir, der es öfter so einrichtete, daß Witiko zusehen konnte, wenn die Daudlebkrieger ihre Übungen machten. Der alte Bolemil gab manche gute Weisung. Auch zu den jüngeren Rittern ging Witiko öfter, und sie gingen zu ihm. Mehrere Male war er in dem Geleite des Herzoges, wenn dieser seine Umritte [] machte. Er besuchte die Kranken und Verwundeten, und war gerne bei Welislaw, der in einem Gemache der Hofburg war, und dort auf einem weichen Gesiedel saß oder lag, oder auch an ein Fenster ging, um, so weit er konnte, zu sehen, welche Einrichtungen man treffe, von denen er auch stets Erzählungen verlangte. Seine Verwundung ging schneller Genesung entgegen. In seiner Wohnung hatte es Witiko so, daß Raimund die Pflege derselben und die Wartung der Pferde besorgte, Jakob aber alles Auswärtige tat, weil er dazu geschickter war.

Wenn seine Leute ihre Arbeiten verrichtet hatten, waren sie müßig, und so standen nun die Männer des Waldes oft in ihren groben Röcken und schweren Stiefeln auf den Mauern der Stadt, und blickten auf das, was sie sehen konnten, besonders der Schmied in seiner grauen Filzhaube, dem grauen Rocke und den grauen Beinbekleidungen und den nägelbeschlagenen Stiefeln. Um seine Schulter hing die Keule, mit welcher er den Sohn Načerats erworfen hatte. Seinem Neffen Urban war ein grobleinenes Tuch über die Wunde gebunden, und so auch Christ Severin dem Wollenweber. Tom Johannes den Fiedler, David den Zimmerer und Veit Gregor hatten sie bei den guten Frauen des heiligen Georg zur Pflege untergebracht.

Die Männer sahen nun da auf die lange Brücke der Moldau hinunter, auf die vielen Häuser der beiden Burgflecken, auf die Berge an dem Wasser, oder auf die Felder außer den Häusern. Dann blickten sie ganz nahe hinab auf die Kleider, welche die Leute hier trugen, auf die Pferde, wenn Reiter vorüber zogen, oder gar ein Wagen ging, und zeigten sich die Fügungen der Steine oder des Holzes, woraus die Häuser gebaut waren. Sie saßen auch sehr gerne auf vielerlei Gegenständen in dem Kreise herum, und erzählten sich von den Dingen, die sie durch zahlreiche Leute auf vieles Fragen hier erfahren hatten. [] Da stand auf einem Felsen an der Moldau, ehe ihre Wasser nach Prag kommen, die Burg Wyšehrad. Als noch der anfängliche Wald alle diese Berge an der Moldau bedeckte, ist sie gebaut worden, lange, bevor der Held Zaboy lebte und der Sänger Lumir. Und dann ist Krok gekommen, und hat auf der heiligen Burg seinen goldenen Sitz gehabt. Dann ist Libuša gewesen, die unter allen Schwestern sein liebstes Kind gewesen ist, und sie hat den Ackersmann Přemysl geheiratet, und sie hat den ersten Holzblock zu der Burg Prag aushauen lassen. Und von ihr ist ein zahlreiches Geschlecht gekommen, und sie haben über die Völker gewaltet. Einer hat sich taufen lassen, da Christus geboren worden ist, und den heiligen Glauben in die Welt gebracht hat. Er hat der Herzog Bořiwoy geheißen. Sein Enkel ist der heilige Wenzel gewesen, und seine Hausfrau die heilige Ludmila. Er hat die erste Kirche in Böhmen gebaut, in seiner Burg Hradec. Dann hat er sogleich die Kirche der heiligen Jungfrau Maria in der Burg Prag gebaut. In dieser Kirche hat der Herzog Wratislaw das Abschneiden der Haare seines Sohnes, des heiligen Wenzel, gefeiert, und sie bringt bis heute Heil allen Gläubigen. Dann steht die hohe Kirche des heiligen Veit da. Sie ist mit Mühseligkeiten gebaut worden. Der heilige Wenzel hat sie gebaut, und der Bischof von Regensburg, Tuto, hat es ihm erlaubt. Und dann ist der Bischof Tuto gestorben, und, der nach ihm gekommen ist, der Bischof Michael, hat sie geweiht. Sie hat von Gold und Silber gestrahlt, und war voll von Pracht. Und da sie zu klein war, hat sie der Herzog Spitihněw wieder niedergerissen, und weit größer gebaut, und dann ist sie verbrannt, und ist abermals wieder aufgebaut worden, und dann hat ein Blitzschlag den Turm zerstört, und der Turm ist wieder errichtet worden. Die größten Heiligtümer sind in ihr. Der deutsche König hat dem heiligen Wenzel einen Arm des heiligen Veit in sie [] geschenkt. Dann ist der Leib des heiligen Wenzel selber in ihr begraben worden, und es sind dann seit der Zeit viele Wunder geschehen. Und der Leib des heiligen Märtyrers Adalbert ruht in ihr, und seine Meßgewänder sind in ihrer Schatzkammer aufbewahrt, und der Leib des Märtyrers Podiwen, des treuen Dieners des heiligen Wenzel, ist in ihr begraben, und der Leib Radims, des Bruders des heiligen Adalbert. Sie kann die Menge der Menschen gar nicht fassen, wenn das Fest des heiligen Wenzel ist, und auch Kranke um Genesung aus fremden Ländern herbei kommen, und wenn das Fest des heiligen Adalbert gefeiert wird. Diese Kirche ist die heiligste Kirche in dem ganzen Lande Böhmen. Dann ist auch die Kirche des heiligen Georg. Sie ist noch früher gebaut worden als die Kirche des heiligen Veit. Es hat sie schon der Sohn des getauften Herzogs Bořiwoy, der Vater des heiligen Wenzel, der Herzog Wratislaw gebaut. Er ist sodann in ihr begraben worden, und der Leib seiner Mutter, der heiligen Märtyrerin Ludmila, ruht auch in ihr. Neben ihr steht das Kloster der frommen Frauen des heiligen Georg, wo jetzt die Verwundeten gepflegt werden. Dann ist der große Begräbnisplatz allhier, wo Priester und Herzoge und Herren liegen, und wohin der Herzog Břetislaw begraben zu werden verlangte, da er in dem Walde von Bürglitz zu Tode gestochen worden ist. Vor der Kirche des heiligen Veit steht unter freiem Himmel der steinerne Stuhl des Herzogs. Er ist tausend Jahre in der Burg Wyšehrad gestanden, und ist dann mit sechzehn Pferden und acht Ochsen in die Burg Prag geführt worden. Der Herzog von Böhmen und Mähren legt schlechte Gewänder und die Bastschuhe des Ackermannes Přemysl, die in der Kammer der Burg Wyšehrad aufbewahrt werden, an, damit er sich seines Ursprungs erinnere, und dann wird er mit schönen Gewändern bekleidet, und auf den steinernen Fürstenstuhl gesetzt, und dadurch [] wird er erst der Herzog. Darum wollen die von Mähren den Fürstenstuhl gewinnen. Und neben dem Fürstenstuhle steht die Hofburg des Herzoges, darin er in Pracht und Herrlichkeit lebt, und von dem Söller derselben werden Münzen unter das Volk geworfen, wenn der Herzog den Fürstenstuhl besteigt. Und dann ist das Haus des Bischofes, welches der Bischofsturm heißt, und die Häuser des Propstes, der Kirchenherren, der Kirchendechante, und der Priester und der Diener, daß sie den Gottesdienst in Prag, das über alle Länder herrscht, feiern. Dann sind die Häuser des HofŽupanes, des Hofrichters, des Hofkämmerers, des Hofkanzlers, des Hofjägers, des Truchsessen, des Marschalles, des Schenken, und mehrerer Herren und Männer, und dann noch viele, in denen die Herren wohnen, und ihre Hausfrauen und die schönen Jungfrauen, die sich zeigen.

So erzählten sich die Männer unter einander von den Dingen, die um sie waren.

Oft gingen einzelne oder mehrere zu ihren Genossen, die bei den milden Frauen gepflegt wurden, sie zu trösten.

Eines Tages verlangte Sebastian, der Schuster von Plan, daß ihm Witiko gestatte, nach Plan zu gehen, um sich notwendige Dinge zu holen, er werde schon zurückkehren, wenn man ihn brauche.

Witiko sagte: »Du weißt, daß der Herzog gesagt hat, jeder dürfe gehen, also gehe.«

Sebastian ging nun über den Berg hinunter, über die Brücke, durch den Burgflecken, und gegen den Wyšehrad hinaus.

Nach mehrerer Zeit kam der Späher Wladiwoy, der mit Reitern weit in das Land geritten war, zurück.

Der Herzog versammelte die Kriegsherren. Wladiwoy mußte herbei kommen, und seine Nachrichten verkündigen.

Er sprach vor der Versammlung.

[] »Hohe Herren! Wir sind in einem großen Umkreise durch das Land bis gegen Mähren geritten, und auf einem andern Wege wieder zurück. Die Feinde sind von dem Berge Wysoka zurückgegangen, haben aber dann ein Lager befestigt, und haben ihre Männer geordnet und eingeteilt. Sie haben angefangen, Belagerungswerkzeuge aller Art und von allen Orten zusammen zu bringen, und neue zu bauen, dergleichen bisher noch gar nicht zu sehen gewesen sind, deren Zahl noch nie angewendet worden ist, und die schwerere Lasten weiter schleudern, als es bis jetzt im Kriege geschehen ist. Sie senden Abteilungen von Reitern und einzelne Männer durch das ganze Land, um zu werben, und Vorteile zu versprechen, die der neue Herzog gewähren werde; sie sagen, die reichsten und größten Herren sind bei Konrad, und das Ende kann gar nicht ungewiß sein. Ganze Haufen strömen ihnen täglich zu, und sie vermehren sich beständig. Es sind aber auch Leute in dem Lande für uns, sie sagen, wenn die Fürsten und Herren den Herzog Wladislaw zu Grunde gerichtet hätten, dann würden sie die Macht und Gewalt gegen das Land richten, und alles an sich reißen, und nach ihrem Willen leben. Mancher Župan, der nicht in Prag ist, hat die reitenden Scharen der Feinde angegriffen, geschlagen und zerstreut, zwischen manchem kleinen Manne und den Fähnlein der Mährer kömmt es zu Kämpfen, und die Streifer, die von Prag ausgesendet wurden, befehden den Feind, wo sie ihn finden. So ist ein zerstückter Krieg schon in großen Strichen des Landes. Und Tagediebe, die zu keinem Herzoge gehören, und nur Beute suchen, ziehen herum, und greifen jede Schar an, der sie überlegen sind, und erklären sich als Freunde jeder, der sie nicht gewachsen sind. Die Felder zwischen den Fein den und Prag sind verödet und die Ortschaften meistens verlassen.«

Ipoch, ein anderer Mann, wurde vorgerufen, und er sagte das nämliche.

[] Und ein dritter sprach auch so.

Darauf sagte der Herzog: »Es gefalle euch, Herren, morgen, da der siebenzehnte Tag des Monates Mai gekommen ist, mit dem frühesten Tage in dem großen Saale euch zur Beratung zu versammeln. Alle, die da eine Führerschaft haben, sind geladen.«

Da der Morgen des nächsten Tages anbrach, kamen alle, die geladen worden waren. Sie reihten sich um den langen Tisch. Da sie geordnet waren, kam der Herzog in einem braunen Gewande und einer dunkelbraunen Haube herein. Seinen Oberkörper zierte ein Waffenhemd, und an seiner Seite hing ein Schwert. Neben ihm ging sein Bruder Diepold. Hinter ihm war das Hofgeleite seiner Krieger. Als die Männer eingetreten waren, schloß sich hinter ihnen die Tür, und das Geleite blieb an derselben stehen. Der Herzog aber ging mit seinem Bruder an das obere Ende des Tisches, und sie setzten sich. Nach einem Augenblicke stand Wladislaw auf, und alle Versammelten erhoben sich. Wladislaw entblößte sein Haupt, grüßte und sprach: »Seid willkommen, Herren des Landes, du, Diepold, der einzige von den Sprossen des Stammes Přemysl, welcher hier ist, ihr, Bischöfe, Äbte, Pröpste und Priester, ihr, Lechen, Župane, Führer, und ihr, meine Kmeten meiner Burgflecken! Ich bitte, setzet euch nieder!«

Die Männer setzten sich.

Der Herzog legte seine Haube auf den Tisch, blieb stehen, und sprach: »Es ist endlich dahin gediehen, daß wir über den Entscheid der Sache, die sich in diesen Reichen erhoben hat, beraten, und zu einem Schlusse kommen, der allen lieb ist, und den alle gerne ausführen werden. Ihr habet die Nachrichten vernommen, die über das Land und über die Feinde eingegangen sind, und werdet über dieselben nachgedacht haben. Ich habe den allmächtigen Gott angefleht, daß er mich erleuchte, das vorschlagen zu können, was am sichersten fromme. Ich habe auch mit[] vielen der weisen einsichtsvollen und guten Männer, die hier versammelt sind, gesprochen. Ihr werdet ebenfalls euer Gemüt zu Gott erhoben, und mit einander geredet haben. Wir wollen nun zum Ende gelangen. Im Hornung des Jahres 1140 bin ich von einer Versammlung der Herren der Länder Böhmen und Mähren auf dem Wyšehrad zum Herzoge dieser Länder erwählt worden. Einige der anwesenden Männer haben mich gewählt, andere nicht, weil sie ihres Versprechens an Soběslaw gedachten. Sie haben mich aber später anerkannt, und mir gedient. Auch Soběslaw hat auf seinem Sterbebette seinem Sohne Wladislaw geraten, sich mir zu unterwerfen. So ist das Recht geworden, und so habe ich zwei Jahre ohne Widerrede als Herzog gehandelt. Da hat ein Teil jener Männer, die mich gewählt haben, wieder einen neuen Herzog gewählt. Sie haben eine Kriegsmacht zusammen gebracht, und sind heran gezogen. Wir sind ihnen entgegen gegangen. Auf dem Berge Wysoka konnte es nicht zur Entscheidung kommen, weil sie der Verrat in unseren eigenen Gliedern gehindert hat. Wir sind nach Prag gegangen, und haben uns vor den heiligen Stuhl Přemysls gestellt. Sie bauen Geräte aller Art, den Stuhl zu gewinnen. Ich habe gesagt, daß wir mit allen Mitteln, und mit unserer Einsicht und Herzhaftigkeit kämpfen werden, und ihr habt auf dem Berge Wysoka gesagt, daß für das Land der Weg der größten Sicherheit und schnellsten Entscheidung gewählt werden müsse. Ich habe in dieser Stadt gesprochen, daß wir die Mittel beraten werden, wenn wir alles genau wissen. Heute ist nun der Tag, die Mittel zu beraten, und den Weg der größten Sicherheit und schnellsten Entscheidung zu suchen. Schon auf dem Berge Wysoka ist vieles Blut unglücklicher und unschuldiger Leute vergossen worden, jetzt wird vieles Blut in leichtfertigen, freventlichen, unnützen und heftigen Kämpfen vergossen, bis zur Schlacht ist vieles Eigentum vernichtet worden, [] und wird noch vernichtet. Und es ist gar nicht zu ergründen, was für Elend Wildheit und Zuchtlosigkeit noch kommen kann. Die tapferen und starken Herzen in diesen Mauern werden auf lange Zeit widerstehen, ehe die Feinde in die Stadt kommen. Ja vielleicht müssen die Feinde durch Zeit und Leiden aufgerieben von der Belagerung abstehen, und die Stadt verlassen. Aber der Krieg ist dann nicht beendet, und der Weg der schnellsten Entscheidung ist nicht betreten. Die Zahl der Feinde ist weit größer als die unsrige. Und wie streitbar unsere Schar auch ist, und wenn sie im offenen Felde auch immer siegte, so kann sie schnelle Entscheidung nicht bringen. Mit meinem Bruder Heinrich werden Männer aus dem Lande Budissin kommen; aber ihre Zahl wird nicht hinreichend sein. Wir können in dem Lande werben; aber die Feinde werben auch, und die Zeit des Unheils geht indessen immer fort, weil die Werbezeit lange sein muß. Da ist nun mein Gedanke, daß jetzt Hilfe von außen notwendig ist. Mein Schwager Leopold, der Sohn Leopolds, des Markgrafen von Österreich, würde sie bringen, aber ihr wißt, daß er zu Altaich in Baiern nach dem Kriege, den er gegen den Wittelsbacher so herrlich geführt hat, gestorben ist. Sein Bruder Heinrich, mein anderer Schwager, ist wieder im Kriege um das Herzogtum Baiern. Aber da ist mein Nebenschwager, Konrad, der König der Deutschen, der Stiefbruder meiner Gemahlin Gertrud, die mit ihm von Agnes der Tochter des unglücklichen Kaisers Heinrich abstammt. Diesem Kaiser Heinrich ist auch mein Oheim Bořiwoy gegen seinen aufrührerischen Sohn Heinrich zu Hilfe gezogen. Ich habe an den König Konrad gesendet. Er will aus Liebe zu seiner Mutter Agnes, aus Liebe zu seiner Schwester Gertrud, aus Liebe zu seinem Großvater, dem gestorbenen Kaiser Heinrich, und aus Dankbarkeit gegen Böhmen Scharen gewähren, die ergiebig sein sollen. Ihr, geliebten [] Freunde und Kampfgenossen, bleibt in der Stadt, und haltet den Feind von ihren Mauern zurück; ich gehe mit wenigem Geleite, daß ihr nicht geschwächt werdet, zu Konrad, werbe auf dem Zuge, kehre mit seinen Kriegern und mit denen, die ich aus unserem Lande gezogen habe, zurück, und schlage vor den Mauern hier die Schlacht. Die Feinde können in einigen Tagen vor diesem Berge sein, und unsere Handlungen dürfen nicht zögern. Ich habe gesprochen, und fordere die Herren aus den Ländern auf, ihre Meinung zu sagen.«

Nach diesen Worten blieb der Herzog noch einige Augenblicke stehen, dann setzte er seine Haube auf, und ließ sich auf seinen Stuhl nieder.

Es war eine kleine Zeit stille.

Da erhob sich der Bischof von Prag von seinem Stuhle, und sprach: »Hoher Herr, treuer Sohn der Kirche! Ich glaube, du hast den kürzesten Weg zum Heile und zur Sicherheit angedeutet, wie wir auf dem Berge nach der Schlacht gesagt haben, daß es der kürzeste sein müsse; ich glaube, du sollst diesen Weg wandeln, und Gott segne dich, und seine Himmelsscharen geleiten dich.«

Und der Bischof setzte sich wieder auf seinen Stuhl nieder.

Dann erhob sich Zdik der Bischof von Olmütz, und sprach: »Ich glaube, damit das Unheil vermieden werde, das die früheren Nachfolgekämpfe gebracht haben, sei kein anderes Mittel möglich, als welches der erlauchte Herzog ausgesprochen hat.«

Dann setzte er sich wieder nieder.

Der Abt von Kladrau sprach: »Möge deine gute Absicht, hoher Herr, eine gedeihliche Vollendung finden.«

Der Abt Gezo von Strahow sagte: »Wir hoffen, daß der Freund im hinreichenden Maße eintreten wird.«

Der Abt von Břewnow sagte: »Er wird es tun, wie wir ihm ja auch vor drei Jahren gegen die Sachsen Zuzug geleistet haben.«

[] Hierauf sprach kein Priester mehr.

»Und was sagt mein Bruder Diepold?« fragte der Herzog.

Diepold erhob sich, und sprach: »Du bist das Haupt unseres Geschlechtes, der Wladyk unseres Stammes, ich unterwerfe mich deinem Willen.«

Dann setzte er sich wieder nieder.

Der alte Wšebor mit den weißen Haaren hob beide Arme empor, zum Zeichen, daß er reden wolle. Der Herzog wies mit der Hand gegen ihn hin, die Männer sahen auf ihn, man half ihm, sich empor zu richten, und da er stand, sprach er: »Ich tue Einrede. Das Ansinnen ist ein Fehler, das Vorhaben ist nicht gut. Da wir vor zwei Jahren in dem Saale der Burg Wyšehrad saßen, und ich noch nicht so alt war wie jetzt, und da wir dich, erlauchter Herr, auf den Fürstenstuhl der Länder Böhmen und Mähren wählten, da sprach ein Mann, der älter war als ich, und dem die Gnade des Himmels erlaubt hat, noch heute unter uns zu sein, ein Mann, der viele Dinge gesehen und erlebt hat, ein Mann, dem weise Gesinnungen in dem Haupte sind, und der das Land und die Leute liebt, dieser Mann sprach, daß wir stets in der Gewohnheit haben, in unsern Streitigkeiten die Fremden zu rufen, daß der Fremde kommt, daß er immer mehr Macht bei uns gewinnt, und daß er eines Tages unsern Fürstenstuhl nehmen wird. Ich habe schon viele Fremde hier gesehen, und habe gesehen, wie sie gewaltet haben. Unser verstorbener ruhmreicher Herzog Soběslaw hat selbst seinen Knaben Wladislaw von dem deutschen Könige Konrad in Bamberg mit der Fahne von Böhmen und Mähren belehnen lassen, von einem Fremden; denn Konrad war noch nicht der Kaiser und noch nicht der Schirmvogt der Christenheit. Wir verlieren die Gewalt über uns, und werden bald nichts mehr haben, worüber wir streiten könnten. Deine Weisheit, Herr, und die Weisheit der Räte, die um dich sitzen, wird ein anderes Mittel ersinnen, [] das uns hilft, und das uns nicht unser eigenes Eigen raubt.«

Nach diesen Worten faßte er mit beiden Händen den Rand des Tisches, und ließ sich wieder auf seinen Sitz nieder.

Nach ihm erhob sich Božebor, und sagte: »Ich rede mit Wšebor. Hoher Herr! ich bin noch dabei gewesen, als vor sechzehn Jahren Veit, der Hofkaplan des Herzogs Soběslaw, mit Panzer und Helm bei Chlumec die Fahne des heiligen Adalbert auf dem Speere des heiligen Wenzel in die Schlacht trug, und wir haben den ruhmreichsten Sieg gegen Lothar erfochten. Tu desgleichen. Ziehe mit der Fahne von Berg zu Berg, von Tal zu Tal, und sammle die Deinigen. Es ist besser, wenn wir unser eigenes Blut hingeben, wenn wir unsere Habe aufopfern, wenn wir bis zu dem Rande des Unterganges kämpfen, ja wenn wir sogar unsere Rechte lassen müssen, als wenn von außen ein Herr kömmt, der das Land und die Sitten nicht kennt, der schaltet, wie er will, und wie es uns schmerzt, und der vielleicht statt des vielen alles nimmt.«

Wecel sprang schnell auf, und rief: »Ich spreche mit Božebor.«

»Ich auch«, rief eine Stimme.

»Ich auch«, eine andere, und eine dritte.

Und es entstand nun ein Rufen der Männer durcheinander und eine Unruhe.

Da streckte Bolemil die Hand über den Tisch, und gab ein Zeichen.

Als sich nach und nach die Ruhe herstellte, und er sich erheben wollte, sagte der Herzog: »Bolemil, rede auf deinem Stuhle sitzend.«

Bolemil aber antwortete: »Ich bin noch nicht so hinfällig, hoher Herr, daß ich die Gebühr vergesse.«

Darauf erhob er sich langsam, und da er mit den weißen Haaren und dem langen weißen Barte vor dem Tische [] stand, sprach er: »Wenn Wšebor von einem Manne geredet hat, der älter ist als er, und der sich in diesem Saale befindet, so bin ich es; denn sonst ist niemand hier älter als er. Wenn er aber von weisen Gaben gesagt hat, die in dem Haupte dieses Mannes sind, so bin ich es nicht; denn in meinem Haupte sind viele Torheiten gewesen, und ich bin nur bestrebt, sie abzulegen. Aber das ist wahr, was er gesagt hat, daß ich viele Dinge erlebt habe. Ich habe viele Dinge erlebt, und habe mir manches gemerkt. Ich habe es erfahren: wenn üble Körner in die Erde gelegt worden sind, so ist eine üble Saat aufgegangen, sie ist uns in unsere Häuser hinein gewachsen, sie ist uns in unsere Kirchen hinein gewachsen, sie ist uns in unsere Kammer und in unsere Schlafstätte hinein gewachsen, und wir haben die bittere Frucht davon weg zehren müssen. Ich habe auch erkennen gelernt, wann es eine böse Saat war, die gelegt worden ist. Und auf dem Herzogschlosse des Wyšehrad ist eine solche Saat gesäet worden. Ich habe damals unsern Herzog Wladislaw nicht wählen geholfen, weil es gegen das Recht war, und weil jedes Wählen der Herzoge übel ist; aber da er dann der Herzog war, und da Wladislaw, der Sohn Soběslaws, sein Recht weg gegeben hat, so bin ich ihm nach meiner Pflicht gefolgt. Ich habe in der Versammlung gesagt, daß aus dem Wählen die Kämpfe folgen werden, wie sie in den früheren Jahren gefolgt sind. Die Kämpfe sind da, und ich bin wieder in ihnen, wie ich früher in ihnen gewesen bin. Ich habe auch gesagt, daß in Nachfolgekämpfen der Fremde gerufen wird, es ist so gewesen, und muß so sein, entweder ruft ihn der eine Teil oder es ruft ihn der andere, oder er kömmt, wenn die Teile sich bis zum Niedersinken zerfleischt haben, selber. Die Fahne des heiligen Wenzel hilft euch in solchen Streiten nichts, weil er der Heilige beider Teile ist, und jeder auf ihn hofft, und ihn ruft. Aber er hört ihn nicht, und Gott und [] alle Heiligen wenden sich von solchen Streiten mit Verdammnis ab, weil sie Bruderstreite sind, und wenn Gott in solchen Streiten dem Rechte hilft, so geschieht es durch Bitterkeit und Not, daß wir das Recht in Zukunft vor Leichtfertigkeit sichern. Weil es nun nicht zu vermeiden ist, daß der Fremde komme, so komme er zu uns, nicht zu den Feinden; damit aber unser Übel kurz daure, komme er bald, und damit er sich nicht an das Land gewöhne, ende er schnell. Dann, hoher Herzog, sage ich in meinem Alter, herrsche fort, und herrsche, wie du begonnen hast. Aber versammle deine Räte, und errichtet mit Langsamkeit und Weisheit ein Gesetz der Fürstenfolge, das mit großer Macht wirkt, die keiner anzutasten wagt, und das die Leiden endet, die ich sonst für alle Zeiten sehe, und denen ich nicht mit diesen weißen Haaren, und nicht mit diesen Worten meines Mundes wehren kann.«

Als er dieses geredet hatte, ließ er sich wieder so langsam, wie er aufgestanden war, auf seinen Sitz nieder.

Nach ihm meldete sich niemand sogleich, zu sprechen, sondern die Männer redeten wieder mit einander.

Da gab Diwiš das Zeichen, daß er sprechen wolle, und da es stille geworden war, sprach er: »Ich habe in der Versammlung auf dem Wyšehrad für Wladislaw, den Sohn Soběslaws, gesprochen. Aber Wladislaw hat sein Recht aufgegeben, und Konrad hat gar kein Recht. Wladislaw, der Sohn unsers vorletzten milden Herzoges, ist jetzt der Fürst und im Rechte, und wir kämpfen für das Recht. Und wenn wir auch unser und unserer Angehörigen Blut, und unsere Habe, wie Božebor gesagt hat, dafür hingeben, so dürfen wir doch nicht das Blut von tausend andern hingeben, die nicht wissen, weshalb gekämpft wird, und es fließet dieses Blut der tausend andern wie von Unschuldigen, ihre Habe wird vertilgt, wie die von Verfolgten, daß sie dem Jammer verfallen, [] davon sie zeitlebens nicht genesen. Damit das Übel nicht größer werde, und länger daure, gehe der erhabene Herzog zu Konrad, und dieser helfe. Dann aber sage ich wie Bolemil, es werde Vorsicht getroffen, daß die Streite der Söhne Přemysls nicht mehr entstehen.«

Als er gesprochen hatte, setzte er sich wieder nieder.

Nach ihm redete Lubomir, und sprach: »Weil der hohe Herzog durch zwei Meinungen gewählt worden ist, durch die eine Meinung, die das Wohl des Landes zum Ziele hatte, und durch die andere Meinung, deren Ziel war, statt des jungen Herzoges, den sie fröhlich und eitel meinten, schalten und herrschen zu können, so war es unvermeidlich, daß komme, was gekommen ist. Die zwei Meinungen mußten zerfallen. Wir sind bei der besseren Meinung des Wohles des Landes und bei dem Rechte des Herzogs. Wenn die andere Meinung siegte, hätten wir gar keinen Herzog, sondern nur die Macht vieler einzelner, und der Streit wäre unauslöschlich. Darum muß der jetzige ausgestritten werden. Solche Streite kommen wie Gewitter, die Wehe und Unheil bringen, das getragen werden muß. Väter verlieren ihre Söhne, die Kinder verlieren ihren Vater, ein edles Weib wird eine Witwe, eine alte Mutter überlebt den jungen Sohn, und das Geschenk Gottes, die Liebe in den Banden des Blutes wird zerrissen. Ich rede nicht von dem Verluste der Habe; denn Habe kann wieder zu dem Menschen kommen; aber das Blut, das verloren ist, bleibt verloren. Damit das Unglück nicht noch unglücklicher werde, und durch den Sieg der Feinde erst recht unglücklich, ergreift zum schnellen Ende jedes christliche Mittel, das geboten wird, dann, sage ich auch, macht ein Nachfolgegesetz. Zu seiner Hilfe aber streuet den heiligen Glauben aus, daß sich die Menschen zähmen, und nicht nach Unrecht trachten. So rede ich wie viele, die gewußt haben, was kommen wird, und sich ihm, da es gekommen ist, gestellt haben.«

[] Er nahm nach diesen Worten seinen Platz wieder ein.

Ctibor stand auf, und sprach: »Und wenn sie sollten doch herein kommen, die sich jetzt den Mauern nähern, so werden sie uns erst recht alles nehmen, Weib und Kind und Hab und Gut, und wir sind verloren. Das bedenkt.«

Nach ihm erhob sich der Kmete des rechten Burgfleckens, und sagte: »Hoher Herr, ich bin noch dabei gewesen, als der Herzog Bořiwoy Prag gegen deinen guten Vater überfiel, da sind viele Menschen desselben Blutes gegen einander gestanden, Dinge unerhörter Art geschehen, so entsetzlich, daß sich die Greise die Haare ausrauften, und die Frauen ihren Leib verfluchten, daß er geboren hat. Gehe zu dem erlauchten Könige Konrad, hoher Herr, wir werden in der Zeit die Stadt mit unserm Leben verteidigen, daß kein Stein in die Hände der Feinde geraten soll. Dann aber erscheine, und rette alles, daß nicht das größte Unglück geschieht.«

»Ja, es ist wahr, die großen Unheile dürfen nicht kommen«, »sie dürfen nicht kommen«, riefen mehrere Stimmen.

Der Kmete setzte sich wieder auf seinen Platz.

Nun erhob sich noch einmal mühsam von seinem Stuhle der alte Wšebor, und sprach: »Ich bin ein alter Mann, und kann nicht mehr viel vollbringen, ich kann auch nicht ansagen, welche Mittel außer den Fremden helfen würden, und weil sie unvermeidlich sind, wie Bolemil gesagt hat, so füge ich mich; aber ich beklage es.«

Er suchte wieder seinen Platz einzunehmen.

Da stand auch Božebor noch einmal auf, und sprach: »Ich beklage es auch; aber ich füge mich nicht. Wenn das, wovon ihr redet, unvermeidlich ist, so ist es doch schlimm, und ich will nicht helfen, daß das Schlimme geschehe.«

»Rufe nicht den Zwiespalt hervor«, schrie Zwest.

»Du stiftest Hader«, rief Odolen.

»Keine Uneinigkeit«, »nicht Uneinigkeit«, riefen mehrere [] Stimmen, und ein Teil der Männer sprang von den Sitzen empor.

Der Herzog winkte mit seiner Hand. Und als sich die Ruhe wieder nach und nach eingefunden hatte, fragte er, wer weiter sprechen wolle.

Es sprach niemand.

Nach einer Weile stand er auf, und sagte: »Es hat hier ein jeder die Freiheit, zu reden, wie sein Herz denkt. Es soll nicht gesagt werden, ich höre meine Räte nicht; aber es soll gesagt werden, daß ich nicht in der Gewalt meiner Räte bin. Wer in unserem jetzigen Streite gerufen wird, ist nicht ein Fremder. Es ist der Bruder, welcher zu der geliebten Schwester, es ist der Schwager und Freund, welcher zu dem Schwager und Freunde kömmt. Es ist bei der Menschheit so, daß der Mensch dem Menschen, der Nachbar dem Nachbar, der Freund dem Freunde hilft. Wessen Haus brennt, dem stehen die bei, die um ihn sind. Und es werden die Zeiten kommen, daß die Völker nicht mehr allein sind, daß sie sind, wie Mensch und Mensch, wie Nachbar und Nachbar, wie Freund und Freund. Und dessen Hilfe ich heute brauche, der braucht die meinige morgen. Es wäre uns besser, wenn wir unser brennendes Haus selber löschen könnten, aber ehe wir mit dem Löschen fertig sind, verbrennt es. Es ist mir in das Herz gegangen, als Bolemil gesagt hatte, daß er in den früheren Kämpfen gewesen ist, und daß er in dem jetzigen wieder ist, als Lubomir gesagt hatte, was getragen werden muß, und als mein Kmete gesagt hatte, was geschehen ist, da mein Vater um den Fürstenstuhl ringen mußte. Ich rufe: es sei Gott vor, daß sich solche Dinge bei mir erneuern. Konrad wird in das Land kommen. Ich werde meine Männer mit den seinigen vereinen, und ich, der Herzog, werde es sein, der die Schlacht schlägt. Er wird sich wieder entfernen, und wir werden daran gehen, eine Schranke zu gewinnen, daß solche Zwiste nicht mehr [] möglich sind. Du aber, Božebor, handle nach deinem Sinne, und so jeder, der da will. Bleibe in deinem Hofe, oder wo du willst, bis diese Sache aus ist, und dann komme zu mir, so es dir gefällt, und ich werde dir die Hand reichen. Die unseres Sinnes sind, lade ich für die dritte Stunde des Nachmittages wieder in diesen Saal, daß wir das weitere in das Werk setzen. Jetzt aber rede noch jeder, der zu reden gesonnen ist.«

Der Herzog schwieg.

Es redete niemand mehr.

Dann sagte er: »So bringe ich euch meinen Dank dar, daß ihr euch hier eingefunden habt, und wir zerstreuen uns.«

Die Versammlung ging auseinander. Dann verließ er seinen Sitz, sprach noch mit mehreren, und ging dann aus dem Saale. Die Krieger seines Hofes folgten ihm.

Als die dritte Stunde des Nachmittages gekommen war, versammelten sich die Männer wieder in dem Saale des Herzoghofes. Es waren alle gekommen, die am Morgen in dem Saale gewesen waren, nur Božebor nicht.

Der Herzog ging zu seinem Stuhle, und setzte sich auf denselben.

Als eine aufmerksame Stille eingetreten war, erhob er sich, und sprach: »Liebe und Getreue! ich danke euch, daß ihr, wie ich sehe, alle bis auf einen gekommen seid. Ich habe euch heute gesagt, daß die Feinde in einigen Tagen vor diesem Berge sein werden, und daß unsere Handlungen nicht zögern dürfen. Lasset uns dieselben in Schnelligkeit vollführen. Ehe das Licht des morgigen Tages scheint, verlasse ich die Stadt. Für die Zeit, in der ich fort sein werde, ordne ich an, wie folgt: Dir, Otto, Bischof von Prag, vertraue ich die Stadt zu dem überirdischen Schutze. Bitte Gott, daß er dem Rechte hilft, wenn es auch durch Bitterkeit und Not geschieht, wie Bolemil sagt. Dir, Bruder Diepold, vertraue ich die Stadt zum irdischen Schutze. Du wirst eher das Leben lassen, [] als deine Ehre und deinen Ruhm auf dieser Erde und deine Seligkeit im Himmel verlieren. Dir, Zdik, Bischof von Olmütz, vertraue ich unsern Zug zum überirdischen Schutze, begleite uns, und bitte um sein Gedeihen. Für den irdischen Schutz unseres Zuges werde ich selber sorgen, so gut ich kann. Ich nehme einen kleinen Teil des blauen Fähnleins mit. Du, Welislaw, gehst mit mir nach Deutschland, und dann in die Schlacht; du, Odolen, desgleichen. Witiko, du gehst mit mir, sei in der neuen Schlacht umsichtig, wie in der letzten. Und daß es uns nicht an Schreibern fehlt, gehen aus meinen Hofkaplänen Wiliko und Berthold mit. Versammelt euch, ehe morgen die Frühdämmerung kömmt, vor dem Herzogstuhle der Stadt. Ihr andern aber, höret mich: Otto, du Mann der Kirche, Bolemil, du Schwerbetroffener, Lubomir, dessen Schmerz ich gedenken werde, Diwiš, du treuer Župan, Chotimir, Preda, Wšebor, ihr Äbte, Daniel, Gervasius, Nemoy, und du, Ctibor, Bartholomäus, Předbor, und du, Casta, der du kaum von deiner Wunde genesen bist, und du, Wecel, der du, wenn gleich ein Widersacher meines Vorhabens, doch hieher gekommen bist, und Diet, und Osel, und Rowno, und die Kmeten meiner Burgflecken, und alle! Mein Befehl an euch hört in diesem Augenblicke auf, und es beginnt der meines Bruders. Wenn ich auf den Zinnen der Stadt das große rosenfarbene Banner wieder berühre, ist der Befehl wieder bei mir. Verteidiget die Stadt, und wenn ihr mich kommen seht, so zieht das rosenfarbene Banner höher hinauf, und wenn die Schlacht vor der Stadt ist, so kommt hinaus, wenn die Zeit es gebietet.«

Da er diese Worte redete, kam die Herzogin mit ihren Frauen in den Saal. Sie ging an das obere Ende des Tisches, und stellte sich neben den Herzog an die Stelle, von der Diepold zurückgetreten war. Ihre Frauen standen hinter ihr.

[] Der Herzog sagte: »Ich vertraue euch Gertrud, die Herzogin der Länder Böhmen und Mähren, die Tochter des frommen Markgrafen Leopold von Österreich, meine erlauchte und vielgeliebte Gemahlin. Ihr seht, wie gewiß ich es weiß, daß die Stadt in eurer Gewalt bleiben wird.«

Otto, der Bischof von Prag, antwortete hierauf: »Erlauchter Herzog, wir werden deine Anordnungen befolgen. Gott geleite dich, und kehre siegreich, wie Josua in das Gelobte Land, und die Herzogin werden wir hüten, wie seine Krieger den Bundesschrein gehütet haben.«

Lubomir sagte: »Gehe mit Gott, hoher Herr, lasse uns bald dein Banner vor diesen Zinnen sehen, daß unsere Augen und die Augen der Herzogin dieses Zeichen schauen können.«

Bolemil sprach: »Auf diesem Berge, wie in einem Herzen des Landes steht der Fürstenstuhl. Auf diesem Berge steht die Kirche des heiligen Veit, die Herrscherin der Kirchen des Landes, auf diesem Berge und in dieser Kirche sind unsere Heiligtümer, die Leiber unserer Heiligen, Wenzel und Adalbert, auf diesem Berge ruhen manche hohe Fürsten, auf diesem Berge steht der Herzogshof und der erste Župenhof, auf diesem Berge, in der Kirche des heiligen Veit, sind Schriften und Zeichen aufbewahrt, die die Handfesten und Geschicke des Landes enthalten, und auf diesem Berge ist jetzt das lebende Kleinod, die Herzogin, weil sie die Herzogin ist. Wir werden die Heiligtümer und das Kleinod bewahren. Du, Herr, siege, wie du gesagt hast, in deinem Namen, und ende bald.«

Diwiš sagte: »Wir werden treu sein wie immer, gehe mit Zuversicht deine Wege, hoher Herr!«

»Wir werden treu sein dem Lande, dem Herzoge und der Herzogin«, rief Jurik.

»Treu und streitbar«, rief Předbor mit seiner gewaltigen [] Stimme, wie er einst auf dem Wyšehrad gerufen hatte: ›Wladislaw ist gewählt.‹

»Treu und streitbar«, riefen fast alle Anwesenden nach.

Der Kmete des rechten Burgfleckens sagte: »Hoher Herr! lasse die Herzogin durch die Leiber deiner Krieger des Burgfleckens wahren, sie werden alle eher an diesen Mauern nieder sinken, als gestatten, daß eine Schleife ihres Gewandes gebogen werde.«

»Ich danke euch«, sagte der Herzog, »alle werden mannhaft sein wie immer, und meine Krieger der Burgflecken werden mit allen andern die Herzogin schützen.«

Die Herzogin sagte darauf: »Ziehe in Frieden, mein Gemahl, wir alle werden die Stadtschützen.«

»Und so sei es geschlossen, was hier noch zu reden gewesen ist«, sagte der Herzog.

»Erlaube noch ein Wort, hoher Herr«, sagte Otto, der Bischof von Prag, »nicht ein Wort dieser Erde, sondern kraft meines Kirchenamtes ein Wort des Segens, das der Herr im Himmel neu erfüllen möge, wenn es so in seiner heiligen Vorsicht ist.«

Der Herzog neigte sich.

Der Bischof machte das Zeichen des Segens, und sprach die Worte des Segens.

Alle beugten ihre Leiber vor der heiligen Handlung.

Dann verließ der Herzog mit der Herzogin den Tisch, sprach noch manches kurze Abschiedswort gegen die Nächsten, machte mit der Hand ein Abschiedszeichen gegen alle, und dann gingen der Herzog und die Herzogin mit ihren Gefolgen aus dem Saale.

Nun ertönten auch Hörner zum Zeichen, daß die Versammlung geendet ist.

Die Männer verließen den Saal.

Witiko begab sich zu den Waldleuten, und rief diejenigen, die ihm untergeben waren, zusammen.

Als sie in einer Ordnung standen, trat er vor sie, und [] sprach: »Liebe Heimatgenossen! Der erlauchte Herzog Wladislaw wird fortgehen, und mit einer Macht kommen, um die Feinde, welche diese Stadt umringen und erobern wollen, anzugreifen und zu zerstreuen. Er hat mir befohlen, ihn zu begleiten. Ich muß euch daher auf eine Zeit verlassen. Traget in dieser die Willigkeit, die ihr mir bisher erwiesen habt, auf Rowno über, er ist in der Heimat euer Nachbar, ist in dem Streite auf dem Berge Wysoka euer Nachbar gewesen, und ist in der hiesigen Anordnung wieder euer Nachbar. Ich sage es euch zuerst, um zu hören, ob es euch so genehm ist. Einige von uns mögen mit mir gehen, wenn sie wollen, Lambert, Urban, Augustin und noch andere, die zu reiten verstehen. Der Herzog wird uns Pferde geben.«

»Du mußt den Knaben Urban sehr gut bewahren«, rief Peter Laurenz, der Schmied von Plan, »er ist meiner Schwester Kind, ich bürge für ihn, und belehre ihn. Wenn er besser reiten lernt, ist es gut, und es ist gut, wenn er vor den Herzog kömmt. Wir sind ohnehin die Kriegsgenossen des Herzogs, und der Herzog hat den Knaben schon gesehen. Werft die Feinde nieder, und wehret euer Leben. Der erlauchte Herzog wird zu dem Könige Konrad nach Deutschland reiten. Wir wissen es schon, heute vormittag ist es sicher gemacht worden. Urban kann zu dem deutschen Könige mitgehen, und der König kann ihn sehen. Und mit Rowno werden wir uns schon vertragen. Und wenn die kommen, die auf dem Berge Wysoka so gegen uns waren, so werden wir ihnen die Stadt nicht lassen, wie wir ihnen den Berg nicht gelassen haben, damit das Recht besteht, und wir werden ihnen das Gold und die Steine nehmen, die sie hieher gebracht haben, Redet, Männer, wie es mit Rowno ist.«

»Rowno soll nur bei uns bleiben, wenn Witiko fortgeht«, sagte Stephan, der Wagenbauer.

[] »Rowno soll bei uns bleiben, bis Witiko kömmt«, rief Adam.

»Wir halten mit Rowno«, rief Paul Joachim.

»Rowno, Rowno«, schrien mehrere Stimmen.

»Ich gehe mit dir zu den deutschen Rittern«, rief Lambert.

»Ich gehe auch mit«, rief Augustin.

»Ich gehe auch mit zu dem Könige Konrad«, rief Urban.

»Ich auch«, rief Zacharias.

»Ich auch«, rief Maz Albrecht.

»Das werden wir schon ordnen«, antwortete Witiko, »jetzt müssen wir Rowno fragen, ob er die Führerschaft übernehmen will, wenn nicht zu viele dagegen sind.«

»Niemand ist dagegen«, rief Tobias.

»So geht zu ihm, Maz Albrecht, und Zacharias, und sagt, daß wir ihn bitten, er möchte auf ein kurzes zu uns kommen«, sagte Witiko.

Die zwei Männer gingen, und als sie mit Rowno zurückkamen, sagte Witiko zu ihm: »Rowno, du hast in dem Saale gehört, daß ich mit dem Herzoge gehen muß. Ich möchte nun, so lange ich fort bin, dir, hochehrbarer Wladyk, den Schutz und die Führung derer anvertrauen, die mich auf dem Berge Wysoka zu ihrem Vormanne gewählt haben, und ich möchte dich bitten, diesen Schutz und die Führerschaft zu übernehmen. Meine Männer sind einverstanden.«

»Ja, wir sind einverstanden«, riefen mehrere Stimmen.

Rowno antwortete: »Meine lieben Heimatleute! wir sind benachbart, ihr kennt mich und meine Angehörigen, und ich und meine Angehörigen kennen euch. Wir haben uns immer Gutes gewünscht. Ich tue gerne, was Witiko verlangt. Wenn ihr Euch, bis er wieder da ist, unter meine Leute einordnen wollt, so werden wir zusammen halten, und uns gegenseitig helfen, wenn die Feinde vor die Stadt kommen.«

[] »Ja, bis er da ist«, rief der Schmied.

»Bis er da ist«, rief Philipp.

»Bis er da ist«, riefen mehrere Stimmen.

»Es ist schon recht«, sagte Zacharias, »wir und Osel und die andern werden zusammen stehen.«

Witiko sprach: »Das ist nun geordnet. Lambert, Augustin und Urban reiten mit mir, sie mögen sich rüsten, und eine Stunde nach Mitternacht zu mir kommen. Und ihr, Männer, werdet fest und stark sein, wenn die Feinde erscheinen, und haltet, wenn ihr an einer Stelle angehen müsset, die Reihe geschlossen.«

»Wie geschweißtes Eisen«, antwortete der Schmied, »daß sie uns eben so wenig wie damals von dem alten Manne, der in einer Tragtruhe saß, trennen können.«

»Ja, tut nur so«, rief eine Stimme wie von der Erde auf. Witiko blickte um, und sah Tom Johannes den Fiedler, der auf einem gehauenen Steine saß.

»So bist du wieder in fröhlicher Gesundheit da?« sagte er zu ihm.

»Ja«, entgegnete der Fiedler, »gesund bin ich fast, aber mit der Fröhlichkeit ist es aus. Sieh nur, wie ich verändert bin, wie wenn der Wind einen Dornstrauch verdreht hat.«

»Der verdrehte Dornstrauch bringt wieder Rosen«, sagte Witiko.

»Weil er ein Narr ist, der in jeder Gestalt blühen kann«, antwortete der Fiedler. »Meine Hand ist wie das Winkelmaß Davids des Zimmerers, ich kann nicht mehr geigen, und wenn ich zur Vergeltung einen Spieß nähme, so müßte ich mich seitlings stellen, um werfen zu können.«

»Sie werden es ohne deinen Spieß auch machen«, sagte Witiko, »du wirst für dich etwas ersinnen, und wenn die lustigen Tage kommen, wird deine Fiedel wieder im grünen Walde singen, wie immer.«

[] »Daß die Dohlen und Häher davon fliegen«, entgegnete Tom Johannes.

»Habt acht auf ihn, daß ihm nichts geschieht«, sagte Witiko.

»Wir werden schon sorgen«, antwortete der Schmied, »und von unserer Beute, die die Feinde bringen werden, ihm etwas geben. Er ist nicht zu bewegen gewesen, nach Hause zu gehen.«

»Weil ich erwarten will, was hier noch geschieht, und weil ich nicht fort sein will, wenn der Herzog seine Männer belohnt«, antwortete Tom Johannes.

»Du wirst belohnt werden, Tom«, sagte Witiko, »und den Verwundeten wird man es wohl insonderheit gedenken.«

»Ich meine, wenn sie sich nichts erwerben können«, sagte der Fiedler.

Da Witiko noch mit Tom Johannes sprach, kam Sebastian, der Schuster von Plan.

Die Männer lachten, riefen und begrüßten ihn. Er hatte einen geflochtenen Korb auf seinem Rücken, wie Frauen, wenn sie Dinge zum Markte tragen.

»Bist du da«, sagte Witiko, »und was bringst du uns?«

»Sie sind alle gesund«, antwortete Sebastian, »Martin und Lucia grüßen euch, es sind nur zwei Weiber gestorben, davon eine nicht aus der Pfarre war, ich habe den Weg in zehn Tagen hin und zurück gemacht, und der Brettermelchior hat einen wunden Fuß. Ich habe Stiefel und Fußtücher und andere notwendige Dinge geholt, und mir Marderbälge und Iltisbälge mitgebracht.«

»Wozu brauchst du denn die Bälge?« fragte Witiko.

»Die Schuster nähen hier Bälge zu so wunderbar feinen Sachen zusammen«, antwortete Sebastian, »zu zierlichen Fußschuhen, zu Hauben, zu Umwürfen, zu Gürtelsäumen, und da will ich das lernen, und in Plan solche kostbare Dinge verfertigen.«

»Du hast eine ungefüge Lernezeit gewählt«, entgegnete [] Witiko, »bringe nur deine Bälge in Sicherheit, und stelle dich wieder zu deinen Männern.«

»Ich werde alles verrichten, was not tut«, erwiderte Sebastian.

Dann setzte er sich mit seinem Korbe neben Tom Johannes, den Fiedler, auf einen andern behauenen Stein.

Hierauf sagte Witiko: »Ich muß mich von euch verabschieden, ihr Männer, Gott behüte euch, wir werden nicht lange getrennt sein.«

»Gott behüte dich«, riefen mehrere Stimmen.

»Sieh nur, daß sie dich nicht verunstalten wie mich«, sagte Tom Johannes der Fiedler.

»Ich werde mich schon wehren«, antwortete Witiko.

»Ich habe mich auch gewehrt«, sagte der Fiedler.

»Und sieh nur auf den Urban«, rief der Schmied.

Witiko reichte Rowno die Hand, dann auch mehreren Männern, grüßte alle, und entfernte sich.

Er ging in seine Wohnung, und richtete zurecht, was er mitnehmen wollte.

Eine Stunde nach Mitternacht kamen Lambert und Augustin und Urban zu ihm. Er sendete seinen Knecht Jakob um vier Pferde aus den Pferden des Herzoges, Jakob brachte die Tiere, die Männer rüsteten sich, und bestiegen sie, Witiko sein eigenes, und Jakob und die drei andern die Pferde des Herzogs. Raimund mußte in Prag zurückbleiben. Da sie von dem Priesterhause weg ritten, sahen sie, daß vor dem Hofe des Bischofes Pferde standen, und daß die Leute Božebors daran waren, sie zu besteigen.

Witiko ritt mit seinen Männern gegen den Herzogstuhl, und als alle dort versammelt waren, und der Herzog mit seinem Geleite erschienen war, nahm der Bischof, es nahmen die Priester und die hohen Kriegsherren, die herzu gekommen waren, Abschied, und der Zug begann. An der Spitze ritt eine Abteilung des blauen Fähnleins, [] dann kam der Herzog, an dessen linker Seite der Bischof Zdik ritt, dann kam das Gefolge des Herzogs und des Bischofs, dann kamen Welislaw, Odolen und Witiko und die Kapläne. Welislaw hatte dreißig Männer, Odolen sieben, Witiko vier. Den Schluß machte die andere Abteilung des blauen Fähnleins.

Sie ritten zu dem Tore nieder.

Da sie dort anlangten, stand Božebor mit den Seinigen da.

Der Herzog sagte zu ihm: »Du wirst mir gönnen, Božebor, daß ich mit meinen Männern zuerst durch das Tor reite.«

Božebor stellte sich mit seinen Leuten seitwärts, das Tor wurde geöffnet, und der Zug des Herzoges ritt hinaus.

Der Zug ging in den Büschen dahin gegen die Waldhöhe, welche neben dem Dorfe Břewnow war. Sie konnten, wenn sie umsahen, Božebor mit seinen Männern eine Strecke hinter sich sehen. Als sie auf der Waldhöhe zu dem Scheidewege Zernownice gekommen waren, und auf dem einen der Wege fortritten, sahen sie dann Božebor nicht mehr hinter sich.

Der Zug ging nun unablässig in der Richtung gegen den Abend des Landes fort.

Diepold, der neue Befehler der Stadt, machte sofort an diesem Tage mehrere Anordnungen. Für den folgenden Tag hieß er alle, wenn die Sonne aufginge, an ihren Stellen sein.

Als sich die Sonne an diesem Tage erhob, ritt Diepold mit den Männern seines Geleites gegen die Zinnen der Stadt. Er hatte den Waffenschmuck an sich, den er auf dem Berge Wysoka getragen hatte. Ein schwarzes Kleid bedeckte seinen Körper, eine schwarze Haube sein Haupt. Ein roter Edelstein hielt eine weiße kurze Feder an der Haube. Auf dem Oberkörper trug er ein dunkles mattes Waffenhemd. Der Gürtel hatte rote Edelsteine, und so [] auch die schwarzsammetne Schwertscheide. An der rechten Seite Diepolds ritt die Herzogin Gertrud. Sie war in ein dunkelbraunes Gewand gekleidet, wie es ihr Gemahl gerne trug. Hinter ihr ritten einige Frauen in weiten Gürtelkleidern. Unter den Frauen war auch Dimut auf ihrem braunen Pferde. Sie hatte ihr schwarzes Gewand an, darüber das Waffenkleid, das wie Silber glänzte, und auf dem Haupte die schwarze Spangenhaube, daran eine Rabenfeder empor ging. Am Gürtel trug sie ihr Schwert. Sie wäre wie Diepold gewesen, wenn sie nicht das lichte Waffenkleid und die schwarze Rabenfeder gehabt hätte. Da sie an die Zinne kamen, trafen sie vor der Brustwehre den Župan Jurik mit seinen Männern und den Schleudergeräten und Wurfdingen, dann war Chotimir mit denen aus Dečin und den Gerätschaften, dann war Diwiš, der Župan von Saaz, mit großen Geschossen für Pfeile, Balken, Steine und Brandwerke, dann weiterhin der alte Lubomir mit vielen Gerüsten für dicke Bolzen und andere schwere Dinge, und dann war der Leche Bolemil mit dem Reste der Seinigen. Er saß unter ihnen auf einem Stuhle, und die größte Schleuder, welche die Männer hatten, war bei ihnen. Dann kamen Wecel und der alte Wšebor, und Preda, und Ctibor, und die Äbte, und der Bischof, und Gervasius, und Milota, und andere. Dann war Nemoy von Netolic mit seinen Männern vom Rande des mittäglichen Waldes und seinen Schleudergeräten, dann kamen die von Taus, und die weiter hinauf vom Walde herstammten: Wenzel von Winterberg, und Wyhon von Prachatic, dann war Rowno von Rowna mit den Seinigen und mit denen, die ihm von Witiko übergeben worden waren. Sie hatten eine Schleuder bei sich, die große Steine bewältigen konnte, dann kam Diet von Wettern, und Hermann von Attes, der kaum von seiner Wunde genesen war, und Wernhard von Ottau, und andere. Dann war Ben, der Sohn Bens, des Führers, der [] auf dem Berge Wysoka sein Leben gelassen hatte, dann Bartholomäus, Zdeslaw, Casta und andere Männer. Als Diepold und die Herzogin bei allen gewesen waren, und alles besehen hatten, und mit vielen Männern gesprochen hatten, ritten sie wieder in die Hofburg zurück.

Auf den zweiten Tag nach diesem Tage war in der Morgenstunde ein großer Gottesdienst in der Kirche des heiligen Veit angesagt. Als diese Morgenstunde kam, feierte Otto, der Bischof von Prag, mit den Äbten und Priestern in kirchlichem Schmucke den Gottesdienst wie an einem erhabenen Feste des Herrn. Die Herzogin, Diepold, die Führer, viele Krieger und andere Menschen waren zugegen. Am Ende des heiligen Opfers war das Kriegsgebet und die Segnung.

Am Nachmittage des nämlichen Tages kamen die Feinde gegen die Stadt. Man sah den lichten Schein der Lanzen und die Bewegung der Scharen. Unzählige Menschen blickten hinaus. Sie breiteten sich vor dem rechten Burgflecken aus, wie um ein Lager zu errichten. Alle Krieger waren auf den Mauern. Die Herzogin war bei ihnen.

Als der Abend dieses Tages gekommen war, sah man eine Schar von Reitern von dem rechten Burgflecken über die Brücke eilen. Sie hatten Friedensfähnlein auf den Lanzen. Als sie in dem linken Burgflecken angekommen waren, hielten sie stille.

Diepold sagte zu Sezima: »Nimm zwanzig Reiter, reitet mit Friedensfähnlein hinaus, und frage um ihr Begehren.«

Sezima ritt mit zwanzig Reitern gegen das Brückentor, man ließ ihn hinaus, er näherte sich den Feinden, und von den Zinnen aus konnten sie ihn eine Zeit bei ihnen verweilen sehen.

Dann kehrte er wieder zurück.

Als er vor Diepold gekommen war, berichtete er: »Sie sagen, daß ein Mann unter ihnen sei, der die Macht habe, [] im Namen Konrads, den sie ihren Herzog nennen, mit dir, wenn du der Befehler der Stadt bist, weil du Boten sendest, zu sprechen. Konrad will Blutvergießen meiden. Wratislaw von Brünn, Otto von Olmütz, Spitihněw, Leopold und Wladislaw lassen dir Gutes sagen.«

Diepold antwortete: »Reite wieder hinaus, und sprich: ›Diepold redet nur mit denen, die sich unterwerfen, und er wird es daran erkennen, daß sie mit zwei Friedensfähnlein auf einer Lanze kommen. Ein anderes Fähnlein wird er nicht mehr anerkennen, und die jetzt da sind, sollen sich entfernen, so sie Schaden meiden wollen. Mit den Nachkommen Přemysls, Wratislaw von Brünn, Konrad von Znaim, Otto von Olmütz, Spitihněw, Leopold und Wladislaw wird er sprechen, wenn sie mit Säcken auf dem Haupte und Stricken und Steinen um den Hals vor ihm knien.‹«

Sezima ritt wieder hinaus, und da er zurückgekommen war, sagte er: »Sie verlangen mit Wladislaw zu sprechen, und wenn dieser, wie es heißt, entflohen sei, mit Gertrud.«

Gertrud sprach: »Diepold, lasse Kugeln in sie werfen.«

Diepold sagte: »Sezima, du gehst jetzt nicht mehr hinaus.«

Dann schwieg er.

Die feindlichen Reiter blieben auf ihrem Platze stehen.

Nach einer Weile sagte er: »Legt auf.«

Die Männer legten einen Stein auf die Schaufel einer Schleuder.

Wieder nach einer Weile sagte Diepold: »Richtet, und dreht ab.«

Die Männer gaben der Schleuder eine Richtung, dann drehten sie an kurzen Speichen, die Schaufel fuhr in die Höhe, und in dem Augenblicke fiel eine große Steinkugel im Bogen gegen die Reiter nieder.

Diese wendeten sich um, und ritten über die Brücke davon.

[] Ein Geschrei des Jubels folgte ihnen von den Mauern der Stadt.

Es kam der Abend, und als es finster geworden war, konnte man den Schein der Feuer der Feinde von den Burgflecken und von den Feldern her sehen.

Nach dem Frühgottesdienste des nächsten Morgens sahen die Männer, daß Feinde am unteren Ende des rechten Burgfleckens mit Schiffen, Flößen und Brettergerüsten über die Moldau und auf das hohe Feld Letne gingen, in welchem die Dörfer Owenec, Holišowic und Buben waren. Der andere Teil stand in Ordnung am Wasser.

Es wurde an diesem Tage keine Botschaft an Diepold gerichtet.

An dem folgenden Tage und an dem nächsten waren alle Feinde herüber gegangen, und errichteten ein Lager. Diepold störte sie nicht, und wenn es in der Stadt stille war, und die Luft von dem Felde daher ging, konnte man die Hammerschläge und den Schall der Arbeiten vernehmen.

Endlich erhob sich eine großes weißes Banner bei den Feinden, und mehrere kleine weiße Banner wurden sichtbar. Sofort entfaltete sich auch auf der Kirche des heiligen Veit das große rosenrote seidene Banner Wladislaws, und es wehten auf dem Herzogshofe und auf anderen Bauwerken und an Stellen der Zinnen kleinere rosenrote Banner.

Das große weiße Banner auf dem Felde war das Konrads von Znaim, den sie zum Herzoge erwählt hatten, weiterhin war das weiße grüngeränderte Banner Wratislaws von Brünn, dann war das Banner Ottos von Olmütz, dann Spitihněws und Leopolds, dann waren die Zeichen der andern Männer, Bogdans, Domaslaws, des alten Mikul, und mehrerer. Weit hinter den Feinden war Kochan, und man sagte, daß er gekommen sei, zu sehen, wie sich beide Herzoge vernichten, worauf dann die übrigen Lechen herrschen würden.

[] Da der sechste Tag gekommen war, seit sich die Feinde vor der Stadt gelagert hatten, näherten sich am Morgen dieses Tages verschiedene Geräte der leichten Art den Mauern. Auf Wägen wurden allerlei Dinge geführt. Die Männer der Feinde rückten auch heran. Da sie nahe waren, hielten sie an, und von den Geräten flogen nun Pfeile, Pflockbolzen, Steine, Wurflanzen und Eisenstücke auf die Zinnen. Die Männer Diepolds rührten sich nicht. Auf seinen Befehl hatten sie sich hinter die Bergen begeben müssen. Da endete das Werfen der Dinge, und von den Feinden sonderte sich ein Haufen Krieger ab, und ging gegen die Mauern vorwärts, dies tat auch ein zweiter, ein dritter und mehrere. Da sie nahe an der Mauer waren, begannen sie zu rennen, indem sie Leitern, Stangen, Haken, Schilde, Stricke und Kletterdinge trugen. Sie befestigten Werkzeuge an den Mauern, und suchten, empor zu klimmen. Hinter ihnen standen viele Bogenschützen, welche unaufhörlich Pfeile gegen den oberen Rand der Zinnen sendeten. Jetzt gab Diepold ein Zeichen in die Luft, und auf dieses Zeichen ertönte die größte Glocke des Turmes des heiligen Veit, und da der erste Klang erscholl, stürzten die Männer Diepolds heran, und warfen Ziegel, Steine, Blöcke, Bäume, eisengezackte Balken, siedendes Wasser und brennendes Pech auf die Emporklimmenden nieder. Ein Teil der Krieger war in Bereitschaft, dort, wo sich zwischen den Schirmen, die die Feinde über sich emporschoben, menschliche Glieder zeigten, Pfeile und Lanzen hinein zu schicken. Ein anderer Teil suchte insbesondere diese Bergeschirme der Feinde durch schwere Wurfdinge oder Feuer zu zerstören, oder auf die Feinde selber zu schleudern. Viele Krieger sendeten beständig aus Geräten Steine und Wurflanzen und von Bögen Pfeile gegen die Schützen der Feinde.

Die Glocke des heiligen Veit tönte fort.

Zuweilen erscholl ein geller Ruf zum Zeichen einer[] schweren Verwundung, oft rann an einem Manne Blut hinunter, ohne daß er es wußte, man sah manchen Krieger taumeln, ohne daß man erkennen konnte, ob die Schauer des Todes ihn stürzen wollten, oder eine Verwundung. Er wurde zurückgetragen, wo die Pfleger versammelt waren. Auch Feinde sah man fallen, oft wurden mehrere zugleich samt ihren Geräten von den Leitern gestürzt, und man sah, wie Männer von den Mauern weg getragen wurden. Aber neue drangen nach, und die Leitern füllten sich immer wieder. Der Bogenschützen, welche die Verteidiger zu schädigen suchten, wurden immer mehr. Diepold vermehrte auch die seinigen. Er sah, daß die Bergen, die von jenen Männern hinaus geschoben wurden, welche die Dinge auf die Felder hinunter zu werfen hatten, zu schwach seien, und suchte sie durch stärkere zu ersetzen. Auf der ganzen Strecke, an der die Feinde empor drangen, waren die Verteidiger versammelt, und die ermüdet wurden, ließ Diepold mit frischeren wechseln. Die Waldleute fanden sich in die Sache, und arbeiteten stetig, wie sie mit den Baumstämmen ihrer Felsen oder gegen die Tiere ihres Waldes arbeiteten. Tom Johannes saß hinter einer Berge, und schrie Worte, die niemand vernahm, und machte mit den Händen Zeichen, auf die niemand achtete.

Da dieses geschah, ritt die Herzogin an die Zinnen. Sie war von mehreren Hofherren begleitet, aber von keiner ihrer Frauen. Nur Dimut ritt in ihrem Waffenkleide neben ihr. Die Herzogin ermunterte die Männer, und belobte sie. Als sie zu den Waldleuten kam, erhoben diese einen so wilden Ruf, daß die Glocke des heiligen Veit dagegen nicht zu vernehmen war.

Von den Feinden lösete sich jetzt eine Schar ab, welche größer war als alle, die bis zu der Zeit an die Mauern gekommen waren. Sie eilte gegen eine Stelle, welche weniger Krieger enthielt, und strebte in Schnelligkeit empor [] zu klimmen, indes andere unter ihnen durch Sandsäcke Rasen Reisig und dergleichen schleunig den Boden an den Mauern zu erhöhen versuchten; aber die Männer Diepolds kamen wie eine Wolke, welche den Hagel birgt, herbei, und sie erhoben ein Freudengeschrei, weil sie die Absicht der Feinde erkannten, und die Mittel hatten, sie zu vereiteln. Das Hinabwerfen der Verteidigungsdinge wurde dichter, als es bisher gewesen war, es wurde ein Schütten, und wenn man meinte, das Schütten sei am heftigsten, wurde es noch heftiger. Das Hinaussenden der Lanzen, Pfeile, Steine, und anderer Wurfsachen auf die Bogenschützen wurde ein stetiger Strom. Der Kampf war sehr kurz. Die Feinde glitten zurück, verließen ihre Geräte, und wichen gegen die Ihrigen. So taten sie an allen Stellen. Da sie in Unordnung zurückgingen, öffnete Diepold das Tor, und drang mit einer Schar Männer, die er bereit gehalten hatte, hinaus, indem er auf seinem schwarzen Pferde unter ihnen ritt. Er eilte den Feinden nach, und was durch Lanze und Schwert zu erreichen war, wurde durch Lanze und Schwert geschlagen. Als sie gegen das ganze Heer der Feinde kamen, wendeten sie um, ritten in Schnelligkeit zurück, und wurden durch das Tor aufgenommen.

Jetzt war Ruhe auf den Mauern, und die Glocke des heiligen Veit tönte nicht mehr.

Diepold, die Herzogin, der Bischof, Äbte, Priester und Führer gingen jetzt auf den Kampfplatz. Da waren die Rüstzeuge des Krieges, die man gebraucht hatte, da waren die ermatteten Krieger, es waren Verwundete und Tote. Die Ärzte und die Pflegediener waren da, Leute aus der Stadt, Frauen, Jungfrauen, Priester und andere waren gekommen, und spendeten Labung. Manche Männer gingen herum, und bluteten an diesem oder jenem Teile ihres Körpers. Andere saßen oder lagen. Der Priester von Daudleb wusch Moyslaw die Wunde eines Lanzenstiches, [] die er an der Achsel erhalten hatte, und verband sie ihm. Dann schnitt er Zwest die Spitze eines Pfeiles aus dem Arme, und verband ihn, Jurik, der Sohn Juriks, dem ein Stein das Knie gestreift hatte, und Zdeslaw, der Sohn Diwiš', der einen Lanzenstich hatte, wurden verbunden. Andere wurden von den Ärzten in Sorge genommen, und jeden, wenn es sein konnte, trug man in die Verpflegungsorte. Diepold und seine Begleiter gaben überall Trost. Diepold verlangte, die Toten zu kennen. Man wußte sie noch nicht alle. Budilow, ein reicher Wladyk aus den Fluren von Gradec, hatte sein Leben verloren, so auch Wat, ein Leche aus den Gebirgen an Polen, der mit seinen Leuten unter Jurik gestanden war, so der Wladyk Kuneš aus dem Abende des Landes, so Izzo von Tynec, Welich von Suchomast, Radoslaw von Bezno, Welkaun von Jesenic, und andere Männer, die auf ihrem Eigen mit Sippen gesessen waren. Diepold verordnete, daß von allen ein genaues Verzeichnis gemacht werde, wenn etwa Verhandlungen mit ihren Angehörigen würden.

Dann ging er mit allen, die um ihn waren, zu den Verwundeten und Kranken in die Verpflegungshäuser. Dann ordnete er an, daß Erquickung an Speise und Trank, reichlicher und besser als zu anderen Zeiten, an die Krieger komme.

Nach einer Zeit ritt eine Schar von Feinden gegen die Mauern, mit schwarzen Fahnen, welche die Bitte anzeigten, daß ihnen gestattet werde, ihre Toten und Verwundeten weg zu bringen. Diepold ließ eine schwarze Fahne der Gewährung errichten. Sogleich gingen die Feinde daran, die Ihrigen zu bergen. Die Männer auf den Mauern sahen auf sie, und konnten die Gewänder erkennen, wie sie in dem einen oder in dem andern Striche des Landes getragen wurden, und wenn einer Verwandte unter ihnen gehabt, und auf sie hinab gesehen hätte, so hätte er ihre Angesichter zu erkennen vermocht.

[] Am Abende des Tages wurde ein ernster Lobgesang in der Kirche des heiligen Veit gehalten. Diepold, die Herzogin, und alle Führer wohnten bei, und so viele Krieger, als die Kirche zu fassen vermochte. Die Waldleute knieten in ihren rauhen Gewändern auf dem Boden der Kirche.

Als die Nacht anbrach, ging man, die Wurfdinge zu ergänzen, daß sie zum Gebrauche wieder hergerichtet wären.

An dem nächsten Tage begannen die Feinde nichts gegen die Stadt.

Da der Abend gekommen war, ließ Diepold die Führer rufen, und eröffnete ihnen, wie er wisse, daß an dem Felde, auf welchem die Feinde gelagert seien, sich eine Wiese befinde, die Sumpf und Moor habe, daß das Lager gegen die Wiese weniger befestigt und bewacht sei. Er aber wisse einen festen Weg durch den Sumpf und das Moor, und ein vertrauter Mann habe noch in diesen Tagen Rütchen auf den Weg gesteckt. Er wolle in der Nacht mit einer Schar durch den Sumpf gehen, und das Lager überfallen, und so viel Schaden tun, als er könne. Und wenn er zurück ginge, wolle er die Verfolger in den Sumpf locken. Die Führer möchten die Männer wählen, die sich zu dem Unternehmen melden. Um Mitternacht ist die Versammlung bei dem Herzogstuhle.

Die Führer entfernten sich.

Als die Mitternacht gekommen war, standen die Männer an dem Herzogstuhle. Es waren mehr als not tat. Diepold las sie aus, erklärte ihnen die Sache, und sagte: »Unser Wort heißt: Wladislaw, und das Wort zur Umkehr heißt: Gertrud.«

Hierauf gingen sie gegen das Tor, gefolgt von einem Häuflein Reiter, das Jurik führte. Das Tor öffnete sich. Außerhalb desselben stellte Diepold das Häuflein Reiter auf. Dann ging er mit den Männern gegen die Wiese. Auf derselben gingen sie gegen den Sumpf, und dann auf dem festen Wege in den Sumpf hinein. Der Mann, welcher [] die Ruten gesteckt hatte, ging als Führer zwischen zwei Kriegern mit. Sie kamen auf dem Wege bis an das Lager. Dort war eine Umzäunung von Pflöcken, die in die Erde getrieben waren. Diepold hieß mit Brechstangen Pflöcke ausheben. Die Werkleute schritten daran. Da lehnte der Schmied von Plan seine Keule seitwärts, faßte einen Pflock mit seinen Händen, und zog ihn heraus, dann einen zweiten, dann einen dritten, und so fort. Als er zwanzig ausgezogen hatte, sagte Diepold, es sei genug, ließ einen Pflock über der Umzäunung als Zeichen erhöhen, und führte seine Männer durch die Lücke ein. Nach einer Weile fanden sie drei Männer, die im Grase standen, und von denen sie nicht erkannt wurden, sie nahmen dieselben mit. Bald gelangten sie zu Lichtern. Da scholl ihnen entgegen: »Konrad.«

Sie riefen: »Wladislaw«, und rannten gegen die Feinde.

Da standen Wachen, sie wurden niedergeworfen. Dann standen wieder solche, sie wurden wieder niedergeworfen. Dann kamen sie zu Gezelten, und wenn Männer aus denselben eilten, oder von der Erde empor sprangen, wurden sie gestürzt, oder weiter getrieben. Ein Schreien erhob sich, und pflanzte sich in das Lager hinein fort. Diepold verbot, etwas anzuzünden, daß seine Schar von dem Scheine nicht erhellt werde. Der Fliehenden wurden immer mehr, und wenn einige Haufen sich widersetzten, wurden manche aus ihnen niedergestreckt, und die andern zurückgedrängt. Diepold war stets hinter ihnen, und schlug sie, und es durfte zwischen den Fliehenden und den Verfolgern kein Raum entstehen. So drang er in das Wirrsal der Feinde, wie eine Meereswoge gegen den kiesreichen Strand dringt, und alles mitnimmt.

Da wurde in dem Lager ein Lichtschein in gerader Richtung. An dem Scheine bewegten sich Lichter hin und wider, und glänzten Waffen. Die Feinde hatten eine Reihe gebildet.

[] »Gertrud«, rief nun Diepold.

»Gertrud«, riefen die Männer sich zu.

Und sie wendeten sich, und rannten gegen die Umzäunung zurück.

Sie hörten hinter sich Kriegsruf und das Dröhnen von Schritten.

Da kamen sie an ihre Öffnung, warfen den erhöhten Pflock herab, und drangen hinaus. Sie gingen auf ihrem festen Wege in langer Zeile dahin. Bald hörten sie hinter sich ein Geschrei, wie wenn jemand von Entsetzen ergriffen wird, dann hörten sie Rufe der Weisungen und Mahnungen, und dann, wie sie immer weiter vorschritten, hörten sie nichts mehr. Da sie an dem Rande der Wiese ankamen, schollen zu ihrer Rechten Hufschläge, und an dem Tore fanden sie feindliche Reiter mit den Reitern Juriks im Kampfe. Sie griffen von hinten an, die Feinde, an den zwei Enden gedrängt, verwirrten sich, suchten seitwärts zu entkommen, und litten Schaden, da die einen den Hang empor ritten und überschlugen, die andern den Hang hinunter ritten, und stürzten. Diepold und Jurik verfolgten sie, wie es möglich war, dann kehrten sie um, und gönnten ihren Kriegern die Ruhe des Teiles der Nacht.

Als der Morgen des nächsten Tages angebrochen war, sahen sie die Feinde in ihrem Lager an der Wiese eifrig arbeiten. Bald sonderte sich ein Haufen Krieger ab, und ging in Schiffen über die Moldau in den rechten Burgflecken. Ihm folgten noch andere. Dann erhob sich Rauch an verschiedenen Stellen des Burgfleckens, und Häuser brannten, und das Feuer wurde immer größer, und die Einwohner bestrebten sich, zu löschen.

Die Männer auf den Mauern schrien: »Die Tiere, die Scheusale, die Wölfe, wenn wir einen fangen, sollen wir ihn töten, und keiner, wenn Tausende in unsere Hände kommen, soll das Leben behalten.«

[] Leute aus der Stadt rannten herzu, und riefen: »Diepold, lasse uns hinaus gehen, und sie morden, vernichten, vertilgen, und wenn es auch unser und aller deiner Krieger Tod wäre.«

»Wir werden hinaus gehen, wie wir in der heutigen Nacht hinaus gegangen sind«, sagte Diepold.

Die Herzogin ritt herzu. Sie war im Waffenkleide, ihr goldenes Haar deckte ein glänzender Helm, und in der Hand hatte sie ein gezogenes Schwert. Hinter ihr ritten mehrere Herren des Hofes und andere Männer. Alle waren bewaffnet. Neben ihr ritt Dimut in ihrem gewöhnlichen Waffenkleide.

»Diepold«, rief die Herzogin, »ich bringe Krieger, und werde noch mehrere bringen, ich will eingereiht sein unter die Verteidiger der Stadt.«

»Hohe Herzogin«, sagte Diepold, »es geschehe nach deinem Sinne.«

Nun kamen auch Männer und Jünglinge der Stadt, und verlangten unter die Verteidiger aufgenommen zu werden.

Diepold sagte es zu, und wies sie an Plätze zur Einteilung.

Erst gegen den Abend sänftigte sich das Feuer, und in der Nacht wurde ihm Einhalt getan.

Am vierten Tage darnach kamen die Feinde wieder gegen die Mauern. Sie waren um viele mehr als das erste Mal, und führten eine große Zahl von Wagen mit sich, auf denen Erkletterungsgeräte, Leitern, Schilde, Bergen, Dinge, um den Boden zu erhöhen, und anderes waren. Eine größere Menge von Bogenschützen war aufgestellt, eine größere Menge von Männern rannte gegen die Mauern, und sie suchten mit größerer Heftigkeit und größerer Eifrigkeit empor zu dringen. Aber die Verteidiger waren auch schneller und unermüdlicher, in dichter Menge stürzten die Abwehren hinunter, in ununterbrochener [] Reihe flogen die Geschosse hinaus, und wenn man die Krieger wechseln wollte, ließen sie es nicht zu. Aus der Stadt rannten Menschen herbei, und trugen in ihren Händen oder in ihren Kleidern Steine, Ziegel, Eisen, Blei, daß es auf die Feinde geworfen würde, wenn etwa der Vorrat der Krieger nicht ausreichen sollte. Die Herzogin war mit ihrer Schar auf den Zinnen, und eines Augenblickes ritt sie auch zu allen Kriegern. Ihre Augen waren glänzender und ihre Wangen röter als sonst. Dimut folgte ihr, und auch ihre Augen waren glänzender und ihre Wangen röter. Sie kam zu Jurik, der die Seinigen befehligte, sie kam zu Chotimir, der unter seinen Männern war. Sie grüßte und wurde gegrüßt. Sie kam zu Diwiš, der seine Balkengerüste ordnete. Er grüßte sie ernst. Sie kam zu Lubomir, der unter seinen Župenleuten stand, und dicke Bolzen versendete. Er neigte sich ehrerbietig. Sie kam zu Bolemil. Er saß neben der großen Schleuder, und befehligte. Seine Haube war ihm entfallen, und seine weißen Haare glänzten in der Luft. Er neigte sein Haupt vor der Herzogin, und fuhr fort zu befehlen. Sie kam zu dem Bischofe, der seine Männer leitete. Sie kam zu Milota. Sie kam zu den Waldleuten. Rowno trat einen Augenblick vor, zu grüßen. Die Männer des Waldes warfen Dinge gegen die Feinde, von denen man glaubt, daß sie von Menschenhänden nicht zu bewältigen sein könnten. Sie kam zu dem jungen Ben, zu Zdeslaw, Casta, und den weitern. Die Feinde mußten von ihrem Beginnen ablassen, Diepold verfolgte sie mit großen Scharen, und tötete viele, und ein Wehegeschrei und ein Geschrei des Zornes war unter den Verfolgten und Verfolgern.

Nun begannen die Feinde andere Arbeiten in ihrem Lager. Sie machten Wälle, Bollwerke und Gräben gegen die Stadt, als wollten sie gegen die Veste eine zweite Veste errichten. Sie bauten Bergen aus Balken und Bäumen, und arbeiteten hinter den Bergen. Und wenn ein Werk [] aus Erde fertig war, so schoben sie die Bergen näher gegen die Stadt, und vergrößerten das Werk. Sie gruben auch Gräben mit Wällen, um sich in den Gräben der Stadt zu nähern.

Diepold ließ seine Mauern verbessern. Die Männer mauerten an schwachen Stellen eine zweite Mauer hinter der ersten, Verbalkungen, Bergen, Schutzwerke und neue Schleuderwerke wurden erbaut, und die Zimmerer, Schmiede, Pechgießer, Waffenmeister, Flechter, Pfeil- und Lanzendreher und alle, die in Pflicht genommen waren, arbeiteten rastlos.

Mit Greifzangen ließ Diepold Geräte und Dinge, welche die Feinde an den Mauern gelassen hatten, herauf nehmen, und was man nicht herauf nehmen konnte, wurde durch Feuer zerstört.

Alle Wurfdinge, welche tauglich erachtet wurden, sandte man gegen die Feinde, und sie sandten ihre Wurfdinge gegen die Stadt. Und oft ging Diepold mit Kriegern aus den Seinigen aus der Stadt, und kämpfte in dem Felde. Wenn er eine Stelle erkundigt hatte, die ihm eines Angriffes wert erschien, machte er mit Kohle eine Angriffszeichnung auf dem Tische, erklärte den Seinigen die Zeichnung, und brach dann mit einer Schar aus dem Tore, überfiel die Stelle auf Wegen, die ihm bekannt waren, und schlug mit Lanzen, Spießen, Keulen, Schwertern, Messern, was diese Waffen erzwingen konnten, und drängte mit Kraft gegen den Feind, so stark sie die Seinigen zu erregen vermochten. Die Männer faßten sich so nahe, als sie sich fassen konnten, an Riemen der Rüstungen, an Säumen der Gewänder, mit den Armen an den Armen, Brust gegen Brust, Körper an Körper, wie wütende kämpfende Brüder, wie Söhne der nämlichen Fluren, die mit Söhnen der nämlichen Fluren kämpfen. Und nach dem Kampfe eilte er wieder mit den Seinen in die Stadt.

[] So dauerte es eine Zeit.

Endlich stellten die Feinde ihre großen Geräte, die sie zusammen gebracht oder neu gebaut hatten, und die Diepold nicht hatte hindern können, in die Erdwerke gegen die Mauern, die gegen sie befestigst worden waren. Und nun begannen sie die größten Wurfdinge gegen die Mauern zu schleudern, um sie zu zertrümmern. Von kleineren Geräten sandten sie Geschosse gegen die Verteidiger der Zinnen. Diepold sandte seine großen Geschosse gegen die Werke der Feinde, und die kleinen gegen die Angreifer. Wenn sich an einem Platze die Mauer zu lockern begann, ließ er Rahmen mit Geflechten über die Stelle hängen, und wenn die Geflechte sich zerfaserten, erneuerte er sie, und wenn die Feinde gerade dahin ihre Würfe richteten, ließ er dicke Stierhäute hinab, und brachte immer neue solche Häute.

Und die Nacht unterbrach nicht die Bemühungen, sie dauerten fort, und dauerten Tage und Nächte, und wenn kurze Fristen eintraten, so endeten sie bald wieder, und der Drang, zu gewinnen und zu verteidigen, kam mit erneuerter Kraft an ihre Stelle.

Die Führer, der alte Lubomir, der alte Diwiš, Wšebor, Preda gaben sich der Sache hin, der alte Bolemil gab das Teilchen seiner Tage, die ihm noch gegeben waren, preis, die Äbte waren da, der Bischof Otto, und Jurik und Gervasius und Nemoy und alle andern. Die Krieger wurden in ihren Anstrengungen abgelöst, die Führer nicht.

Die Herzogin befehligte ihre Schar Kriegsleute wie ein Mann, sie leitete mit Diepold die ganze Verteidigung. Dann ging sie zu den Kriegern, und sprach mit ihnen. Dimut war bei ihr. Sie ließ oft, wenn die Mauer Schaden litt, durch hinab gelassene Pechpfannen und andere Dinge Rauch erregen, und die Männer arbeiten. Fast alle Menschen der Stadt halfen bei der Verteidigung. Die Pflege der Verwundeten ging ununterbrochen fort.

[] Der Priester aus dem Župenhause von Daudleb war stets bei Lubomir. Er suchte keine Bergen auf, sondern er führte hier einen Verwundeten abseits, um ihn zu verbinden, er trachtete dort etwas herbei zu schaffen, das man bedurfte, er sprach einem, der gestürzt war, Trost in das Angesicht, oder in die Ohren, wenn seine Augen aus Schwäche schon geschlossen waren, oder er suchte sonst Beistand zu leisten, wie er konnte.

Endlich griff man zu dem Feuer. Die Feinde sendeten brennende Pfeile, glühendes Eisen, lodernde Pechkugeln und andere Zündstoffe gegen die Zinnen, um Brand zu erregen, oder die Männer zu schädigen. Diepold ließ brennendes Harz, ölgetränkte brennende Ballen, glühende Metalle, flammende Balken und ähnliches in die Werke der Feinde werfen. Und wenn auf den Zinnen Feuer aufloderte, ließ man es durch nasse Zottentücher, Sandsäcke, Wassergüsse oder, wie man konnte, löschen. So taten auch die Feinde.

Es war eine Schleuder in den Belagerungswerken, welche ungemein große Steine warf, und die Mauer so beschädigte, daß man dieses kaum auszugleichen vermochte. Da las Diepold eine Schar der Seinigen aus, und da einmal in der Nacht das Stürmen sehr groß war, ging er mit ihnen, die Leitern Äxte und Hauen trugen, aus der Stadt, führte sie in dem Getobe gegen die Schleuder, und begann, ehe die, welche bei dem Werke waren, es ahnten, die Verwallung zu stürmen, erkletterte sie, drang vor, kam zu der Schleuder, und der Schmied von Plan, David der Zimmerer, dann Stephan der Wagenbauer, dann Kaspar von dem schwarzen Bache, dann Witek von Dečin und Wok von Gradec hieben mit Äxten gegen die Planken, Balken und Stangen der Schleuder, daß die Späne flogen, und alles gelockert und gefasert wurde. Da tat der Wollweber Christ Severin Feuer hinzu, daß bald das Holz in Flammen empor brannte. Die Feinde mischten sich in [] die Schar Diepolds, wehrten sich des Angriffes, Mann kämpfte gegen Mann, und mit der Spitze des Schwertes, mit der Handhabe desselben, mit Äxten, Keulen, Spießen und Stangen hieb, stach, stieß und schlug man in die Glieder der Männer. Über manche Augen sanken die Schatten des Todes, und über manche kam seine Finsternis, daß sie Vater und Mutter und Geschwister und Heimatgenossen nie mehr sehen werden, und andere sanken mit zerschmetterten Gliedern oder schweren Wunden in das Wirrsal der Menschen nieder. Osel blutete an zwei Stellen, Grup von Wettern an drei, es bluteten Wolf von Winterberg, Braniš von Rowna und Luta und Radim von Daudleb. Simon, ein gewaltig groß gewachsener Mann vorn Reutschlage, lag mit entzwei gehauener Hirnschale da, und Pet von Saaz, ein Mann Diwiš', lag mit einer breiten Spalte in der Brust. Da die Schleuder überall lohete, rief Diepold die Seinigen zur Sammlung zu sich, und da sie ihn erreicht hatten, gingen sie fast rücklings stets kämpfend gegen den Rand des Werkes zurück, und als sie zu demselben gekommen waren, glitten sie schnell hinab, und suchten auf einem Wege, der ihnen mehr als den Feinden bekannt war, die Stadt zu gewinnen. David der Zimmerer und Kaspar vom schwarzen Bache trugen den toten Simon, Pet von Saaz ist bei den Feinden liegen geblieben.

Am nächsten Tage flogen die großen Steine der großen Schleuder nicht mehr gegen die Stadt, auch die andern waren sparsamer. Und nach einiger Zeit kam Ruhe von den Angreifern und den Verteidigern. Aber in der Ruhe rüsteten sich beide Teile wieder mit Eifer zu ihrem Werke, und es war nicht zu erkennen, wie alles endigen würde.

Da diese Dinge in Prag geschahen, ritt der Herzog Wladislaw mit seiner Schar auf dem Wege gegen den Abend des Landes weiter.

Es kamen von beiden Seiten Männer herzu und vermehrten [] die Schar. Es kamen von Župenhöfen Leute, die dort noch entbehrt werden konnten, und es kamen Abgeordnete von den Županen, welche um die Dinge fragten, und Zuzug anboten. Und auch mancher kleine Wladyk und andere Mann kam herzu. Der Herzog ordnete an, daß sich Krieger sammelten, wie sie könnten, daß sie dann harrten, bis er wieder nach Prag zöge, und daß sie sich anschlössen.

Es wurde die Verheißung gemacht.

Als der Zug des Herzoges am dritten Tage des Abends auf dem ebenen Wege durch den Föhrenwald gegen den Ort Mies ritt, sahen die Krieger einen andern Zug, der auf einem Waldwege daher kam, und ihren Weg in einem geraden Kreuze schnitt. Dieser Zug ging sehr langsam, und die Männer, welche ihn bildeten, waren in dunkle weite Gewänder gekleidet. Die Reiter des Herzoges Wladislaw ritten näher hinzu. Die Männer in den dunkeln Gewändern ritten auf ihrem Wege immer zu dreien. Endlich kamen starke Saumpferde in dunkelgrauem Sammet. Die Saumpferde trugen auf einer Bahre eine lange Truhe, über welche ebenfalls dunkler grauer Sammet mit Silberzierden gebreitet war. Den Saumpferden folgten wieder Saumpferde, die eine andere ganz gleiche Truhe trugen.

Da sagte Stran, ein Mann des blauen Fähnleins: »Ich kenne die Lilienblumen, die auf dem Sammet sind. Der Leche Načerat hat sie auf manchen Dingen gehabt, wie die Sitte jetzt wird.«

»Dort reitet hinter den Säumern Znata, der Bruder Načerats«, sagte Dihuš, ein anderer Mann.

»Sie führen die Leichname Načerats und seines Sohnes in die Länder, die sie besessen haben, daß sie dort begraben werden«, sagte Mil, ein dritter Mann.

Der Herzog Wladislaw und Zdik und Welislaw waren ganz nach vorne gekommen, und sahen den Zug an.

[] Da rief Timeš, ein Begleiter Welislaws: »Reißet das Aas aus seiner schönen Truhe, und werfet es den Vögeln des Waldes hin. Da es noch in den prächtigen Kleidern ging, hat es Unheil gestiftet, und ist schuld, daß tausend Menschen ihr Leben verloren, daß Städte und Dörfer rauchen, daß Felder dorren, daß Prag zerstört wird, daß Menschen nach Menschen umkommen, und der Herzog Wladislaw als Bitter in die Fremde reiten muß.«

Der Herzog aber antwortete auf diese Rede: »Načerat hat viel gewirkt, und hat Böses getan; jetzt ist er ein Mann der Ruhe, und die Wandelbarkeit der menschlichen Dinge hat ihn getroffen. Einige verwünschen ihn nur noch; die hier um ihn sind, lieben ihn, wir haben nichts zu tun, stört sie nicht in ihrem Werke.«

Die Reiter Wladislaws blieben ruhig stehen. Die Männer in den dunkeln Gewändern zogen an ihnen vorüber, sahen sie an, und ritten ihres Weges weiter. Da die letzten drei hinter den Föhren waren, und nicht mehr gesehen werden konnten, setzte Wladislaw die Seinigen wieder in Bewegung, und sie ritten in ihrer Richtung gegen Sonnenuntergang fort.

Da sie Mies erreichten, und den Berg gegen den Ring des Ortes hinan strebten, brannten schon die Lichter, und sie wurden von vielen Menschen empfangen.

Wladislaw zog von Mies auf schmalen Wegen durch Felder und Heiden und Wälder weiter, bis er bei der deutschen Stadt Amberg wieder zu dem großen Heerwege gelangte.

Am fünfundzwanzigsten Tage des Monates Mai kam er vor Nürnberg an.

Die grüne Ebene im Mittage der Stadt war weithin mit Gezelten bedeckt, und Banner und Fähnlein und Wimpel weheten über denselben: Banner von Kurherren, von Erzbischöfen und Bischöfen, von Herzogen, Fürsten, Herren, Rittern und Städten. Eine Menge von Menschen [] war da in Rüstungen, in schönen Gewändern und in veralteten Wämsern und in Lumpen.

Da die Schar der böhmischen Männer herzu geritten war, kamen Lagermeister, und zeigten ihnen einen Platz, auf dem sie sich einrichten könnten. Es kam auch ein Geschwader von Herren und Rittern, namens des Königs den Herzog Wladislaw zu begrüßen. Der Herzog dankte ihnen, und sie ritten wieder fort.

Nun wurden die Saumtiere entladen, man sendete zu den Männern, die auf den Feldern ihre Verkaufsgerüste aufgeschlagen hatten, um Dinge, die man brauchte, zu erhandeln, und es wurde zur Errichtung des Lagers geschritten.

Der König sendete einige Männer zu dem Herzoge, um ihr Geleite und ihre Dienste anzubieten. Zu Witiko kam Wolfgang von Ortau, ein junger Ritter, der Sohn Anselms von Ortau, eines Herren aus der Wetterau, der bei allen Zügen Konrads gewesen war. Er bot Witiko Genossenschaft und Dienste an. Witiko empfing sie, und sagte, er werde sie erwidern, wenn Wolfgang zu ihm käme.

Da die Gezelte des Herzoges Wladislaw, des Bischofes Zdik und andere aufgerichtet standen, und da der Herzog mit den Seinigen festlichere Gewänder angezogen hatte, ritt er mit dem Bischofe Zdik und mit Welislaw, Odolen, Witiko, und den Kaplänen, mit einem Geleite der Seinigen, und mit dem Geleite, das der König Konrad gesendet hatte, in die Stadt Nürnberg und durch die Stadt in die Burg zu dem Könige Konrad empor.

Zdik, Welislaw, Odolen, Witiko und die andern Männer der beiden Geleite blieben in Gemächern der Burg; Wladislaw aber ging in die Stube des Königs, und blieb eine Stunde bei ihm. Dann kam er wieder zu den Seinigen, sie begaben sich in den Burghof, bestiegen die Pferde, und ritten in das Lager zurück.

[] Des andern Tages tönten die Zeichen zu einer Versammlung in der Kaiserburg. Die Herren zogen von dem Lager in die Stadt. Der Herzog Wladislaw ritt mit einem festlichen Gefolge, und mit Zdik und Welislaw und Odolen und Witiko und den Kaplänen in schönen Gewändern dahin. Neben Witiko ritt Wolfgang von Ortau. Sie sahen unzählige Menschen an ihrem Wege. Sie ritten in die Burg hinauf, und ritten durch das Tor neben dem alten Heidenturme in den Hof. Da sahen sie eine Linde inmitten des Hofes, welche schon hundert Jahre stand, und welche von der Kaiserin Kunigunde gepflanzt worden war. Bei der Linde stiegen sie von den Pferden, und die Pferde wurden auf einen Platz vor der Burg geführt, um dort zu harren. Die Männer aber stiegen die Treppe zu den Gemächern an dem Kaisersaale empor. Da man sich sammelte, und da die Geleite harreten, stand Witiko mit Wolfgang an einem Fenster gegen den Hof, und Wolfgang zeigte ihm die Ankommenden, und sprach: »Siehst du, der Mann in den veilchenfarbnen Gewändern mit den grauen Haaren, dem man jetzt an der Linde von dem milchweißen Zelter hilft, ist Albero, der Erzbischof von Trier, der dem Könige Konrad in dem ersten Sachsenkriege mit Wein einen großen Dienst geleistet hat. Der andere in dem vergoldeten Harnische mit dem Kreuze ist Markolf, der Erzbischof von Mainz. Er ist immer schnell, und wird Albero auf der Treppe einholen. Die zwei, die jetzt in schimmernder Rüstung beim Tore herein reiten, sind der Markgraf Hermann von Baden und der Pfalzgraf Hermann am Rheine. Der auf dem schwarzen Pferde ist der Pfalzgraf. Der Mann auf dem Maultiere, der ihnen ausweicht, und der den breiten Hut trägt, und um den Priester sind, ist der Schwabe Dietwin, der Kardinal, den der Papst Innozenz nach Deutschland gesendet hat. Er hat unsern König Konrad am dreizehnten Tage des Monates März im Jahre des Heiles 1138 gekrönt. [] Der ist der nämliche Kardinal, der vor Jahren den Bann über Konrad ausgesprochen hat. Nun kömmt mit seinen bunten Leuten Ludwig, der Landgraf von Thüringen, den sie den Eisenmann heißen. Er sitzt sehr aufrecht auf seinem Pferde. Wenn wir von seinen Leuten die andern, die kommen, wieder sehen, werde ich sie dir nennen. Der nun durch Reisige und Priester von seinem Pferde gehoben wird, ist Egibert, der Bischof von Bamberg, und der noch auf dem braunen Zelter sitzt, mit den weißen Haaren unter dem Helme und dem Harnische über dem Priestergewande, ist Embriko, der Bischof von Würzburg. Die alle werden in dem Zuge gegen Böhmen mitgehen. Sie sind nicht immer so zahlreich gekommen. Vor vier Jahren ist es noch anders gewesen. Da der König Konrad im Beginne seiner Herrschaft auf dem Hoflager in Augsburg war, kam der stolze Herzog Heinrich von Baiern mit so großen bewaffneten Scharen, daß der König in der Nacht vor ihm entfliehen mußte. Auch auf den Hoftagen zu Würzburg und zu Goslar zauderten sie noch; aber der König Konrad, von dem neuen Geschlechte der Hohenstaufen, konnte sich eine solche Würde geben, und gewann solche Macht, daß sie endlich fast alle zu ihm gingen. Euer gestorbener Herzog Soběslaw ist frühe an seiner Seite gewesen. Mein Vater hat ihm vom Beginne treu gedient. Der auf dem goldlichten Pferde dort ist der reiche Graf von Namur, und der im blauen Gewande der Graf von Kleve. Da kommen die von Zütphen und Rineck, und der dort auf dem schwarzen Zelter mit Männern herein reitet, ist der Bischof von Utrecht. Er ist zumeist der letzte. Und wenn auch noch Leute herein dringen, so ist es Zeit, daß wir in den Kaisersaal gehen, weil dort jetzt die Sammlung sein wird.«

Und Witiko und Wolfgang traten in den Kaisersaal.

Der Saal war mit Männern gefüllt. Die Geleite, welche sich sehr drängten, wurden nun verabschiedet, und entfernten [] sich. Die Herren suchten sich an einem Tische zu ordnen.

Wolfgang sagte zu Witiko: »Siehe den Mann dort an dem ersten Fenster, der nicht zu groß ist, und die lichten Haare um die Stirne hat: der ist jetzt ein sehr gewaltiger Mann, wenn auch sein Vater Büren, obgleich von edlem Stamme, doch im Beginne selber nur ein edler Mann war. Er ist der Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn der Agnes, die noch auf dem Kahlenberge bei Wien lebt, der Tochter des Kaisers Heinrich des Vierten, er ist der Bruder unsers Königes Konrad, und der Stiefbruder der Kinder des gestorbenen frommen Markgrafen Leopold von Österreich, also auch eurer Herzogin Gertrud, und also der Schwager deines Herzoges Wladislaw. Der mit dem schwarzen Ritter spricht, und die blauen Augen und die blonden Haare und den jungen blonden Bart hat, den einige einen Helden nennen, weil er schon Männer siegreich geführt hat, ist Friedrich, der Sohn des Herzogs von Schwaben, den sie den Rotbart nennen. Der dort am Ende der Bank, mit dem Rücken an der Vertäflung, ist Arnold, der Erzbischof von Köln, und der Blonde, der mit ihm spricht, ist Otto, der Bischof von Freisingen. Er ist ein Sohn der Agnes und des frommen Markgrafen Leopold, und also ein Halbbruder unseres Königs. Man sagt, daß er auf alle Begebenheiten der Welt achtet, und sie aufschreiben will. Sein Bruder Heinrich, der Markgraf von Österreich, setzt sich eben schräghin von uns an den Tisch.«

Die Herren setzten sich nun alle an den Tisch. Ordner wiesen Witiko und Odolen und Welislaw und Ortau und andern Männern einen Platz auf der Bank des Wandgetäfels.

Nun trat der König Konrad mit Geleite des Hoflagers in den Saal, und begab sich auf die kleine Erhöhung, die an dem Tische für ihn errichtet war. Er hatte den Kaiserrock [] an seinem Leibe, und seine Gestalt, die nicht zu groß und nicht zu klein war, konnte von allen gesehen werden. Um seine Stirne waren blonde Haare, und seine blauen Augen blickten auf die Versammlung.

Da es stille geworden war, sprach er: »Hochehrwürdige und hocherhabene Herren der Erzbistümer, Bistümer, Stifte und Kirchen, dann der Herzogtümer, der Markgrafschaften, Grafschaften, Gaue, Burgen und Städte, seid in Gott gegrüßt. Es sei sein Segen über euern Häuptern, und Gedeihen in unserer Zukunft. Das Reich schuldet euch Dank, daß ihr zu dessen Macht und Stärke in so großer Zahl auf den Reichstag in diese alte und ehrwürdige Stadt, und heute zu seinem Schlusse gekommen seid. Das auf diesem Reichstage geschlichtet werden mußte, habt ihr zu Nutz und Frommen geschlichtet. Die große Sache, die nach dem Tode des im Himmel seligen Kaisers Lothar in das Reich gekommen ist, der Streit wegen der Herzogtümer Baiern und Sachsen, ist beendet. Der junge Heinrich, der Sohn des Herzoges Heinrich von Sachsen und Baiern, ist mit Sachsen begabt worden, Baiern wird vergeben werden, wie es Nutz und Recht einmal verlangt. Die Geschlechter, die sich bekämpft, sind vereinbart: zwischen Gertrud, der Witwe Heinrichs des Herzoges von Sachsen und Baiern, und zwischen Heinrich, dem Markrafen von Österreich, ist ein heilig Band vorbereitet, und wird bald geschlossen werden. Ihr habt alle mitgewirkt, und Markolf, der hochehrwürdige Erzbischof von Mainz, hat seines Friedensamtes gewartet. Aus dem Streite sind die Kaiserin Richenza und Heinrich, der mächtige Herzog von Sachsen und Baiern, und Leopold, der junge Markgraf von Österreich, zu Gott gerufen worden, und werden dort von unserem Tun billigen, was zu billigen ist. Zu der Herrlichkeit des Reiches ist nun noch eines nötig, dazu ihr nach euerm Wunsche und meiner Meinung die Vorbereitungen gemacht habt, [] und das jetzt in Erfüllung gehen kann. Wladislaw, der Sohn Wladislaws des vorvorigen Herzoges von Böhmen und Mähren, ist als Herzog der Länder Böhmen und Mähren anerkannt worden. Nun aber nennen die Fürsten in Mähren und viele reiche und große Herren der Länder Böhmen und Mähren Konrad von Znaim ihren Herzog, sie stehen mit Kriegsmacht vor der Stadt Prag, und höhnen das Reich. Es ist also an dem, daß sie vertrieben, und die Anerkennung aufrecht erhalten werde. Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, und der hochehrwürdige Bischof von Olmütz, Zdik, sind gekommen, und sagen, daß es an der Zeit ist.«

Der König schwieg.

Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, aber sprach: »Hochehrwürdige Männer der Kirche, erhabene Fürsten des Reiches. Am vierten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140 bin ich auf dem Schlosse Wyšehrad von einer Versammlung der hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren auf den Fall des Todes des Herzoges Soběslaw, der in Hostas Burg krank lag, zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt worden. Am zwölften Tage des Monates Hornung hat der kranke Herzog Soběslaw zu seinem Sohne Wladislaw, der vor mir auf einem Tage zu Sadska als künftiger Herzog von Böhmen und Mähren bestimmt worden war, gesagt, daß er sich mir unterwerfen solle. Am vierzehnten Tage des Monates Hornung ist der Herzog Soběslaw gestorben. Am siebenzehnten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140 bin ich in Prag auf den heiligen Fürstenstuhl gesetzt worden. Meine Herrschaft hat begonnen und gedauert. Da der Frühling des Jahres 1142, dieses jetzigen Jahres, herannahte, haben viele der Herren der Länder Böhmen und Mähren, welche mich auf dem Wyšehrad gewählt hatten, und viele andere reiche und mächtige Herren wieder einen Herzog gewählt, den Nachkommen [] Přemysls, Konrad, den Fürsten von Znaim. Sie haben auf ein Pergament geschrieben, was er ihnen zugestehen muß, wenn sie ihm helfen. Im Monate April kamen ihre Krieger nach Böhmen. Ich habe in der Schlacht auf dem Wysoka die Entscheidung nicht erreichen können, weil Verräter in meinem Heere waren. Meine treuen Männer stehen nun um den Fürstenstuhl in Prag gegen die Belagerer. Was ein großes Heer, das schnell das Ende bringt, an Geld und Gut auch erheischt, das können die Länder Böhmen und Mähren leichter tragen als einen langen Krieg, der Menschen hinrafft und die Ordnung umstürzt. Und so rufe ich um Beistand, wie ich wieder einmal Beistand gebe, wenn man ruft.«

Als der Herzog seine Worte geendet hatte, sprach Markolf, der Erzbischof von Mainz: »Weil der Stab des heiligen Erzstiftes Mainz in den christlichen Dingen über die Länder Böhmen und Mähren waltet, so achte ich es erlaubt, daß ich der erste nach dem erlauchten Herzoge in der Sache dieser Länder die Rede ergreife, und sage: Damit in dem Lande Böhmen im Gebüsche des Heidentumes der göttliche Glaube empor wachse, und damit es aufhöre, daß sie mehrere Weiber nehmen, und Sippen heiraten, das Eheband auflösen, heilige Haine, Bäume und Vögel haben, zu den Diasen und Wilen beten und Götzenopfer bringen, heidnische Dinge auf abgelegenen Gräbern üben, und Wahrsager, Zeichendeuter und Zauberer in dem Lande haben, damit gefestigte Pfarrstellen, wie oft geboten, errichtet werden, daß sie die Sonntage und Feiertage feiern, und die Fasttage halten, und daß nur der Heiland in dem Lande herrsche, dazu muß der Frieden und die Ordnung aufgebaut werden, und müssen die, welche gegen die gottgefällige Macht die Waffen führen, niedergeworfen werden, daß sie gleiches für jede künftige Zeit nicht mehr versuchen, und forthin die gerechte Herrschaft das Frommen und das Gedeihen erstreben [] kann. Darum habe ich meine Ritter und meine Männer zu dieser Stadt geführt, und gehe mit ihnen zum Kampfe.«

Als der Erzbischof Markolf geredet hatte, sprach Arnold, der Erzbischof von Köln: »Es ist in den heiligen Pergamenten verzeichnet, wie die frommen griechischen Brüder Cyrillus und Methodius in alter Zeit in das Land Mähren zu dem Fürsten Rastislaw gekommen sind, und wie Cyrillus wunderbare Buchstaben erfunden hat, welche die Laute der slawischen Sprache ausdrückten, und wie er in dieser Sprache die heiligen Bücher aufschrieb, und wie er die Slawen bekehrte, und wie der gottselige Papst Hadrianus die Lehre des Cyrillus und Methodius als die rechtgläubige erklärt hat. Darum sind die Mährer schon länger Christen gewesen als die Böhmen, und sie übten Gottesdienst und Frömmigkeit. Daß es nun in Böhmen auch so werde, und daß die beiden Länder in die gleiche heilige Zucht gelangen, und daß das glänzende Licht, welches von dem Erzstifte Mainz über diese beiden Länder gehalten wird, immer gleich leuchte, muß, wie der fromme Erzbischof von Mainz gesagt hat, die Ordnung und der Frieden aufgerichtet werden, ich habe meine Herren und Männer hieher geführt, und ziehe mit ihnen in den Streit.«

Dann sagte Albero, der Erzbischof von Trier: »Und wenn mein Bruder in Gott, der hochehrwürdige Erzbischof von Mainz, in dem Streite wegen der Herzogtümer Sachsen und Baiern seines Friedensamtes gewaltet hat, so habe ich auch in Sachsen einen kleinen Dienst getan, und der heilige Glaube soll in allen Ländern stets sieghafter sein, und ich bringe meine Streiter, und was sonst not tun sollte, in den Krieg.«

Nun erhob Ludwig der Eiserne, der Landgraf von Thüringen, seine Rede, und sprach: »Vor dreizehn Jahren sind die Deutschen von böhmischen Kriegern bei Chlumec [] geschlagen worden, und mehrere hundert edle Männer, darunter der Vetter des Kaisers, Gebhard von Querfurt, und der Graf Milo von Ammensleben, und der Graf Berthold von Achem, und Tausende der tapferen Krieger haben das Leben verloren, und viele sind in Gefangenschaft geraten: der Markgraf Albrecht der Bär und der Bischof von Merseburg und der Bischof von Halberstadt, und Äbte und Grafen und Herren. Es ist seitdem kein Heer der Deutschen in das Land Böhmen gekommen, und es ist an den Männern, die bei Chlumec gewesen, und an denen, die nachher gekommen sind, daß sie den Böhmen zeigen, wie der Deutsche kriegt, und sein Schild über ihrem Lande hält. Ich habe meine Pflichtigen anhergeführt.«

Darauf sagte Heinrich, der Markgraf von Österreich: »Der Herzog Soběslaw, gegen den damals der Kaiser Lothar von dem schwarzen Otto trügerisch aufgehetzt worden ist, ist im Siege mäßig gewesen, er ist im Jahre darauf mit mehreren tausend Reitern zu dem Fürstentage Lothars nach Merseburg gekommen, und hat Gaben gebracht, und wieder um ein Jahr hat der Kaiser Lothar das Söhnlein Soběslaws aus der Taufe gehoben, und Soběslaw hat zu den zwei Romfahrten des Kaisers Reiterscharen gestellt, und die Fürstentage des Kaisers besucht, und er hat dem erlauchten Könige Konrad Zuzug nach Sachsen geleistet. Der jetzige Herzog Wladislaw ist mit seiner Gemahlin zu dem Könige Konrad nach Würzburg gegangen, ist bei Reichstagen gewesen, und ist jetzt um einen Bund hier, für den er Dank verspricht. Ich meine, das Reich soll wie aus anderer Rücksicht so auch aus Rücksicht der Freundlichkeit mit Böhmen umgehen, und dadurch die eigne Stärke mehren. Ich habe, was ich an Leuten und Kriegsbedarf vermochte, nach Nürnberg gebracht.«

Nach dem Markgrafen von Österreich sprach Friedrich, [] der Herzog von Schwaben: »Das Reich soll zu andern Rücksichten auch die Rücksicht als Schirm der Christenheit tragen, daß es nicht die böse Lehre des Aufruhrs duldet. Mein Stamm steht zu dem Rechte, wie mein Vater zu dem Kaiser Heinrich gestanden ist, und ich stelle, was Schwaben vermag, zum Streite.«

»Und ich meine«, rief jetzt der Pfalzgraf am Rheine, »die Rücksicht ist die Macht und die Herrlichkeit und das Ansehn des Reiches.«

»Das Reich, das Reich, das Reich«, riefen mehrere Stimmen.

»Es soll das Reich nicht geschädiget, es soll als das Höchste geachtet werden, was da besteht«, rief der Graf von Kleve.

»Es ist das Höchste, und muß so angesehen werden«, rief der Graf von Rineck.

»Keine Schmälerung ist zu dulden«, rief Rudolph, der Graf von Stade.

»Keine Schmälerung, keine Schmälerung«, riefen mehrere Stimmen.

»Und die Ordnung muß in jeder Mark hergestellt werden, und sohin auch in der gegen Polen«, rief Konrad von Meißen.

»Die Ordnung soll sein, und die Kurherren, und die Kirche, und die Fürsten, und die Stifte und die Städte sollen die Wächter sein«, rief der von Zütphen.

»So ist es«, »so soll es immer sein«, »gedenkt es«, »so ist es«, »so ist es«, »so tut es«, riefen mehrere Stimmen durcheinander.

Da es stille geworden war, sprach Embriko, der Bischof von Würzburg: »Es sind alle die angeführten Ursachen giltig und aufrecht, wir bedenken sie, und ziehen in die gerechte Entscheidung.«

»Und der Herr wird sie segnen, wie er die Kämpfe für den heiligen Glauben und für die Schirmmacht des [] Reiches gesegnet hat«, sagte der Abt von Hirschfeld.

Dann erhob Wallram, der Herzog von Niederlothringen, seine Rede, und sprach: »Weil wir nach den Übereinstimmungen zu dieser Stadt Nürnberg mit unsern Männern gekommen sind, und die Rüstungen schon vollbracht haben, so sollen die Punkte festgestellt, und es soll sogleich der Zug begonnen werden.«

Nun stand ein geharnischter Mann auf, es war der Graf von Quenstide, und legte die Hand auf den Tisch, und sprach: »Ich sage, es ist in der vergangenen Zeit schon genug geredet worden, und wir sollten endlich zur Tat gehen.«

»Zur Tat«, »zur Tat«, »wir sollen zur Tat kommen«, »die Tat sollen wir tun«, »die Tat«, »die Tat«, riefen verschiedene Stimmen.

Da streckte der König Konrad die Hand aus, und als es stille geworden war, sprach er: »So ist ja daher der Beistand beschlossen, die Männer sind geeinigt. Es ist mancher gekommen, der ein Gegner der neuen Zeit gewesen ist, und so wird unsere Macht sich erhöhen. Wir werden die Einteilung, die schon gemacht ist, in das Heer stellen, und den Zug beginnen. Seid bedankt, ihr Herren, für die heutige Zusammenkunft, sie ist die letzte, und der Reichstag geschlossen. Und so sage ich: mit Gott der Dreieinigkeit.«

»Mit Gott der Dreieinigkeit für das Reich und den König«, rief der Erzbischof von Mainz.

»Gott und das Reich und der König«, riefen die Männer. Konrad ging von seinem Platze, und redete mit mehreren Männern.

Die Herren standen auf, und traten zu verschiedenen Haufen zusammen. Viele kamen zu dem Herzoge Wladislaw, und umringten ihn.

»Wir werden dir, der du ein treuer Sohn der Kirche bist, [] Raum verschaffen, daß du ihr Gedeihen wie seit deinem Beginne fördern magst«, sagte Markolf, der Erzbischof von Mainz.

»Ich trachte, daß die Heiligkeit unseres Glaubens ihre Wurzeln immer mehr ausbreite«, antwortete Wladislaw.

Albero, der Erzbischof von Trier, sagte zu dem Herzoge: »Ich bringe den Mährern keinen Wein, wie den Sachsen; aber es ist manches Fuder in meinem Geleite, dessen Lieblichkeit ihr alle erfahren sollt.«

»Der hohe Kirchenherr führt manche Waffen«, sagte Hermann, der Markgraf von Baden.

»So müssen wir ja in unserem Amte mit Liebe und Strenge walten«, entgegnete Albero.

Der Markgraf von Österreich nahm den Herzog Wladislaw bei der Hand, und sagte: »Ja, du lieber Schwager, so mir Gott helfe, werde ich mit den Männern, die mir nach meinen Händen frei sind, nicht der Schwächste sein, die Strolche von Prag zu verjagen. Die Angst meiner Schwester Gertrud wird bald dahin sein, wir werden in Prag ein Fest feiern, und dann ein anderes, zu dem die Ladung kommen wird.«

»Habe Dank, mein Schwager«, entgegnete Wladislaw, »der Krieg wird kurz sein, du wirst zu deiner Gertrud zurückkehren, und ich werde dir mit meiner Gertrud folgen. Diese wird aber jetzt in Prag nicht Angst, sondern etwas Höheres empfinden.«

»Die Angst um ihr Volk«, erwiderte der Markgraf; »denn die aus dem Stamme Babenberg wissen nichts von Angst um sich.«

»So ist es«, antwortete der Herzog, »und möge Gertrud neues Glück zu deinem Stamme bringen.«

»Ich werde sie in die heitere Stadt Wien führen, in der ich eine Wohnung errichte«, sagte der Markgraf, »die heiteren Sangeszeiten meines Geschlechtes werden wieder sein, und mögen ihnen noch heitrere folgen.«

[] »Und wenn ich dir heitrere und schönere erringen helfen kann, Schwager, werde ich auch nicht der Schwächste sein, wie du eben gesagt hast«, sprach Wladislaw.

Jetzt trat Friedrich, der Herzog von Schwaben, herzu, und sagte: »Nun, mein hoher Schwager Wladislaw, jetzt werden die, welche um den hohen Staufen wohnen, auch die Gefilde von Böhmen sehen, und ich hoffe, der Raum, den sie bedecken werden, wird nicht der kleinste sein.«

»Und er wird durch solche Krieger, die ihn betreten, geehrt sein, mein erlauchter Schwager«, antwortete Wladislaw.

»Wir bringen dir auch die vom Rheine«, sagte Wallram, der Herzog von Niederlothringen.

»Sie werden willkommen sein«, entgegnete Wladislaw.

»Wir führen selber unsere Ritter und Männer«, sprach Arnold, der Erzbischof von Köln.

»Ich werde des in aller Zeit gedenk sein«, sagte Wladislaw.

»Und mich wirst du doch auch begrüßen, lieber Schwager, wenn ich nach Prag komme«, sprach Otto, der Bischof von Freisingen.

»Ich werde dich grüßen, Otto, und deine Schwester Gertrud wird dich grüßen«, antwortete Wladislaw.

»Wir kommen mit reichen Scharen«, sagte der Pfalzgraf.

»Und es sind noch immer Zuzüge da«, sagte der Graf von Kleve.

»Habet Dank, ihr Herren«, entgegnete Wladislaw, »ich hoffe euch zu vergelten.«

»Das wissen wir, und es wird die Zeit kommen«, riefen mehrere.

Und da alles ausgesprochen war, und da der König den Saal verlassen hatte, schickten sich die Männer an, auseinander zu gehen.

Die Geleite kamen heran, die Pferde wurden in den Hof gebracht, und die Herren ritten in ihren Gewändern aller [] Art durch das Tor, durch die Stadt und durch die Zuschauer in das Lager.

Der Herzog Wladislaw ritt desselben Tages noch zu dem Könige Konrad, und war mit dem Bischofe Zdik und den Kaplänen zwei Stunden bei dem Könige und dem Kanzler.

Dann ritt er zu dem Kardinale Dietwin dem Schwaben, um zu erwirken, daß der Heilige Vater einen Beauftragten von Rom nach Böhmen und Mähren sende.

Am Nachmittage war ein Mahl. Der König und die Männer des Saales und die erhabenen Frauen und Jungfrauen, welche in dem Lager waren, saßen unter einem Gezelte, und genossen bei dem Klingen der Flöten und Geigen die Speisen und Weine des deutschen Landes.

Nach dem Mahle waren Kampfspiele, und die Frauen verteilten die Preise.

Am nächsten Tage kamen Herren und Fürsten zu Wladislaw, um ihn zu begrüßen, und er ritt wieder zu ihnen, um den Gruß zurück zu geben.

Zdik führte die Bischöfe und ihre Priester zu Wladislaw, und Wladislaw ging mit Zdik wieder zu ihnen.

Er führte an dem Tage auch Welislaw, Odolen, Witiko und andere Männer zu dem Könige Konrad.

Der König sprach mit jedem, und sagte: »Witiko hat uns bei Fulda die Furt gewiesen, durch die wir die gute Stellung erlangten.«

»Ich bin noch ein Knabe gewesen, hoher Herr«, antwortete Witiko, »und ein Bauer hat mir die Furt gezeigt.«

»Und hast Gutes gestiftet, mein Kind«, sagte der König.

Am Nachmittage ging Witiko mit Wolfgang von Ortau zu mehreren deutschen Rittern, und es wurde Genossenschaft gestiftet.

Seinen Begleitern Lambert, Augustin, Urban und dem Knechte Jakob gab er Freiheit, sich am Lager, an der Stadt, an Liedern und Gauklern zu erlustigen.

[] Da es Abend wurde, ging eine große Zeile von Wagen und Saumtieren in der Richtung gegen Morgen, und es ritten auch Männer dahin, um den Zug des Heeres vorzubereiten. Durch die grünen Felder kamen von Erlangen her noch Reisige, und es kamen Reisige von Würzburg.

Am dreißigsten Tage des Monates Mai nahmen die hohen und niederen Herren von ihren Ehefrauen und Müttern oder Schwestern oder Kindern, die in dem Lager waren, Abschied, und der Zug begann. An der Spitze war der Herzog Wladislaw mit seiner Schar. Dann kamen die Männer von der Mosel und dem Rheine, von der Donau und der Weser, von dem Neckar und dem Maine, vom Spessart, vom Taunus, vom Schwarzwalde und den Alpen. Der König der Deutschen, Konrad, aus dem Geschlechte der Hohenstaufen führte sie. Volk und Troß war am Ende der Reihe.

Bei dem Orte Taus gelangten sie in den Wald, der Böhmen von Deutschland scheidet.

Auf dem böhmischen Boden kamen die Männer herbei, die sich für Wladislaw gesammelt hatten. Es waren so viel, daß seine Schar selber eine Macht wurde. Er teilte sie ein, und gab den Župenmännern die Župenkrieger, den Wladyken die Wladyksippen, und Welislaw, Odolen und Witiko eigene Leute.

Diese streiften oft vor oder neben dem Heere.

Bei Pilsen sammelten sich alle, und lagerten.

Eines Tages ritt Witiko mit seiner Schar auf dem Wege, der von Pilsen gegen Prag führt, vorwärts. Nach einer Zeit folgte ihm Odolen auch mit seiner Schar. Sie kamen am Mittage zusammen, und vereinigten ihre Leute. Es war an der Stelle ein kleiner Föhrenwald neben einer Seite des Weges, und hinter ihm waren trockene Wiesen. Odolen und Witiko führten ihre Reiter auf die Wiese hinter dem Walde, daß sie geborgen wären, und ließen [] sie ruhen, und sie und die Pferde die Mittagsnahrung einnehmen. An die Spitzen des Waldes und an den Saum gegen den Weg hin wurden Späher gestellt.

Da die Erquickung für Menschen und Tiere schon fast vollendet war, kam einer der Späher von der unteren Spitze des Waldes, und meldete, daß sich Reiter auf dem Wege von Prag her näherten. Witiko und Odolen hießen ihre Leute sich rüsten, die Pferde besteigen, und ruhig stehen bleiben. Sie aber faßten den Entschluß, daß sie die Reiter, wenn sie Feinde, und in nicht zu großer Zahl wären, an dem Walde vorüber lassen, und ihnen dann nachreiten wollten.

An den Waldrand wurden noch mehr Späher gestellt.

Da kam einer von ihnen, und sagte, die Reiterschar sei um vieles kleiner als die ihrige, es müssen Feinde sein, weil man kein Abzeichen des Herzogs an ihnen sehe. Sie reiten sehr langsam, und haben keine Vorreiter.

Nun stiegen Witiko und Odolen von ihren Pferden, ließen dieselben unter die Bäume führen, und dort von Knechten bewachen. Sie aber gingen gegen den Weg an den Saum des Waldes, um die Reiter kommen zu sehen.

Diese kamen, und ritten in ruhigem Gange ihrer Pferde an dem Rande des Waldes dahin. An ihrer Spitze war Wratislaw, der Herzog von Brünn, Otto, der Herzog von Olmütz, und Wladislaw, der Sohn des verstorbenen Herzoges Soběslaw. Sie hatten keine Zierden an sich. Dann war Bogdan mit der Rabenfeder, dann der rothaarige Beneš mit weißen Federn, dann Domaslaw mit seinem roten Gefieder, dann der ältere Bohuš mit der Feder aus einem Schwanenfittiche. Sonst waren Männer, die als Mährer erkannt wurden, und einige, die von Böhmen stammten. Die Reiter gingen bis gegen die Mitte des Gehölzrandes. Dort blieben sie stehen, als hielten sie Beratung. Witiko und Odolen gingen gegen die Stelle so weit vorwärts, daß sie die Worte der Reiter vernehmen konnten. [] Es sprach nur zuweilen einer von ihnen. Sie sandten dann einen Mann vorwärts an die Spitze des Waldes, der dort stehen blieb. Es war an dem Orte eine Krümmung des Weges gegen Pilsen, und der Mann stand vielleicht als Späher.

Nach einer langen Zeit sah man ein Häuflein Reiter auf einem Wege zwischen den Feldern gegen den Wald heran reiten. Sie kamen näher, und man sah, daß sie in Gewänder der Landleute gekleidet seien. Sie ritten zu den Mährern, und einer grüßte gegen Wratislaw.

»Swak, du hast Jarohněw verlassen«, sagte Wratislaw zu ihm.

Der Mann antwortete: »Er wird mit den Seinigen sogleich kommen, wir haben verschiedene Wege eingeschlagen.«

»Und wann seid ihr umgekehrt?« fragte Wratislaw.

»Heute nach Mitternacht, der Weg von Milin her ist weit und beschwerlich«, antwortete der Gefragte.

»Und warum bist du abseits nach Milin gegangen?« fragte Wratislaw.

»Damit Zeugen sind, welche uns in Milin gesehen haben«, antwortete der Mann.

»So fürchtest du Gefahr?« fragte Wratislaw.

»Ja«, entgegnete der Mann, »und Jarohněw ist gegen Manetin geritten, davon er noch weiter hieher hat.«

»Und wo seid ihr gestern gewesen?« fragte Wratislaw.

»In Pilsen, und auf dem Felde vor Pilsen sind wir auseinander gegangen«, antwortete der Mann.

»Und seid umgekehrt?« sagte Wratislaw.

»Der König Konrad ist nach Pilsen gekommen«, entgegnete der Gefragte, »wir sind in seinen Scharen gewesen, dann haben wir das weite Feld gesucht, und haben uns getrennt.«

»Nun?« fragte Wratislaw.

»Hoher Herr!« antwortete der Mann, »der Kriegsbann [] der Deutschen ist dreimal und viermal größer als das Heer vor der Stadt Prag, sie tragen blanke Harnische von Stahl oder von Gold, und da sie auf dem ebenen Boden vor Pilsen standen, erglänzte das Feld und der Wald von ihrem Scheine. Dann hat Wladislaw noch eine große Schar.«

»Du bist ein kluger Mann, Swak«, sagte Otto, der Herzog von Olmütz, »und es ist gut, Wratislaw, daß wir selber gekommen sind.«

»Es ist gut«, sagte Wladislaw, der Sohn Soběslaws, »es müssen unsere Augen schauen, und unsere Herzen dabei sein.«

Da sie noch sprachen, gab der Mann an der Spitze des Waldes ein Zeichen, und bald darauf kam ein Häuflein anderer Reiter auf dem Pilsener Wege zu den Fürsten.

Wratislaw sagte: »So bist du auf dem Rückwege, Jarohněw?«

»Wir haben in Manetin nur eine Stunde gerastet«, antwortete der Mann, »wir sind in der finsteren Nacht und auf den ungefügen Wegen geritten, und die Tiere haben kaum eine Handvoll Futter verzehrt.«

»Und warum bist du so geritten?« fragte Wratislaw.

»Weil mein Weg weiter ist als der von Swak«, antwortete der Mann, »und weil ich nicht wissen konnte, ob er nicht gefangen worden ist; denn darum haben wir uns getrennt, und weil ich die Botschaft zu dem Herzoge bringen wollte.«

»Ist deine Botschaft so nötig?« fragte Wratislaw.

»Sie ist nötig«, antwortete der Mann, »der König Konrad ist bei Pilsen, seine Macht ist sechsmal größer als die eurige, alles glänzt von Helmen, Harnischen, Schilden, Schwertern.«

»Hast du sie gezählt?« schrie Otto, der Herzog von Olmütz.

»Die deutsche Macht ist zehnmal größer als die mährische«, rief ein Mann aus den Reitern Jarohněws.

[] »Zehnmal, zwölfmal größer, und sie wird noch größer«, rief einer von dem Geleite Swaks.

»Ja, immer größer«, rief ein anderer.

»Ihr seid Tröpfe, und also, lieben Brüder, vorwärts«, rief Wratislaw.

»Vorwärts«, rief Wladislaw, der Sohn Soběslaws.

»Wir müssen nach vorwärts«, rief Bogdan.

»Vorwärts, vorwärts«, riefen mehrere.

»Nehmt die Männer Swaks und Jarohněws in die Mitte«, sagte Wratislaw, »sie müssen mit uns gegen Pilsen.«

»Wir können nicht gegen Pilsen«, sagte Jarohněw, »wir sind im Dienste des Herzogs Konrad, und müssen ihm die Botschaft bringen.«

»Ihr bringt sie nicht«, sagte Wratislaw, »ich werde den Herzog Konrad bedeuten.«

»Ach, hoher Herr«, sagte Jarohněw, »reitet nicht gegen Pilsen, der König Konrad zieht heran, Wladislaw wird wie ein Sturmwind daher reiten, ihr könnt ihm nicht entrinnen, und er wird euch die Häupter von den Leibern hauen. Nehmt in der Gegend jemanden gute Pferde, gebt sie uns, daß wir eilig mit der Meldung an die Stadt Prag kommen, damit der Herzog Konrad die Stadt erobere, und sich auf den Herzogstuhle setze, und daß der König Konrad dann Prag belagern muß. Der Hunger wird die Deutschen töten, oder ihr wollt euch dem Herzoge Wladislaw ergeben.«

»Du Hund«, schrie Wratislaw, »ich lasse dich mit deinen Genossen an diesen Föhren aufhängen.«

»Habt Barmherzigkeit«, rief Swak, »ich habe Weib und Kinder.«

»Nehmt sie unter euch«, rief Wratislaw, »und vorwärts.«

»Vorwärts«, riefen mehrere.

Die Männer der Reiterschar umringten die von Swak und Jarohněw, die Pferde derselben wurden gewendet, und der Zug ging auf dem Heerwege gegen Pilsen weiter.

[] Odolen und Witiko verließen jetzt ihre Stelle an dem Waldsaume, gingen zu ihren Pferden, und ritten zu den Ihrigen, um sie zu ordnen, und den Feinden nachzueilen.

Witiko hatte eine größere Zahl, und brauchte eine längere Zeit.

Als er nun seine Männer von der Wiese auf den Heerweg hinaus geführt, und Odolen eingeholt hatte, standen die Scharen schon zum Streite. Die Männer drohten und die Pferde drängten zum Kampfe, und das Schwert Odolens war gegen Wladislaw gerichtet.

Da sprengte Witiko mit einem Satze seines Pferdes zwischen die Reihen, und rief: »Odolen, töte ihn nicht.«

»Gib Raum«, schrie Odolen.

»Ich gebe nicht Raum«, rief Witiko, »töte ihn nicht, ich habe das Brod seines Vaters gegessen, und die Hand seiner Mutter hat auf meinem Haupte geruht. Soběslaw hat das Land beglückt, und Adelheid hat darauf geschienen wie eine Sonne. Du darfst das Kind dieser beiden nicht töten.«

»Der Krieg hat seine Art«, schrie Odolen, »man frägt nach nichts, man kann siegen oder unterliegen, es ist alles gleich. Gib Raum, daß dich die Schärfe des Schwertes nicht trifft.«

»Ich weiche nicht, Odolen«, rief Witiko, »Odolen, du hast gesagt, du liebest mich wie einen Bruder, und wollest mir einen Bruderdienst tun, wenn ich ihn nenne: ich habe ihn nicht genannt, jetzt nenne ich ihn. Gib Frist, daß mit diesen Männern gesprochen werden kann.«

»Sie stehn nicht Rede«, sagte Odolen, »aber weil ich dir den Dienst tun will, so rede, wenn du Worte weißt, die diese Menschen rühren können.«

»Sie werden wohl einen Führer haben«, sagte Witiko.

»Der dort ist Wratislaw von Brünn«, sagte Odolen, »ein abtrünniger Sprosse Přemysls; der da ist Otto, der Fürst von Olmütz, der mit Verrat dankt; und dieser ist Wladislaw, der Knecht des Knechtes der Lechen.«

[] »Das sind nicht die Worte, Odolen«, sagte Witiko, »höret mich, erlauchte Herren. Ich sage: Erhabene Söhne Přemysls, ich kann nicht denken, daß ihr leichthin von der Belagerung Prags in das Land hinaus reitet, ich muß erkennen, daß ihr einen großen Vorsatz habt. Wenn die Reue in euer Herz gekommen ist, und ihr zu Wladislaw zieht, um euch zu unterwerfen, so werden wir euch mit Ehrerbietung geleiten, und das Herz des Herzogs wird voll Freude sein.«

»Wer bist du denn, der du zu reden wagst wie ein Gebieter«, schrie Bogdan, »du Landstreifer!«

»Ich rede nicht zu euch, und doch will ich dir antworten, Bogdan, ihr habt mich einst zu eurer Versammlung geladen«, sagte Witiko.

»Damit du uns verraten konntest«, schrie Bogdan.

»Ich habe nichts versprochen«, entgegnete Witiko.

»Er will Worte machen, wie auf dem Wyšehrad«, schrie Bohuš.

»Nicht um Worte ist es zu tun«, sagte Witiko, »und um den, der sie redet, sondern daß sie Gutes wirken, und daß ihnen dazu die Kraft gegeben sein möchte. Aber ich rede nicht mit euch, und eure Antwort gilt mir nichts.«

»Du Gauch!« schrie jetzt der rothaarige Beneš, »den wir selber auf dem Wyšehrad übermütig gemacht haben, statt ihn auf den Pfahl zu hängen, wie der arme Milhost geraten hat. Wähnst du denn, daß die Fürsten dir antworten werden, der du hier weniger bist als die Lehmscholle, die ihr Hufschlag schleudert, wenn sie über ihre Länder reiten?«

»Es ist niemand unter euch, mit dem die Herzoge sprechen wollen«, sagte Domaslaw.

»Hohe, erlauchte Herren«, sprach jetzt Witiko wieder, »möge es euch gefallen, mir ein Zeichen zu geben, ob ihr mir antworten wollet oder nicht.«

Die Fürsten schwiegen.

[] »Hast du nun Zeichen genug?« schrie Odolen mit tönender Stimme, »bei allen Heiligen im Himmel, bei Gott dem Vater, und bei allen Götzen, die unsere Vorfahren angebetet haben, und die ihr etwa noch anbetet, hier ist einer, der wirklich ein Gebieter ist, und dieser bin ich. Seht her, unsere Macht ist zehnmal, zwölfmal, fünfzehnmal größer als die eurige, in fünf Augenblicken kann ich euch vertilgen. Wratislaw, der du Herzog von Brünn gewesen bist, Otto, der du durch Wladislaws Gnade Herzog von Olmütz gewesen bist, und du, Wladislaw, der du des besten Vaters Sohn bist, und die ihr alle nur bettelhafte Sünder seid: ich befehle euch, legt eure Schwerter nieder, und folgt mir als Gefangene zu dem erlauchten Herzoge Wladislaw, der euer Richter ist, und der nur immer zu gelinde richtet, was bei euch Gott verhüten möge. Mit euch andern, die ihr hier wie allwärts unnütz seid, rede ich nicht. Ihr folgt als Troß in das Lager.«

»So haut ihn doch in tausend Stücke«, schrie Bogdan.

»Haue«, rief Odolen, indem er sein Schwert schildgemäß über dem Haupte hielt, und an der Spitze seiner Männer stand.

»Du Hund, du Katze, du Scheusal«, rief Beneš.

Bohuš und Domaslaw aber drangen in diesem Augenblicke durch ihre Leute gegen Odolen vor.

Doch Witiko stellte sein Pferd in ihren Weg, hielt sein Schwert zur Abwehr, und rief: »Um die Barmherzigkeit Gottes und die Fürbitte des heiligen Adalbert! haltet inne, es darf kein Kampf hier sein. Männer, ihr seid in unserer Gewalt. Fünfzehnfach stehen wir gegen euch, ihr könnt nicht entrinnen, ein Kampf ist hier nur ein Mord, und wir morden nicht. Er ist auch ganz unnütz. Wir machen euch eine Gasse, geht zu Konrad, und sagt ihm, daß sein Kampf vergeblich ist, und zerstreut das Herr.«

»Bist du sinnlos?« schrie Odolen, »ich gebe keine Gasse. [] Und ehe man ein Auge hebt und senkt, erfüllet meinen Befehl.«

»Odolen, der Herzog selber verabscheut unnützes Blutvergießen«, rief Witiko, »und diese, wenn sie zurückkehren, und berichten, wie die Sache ist, werden den Streit enden, wie kein Mensch denken kann.«

»Das ist Sache des Herzogs«, rief Odolen, »der Herzog kann sie entlassen.«

»Was kann indessen in Prag geschehen, augenblicklich müssen sie fort«, rief Witiko.

»Du feiges Tier«, schrie Beneš herüber, »wir werden den Mut zu den Unsrigen tragen, und wir werden wie Samo heran ziehen und euch vertilgen.«

»Beneš«, rief Witiko, »ihr werdet den Mut nicht zu den Eurigen tragen, ihr und eure Boten werdet die Sache erzählen, und wenn ihr auch lügen wollt, so wird die Wahrheit durchscheinen. Und von Samo reden wir nicht.«

In diesem Augenblick erhielt Witiko von einem Manne der Mährer unversehens einen Schlag, daß Blut aus seiner Schulter floß. Sogleich wendete er sich gegen den Mann, und stürzte ihn von dem Pferde. Er drang nun gegen die andern vor, seine Männer scharten sich um ihn, und es wurde der heißeste Kampf.

»Jetzt haltet fest, ihr Brüder«, schrie Wratislaw, »macht die Spitze, wir werden die Übermacht besiegen wie oft, ihr seid Helden, sie Gesindel.«

»Jetzt haben die Hundeherzoge die Sprache«, schrie Odolen. »Auf, und in sie.«

Sofort war er an den Feinden, und seine Männer mit ihm.

Die Mährer ließen ihre Boten zurück, machten einen Schlachtkeil, und drängten vor.

Sie hatten die Kriegserfahrung und die Kunst, die andern den Mut, und Odolen und Witiko beteuerten ihn noch mehr. Die Schwerter mischten sich in dichter Nähe, Blut [] floß durch die Gewänder, Blut floß auf die Pferde, Männer sanken, und in die große Tapferkeit der Mährer kam die Müdigkeit schneller; immer neue Streiter drangen gegen sie, sie wankten. Da gab Witiko seinen Reitern den Befehl zu einer Wendung der Umgehung der Feinde, es entstand eine Lücke, und die Feinde flohen durch dieselbe auf dem Wege gegen Prag davon.

»Verrat, Verrat, Verrat!« schrien die Männer Odolens, und drangen gegen Witiko vor.

Auch die Leute Witikos riefen: »Verrat, Verrat«, und wendeten sich gegen ihn.

Augustin, Lambert, Urban und der Knecht Jakob suchten ihn zu schützen.

Da sprengte Odolen durch die Scharen, deckte Witiko mit seinem Leibe, und rief: »Haltet! Er ist nur ein Tor, ich werde ihn zum Gerichte führen.«

Witiko rief: »Männer, hört mich nur einen Augenblick.«

Und da es stiller geworden war, rief er: »Alles wird zur Klarheit kommen. Odolen, ich gebe mich dir gefangen, und übergebe dir den Befehl über meine Leute. Ich werde mit dir gehen, und wenn du kämpfst, werde ich mitkämpfen, und Gott mag verfügen, was ihm gefällt.«

»So ist es gut, Witiko, wie du tust«, rief Odolen, »und ihr, verworrene Männer, ihr habt in euerm Durcheinanderstürmen dem Feinde einen Vorsprung gegeben, wir müssen ihn erreichen, stellt euch in Ordnung. Die Pfleger bleiben bei den Verwundeten und Toten.«

Die Männer machten schnell ihre Reihen, und in dem nächsten Augenblicke ritten sie, was die Pferde zu rennen vermochten, auf dem Wege gegen Prag den Mährern nach, die vor ihnen waren.

Sie sahen den Staub, den sie erregten, und sie erregten selber Staub, und beständig sahen sie auf den Abstand dieser zwei Staubsäulen. Nach einer Stunde erkannten sie, daß der Abstand sich mindere.

[] Da kamen sie in den Wald von Holaubkau. Sie sahen in dem Walde die Feinde nicht; erkannten aber an dem Staube, daß sie durchgeritten seien. Sie durchritten den Wald. Da sie sein Ende erreichten, brannte vor ihnen das Dorf Holaubkau, und Menschen und Geräte und Wägen und Haustiere waren vor ihnen auf dem Wege, und die Flammen von den hölzernen Häusern wehten über denselben.

Odolen ritt gegen die Menschen, und rief: »Zeigt einen Weg um das Dorf.«

Eine Menge Stimmen antworteten, daß man die Antwort nicht verstehen konnte.

»Der mit den weißen Haaren und dem blauen Gewande antworte allein«, schrie Odolen.

»ES geht kein Weg um das Dorf«, sagte der alte Mann, »die Wege gehen alle von den Wiesen und Feldern in die Häuser.«

»Nur einen festen Grund, einen festen Grund, auch ohne Weg«, rief Odolen.

»Ich zeige einen«, »ich zeige einen«, riefen mehrere Stimmen.

»Fünf Reiter folgen einem jeden, der sich gemeldet hat«, rief Odolen, »und wo sie Boden für die ganze Schar finden, kommen sie zurück, und zeigen es an.«

Die Reiter sonderten sich ab, und folgten den Boten.

Odolen ritt selber mit dem Greise und mit vier Männern rechts an dem Dorfe hin, und forschte. Es waren meist weiche Wiesen, und wo er Boden für die Schar fand, war er wieder unterbrochen, und an dem Greise sah er, daß derselbe nicht wisse, welchen Grund eine Reiterschar brauche. Eine Richtung, die er endlich erkannte, war ein langer Bogen. Er ritt wieder zurück, die Reiter kamen auch, und jeder sagte, wie man es versuchen könne, und jeder sagte, daß man vorüber könne.

»Man kann vorüber«, rief Odolen, »ich habe es selber gesehen, [] und ich kann euch auch führen; aber Brüder, Freunde, Kampfgenossen, das andere ist auch vorüber. Mehr als eine Stunde ist vergangen, seit wir hier angekommen sind, ihr seht es an dem Niederbrennen des Feuers. Und wenn wir den Abstand von den Feinden in jeder Viertelstunde um tausend Ellen kürzen könnten, erreichen wir sie in fünf Stunden, und sind in der Steinschlucht am Wasser, oder in der Nähe ihres Lagers. Pflegt die Pferde, nehmt Nahrung, ruhet, und wir kehren um.«

Die Männer führten ihre Pferde in die Waldschatten, und bereiteten sich zu dem, was Odolen gesagt hatte.

Witiko blickte in das Feuer, und sprach kein Wort.

Dann ließ er seine Wunde, die gering war, von Jakob verbinden.

Als Menschen und Tiere erquickt waren, ließ Odolen den Vorstand des Dorfes kommen, und sagte, daß er die armen Leute der Gnade des Herzogs empfehlen werde, und dann begann die Schar den Rückweg.

Auf dem Platze des Kampfes fanden sie nichts mehr.

In der Nacht kamen sie in das Lager des Herzogs.

Odolen ging zu ihm, und berichtete ihm den Hergang. Dann besuchte er die Verwundeten, und fragte nach den Toten.

Nach Odolen ging Witiko zu dem Herzoge in das Gezelt, und sagte: »Hoher Herr! du weißt, was geschehen ist. Ich übergebe dir mein Schwert mit dem Bilde des heiligen Petrus, dem ich vertraut habe. Ich bitte dich, lasse mich erst richten, wenn deine Sache entschieden ist. Wenn eine Schlacht sein sollte, so gib mir in deiner Gnade mein Schwert, daß ich in ihr kämpfe, wie ich sonst gekämpft habe. Dann reiche ich es dir wieder.«

»Witiko«, antwortete der Herzog, »behalte dein Schwert, und gebrauche es. Dem Gerichte aber stelle dich.«

»Ich werde es tun, hoher Herr«, sagte Witiko.

[] Darauf verließ er das Gezelt, und ging auch zu den Verwundeten.

Indes diese Dinge geschahen, war es in Prag, wie es schon viele Tage vorher gewesen war. Das Schleudern gegen die Mauern dauerte, und die Verteidigung dauerte. Die Männer in der Stadt waren weniger, und die Männer vor der Stadt waren auch weniger. Die Mauern zeigten größere Beschädigungen, die Geräte der Feinde waren in geringerer Wirkungskraft, und die auf den Mauern auch.

Am fünften Tage des Brachmonates drängten sich so viele Feinde gegen die Stadt, daß die auf den Mauern meinten, kein einziger Mensch sei in dem Lager zurückgeblieben. Das Werfen aus den Schleuderstücken der Feinde wurde stärker, als es früher gewesen war. Sie schoben Gerüste und Geräte noch näher an die Stadt, obgleich sie da ohne Bergen waren, und harreten bei ihnen während des Werfens gegen sie aus. Diepold sandte an Geschossen in die Feinde, was er zu senden vermochte. Die Mährer änderten ihre Feuerwürfe. Da sie früher nur Branddinge gegen die Krieger auf den Zinnen geschleudert hatten, so ging nun ein brennender Pfeil in hohem Bogen gegen die Gebäude der Stadt. Dem Pfeile folgten bald mehrere, und Feuerballen gingen in die Luft. Die Feinde suchten auch an der schwächsten Stelle der Mauer empor zu klimmen. Diepolds Scharen drängten sich zur Verteidigung heran. Da, als es schon gegen den Abend ging, begann die Kirche des heiligen Veit zu brennen. Der Türmer ließ das große Banner des Herzogs Wladislaw nieder, und rettete es zu Diepold. Darauf faßte das Feuer das ganze Dach, und es ging eine breite Lohe gegen den Himmel empor. Und fast zur nämlichen Zeit begannen das Kloster und die Kirche des heiligen Georg zu brennen, und die Flammen gingen in die Lüfte.

Die Männer auf den Mauern wendeten ihre Angesichter dahin, und es war, als erstarrten sie.

[] Da sprang Dimut unter den Pfeilen auf eine hohe Stelle der Zinnen, streckte ihren blutenden Arm mit dem Schwerte empor, und rief: »Jetzt kommt der Retter, jetzt kommt der Retter, der Feind weiß es, und sendet uns das Zeichen. Er übt im Aberwitze der Verzweiflung Rache an den Heiligtümern. Unsere Heiligtümer sind nicht verloren, wir werden sie wieder aufbauen, sie werden schöner sein als früher, und mit der Weihe des Erzbischofes wieder hilfreich und gnadenreich; die aber an ihnen gefrevelt haben, werden mit zerrauften Haaren und mit entblößtem Armen auf der Erde liegen, und den Himmel um Barmherzigkeit anflehen, und den irdischen Richter um Gnade, daß er nicht zu hart strafe. Der Retter kommt, der Retter kommt.«

Sie schwang ihr Schwert freudenvoll um das Haupt, und hundert Männer riefen: »Der Retter kommt, der Retter kommt.«

Sie stieg von der Zinne nieder, und zwei Pfeile hingen an ihrem Panzer, und einen trug sie in der linken Hand.

Der Ruf verbreitete sich längs der Mauern.

Die Herzogin sendete Trompeter, die verkündeten: »Der Herzog Wladislaw kommt.«

Jetzt sah man den Bischof Otto mit seinen Priestern in kirchlichem Zuge heilige Kleinodien aus der Kirche des heiligen Veit gegen die Kirche der heiligen Jungfrau Maria tragen.

Da riefen sie: »Laßt uns hinaus gegen sie, laßt uns hinaus.«

Diepold antwortete: »Mit dem Herzoge gehen wir hinaus, jetzt wahrt die Mauern.«

Und die Männer stürzten noch eifriger zur Verteidigung vor.

Er aber ließ das große rosenrote Banner des Herzoges an einem hohen glatten Baume empor ziehen.

Nun regte alles, was in der Stadt Hände hatte, dieselben. [] Man warf nicht nur die Dinge des Krieges gegen die stürmenden Feinde: Pfeile, Bolzen, Pflöcke, Steine, Fäßchen mit siedendem Öle und ätzenden Flüssigkeiten, Brandpech, glühende Metalle und brennende Pfeile und Brandwerke, es wurde nicht nur, was von den Feinden herein kam, und tauglich war, wieder gegen sie gesendet, sondern man nahm jedes, was zu bewegen und zu zerreißen war, Mauertrümmer, Bausteine, Treppenstufen, Stücke, die man von Werken oder Gittern riß, Dachrinnen, Brunnenröhren, und was Hände fassen konnten, und warf es auf die Feinde.

Diese ließen nicht ab.

Endlich kam die späte Abenddämmerung dieser Jahreszeit, und die Feinde wichen von den Mauern, und gingen zurück, und gingen immer weiter zurück, und endeten ihr Werfen. Die Verteidigung hörte auch auf, und es war nach einer Stunde so stille, als ob nichts gewesen wäre, nur daß der Schein der Feuer, die sanfter brannten, gegen die Luft empor leuchtete.

Der Bischof Otto hielt nun mit seinen Priestern unter dem freien Himmel ein Dankgebet. Dann ging er in die Kirche der heiligen Jungfrau Maria, und betete mit ihnen dort wieder, und es beteten die Krieger mit.

Man konnte nun die Sorge für die Verwundeten und die Toten anwenden. Es hatten viele Menschen das Leben verloren, auch solche, die aus der Stadt und nicht von den Kriegern waren. Dobromil, ein edler Mann aus dem Morgen des Landes und Ded, aus dem Mittage, hatten ihren Tod gefunden.

Die Herzogin ging zu der Brandstelle der Kirche des heiligen Veit, und fragte, was man denn von den Heiligtümern und wichtigen Dingen zu bergen im Stande gewesen sei. Die, welche die Rettung der Kirche und die Löschung des Brandes versucht hatten, sagten, daß manches schnell fortgeschafft worden sei, daß man es in verschiedene [] Plätze gebracht habe, daß man aber nicht erkennen könne, was gerettet worden sei, und was das Feuer verzehrt habe.

Hierauf konnte man die Ruhe, die mit der Sicherheit möglich war, suchen.

Die kurze Nacht ging bald vorüber.

Als sich der erste Schein des Morgens lichtete, spähten Menschen nach jeder Richtung. Und da es endlich hell geworden war, sah man, daß das Lager der Feinde leer sei, und daß die Nähe und die Ferne um die Stadt und die Burgflecken leer sei. Kein Feind war zu erblicken, und kein Retter war zu erblicken. Im Lager der Feinde standen die Geräte da, es standen Reihen von Gezelten, und es lagen Dinge des Krieges und andern Gebrauches umher.

Die Männer auf den Zinnen erhoben einen Siegesruf, und die Menschen in der Stadt riefen ihn nach, und die in den Burgflecken auch, daß man die Stimmen von oben herab und von unten hinauf zu hören vermochte.

Kundschafter kamen und sagten, daß die Feinde abgezogen seien.

Da ertönten, als die Sonne sich erhob, die Glocken der Kirche der heiligen Jungfrau Maria, die Glocken der Kirche am Teyn, und es ertönten die Glocken in den Burgflecken, die Glocken der Kirchen im Wyšehrad, und in allen Kirchen wurden Gottesdienste gefeiert.

Fabian, der Župan vom Wyšehrad, sandte Boten an Diepold, die sagten, daß die Burg dem Herzoge unverletzt sei.

Nun wurde gerufen, daß man hinaus gehen, und das Lager der Feinde plündern solle. Diepold aber verweigerte es; er ließ die Tore und die Mauern besetzt, und sandte wieder Kundschafter aus.

Die Männer zeigten sich nun von den Mauern die Stellen, wo gekämpft worden war, wo arge Geschosse gestanden waren, und was sonst die Feinde getan hatten.

[] Gegen Menschen, die sich in dem Lager blicken ließen, befahl Diepold einige Steine zu werfen. Darauf gingen sie fort.

Die Kundschafter kamen wieder, und sagten, das Heer der Feinde sei im Eilwege in der Richtung nach Mähren.

Diepold ließ nun das Brückentor öffnen.

Da es zwei Stunden nach dem Mittage war, sprengten Reiter vom Abende her gegen die Stadt, welche rosenfarbene Fähnlein auf den Lanzen trugen. Sie ritten ein, und meldeten, daß der Herzog Wladislaw am Abende dieses Tages mit seinen Scharen in Prag eintreffen werde, daß der König Konrad ihm mit einem großen Heere folge, und morgen kommen werde. Die Feinde seien schon eine Tagereise weit von Prag entfernt, und würden sich auflösen.

Diepold ließ die Kunde allen seinen Kriegern mitteilen, und die Herzogin ließ sie in der Stadt und in den Burgflecken ausrufen.

Diepold sendete Leute zur Hut in das verlassene Lager der Feinde.

Am Nachmittage war der Weg nach dem Petrin hin mit Menschen gefüllt.

Gegen die Abendzeit, ehe die Sonne den Berg Petrin rot färbte, sah man in ihrem Scheine vom Abende her unzählige Lanzen funkeln. Sie wogten auf und nieder wie von Reitern getragen, und näherten sich, und man erkannte dann das blaue Banner und die rosenfarbenen Fähnlein, und in der Mitte die große rote Fahne. Es war die Schar Wladislaws, des Herzogs von Böhmen und Mähren.

Ein luftbewegender Ruf erhob sich weit draußen jenseits des Berges Petrin, und ging an allen Menschen bis in die Stadt hinein. Das große rosenrote Banner auf den Zinnen der Stadt rückte nun bis an die Spitze seines Tragbaumes empor.

Der Herzog Wladislaw ritt mit den Seinigen sehr langsam [] auf dem Wege an der Moldau zwischen der Menschenmenge gegen die Stadt Prag dahin. Sein Schwert war in der Scheide und sein Haupt entblößt. Nur der Schmuck der blonden Haare war auf demselben und um die Stirne. Alle Glocken der Stadt und der Burgflecken begannen zu läuten. Neben dem Herzoge ritt in schöner Rüstung der Bischof Zdik, dann ritt Welislaw in schönem Gewande, Odolen in schimmerndem Ringleinpanzer, Witiko mit besonders schönem Kleide geziert, die zwei Hofkapläne in Rüstungen, und Župane und Wladyken und andere Führer. Viele deutsche Jünglinge hatten sich dem Zuge beigesellt, Wolfgang von Ortau mit dreien seiner Freunde zu Witiko, Rudolph von Bergheim mit drei Freunden zu Welislaw, Hanns vom Wörthe mit fünf Freunden zu Odolen, und Adalbert von der Au, und Werinhart von Hochheim, und der junge Graf Heinrich von Rineck. Da der Herzog gegen die Stadt kam, warfen Knaben in schönen Kleidern und schöngekleidete Mädchen Blumen und Zweige auf den Weg, und das Volk warf grüne Reiser und Kränze, und sang Lieder.

An dem Brückentore harrete Otto, der Bischof von Prag, mit seinen Priestern, mit den Priestern der Burgflecken und den Jungfrauen des heiligen Georg, dann der Propst vom Wyšehrad mit seinen Priestern, dann die Äbte mit ihren Priestern, und dann die Herren des Hofes.

Da Wladislaw vor dem Bischofe angekommen war, stieg er von seinem Pferde. Der Bischof begrüßte ihn mit dem Zeichen des Segens, und er und die Priester und die Jungfrauen sprachen die Begrüßungsworte. Wladislaw antwortete dem Gebete mit der Kirchensprache, dann grüßte er den Bischof, und küßte seine Stirne. Dann bestieg er wieder sein Pferd, und zog im Geleite aller, die da waren, und in dem Geleite seines Heeres in die Stadt empor.

Da er zu den Trümmern der Kirche des heiligen Veit gekommen [] war, stieg er wieder von dem Pferde, kniete vor der Kirche nieder, und tat ein Gebet. Dann ritt er zu der Kirche der heiligen Jungfrau Maria, ging in dieselbe, und betete.

Hierauf ritt er gegen die Zinnen der Stadt. Dort standen alle Krieger, welche die Stadt verteidigt hatten. Als er zu ihnen gekommen war, stieg er von dem Pferde, schritt zu dem Baume, auf welchem das große Banner war, berührte den glatten Schaft, und rief: »So beginnt mein Befehl und meine Macht wieder über alle, die in Prag sind.«

Dann wendete er sich gegen die, welche neben dem Banner standen.

Da war Diepold, der Befehler der Verteidigung, und es waren alle Führer, und hinter ihnen alle Unterführer, und hinter diesen die Krieger. Die Herzogin stand unter den Führern.

Wladislaw verlangte sein Pferd.

Man führte es herzu, er bestieg es, und stellte sich mit ihm gegen die Männer. Dann zog er sein Schwert aus der Scheide, und begann mit demselben das Grüßen.

Er grüßte zuerst Diepold, indem er das Schwert tief senkte, dann grüßte er den alten Bolemil, der aufrecht da stand, er grüßte den alten Wšebor und den alten Preda, dann Lubomir und Diwiš, dann die Führer, dann die Herzogin Gertrud und Dimut, die neben der Herzogin stand, und dann weiter alle die Unterführer.

Die gegrüßt worden waren, dankten mit dem Schwerte.

Dann grüßte der Herzog mit seinem Schwerte weithin ausholend das ganze Heer der Verteidiger. Dann das Schwert in seiner Rechten haltend sprach er: »Männer, Freunde, Brüder, Kampfgenossen! Seid gegrüßet in dem Herrn. Wir sind wieder vereinigt. Gott hat alles gewendet. Kein Feind ist mehr vor der Stadt und in dem Lande, und es ruht der Kampf. Lob, Preis und Ehre allen, [] die dazu gewirkt haben. Ihr habt im Mute der Helden diese Stadt geschirmt, und mit Herzen der Männer ausgedauert. Lob und Dank euch allen. Lob und Dank denen, die Lob und Dank nicht mehr hören können, weil sie den Tod herrlicher Krieger gefunden haben; Lob und Dank denen, welche Wunden an ihrem Körper tragen, denen sie für das Recht entgegen gegangen sind; Lob und Dank auch dem edlen Herzoge Sobeslav, der diese Mauern so gefestigt hat, daß sie euch die Stadt verteidigen halfen; Lob und Dank allen Vorgängern, die den Schutz des Herzogstuhles gepflegt haben; Lob und Dank denen, welche aus dem ganzen Lande sich zu mir gesellt und die Macht so erhöht haben, daß die Feinde vor ihr flohen, und Lob und Dank denen, die dem Feinde den Mut genommen haben: das größte Lob und den größten Dank aber dem, ohne den alles vergeblich gewesen wäre, dem großen dem gerechten dem allmächtigen Gott. Ihr habt ihm schon gedankt, ich tat es auch schon, vereinigt werden wir ihm morgen danken, wenn das erste Licht scheint. Morgen kömmt der König Konrad, empfanget ihn als Gast, nicht als Hilfsgenossen; denn es ist keine Schlacht mehr. Er wird den Kirchenfesten beiwohnen, und dann in sein Land zurückkehren. Und nun noch einmal: Gruß und Dank. Für heute abend lade ich alle Führer und Unterführer zum Mahle in die Hofburg. Albero, der Erzbischof von Trier, hat Wein und der König Konrad allen Bedarf in die Stadt geschickt. Teilt den Männern auf den Wällen aus und den Leuten in der Stadt, die Mangel haben. Nach der Kirchenfeier kommet morgen in den Saal der Hofburg, daß wir kurz einen kleinen Entgelt für alle die Mühe beraten. Ich gehe jetzt in mein Haus, geleitet mich, wenn es euch gefällt, und zum dritten Male: Gruß und Dank.«

»Gruß und Dank«, riefen alle Männer einstimmig, und schlugen an ihre Schwerter.

[] Der Herzog steckte sein Schwert in die Scheide, wendete sein Pferd, und begann mit seinem Geleite den Zug in die Hofburg. Die beiden Heere begleiteten ihn, wie der Raum es zuließ.

Da sie an dem Hofe angekommen waren, hingen an dem Tore Blumengewinde, und es standen schöngekleidete Jungfrauen mit Blumenkränzen und Blumensträußen vor dem Volke da, und Gras und Laub und Blumen bedeckten den Boden. Eine aus den Jungfrauen sprach zu dem Herzoge Wladislaw Begrüßungsworte, und reichte ihm einen Strauß.

Der Herzog nahm den Strauß, und dankte ihr.

Dann sangen alle Jungfrauen einen Begrüßungsgesang.

Der Herzog dankte gegen alle hin.

Da es stille geworden war, stieg er von seinem Pferde, ging zu der Herzogin, faßte sie an ihrer Hand, küßte sie auf die Stirn, und sprach: »Hocherlauchte und vielliebe Frau! Ich habe Euch auf den Mauern als Führer begrüßt, und begrüße Euch jetzt als Herzogin. Ich führe Euch von dem Kriegsplatze in Euer Haus, und seid bedankt für das, was ihr über Euer Geschlecht getan habt.«

Hierauf wendete er sich zu Diepold, schloß ihn in die Arme, und sprach: »Sei gegrüßt, mein lieber Bruder, gehe unter mein Dach ein.«

»Sei gegrüßt«, sagte er dann zu Bolemil, und nahm seine rechte Hand.

Dann reichte er die Hand an den Bischof und die Äbte, an Diwiš, Lubomir und an mehrere.

»Sei gegrüßt, Jungfrau«, sprach er zu Dimut, »du bist so tapfer als schön, wir sind in deiner Schuld, und Rowno wird dich nicht zu hart strafen.«

Die Führer des Heeres des Herzogs näherten sich denen der Verteidigungsscharen, reichten die Hände, und gaben Grüße.

[] »Du schöner Krieger«, sagte Welislaw zu Dimut, »du fängst ja die Pfeile der Feinde mit den Händen?«

»Durch das Wunder eines Heiligen, den ich nicht kenne«, sagte Dimut, »ist ein Pfeil ohne Schaden zwischen mein Panzerhemd und den Kleiderärmel gedrungen, und ich habe mir den Pfeil aufbewahrt.«

»Wenn ich ein hoher Mann dieses Reiches wäre«, antwortete Welislaw, »würde ich dich um den Pfeil bitten.«

»Und wenn du ein hoher Mann des Reiches wärest«, entgegnete Dimut, »würde ich dir den Pfeil nicht geben.«

Der Herzog aber führte nun die Herzogin im Geleite seines Bruders Diepold, der Führer, der Hofherren und der Frauen in den Herzogshof.

Die Jungfrauen erhoben wieder einen Gesang, welchen sie lieblich fortführten, da auch der Herzog nicht mehr unter ihnen war. Dann mischte sich eine Stimme von dem Volke bei, und wieder eine, und wieder eine, und endlich sangen die Krieger und das Volk jenen Gesang, welcher in dem ganzen Lande Böhmen bekannt und geliebt war.

Als der Gesang geendet war, harreten sie eine Weile, und sangen ihn dann noch einmal. Dann aber zerstreueten sich die Menschen nach allen Richtungen. Die Scharen des Herzoges Wladislaw wurden über die Brücke in den rechten Burgflecken geführt, um auf dem großen Marktplatze zwischen dem Burgflecken und dem Wyšehrad zu lagern. Von den Männern Diepolds wurden die ausgelesen, welche auf den Wacheplätzen und Spähetürmen sein mußten, die andern durften in ihre Lagerstellen und in ihre Ruhestellen gehen.

Als die Krieger Wladislaws auf dem großen Marktplatze angekommen waren, und sich einzurichten begannen, ritt Witiko mit Lambert Augustin und Urban und mit seinem Knechte Jakob im Geleite Wolfgangs von Ortau und seiner drei Freunde von ihnen weg zu den Waldleuten. [] Diese hatten ihre Lagerstelle noch auf dem Walle, wo sie die Mauern verteidiget hatten. Da sie die heran reitenden Männer sahen, stellten sie sich zusammen, und die auf dem Boden lagen, erhoben sich, und die, welche Witiko auf dem Berge Wysoka zu ihrem Führer erwählt hatten, und alle andern auch, die von dem Walde stammten, riefen ihm einen Gruß zu.

Witiko rief ihnen auf seinem Pferde sitzend entgegen: »Seid mir von Herzen gegrüßt, alle ihr Männer, deren Heimat von Fichtenzweigen umweht ist oder von den Zweigen der Tannen und Föhren, oder umrauscht von denen der Buchen und Ahornen, welche zu den Millionen der Bäume gehören, die da wachsen, wo die junge Moldau von Abend gegen Morgen geht. Ich erkenne es, daß wir ein anderes Geschlecht sind, als das auf den offenen Feldern. Wir sind hart und arm aber guten Herzens und guter Treue. Ich glaube, daß die Waldmänner fest zusammen gehalten haben. Und ihr seid im besondern gegrüßt, die ihr mich jungen Krieger zu euerm Vormanne gewählt habt. Ich bin wieder bei euch.«

Nach diesen Worten stieg er von seinem Pferde, seine Begleiter stiegen auch von den ihrigen, und sie traten näher zu den Männern.

Es kam auch Rowno herzu, und Diet und Osel und Hermann und mehrere andere.

»So seid ihr also noch immer zwischen den gemauerten Steinen«, sagte er, »wir sind indessen durch ein weites grünes Land geritten, und wieder durch ein weites grünes Land zurück. Ihr habt bittere Arbeit getan, wenn ihr nur nicht zu Großes erduldet habt.«

»Es ist zum Ertragen«, sagte Stephan der Wagenbauer, »sei gegrüßt, Witiko.«

»Sei gegrüßt«, rief Adam.

»Sei gegrüßt«, rief Paul Joachim.

»Ich grüße dich auch, Witiko«, sagte Christ Severin der [] Wollweber, »dem Wolfgang haben sie mit einem Steine den Kopf eingeschlagen. Er hat kein Weib und keine Kinder, und seine Mutter wird um ihn weinen. Dem starken Simon vom Reutschlage hat einer, da wir das große Schleuderholz anzündeten, die Gehirnschale entzwei gehauen. Osel hat eine doppelte Wunde erhalten.«

»Es ist mehr Blut als Verletzung gewesen«, sagte Osel, »und die Sache bessert sich schon.«

»Und Grup von Wettern hat drei Wunden erhalten«, sagte Christ Severin, »und Wolf von Winterberg eine, und Braniš aus Rowna eine. Dem Schmied haben sie den linken Arm mit einem Stricke an den Leib gebunden, weil er sich ihn verrenkt hat; dem Mathias haben sie, als wir in der Nacht auf der sumpfigen Wiese draußen waren, mit einem Pfeile den Ohrflügel durchschossen, Zacharias hat ein Pfeilloch im rechten Arme, es heilt aber schon, und dem Maz Albrecht hat ein Balken das ganze Fleisch auf der Brust zerrissen, hat aber die Rippen nicht brechen können, und er wird heil. Wir andern sind gut, und haben Schrammen und blaue Flecke.«

Jetzt nahm Peter Laurenz, der Schmied, das Wort, und rief: »Du hast den Urban gesund zurückgebracht, das ist gut, Witiko, und er sitzt recht schön auf dem Pferde, wie ihr herzu geritten seid. Er wird noch viel lernen. Und sieh nur, Witiko, was wir für einen schönen großen Schleuderschragen haben. Steine, die wir unser fünf Männer kaum heben konnten, haben wir mit dem Haspel auf die Dächer ihrer Holzhäuser geworfen, die sie herzu geschoben haben, als ob ich nach einem Uhu würfe. Wir hätten ihnen die Stadt schon noch eine Weile nicht gelassen, bis alles zerbröckelt und angezündet gewesen wäre wie die Kirche des heiligen Veit und des heiligen Georg.«

»Ihr habt gekämpft, und wir haben zu keinem Kampfe gelangen können«, sagte Witiko.

[] »Weil sie vor dem neuen Heere davon gerannt sind«, antwortete der Schmied, »der Herzog wird uns doch von den kostbaren Dingen im Lager etwas geben, die sie jetzt so bewachen lassen, und morgen kömmt der König Konrad, hat er gesagt, und wir werden ihn und die Ritter sehen.«

»Und ich habe gar nichts tun können«, sagte Tom Johannes.

»Du hast die Leute angeeifert«, antwortete Witiko.

»Und sie haben nicht gefolgt«, entgegnete der Fiedler.

Urban drängte sich jetzt auch vor, sprach mit den Männern von der Kuckuckspfeife und dem Messer und dem Buffenrocke, den er sich gebracht habe, und der noch bei dem Packzeuge sei.

Und auch Lambert und Augustin begannen zu erzählen.

Witiko aber wendete sich zu Rowno, und sprach: »Verzeihe, ehrenvoller Wladyk, daß ich zuerst die Männer begrüßte, welche zu mir gehören. Ich bringe dir jetzt den Freundschaftsgruß, und den Dank, daß du sie geführt hast. Gewähre mir die Bitte, ein Schwert aus guter Waffenarbeit Nürnbergs, welches ich dir gebracht habe, anzunehmen. Ich denke, daß alle willig gewesen sind.«

»Willig und treu wie die Waldleute«, antwortete Rowno. »Ich grüße dich, Witiko, ich nehme dein Geschenk gerne an, und gebe dir die Leute mit einigen Beschädigungen wieder. Den Wolfgang von Plan und den starken Simon vom Reutschlage kann ich dir nicht mehr geben. Sie liegen schon in der Erde der Stadt Prag. Sie haben ihrem Platze genug getan, und Simon hat den Feinden im vorhinein vergolten, ehe sie ihn weggerafft haben.«

»Wir werden die Mutter Wolfgangs in Plan trösten und stützen«, sagte Witiko, »und um Simon tut es mir leid, er ist ein starker treuherziger Mann gewesen. Hat er Angehörige?«

»Die vom schwarzen Bache sagen«, antwortete Rowno, [] »daß er Vater und Mutter hat und einen Bruder, der an der Stelle des Alten die Felder besorgt.«

»Gott lohne ihm, er hat ihn gerufen«, sagte Witiko, »und den Seinigen werden wir helfen, wie wir können.«

»Man kann in einer Stadt nicht viel tun, wenn man bloß abwehren muß«, sagte Rowno, »aber zur Erhaltung haben wir doch beigetragen.«

»Beigetragen und es wird anerkannt«, sagte Witiko.

»Wir gehören nun wieder zu dir, Witiko«, rief David der Zimmerer mit heller Stimme.

»Zu dir«, rief Philipp.

»Zu dir«, riefen mehrere Stimmen.

»Zu dir«, riefen dann alle.

»Wir gehören zu ihm«, sprach der Schmied, »weil er zurückgekehrt ist, wie wir gesagt haben, wir gehören zu ihm, so lange diese Sache dauert.«

»Freunde und Waffengenossen«, sprach Witiko, »die Sache ist aus. Es ist kein Feind mehr da, der Herzog hat die Länder und den Fürstenstuhl, und wir können nach Hause gehen. Er hat aber befohlen, daß er noch mit uns sprechen will.«

»Wenn der Herzog mit uns sprechen will, warten wir schon«, sagte der Schmied.

»Jetzt aber gehabt euch wohl«, sagte Witiko, »ich und Urban und Augustin und Lambert und Jakob gehören noch zu des Herzogs Leuten, und müssen zu ihnen. Morgen und zunächst wird sich schon das andere fügen. Heute werden noch Speisen und Getränke zu euch geschafft werden, genießet sie fröhlich und gedenket unser.«

»Wir gedenken eurer«, riefen die Männer.

»Wie du schön angezogen bist, Witiko«, sagte Tom Johannes der Fiedler.

»Ich habe dir auch ein Wams aus Nürnberg gebracht, du armer Mann«, antwortete Witiko, »es wird, wenn du im Sommer keinen Rock an hast, weithin im Walde leuchten.«

[] »Das ist schön«, sagte Tom Johannes, »wenn nur auch die Fiedel wieder wäre.«

»Sie wird sein und klingen, und gewiß wird sie klingen, du zaghafter Mann«, sagte Witiko.

»Und nun erquickt euch«, fuhr er dann fort, »ruhet gut in der Nacht, und morgen komme ich wieder zu euch. Lebe wohl, Rowno, du auch, Osel, und ihr andern. Jetzt, Reisegenossen, besteigt die Pferde, und wir gehen zu unserer Schar.«

»Nehmt auch einen deutschen Gruß und ein deutsches Lob für eure Taten, ihr Männer der Wälder«, rief Wolfgang von Ortau.

»Wir danken euch«, sprach Rowno, »gewähret uns einmal einen Besuch in dem Walde, und genießet unser Haus.«

»Ja, ja, ja«, riefen mehrere Männer des Waldes, »kommt und wir danken für das Lob.«

»Wer weiß, was geschieht«, sagte Wolfgang von Ortau, »und ob wir nicht einmal in die Heimat Witikos kommen.«

Witiko antwortete: »Dann seid ihr dort wie die Unsrigen.«

»Wir denken es, Witiko«, sprach Wolfgang von Ortau.

»Ihr müßt dann von einem zu dem anderen gehen«, sagte Rowno.

»Nach Dub auch zu mir«, rief Osel.

»Und zu mir nach Wettern«, rief Diet.

»Und nach Hora«, rief Witislaw.

»Und nach Attes«, rief Hermann.

»Und nach Tusch«, rief Wolf.

»Es ist gut, ihr Männer«, sagte Wolfgang von Ortau, »wir kommen. Ruhet in der Nacht, morgen reiten wir wieder zu euch.«

Witiko und die Seinigen bestiegen die Pferde, und sie und die deutschen Begleiter ritten in das Lager auf dem großen Marktplatze.

Dort war neben dem Gezelte Witikos ein schöneres und [] geräumigeres für Wolfgang und seine Freunde hergerichtet worden. Witiko führte sie in dasselbe ein.

Jetzt kam auch der Knecht Raimund, den Witiko in Prag zurückgelassen hatte, um in der Nacht bei Witiko zu bleiben.

In dem Lager wurden des Abends Speisen bereitet, zu den Verteidigern der Stadt und zu andern Leuten derselben wurden Speisen und Getränke gesendet, und in dem Hofhause des Herzogs wurde das angekündigte Mahl abgehalten.

Am andern Morgen war bei dem Aufgange der Sonne unter dem freien Himmel auf dem großen Platze vor dem Herzogstuhle ein heiliger Dankgottesdienst. Der Herzog, die Herzogin, die Führer, die Hofherren, die Geleite und alle Krieger außer den Wachen und sehr viele Menschen waren bei dem Gottesdienste zugegen. Nach dem Danke wurden die Gebete für die Toten gesprochen.

Dann gingen der Herzog, die Herzogin, die Bischöfe, Äbte und viele Priester und die Führer zu den Verwundeten und Kranken.

Wladislaw verlangte, daß man ihm ein Verzeichnis von allen verfertige, welche Wunden erhalten, und welche den Tod erlitten haben.

Darauf versammelte man sich zu dem Rate in dem Saale der Hofburg.

Nach dem Rate wurden die Männer, welche den Herzog Wladislaw auf seinem Wege nach Nürnberg begleitet hatten, und welche zu dem Heere, das auf dem Wysoka gekämpft hatte, gehörten, wieder zu den Ihrigen eingeteilt.

Witiko ging zu den Waldleuten, und ließ für seine deutschen Freunde und für sich und seine Knechte Zelte errichten. Lambert, Augustin und Urban gingen auf ihre Plätze, und die Pferde des Herzogs wurden in ihren Stall zurück geschickt.

[] Jetzt kam auch Heinrich, der Bruder des Herzoges Wladislaw, mit den Hilfsmännern aus dem Lande Budissin an. Es wurde ihnen ein Platz gegen das Dorf Buben hin neben dem verlassenen Lager der Feinde angewiesen.

Als die Sonne an dem Mittage des Himmels stand, meldeten die Späher, daß das Heer des Königs Konrad komme.

Eine große Zahl Menschen versammelte sich an dem Wege, auf der Brücke und an anderen Stellen, um es kommen zu sehen.

Bald zog es auf dem Wege neben der Moldau herein. Und alle Menschen und alle Dinge, welche sich neben dem Wege befanden, und auch alle, die weiter waren, die Büsche des Berges Petrin und die Felsen gegen die Burg hin leuchteten von dem Scheine der Waffen und Rüstungen. An der Spitze des Zuges ritt der König Konrad. Er hatte einen goldenen Harnisch und einen goldenen Helm. Unter dem Helme waren an der Stirne blonde Haare und seine blauen Augen blickten freundlich umher. Weil man sagte, daß er so männlich sei, wie der erste Ritter in seinem Heere, so sahen alle Augen auf ihn. Dann waren die Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Kurherren, Herzoge, Grafen, Ritter, Herren und Führer der Klöster und Städte. Oft waren auf ihren Rüstungen und Schilden Verschlingungen von Laub und Zweigen, von Gestalten und Zeichen aus Gold, Silber oder edlen Steinen. Hermelin oder anderes Rauhwerk war an Säumen und Rändern. Dann kamen die Krieger meist in heller Beschienung, und alles, was zu dem Zuge gehörte. Die Menschen riefen dem Könige zu, und warfen ihm Blumen oder Reiser.

Als der König zu der Brücke gekommen war, harrten an derselben auf ihren Rossen sitzend der Herzog Wladislaw, die Herzogin Gertrud, Diepold und Heinrich, die Brüder des Herzoges, dann die Bischöfe Otto und Zdik, [] die Äbte und Priester, dann die Herren der Ämter des Hofes und die Führer der Krieger. Sie begrüßten den König und die Seinigen, und geleiteten sie über die Brücke. An das Heer des Königs schloß sich das Heer der Stadtverteidiger an, und das, welches Heinrich aus dem Lande Budissin gebracht hatte. In langen Zügen bewegten sich die Männer über die Brücke der Moldau dahin. Sie durchzogen den rechten Burgflecken bis zu dem Marktplatze, der zwischen dem Burgflecken und dem Wyšehrad war. Dort schlossen sich auch die Krieger an, die seit gestern auf dem Marktplatze lagerten. Vor dem Burgflecken des Wyšehrad blieben die Heere stehen, und der Herzog und die Seinigen geleiteten den König mit seinen Vornehmen durch den Burgflecken gegen das Pankratiustor der Burg empor. Vor dem Tore stand der Propst Hugo und der Diakon und der Subdiakon in dem Schmucke der kirchlichen Haube und der Fußsohlen, die sie aus Vergunst des Heiligen Vaters tragen durften, und es stand der Dechant, der Meister, der Hüter, und es standen die übrigen Priester des Hauses da, und neben ihnen stand der greise Župan Fabian mit dem Gaurichter, dem Kämmerer, dem Maier, dem Jägermeister und den anderen Župenherren, und hinter ihnen standen die Diener der Kirche und die Diener der Županei.

Der Propst machte das Zeichen des Segens gegen den König und die Seinigen, und sprach die Worte des Segens.

Der König bezeichnete sich, antwortete mit den Segensantworten, und sprach dann: »Wir werden eure Heiligtümer, hochehrwürdiger Herr, mit unsern Bitten und Gebeten belästigen.«

»Gott wird das Gebet erhören, das du, hoher Herr, in unserer Kirche tust«, antwortete der Propst, »und unser Haus ist dein Haus.«

»Ich bin der Gast meines Schwagers, und besuche auch euer Haus«, sagte der König.

[] »Unser Haus ist das der Herzoge, wie alles hier der Herzoge ist«, sagte der Propst. »Der erste Bořiwoy hat diese Kirche gegründet, der König Wratislaw hat sie größer gebaut, und zwölf Körbe Steine dazu getragen, und der Herzog Soběslaw hat sie erst glänzen gemacht. Und was wir an Friedenssteuer, Überfuhren, Ansässigkeiten, Pflugmaßen und andern Dingen haben, stammt von den Herzogen. Und mögen auch deine Herren Gelegenheit zu unserer Gastlichkeit nehmen.«

Darauf sprach Fabian, der Župan von Wyšehrad: »Durch die Gnade des Herzogs bin ich dein Wirt, hoher Herr, und die Županei ist von dem Saale bis zur Kleiderstube hinab dein Eigentum.«

»Ich werde wie meine Vorgänger«, sagte der Herzog, »die Pfründe dieser Kirche mehren, weil sie auch so guten Absichten dienet. Jetzt aber, Herr, gehe in das Haus.«

»So gehen wir denn in diese Hochburg«, sagte der König, »welche in uralter Zeit so heilig gegolten hat.«

»Sie ist heilig gewesen, da sie noch in dem Walde gestanden ist, und die heidnischen Fürsten in ihr geherrscht haben, und sie ist noch heiliger geworden, da christliche Kirchen in sie gekommen sind. Der König Wratislaw und der Herzog Soběslaw haben hier gewohnt, und die künftigen Herzoge werden desgleichen tun«, sagte Hugo.

Der König und alle, die um ihn waren, ritten in die Burg.

Dort stiegen sie von den Pferden, und der König ging gegen die Kirche der Heiligen Petrus, Paulus und Clemens.

Er betrachtete ihren Bau.

»Siehe, Herr, die Krone an der Mauer wiegt zwölf Mark Gold und achtzig Mark Silber«, sagte Hugo, »sie hat der Herzog Soběslaw machen lassen. In der Kirche wirst du den Fußboden mit glänzenden Steinen belegt sehen, goldene und silberne Kreuze und kostbare Tücher an den Altären, und schöne Wandelgänge an den Mauern. Das alles hat Soběslaw errichtet.«

[] »Ich habe von diesem Baue gehört«, sagte der König, »und bin erfreut, ihn nun mit meinen eigenen Augen zu sehen, und, wenn auch das uralte Kirchlein Bořiwoys nicht mehr steht, hier meine Andacht zu verrichten.«

»Das Kirchlein Bořiwoys«, entgegnete Hugo, »an dessen Stelle dieses schimmernde Haus steht, ist ein heiliges Kirchlein gewesen; in ihm hat Cyrillus drei Jahre den Leib des heiligen Clemens aufbewahrt, ehe er ihn nach Rom brachte.«

»So erzählen die heiligen Geschichten«, sagte der König.

Dann gingen alle in die Kirche. Sie gingen an den goldenen und silbernen Kreuzen und schönen Tüchern der Altäre und an den Wandelgängen vorüber zum großen Altare.

Dort kniete der König, und es knieten alle andern nieder, und taten ein kurzes Gebet.

Dann betrachteten sie die Kirche.

Dann gingen sie noch in die Kirche der heiligen Maria Magdalena und in die des heiligen Martin, und beteten dort, und betrachteten die Kirchen.

Dann besuchte der König die Gräber der Herzoge Wratislaw und Soběslaw und der Herzoginnen Swatawa und Adelheid.

Dann besah er in der Kammer des Fürstenhofes die Bastschuhe des Herzoges Přemysl.

Dann ging er in den großen Saal.

»In diesem Saale«, sagte Hugo, »werden die Landtage und die Feste des Reiches abgehalten, und hier ist unser hoher Herzog Wladislaw gewählt worden. Vor zwölf Jahren sind mit dem Herzoge Soběslaw einmal dreitausend Menschen in diesem Saale gewesen.«

»Hier«, sagte der König, »nehme ich Abschied von dir, erlauchter Herzog, und gehe in meine Stube. Das andere dieser Herrscherburg, in welche du mich geladen hast, werde ich mit den Meinigen allein einmal besehen.«

[] Hierauf ging er in sein Gemach, und dort verabschiedete sich der Herzog, und ritt mit den Seinigen in die Burg Prag zurück.

Die geistlichen und weltlichen Fürsten ritten zu den Ihrigen.

Das Heer des Königs Konrad zog auf das Feld vor dem Wyšehrad, um dort ein Lager zu errichten. Alle andern Krieger gingen auf ihre Plätze.

Gegen den Abend ritten der König Konrad, dann Heinrich, der Markgraf von Österreich, und Otto, der Bischof von Freising, mit Geleiten in die Burg Prag.

Dort sprach der König zur Herzogin Gertrud die Worte: »Sei mir in deinem Hause gegrüßt, du liebe Schwester. Ich sollte dir Bolzen und Lanzen und Schwerter und Harnische bringen statt der Perlen, die ich für dich in der Hand halte. Wenn man dich im Flitter unter deinen Frauen sieht, sollte man es nicht glauben, was die Leute von dir erzählen. Ich werde meine Versäumnis durch ein schönes Waffenkleid zur Erinnerung an die vergangenen Tage gut machen. Meine Hausfrau Gertrud sendet dir auch einen Gruß, und die andere Gertrud, die bald deine Schwägerin sein wird, hat einen andern Boten für ihre Grüße gewählt.«

»Ich bringe sie«, sagte Heinrich, der Markgraf von Österreich, »und bringe die Ladung zur Vereinigung mit ihr. Bei diesem Feste werden die drei verwandten Gertruden in einem Saale sein.«

»Ich nehme alle Grüße und Ladungen mit Freuden auf«, antwortete Gertrud.

»Ich bin mit den zwei andern Brüdern auch hier«, sagte Otto, der Bischof von Freising, »um meine liebe Gertrud zu begrüßen. Wir haben kämpfen wollen, und finden nur Feste. Gott hat uns geführt, und das Gebet unserer frommen Mutter auf dem Kahlenberge hat uns begleitet.«

»Sie hat gewiß gebetet, und ihr Gebet ist erhörenswert«, [] sagte Gertrud, »und du, den sie so liebt, wirst es gedenken.«

»Wenn ich es kann, ist es durch meinen Wandel«, sagte Otto, »und den will ich unserer Mutter genehm zu machen suchen.«

Als es Nacht wurde, ritten alle in den Wyšehrad zurück.

Witiko übergab an diesem Tage Rowno das Schwert, welches er für ihn aus Nürnberg gebracht hatte, und teilte an die Waldleute die Geschenke aus, die er für sie dort erworben hatte.

Der König blieb drei Tage in der Stadt Prag.

Es waren an diesen Tagen Feste der Kirche und andere Feste, und die Herren gaben sich Gastlichkeiten. Kostbare Fische und Speisen aller Art wurden herbei gebracht, und der Herzog Wladislaw vergalt an Wein, der an der Elbe gewachsen war, den, welchen die Herren vom Rheine und vom Neckar gebracht hatten. Es wurden Spiele gehalten, und die deutschen Ritter zeigten, was sie mit Waffen und Pferden konnten, und die böhmischen Herren zeigten, was in ihrem Lande gebräuchlich war. Unzählige Menschen waren gekommen, und die böhmischen Mädchen wiesen den fremden Reitern die Schönheit ihrer Landeskleider und ihrer Angesichter. Auch die Männer des Waldes kamen herzu, und ließen sehen, was sie an Laufen und Ringen und Springen vermochten, und der Schmied von Plan vermaß sich, zu sagen, kein Mann könne einen so schweren Stein heben wie er. Geschenke wurden gegeben und empfangen.

Die Kundschafter meldeten, daß die Feinde wirklich auseinander gegangen seien.

Am vierten Tage zog das deutsche Heer auf dem Wege zwischen dem Petrin und der Moldau hinaus, auf dem es herein gekommen war.

Der Herzog Wladislaw nahm nun das verlassene Lager der Feinde in Empfang. Was an Wert dort war, wurde [] verteilt. Die Schleudergeräte, welche brauchbar waren, wurden zu dem Kriegszeuge des Landes gestellt. Das Holz der Verbalkungen und anderer Werke wurde den Armen gegeben. Die Verwundeten, welche man fand, wurden zu einer besseren Besorgung in die Burgflecken von Prag getragen, und die schlecht begrabenen Toten wurden besser mit Erde bedeckt. Die Priester sprachen den christlichen Segen über sie. Aus Dingen, die man in dem Lager oder auf dem Kampfplatze fand, konnte man erkennen, daß alle an den letzten Kämpfen Teil genommen haben mußten, die es vermocht hatten, Arbeiter, Schenken, Händler, Trödler, Troßbuben, selbst Frauen.

Wladislaw ließ nun die Ebnung des Bodens beginnen, und verkündigen, daß alle, welche ein Eigentum dort haben, sich ausweisen sollen, um eine Entschädigung zu erhalten.

Als diese Dinge geschehen waren, hielt der Herzog einen Rat, wie die Kirche des heiligen Veit und des heiligen Georg wieder aufzubauen sei, und wie man die Mauern der Stadt wieder herrichten und mehr festigen könne, damit sie künftigen Bestürmungen noch wirksamer zu widerstehen vermögen.

Der Herzog, die Priester und die Herren des Rates beschaueten den Schutt der Kirche, und beschlossen, daß sie stärker und schöner aufgerichtet werde, und daß man ein steinernes Dach setze.

Es wurden nun die Weisungen an die Werkmeister und Bauherren des Landes um Rat und Beihilfe gesendet.

Darauf versammelte Wladislaw alle Führer der Krieger, und verteilte an sie Ländereien, Gold, Silber, Geschmeide, Waffen, Pferde, Gewänder, Gezelte, Kriegszeuge, und was sonst zum Lohn und zur Erinnerung dieser Tage zu dienen vermochte. Er bestimmte auch, was an alle übrigen Krieger zu verteilen sei, und gab die Art an, wie es sogleich getan werden müsse.

[] Dann sprach er: »Wir haben nun einen kleinen Entgelt für eure Taten abgefertigt, wie wir ihn am Morgen nach meiner Ankunft in diesem Saale beraten haben. Er soll kein Lohn sein, sondern nur der Beginn des Lohnes, und was ein treuer Mann von mir wünscht, dafür werde ich zu aller Zeit ein offenes Ohr haben. Die Gabe stammt aus dem fürstlichen Gute, und das Gut hat nach den Kräften getan, die ihm jetzt eigen sind. Wir werden fürder ohne Hilfe fremder Männer die Mittel des Landes rüsten, um den Feind vollständig zu besiegen, und dann ist es nach dem Kriegsgebrauche Recht, daß das Gut des Fürsten durch das Gut des Feindes wieder erstarken und die Getreuen ihre Beteiligung erhalten. Wer in diesem Streite zu mir gezogen ist, und seine Männer gebracht hat, möge in seine Heimat ziehen, und dem Lande wieder helfen, wenn das Land seiner bedarf. Meine Krieger verteile ich an ihre bestimmten Plätze. Und so möge jeder das Denkmal der Waffenbruderschaft dieser Zeit dahin nehmen, und keiner in üblem Mute von hier scheiden.« Darauf sprach Otto, der Bischof von Prag. »Sie haben mich zur Antwort an dich gewählt, hoher Herr! Wir sind in diesen Streit gezogen aus Liebe zu Gott und den Himmlischen, daß durch Blut und Wirrsal nicht der heilige Glaube, die heilige Religion und die christliche Sitte leide; ferner aus Liebe zu dem Lande, daß es vor großem Schaden bewahrt werde, und dann aus Liebe zu dir, hoher Herr, daß dir dein Recht erhalten werde. Gott und die Heiligen haben geholfen, wir haben ihnen gedankt, und sind zu Ende. Wenn du großmütig wie deine Vorgänger Gaben verteilt hast, so ehren die Gaben uns, wie die Gaben deiner Vorgänger unsere Voreltern geehrt haben, und wir ehren die Gaben wieder und genießen sie in Ansicht ihres Ursprungs. Zur weiteren Schlichtung der Dinge wird dir die Treue der Deinen nicht fehlen.«

[] »Es soll immer das Rechte und Gute geschehen«, rief Bolemil.

»Das Rechte und Gute«, riefen nun alle Männer.

Dann sprach wieder der Herzog. »Ehe wir scheiden, geliebte Herren, haben wir noch ein Urteil über einen Schuldigen zu sprechen. Er harret draußen, und hat sich in der Freude, die jetzt in dem Lande ist, zu dem Empfange seines Spruches gestellt. Der Spruch wird gerecht sein, und die Gerechtigkeit wird vollzogen werden. Rufet den Mann.«

Einer der Krieger an der Tür des Saales ging hinaus, und kam mit Witiko zurück.

»Witiko, tritt vor«, sagte der Herzog.

Witiko ging von der Tür des Saales auf den Platz vor der Versammlung.

Er hatte das Ledergewand an, welches er auf dem Ritte bei Chynow getragen hatte, und in welchem er vor der Wahlversammlung in dem großen Saale des Wyšehrad gestanden war.

Der Herzog sprach: »Ihr kennet diesen Mann, und habt ihn schon einmal vor euch gesehen.«

»Wir kennen ihn«, sprach Bolemil.

»Wir kennen ihn«, sprach Lubomir.

»Wir kennen ihn«, sprach Otto.

»Wir kennen ihn«, sprach Zdik.

»Wir kennen ihn«, sprachen viele.

»Odolen, der du die Tat des Mannes gesehen hast, derentwillen er hier steht, erzähle in Getreuem, was sich alles zugetragen hat«, sagte der Herzog.

Odolen erhob sich von seinem Sitze, der in einer hinteren Reihe stand, und sprach: »Hoher Herr! Wir ritten zwischen Pilsen und dem Dorfe Holaubkau. Da kam eine Schar von Reitern der Feinde. Es waren die Fürsten Wratislaw von Brünn, Otto von Olmütz, und Wladislaw, der Sohn des Herzogs Soběslaw, unter ihnen. Es [] wurde ein Kampf. Wir waren ihnen an Zahl um vieles überlegen. Wir standen so, daß sie mit dem Rücken gegen das Lager der Unsrigen gekehrt waren, wir gegen das Lager der Ihrigen. Der Sieg zeigte sich für uns. Witiko befehligte eine größere Zahl Reiter als ich. Da die Feinde zur Flucht drängten, hieß Witiko seine Reiter nach der Seite wenden, daß ich glaubte, er wolle die Feinde umgehen, und in ihrem Rücken ihre Flucht hemmen. Es wurde aber eine Lücke gegen Prag, sie wendeten ihre Pferde, und flohen durch die Lücke in der Richtung gegen Prag hin. Meine und Witikos Reiter riefen Verrat, kamen in Unordnung, und als die Ordnung wieder hergestellt war, hatten die Feinde eine große Strecke vor uns. Witiko übergab seinen Befehl an mich, ich ordnete die Verfolgung an. Witiko ritt als Streiter mit uns. Auf dem Wege fanden wir die hölzernen Häuser des Dorfes Holaubkau brennen. Wir konnten durch den Brand nicht hindurch, und ehe wir einen Umweg entdeckten, war so viele Zeit vergangen, daß die Erreichung der Feinde vereitelt war. Wir kehrten um, Witiko mit uns, und in dem Lager ging er zu dem erlauchten Herzoge Wladislaw. So ist die Sache.«

Nach diesen Worten setzte sich Odolen wieder nieder.

»Witiko, sprich«, sagte der Herzog.

Witiko neigte sich vor dem Herzoge, und sprach: »Ich habe den Kriegsfehler nicht gemacht, daß ich die Flucht der Feinde gegen das Lager der Unsrigen zu hemmen gesucht hätte. Ich wollte sie zu den Ihrigen entfliehen lassen, und es ist gelungen. Weil drei Fürsten selber so weit gegen unser Lager vorgeritten waren, habe ich gedacht, sie müssen etwas Bedeutungsvolles im Sinne haben. Weil sie aber zeigten, daß es nicht auf die Unterwerfung an den erlauchten Herzog Wladislaw abgesehen sei, so konnte es nur sein, daß sie nicht durch Späher und Gerüchte Entmutigung in das Heer Konrads von Znaim [] kommen lassen wollten, sondern selber vorritten, um nach der Rückkehr Mut und Anspornung zu den Ihrigen zu bringen. Aber unsere Sache war so, daß sie selber gegen ihren Willen die Fruchtlosigkeit weitern Kampfes zu Konrad zurückbringen mußten, und so habe ich sie, daß keine Verzögerung würde, entkommen lassen. Verrat beging ich nicht; denn sonst wäre ich bei den Feinden, ich habe gegen das Kriegsgesetz gefehlt und gegen den hohen Herzog gefehlt, und erwarte die Strafe.«

»Wir kennen, was sich begeben hat«, sagte der Herzog. »Nun sprecht, Männer, ist Witiko strafbar?«

»Witiko ist strafbar, und hat für seine Jugend weise gehandelt«, sagte Zdik, der Bischof von Olmütz.

»Und was spricht mein Bruder Diepold?« fragte der Herzog.

»Ich spreche nicht«, sagte Diepold, »Fürsten aus Přemysls Stamme stehen gegen uns, man soll nicht sagen, daß mich irgend eine Scheelsucht leite.«

»Und Heinrich?« sprach der Herzog.

»Ich rede wie Diepold«, sagte Heinrich.

»Und Bolemil?« fragte der Herzog.

Bolemil sprach: »Wir haben gesagt, daß die Hilfe des Fremden in unserem Streite ein Unglück ist, und daß die Sache sehr schnell entschieden werden sollte. Sie ist entschieden, der Fremde ist fort, und es hat keines Schwertes bedurft. Wie es Gott so gefügt, wer kann entscheiden? Witiko aber hat in dieser Art gehandelt, strafe ihn so hart du darfst, weil er deine Rechte geübt hat.«

»Und was sagt Lubomir?« fragte der Herzog.

Lubomir sprach: »Witiko ist gut wie ein Kind, ich habe ihn wie mein Kind angesehen, da er bei mir gewesen ist, und werde ihn so ansehen, weil er keinen Vater hat.«

»Und Wšebor?« sagte der Herzog.

»Strafe ihn nach Ermessen«, sagte Wšebor.

»Und du, Diwiš?« sagte der Herzog.

[] »Strafe ihn, wie du es verstehst«, sagte Diwiš.

»Nach deiner Weisheit«, sagte Chotimir.

»Und Daniel?« fragte der Herzog.

»Weil du mich rufst, hoher Herr«, antwortete der Priester Daniel, »so sage ich: ich kenne nicht genau das Streiten; aber der Frieden des Heilandes und seine Liebe zu dem menschlichen Geschlechte soll über allen Ländern schweben.«

»Und was spricht Welislaw?« fragte der Herzog.

Welislaw sagte: »Witiko hat bei Chynow für sein Pferd entschieden gehandelt, daß wir ihm folgen mußten, und hat jetzt für das Land entschieden gehandelt.«

»Und ist einer hier, der Witiko für einen Verräter hält?« fragte der Herzog.

Es antwortete keine Stimme.

»Nun, da ihr schweigt«, sagte der Herzog, so spreche ich, wie folgt: »Witiko, du hast in der Schlacht auf dem Wysoka einen großen Dienst getan, und nach der Schlacht wieder gedient. Als vor einigen Tagen die Führer in diesen Saal kamen, um die Entgeltung der Verdienste zu beraten, und als sie heute kamen, um die Entgeltung zu empfangen, warest du nicht unter ihnen. Du hattest die Führerschaft eines meiner Reiterfähnlein an Odolen gegeben, und die Führerschaft der Waldleute noch nicht übernommen. Dein Entgelt an Gold, Gewändern und Waffen ist in meiner Kammer, und zwei Pferde sind für dich in meinem Stalle. Empfange alles. Bei Pilsen bist du nicht ein Verräter gewesen, und hast nicht Abfall gesonnen; denn das hättest du gesagt, wie du es mir vor zwei Jahren gesagt hast; aber du hast das Kriegsgesetz und mein Recht verletzt, und ich strafe dich; du bleibst so lange von meinem Hofe verbannt, bis ich dich rufe, und zahlst sechshundert Denare in den Schatz des Landes, und weil du deine Pfennige jetzt selber brauchen wirst, so leiht dir meine Kammer die Denare. Jetzt entferne dich.«

[] Witiko verneigte sich, und verließ den Saal.

»Ich glaube, es war nicht zu hart«, sagte der Herzog.

»Nein, nein«, riefen mehrere Stimmen.

»Nun haben wir noch mit einem Krieger zu sprechen«, sagte der Herzog, »führt Dimut, die streitende Schwester des Wladyken Rowno, herein.«

Zwei junge Ritter des Herzoges gingen durch die Tür hinaus, und geleiteten nach einer kurzen Weile Dimut herein, welcher mehrere Mädchen folgten.

Dimut war in ein weites fließendes Gewand von veilchenblauer Farbe gekleidet, das von einem silbernen Gürtel zusammen gehalten wurde. Die schwarzen Haare waren in einem Silbernetze.

Als sie vor den Herzog gekommen war, sagte er: »Dimut, wir können dir keinen Sitz anbieten. Ein Krieger, der kein Führer ist, muß vor den Führern stehen, und ein Krieger bist du, wenn du auch keine Kriegsgewänder an hast.«

»Ich stehe, Herr«, sagte Dimut.

»Dimut«, sprach der Herzog, »die Bischöfe, Priester, Fürsten, Herren und Lechen dieses Saales erkennen, daß du heldenmütig gewesen bist, wie dein Geschlecht es nicht ist, und daß du Dank und Gaben verdienst. Den Dank sagen wir hier, und in Prag und in dem Lande werden sie es sagen, was du getan hast. An Gaben sind wir arm. Ich gebe dir ein Kriegerkleid, Goldschmuck, ein Schwert, das so klein ist wie das deinige, und ein weißes Pferd, das meine Herzogin mit Silber geschmückt hat. Deinem Bruder habe ich Land an seinem Lande gegeben, und du wirst es mit genießen. Und ich warte, daß dich einer als Hausfrau heim führt, und werde dann sinnen, was euch erfreuen kann. Du mußt jetzt mit deinem Bruder nach Hause gehen, daß du wegen des Verrates, den du an der Veste Rowna geübt hast, gestraft werdest. Wenn du die Strafe abgebüßt hast, komme nach Prag, du gehörst zu [] der Herzogin, bleibe bei ihr, oder gehe wieder nach Hause, oder komme, so oft du willst.«

»Hoher Herr«, antwortete Dimut, »ich verdiene keinen Dank und keine Gaben, weil ich getan habe, was ich nicht lassen konnte. Was mir deine Huld beschert, dafür gebührt dir der Dank, ich sage ihn, und werde alles mit Freude gebrauchen. Man sagt, du werdest die zerstörten Heiligtümer wieder schöner aufbauen, als sie gewesen sind. Ich werde dann kommen, in ihnen zu beten, und dann werde ich in Ehrfurcht zu der hohen Herzogin gehen.«

»Nun so nimm als Krieger Abschied von den Kriegern, die mit dir gekämpft haben, Dimut«, sagte der Herzog, »und auch von denen, die mit dir gekämpft hätten, wenn sie nicht mit mir nach Deutschland hätten ziehen müssen.«

Die Männer erhoben sich von ihren Sitzen, und näherten sich Dimut.

Diepold reichte ihr die Hand, Heinrich reichte ihr die Hand, das taten auch die Bischöfe und die Äbte, der greise Bolemil, Lubomir, Diwiš, Chotimir, Wšebor, und alle älteren Führer. Die jüngeren Krieger drängten sich herzu, faßten nach ihrer Hand, und sprachen zu ihr. Welislaw sagte: »Du gibst mir noch den Pfeil nicht.«

»In meinem Leben nicht«, sagte Dimut.

Als alle Männer zurück getreten waren, sagte der Herzog: »Nun verschmähe auch meine Hand nicht.«

Er reichte sie ihr.

Dimut faßte sie, und neigte sich mit der Stirne auf sie.

Da sie zurück getreten war, sagte sie: »Herrsche glücklich und gerecht, hoher Herr.«

»Gehe mit Gott, Dimut«, sagte der Herzog, »gebe der Himmel das eine, und vermöge ich das andere.«

Dimut wendete sich, ihre Mädchen umringten sie, und sie gingen aus dem Saale.

[] »Und nun, hohe Herren«, sagte der Herzog, »gehabt euch wohl als Krieger und nach dem Kriege. Als Freunde kommen wir heute am Abende noch in der Hofburg zusammen, vielleicht führt bald den einen oder den andern sein Wille auf den Heimweg. Möget ihr dort alles gut finden, und bringet meinen Gruß euern Angehörigen und denen, die im Lande um euch wohnen.«

Nach diesen Worten riefen die Männer dem Herzoge ein Lebewohl zu, er dankte entblößten Hauptes, und sie verließen den Saal.

In dem Lager auf dem großen Verkaufsplatze zwischen dem rechten Burgflecken und dem Wyšehrad wurde an dem Tage auch eine große Bewegung. Männer aus den Hofherren des Herzoges waren bei den verschiedenen Abteilungen, die Führer kamen aus der Hofburg zu ihren Kriegern, und man verteilte die Gaben und Geschenke des Herzoges an jeden Mann, der in dem Lager war.

So geschah es auch bei den Männern aus Budissin, welche in der Nähe des Dorfes Buben ihren Platz hatten. Sie empfingen Lohn, daß sie gekommen, und zu dem Streite bereitwillig gewesen waren.

Und so geschah es auch bei den Verteidigern der Stadt Prag. Diepold war bei ihnen, und alle Führer waren bei ihnen, welche den Kampf mit ihnen geteilt hatten. Sie erhielten reiche Geschenke, und die, welche verwundet worden waren, empfingen noch besondere Gaben.

Vor dieser Frist wurde Witiko zu dem Herzoge gerufen. Der Herzog gab ihm die Führerschaft über die Waldleute zurück, und sagte, er möge zu den Seinigen eilen, um bei der Verteilung der Gaben zu sein, welche sie für ihre Taten erhalten sollen.

Witiko dankte, und ritt zu den Männern des Waldes. Da waren schon Hofherren, da war Rowno, Hermann, Wyhon, Diet, Wolf, Wernhard, und alle, die zu führen gehabt hatten. Und die Gaben wurden verteilt. Als Witiko [] erschien, begann auch die Verteilung bei den Seinigen. Sie war reichlich, und der Kammerschreiber gab ihm auch Geld für diejenigen, die vom Wysoka heim gegangen waren, und für die Angehörigen der Toten. Es war viel Freude und Frohlocken, und sie zeigten sich wechselweise, was sie bekommen hatten.

Der Herzog und die Herzogin ritten in schönen Gewändern mit einem Gefolge, das in prunkenden Kleidern war, zu allen Abteilungen, an welche die Gaben gereicht wurden.

Am Abende dieses Tages waren Festmahle in allen Lagern, es waren Feste in den beiden Burgflecken von Prag, und in dem Burgflecken des Wyšehrad, und es war ein Festmahl in der Hofburg des Herzogs.

Witiko ritt zu dem Festmahle des Herzogs, und wurde von vielen seiner Leute bis zu dem Tore begleitet.

Nach dem Mahle wurde er in das Priesterhaus geführt, in welchem ihm wieder seine Wohnung bereitet worden war, weil man die Lager zu verlassen begann.

Am Morgen des folgenden Tages ging er zu den Seinigen, um sie zu begrüßen, und Anordnungen zu treffen.

Sie standen oder saßen im Sonnenglanze an den Hütten oder Schirmen, die sie auf ihrem Platze errichtet hatten, herum, und sprachen von verschiedenen Dingen. Sie sprachen von dem, was geschehen war, von ihren Geschenken, und zeigten sich dieselben neuerdings wieder, und mancher zählte sein Geld aus einer Hand in die andere. Der Schmied von Plan hatte ein sehr großes und starkes und altes Waffenhemd erhalten, und hatte es über seinen groben Rock angetan. David der Zimmerer, welcher auf dem Berge Wysoka verwundet worden war, trug alle Geräte des Zimmerwerkes herbei, welche klarer und spiegelnder waren, als er je gesehen hatte. Veit Gregor zeigte ein Becken aus Silber, in welches er das heilige Wasser, wenn es im nächsten Frühlinge geweiht sein würde, zu [] gießen gesonnen sei. Tom Johannes, der Fiedler, saß auf Holzblöcken, welche zum Verbrennen hergerichtet waren. Er hatte eine Geige in der Hand, und betrachtete sie.

»Da hast du ja wieder eine Fiedel«, sagte Witiko.

»Ich habe niemals etwas so Schönes gesehen«, antwortete Tom Johannes, »und wenn ich daran kneipe, so klingt sie, wie gar keine geklungen hat. Ich werde jemanden in Plan unterrichten, daß er sie streichen lerne, damit wir auch hören, wie sie singt.«

»Du wirst sie schon selber streichen, daß sie singt«, sagte Witiko.

»Ach, Witiko«, sprach der Fiedler, »du bist doch ein Tor.«

»Wir werden sehen, ob ich ein Tor bin«, sagte Witiko.

Er zeigte nun auch manches von dem, was er von dem Herzoge erhalten hatte, und es wurden die Pferde herbei geführt, daß die Waldleute sie sähen. Sie waren ganz gleich lichtbraun, und mit Silber gezäumt. Raimund führte sie hierauf wieder in das Priesterhaus.

Jeder der Knaben Osels ritt auf einem weißen Pferdchen herum, das er von dem Herzoge erhalten hatte.

Witiko hieß nun die Seinen sich zum Abzuge in die Heimat rüsten, und sagte, daß er sie bis zu ihren Häusern führen werde.

In dem Lager auf dem großen Marktplatze wurden die Gezelte abgebrochen, und die Krieger bereiteten sich zum Fortziehen. Die Männer von Budissin gingen in der Richtung nach ihrer Heimat davon, und die Lechen ordneten die Ihrigen zum Heimwege, nur diejenigen, welche mit dem Herzoge zu der Hochzeit Heinrichs, des Markrafen von Österreich, nach Frankfurt zu gehen gesonnen waren, richteten ihre Kostbarkeiten zu dem Zuge.

Die Führer gingen gegenseitig zu einander, um Abschied zu nehmen. Sie reichten sich mannigfaltige Geschenke. [] Witiko ging zu den älteren, und dann zu seinen jungen Freunden. Er brachte manchem etwas mit, und empfing von manchem etwas. Bolemil gab ihm den wohlgegliederten Waffenrock, den Dalimil auf dem Wysoka getragen hatte, daß er ihn als Erinnerung an jenen Tage bewahre, an welchem er die Lücke des Verrates ausgefüllt hat, und dadurch sein Kampfnachbar geworden ist. Lubomir gab ihm ein Schwert mit einem Silbergürtel.

An alle Stellen, auf denen Männer waren, die fort ziehen wollten, wurden Nahrungsmittel gebracht, daß sie sich für ihren Weg versehen konnten.

Der Herzog ordnete noch manches, setzte Diepold zu seinem Stellvertreter ein, und ging mit der Herzogin und mit einem großen Geleite auf seinen Zug zur Hochzeit seines Schwagers Heinrich.

Witiko verkaufte noch das lahme Pferd, welches Raimund während der Belagerung Prags gepflegt hatte, und kaufte für den Knecht Jakob ein anderes.

Dann begannen die Männer des Waldes gegen den Mittag des Landes zu ziehen.

Rowno zog mit den Seinen zuerst davon. Dimut ritt auf ihrem Pferde neben ihm. Das weiße Pferd wurde von einem Manne Rownos geführt. Dann ging Hermann von Attes, dann Wyhon von Prachatic.

Die Leute Witikos richteten auch ihr Letztes zu ihrem Heimzuge. Sie bargen oder nähten gar ihr Hauptgeld in ihre Gewänder, sie füllten ihre Säcke mit Nahrung und anderen Dingen, und hängten daran noch allerlei seltsame Sachen aus der Lagerbeute oder Werkzeuge. Sie kauften Honigbrote und Brote aus Weizenmehl, geflochtene und gebackene Kränzlein für die Kinder, dann Hausgeschirre, besonders gar schöne runde gedrechselte Holzkrüge und anderes Geräte, wohl auch Stoffe zu Schleifen und Latzen. Und dann gingen sie an der Burg Wyšehrad vorüber in der Richtung gegen ihren Wald dahin.

[] Witiko führte sie auf dem Wege, den er eingeschlagen hatte, da er von Wladislaw fort gegangen war, als derselbe den Herzogstuhl bestiegen hatte. Er ritt in seinem Ledergewande auf seinem grauen Pferde, und jedes der braunen Pferde wurde von einem Knechte geführt. Saumpferde trugen alles größere Gepäcke.

Gegen den Abend des sechsten Tages kamen sie an der Rückseite des Kreuzberges von Plan an. Die Leute hatten auf ihre Zurückkunft gewartet, und von dem Berge gegen den Wald ausgeschaut. Jetzt liefen sie ihnen entgegen. Die Männer aber, die von dem Kriege kamen, hielten vor dem Berge an, setzten sich in das Gras, zogen ihre Stiefel aus, hingen dieselben auf ihre Schäfte oder Stäbe oder Schwerter, und zogen barfüßig in die Kirche. Witiko ritt aber als Führer in seiner Bekleidung vor ihnen, und gab das Pferd vor der Kirche zum Halten. In der Kirche harrte der Pfarrer auf die Männer, segnete sie beim Eingange, sprach dann vor dem Altare ein Dankgebet. Dann wendete er sich um, und hielt eine Festrede. Er ermahnte die Männer, sie sollen Gott preisen, der sie erhalten hat, sollen der Toten gedenken, und sollen durch den erlangten Reichtum nicht übermütig und leichtfertig werden. Beim Ausgange segnete er sie wieder.

Außerhalb der Kirche begannen nun die Männer erst über alles zu sprechen. Die Ihrigen und andere umringten sie, und Freuden und Reden wurden getauscht. Die Männer drängten sich dann zu Witiko, verabschiedeten sich, und zerstreuten sich in ihre Wohnungen.

Witiko ritt in das steinerne Haus.

Er verteilte an diesem Tage noch das Geld, welches ihm der Kammerschreiber für die Streiter auf dem Wysoka und die Angehörigen der Toten mitgegeben hatte, er tröstete die Mutter Norberts und Wolfgangs, und besuchte den Pfarrer.

Am nächsten Morgen ging er auf den Kreuzberg, und [] sah auf den Wald des schwarzen Sees und auf den Wald des heiligen Thomas.

2

In einfachen Gewändern.

Witiko blieb eine Woche in dem steinernen Hause und bei den Männern von Plan.

Dann ritt er in das Kloster an der Sazawa zu Silvester.

Er fand ihn in dem Garten mit Gemüsepflege beschäftigt.

Als der Greis den Jüngling erblickte, sagte er: »Kömmst du zu mir, Witiko?«

»Ich bin zu Euch gekommen«, antwortete Witiko.

»So sei gegrüßt, und folge mir in meine Stube«, sagte Silvester.

»Ich folge Euch«, sagte Witiko.

Silvester streifte noch einige Erde, die an seinem Gewande klebte, ab, und schlug den Weg gegen die Mauern des Gebäudes ein. Witiko ging hinter ihm her.

Das Gemach Silvesters erreichte man durch einen Gang, welcher von den Beeten des Gartens gerade in das Gebäude führte. Die zwei Männer kamen zuerst in eine kleine Vorhalle mit steinernem Fußboden, in welcher sich nichts befand als ein Wasserbecken von dunkelrotem Marmor, in das ein feiner Strahl aus einer Röhre in der Mauer nieder floß. Aus der Vorhalle traten sie in die Zelle. Sie war nicht groß. In ihr stand das hohe Kreuzbild des Heilandes, welches Witiko, da er in der Sendung Soběslaws in Prag war, in dem Bischofhause neben der Tür gesehen hatte, durch welche die Bischöfe Silvester und Zdik heraus getreten waren. Sonst standen einfache Geräte da, und die zwei Fenster sahen auf die Bäume und Gesträuche des Gartens hinaus.

»Setze dich auf eines dieser Gesiedel«, sagte Silvester.

Witiko tat es.

[] Dann setzte sich Silvester auf ein anderes, und sprach: »Ich sage dir noch einmal einen Gruß in dem Herrn, daß du zu mir gekommen bist. Kann ich dir einen Dienst erweisen?«

»Ich bin zu Euch gekommen«, entgegnete Witiko, »weil mich der Dank an Euch bindet, welchen ich damals nur kurz erweisen konnte, als ich von Wladislaw ging, da er den Herzogstuhl bestiegen hatte, und ich bin zu Euch gekommen, weil mich die Liebe an Euch bindet; denn Ihr habt in jener Versammlung auf dem Wyšehrad, heiliger Vater, die besten Worte geredet.«

»Nenne mich nicht einen heiligen Vater«, antwortete Silvester, »es wäre wie Hohn und Spott; ich bin in meinen Werken ein gebrechlicher Mensch, ich konnte die Worte nicht finden, jene Versammlung zu bewegen, und kann meine Klosterbrüder nicht leiten, sie lieben mich, und folgen mir nicht. Die Gemüse gedeihen leidlich, wenn ich sie begieße, und ihnen die gehörige Erde gebe. Ich bin nicht einmal ein rechter Gärtner für den folgsamen Kohl und die gelben Blumen.«

»Ihr habt aber doch alle Vorkommnisse erkannt«, sagte Witiko.

»Ich habe nur erkannt, was gut ist«, antwortete Silvester, »und das hat mir mein Heiland gesagt, und mit dem Guten ist alles andere verbunden, wenn es auch die Augen nicht sehen.«

»Wenn mir undeutlich ist, was ich tun soll«, sagte Witiko, »so erlaubet, daß ich in Euern Garten komme, und Euch um das Gute frage, an welchem das andere dann hängt, ich werde Euch kurz fragen, daß ich Euch die Zeit nicht entziehe, und ich werde doch einer sein, der Euch folgt.«

»Komme, so oft du willst«, antwortete Silvester, »und so oft dein Herz dich mahnt; jeder Mensch muß dem andern helfen, wenn Hilfe not tut, und er muß auch helfen, [] wenn Hilfe nicht not tut, wenn er aber doch darum gebeten wird, und der Priester muß noch mehr helfen, weil er der Priester ist, und der oberste priesterliche Vater des Landes muß am meisten helfen, weil er der oberste priesterliche Vater des Landes ist, und ich wäre es gewesen, wenn mir Gott nicht durch ein Geschehnis gezeigt hätte, daß ich dieses Land nicht zu dem heiligen Geiste versammeln kann. Ich habe es einem andern überlassen. Zu dem Guten aber, Witiko, tut Hilfe nicht not; denn das weiß ein jeder Mensch.«

»Und warum tut er es denn nicht?« fragte Witiko.

»Weil er gegen das Wissen handelt, wenn ihn die Lust oder die Schlauheit treibt«, sagte Silvester. »Im Nützlichen kann man dem Menschen raten, wenn man es kennt.«

»Und dann befolgt er den Rat nicht«, sagte Witiko.

»Weil er es selber besser zu wissen meint«, entgegnete Silvester, »und so kommen die Erfahrungen. Es sind sehr viele Dinge, mit denen die Menschen sich beschäftigen. Wir haben in unserem Klosterbesitze Wälder, die uns vor dem Froste des Winters schützen, von denen wir bauen, die uns die Speisen bereiten helfen, und die uns noch Tiere und Gewächse liefern. Wir pflegen sie. Wir haben Felder und Wiesen, auf denen Dienliches sprosset. Wir warten ihrer sorgsam. Wir haben Untertanen, Grundhörige, Gewerkleute und Volk, die Brüder suchen sie zu lenken. In diesem Garten ist Obst, Gemüse, Blumenwerk, wir hegen es, und teilen den Menschen gerne mit, die um uns sind, und unterrichten sie.«

»Ich bin mit Leuten aus dem Walde, welche in den Krieg gingen«, sagte Witiko, »und welche sich dann meiner Führung anvertrauten, zu dem jetzigen Herzoge Wladislaw gezogen.«

»Wladislaw, der Sohn unseres verstorbenen Herzoges Soběslaw«, sagte Silvester, »hat nicht geantwortet, als sein [] Vater auf dem Sterbebette zu ihm gesagt hatte, er solle sich Wladislaw, der jetzt Herzog ist, unterwerfen. Dann hat er sich dem Herzoge von Znaim, Konrad, gegen Versprechungen hingegeben. Den jetzigen Herzog Wladislaw haben viele Herren der Länder Böhmen und Mähren gewählt, und sie haben sich die Macht zur Wahl selber gegeben. Und so ist jetzt überall kein Recht. Seit dem Aufhören der Alterserblichkeit sind die Herzoge durch die Gewalt Herzoge gewesen, und wir haben ihnen gehorcht. Der Herzog Wladislaw ist auch durch die Gewalt Herzog, und die Guten sind zu ihm gegangen. Was Bolemil getan hat, was Lubomir getan hat, und was der rechtschaffene Diwiš getan hat, das hast du auch getan, mein Sohn.«

»Ich meine, Wladislaw handelt wie ein guter Herzog«, sagte Witiko.

»Er hat bisher so gehandelt«, antwortete Silvester, »und ich glaube, daß er auch im Künftigen so handeln wird. Er ist großmütig, wie sein Vater großmütig gewesen ist. Er ist ein besserer Mann als Wladislaw, der Sohn Soběslaws. In diesem Gedanken hat der ehrwürdige Bischof Zdik gehandelt. Das Gute, das geworden wäre, wenn die Männer auf dem Wyšehrad an dem Rechte gehalten hätten, und das Gott auch mit dem minderen Manne Wladislaw eingeleitet hätte, kann nun nicht mehr werden. Der Herzog Wladislaw wird ein anderes Gute bringen, und er wird das Schlechte, das aus dem Unrechte auf dem Wyšehrad folgen muß, zu vermindern streben, wie er es jetzt schon getan hat. Aber er wird nicht alles vermeiden können, wie er es jetzt nicht vermocht hat. Heiligtümer sind dahin, Menschenleben sind verloren, und Gut ist zerstört. Das Gericht ist viel früher gekommen, als ich gedacht habe, und mancher steht vor Gottes Thron, und muß sagen, was er getan hat. Načerat, der Höchste, ist erschlagen worden, und sein Sohn, der blühte, ist von[] einem Manne gefallen, dessen Namen vorher nur die nannten, denen er die Hufe der Rosse beschlagen hatte. Ich bedaure den wohlmeinenden Zdik. Mein Gebet um Schonung ist nicht erhört worden, weil ich sündig bin, und Gott weiser ist. Das Gericht dauert noch fort, viele Lippen werden klagen oder beten oder fluchen. Ich ziehe nicht in den Krieg; aber ich bitte Gott, daß Wladislaw siege.«

»Und wie wird er dann gegen die Herzoge verfahren?« fragte Witiko.

»Wenn sie sich reuig unterwerfen, wird er ihnen verzeihen, und sie noch mit Gnaden begaben. Er wird selbst dem undankbaren Otto nicht nach dem Leben streben.«

»Wenn er doch dem verblendeten Wladislaw verziehe, und den andern Kindern Soběslaws stets liebevoll wäre«, sagte Witiko.

»Er wird es sein«, sagte Silvester, »wie er es bis jetzt gewesen ist, und wie er ehrerbietig gegen die sanfte Adelheid gewesen ist. Den Knaben Wladislaw, der sich sein eigenes Recht nicht zu erhalten wußte, achtet er nicht hoch, und fürchtet ihn nicht.«

»Ich möchte recht gerne Wladislaw einen großen Dienst tun können«, sagte Witiko, »daß ich das Recht gewänne, für die Kinder Soběslaws zu bitten.«

»Das Recht hast du auch jetzt schon«, antwortete Silvester, »wie ein jeder. Wladislaw ist für dich gut gesinnt. Er erkennt die Treue, die du Soběslaw erwiesen hast, und mit der du an ihm halten wirst.«

»Ich werde ihm die Treue bewahren«, sagte Witiko, »wem ich den ersten Dienst tue, dem tue ich auch den zweiten und den dritten, und alle, wenn auch er die Treue gegen die Seinigen bewahrt.«

»Er wird sie bewahren«, sagte Silvester, »die Reichen und Mächtigen der zwei Länder sind gegen ihn, die Geringeren sind mit ihm, er wird sie belohnen, daß sie ihm in [] der Beherrschung der Länder beistehen, und wird an ihnen halten, wie er an dir gehalten hat, da du noch gar nicht bei ihm warst. Er hat in Nürnberg mit dem hochehrwürdigen Kardinale Dietwin geredet, daß der Heilige Vater in Rom einen Boten in das Land Böhmen schicke. Mögen ihn die Engel begleiten, daß der Glaube, den der gottselige Herzog Bořiwoy gegründet hat, und den die Heiligen Wenzel und Adalbert zu befestigen gestrebt haben, die Gewalttätigkeit hindert, die noch in den Geschlechtern lebt, und daß der Glaube über allem sei, wie dieses geschnitzte Bild des Heilandes, das einmal ein guter Abt dieses Klosters, Božetěch, mit seinen eigenen Händen verfertigt hat, vor den Geräten des Gemaches hervorragt, die zu täglichem Dienste sind. Du hast öfter mit Besonnenheit gehandelt, Witiko, wandle in Demut vor Gott, und trachte nicht nach Macht, dann werden die Deinigen Großes wirken, wenn sie nicht auch Bedrückung und Gewalt üben, und sich dadurch zerstören. Der Herzog Wladislaw kann Ruhm und Ansehen über dieses Land bringen, mir deucht, er hat etwas, das dieses vermag; aber ich meine, daß es besser wäre, wenn er in dem Lande mit Segen, als draußen mit Ruhm genannt würde. Doch, wie es Gott fügt, ist es gut.«

»Ich werde tun, wie Ihr gesagt habt, hochehrwürdiger Vater«, antwortete Witiko, »und will Euch als ein Vorbild meiner Handlungen nehmen.«

»Dann tust du nicht gut, Witiko«, sagte Silvester, »wähle dir dein Vorbild aus den christlichen Helden, die gelebt haben, oder aus den Männern in unsern Ländern, die Krieger und doch weise und mäßig sind.«

»Ich trage noch eine Bitte in mir, ehrwürdiger Vater, derentwillen ich eines Teiles zu Euch gekommen bin«, sagte Witiko.

»So sprich«, entgegnete Silvester.

»Ich habe auf einem Zuge, den ich mit meiner Schar und [] mit Odolens Schar machte, die Herzoge Wratislaw, Otto und Wladislaw im Kampfe absichtlich entrinnen lassen«, sagte Witiko, »damit sie zu Konrad von Znaim kämen, und ihm berichteten, wie seine Sache ohne Hoffnung sei, daß er abziehe, und der weitere Krieg vermieden würde. Sagt mir, hochehrwürdiger Vater, ob das, was ich getan habe, gut ist, wie Ihr gut nennt.«

»Ich weiß es, was du getan hast«, sagte Silvester, »und ich meine, daß es nicht gut ist. Du hast dich dem Herzoge als Krieger verpflichtet, und hattest nur zu tun, was die Sache des Krieges ist.«

»Ich danke Euch, hochehrwürdiger Vater, für alle Worte, die Ihr zu mir gesprochen habt«, sagte Witiko, »es ist gut, daß ich Euer Urteil weiß.«

»Und was wirst du denn jetzt, da noch Ruhe ist, beginnen?« fragte Silvester.

»Ich werde nach Přic gehen«, antwortete Witiko, »dann werde ich zu meiner Mutter gehen, die ich schon lange nicht gesehen habe, und wenn die Zeit ist, in der ich wieder einen kleinen Dienst tun kann, werde ich kommen.«

»Handle so, mein Sohn«, sagte Silvester. »Enden wir die Rede, es naht die Stunde des Mittagmahles, folge mir in das Speisegemach, und teile unser Brod und unsern Trunk mit mir und meinen Brüdern. Lasse dein Pferd pflegen, oder pflege es selber, wie du gewohnt bist, und bleibe so lange in dem Kloster, als es dir gefällt.«

Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Sitze, Witiko erhob sich auch, und in kurzem gingen die zwei Männer aus dem Gemache, und wandelten durch den Gang in die Speisestube.

Witiko blieb vier Tage in dem Kloster an der Sazawa, und betrachtete die Gegenstände, welche in dem Kloster waren, und die Wälder und die Gärten und die Felder.

Am fünften Tage nahm er Abschied. Silvester sprach:

[] »Komme wieder, du wirst mit Freundlichkeit empfangen werden.«

»Ich werde kommen«, sagte Witiko, »weil Ihr so gut seid.«

Dann bestieg er sein Pferd, und ritt in der Richtung gegen Přic davon.

In dem Hofe von Přic, der dem Geschlechte Witikos gehörte, blieb er eine lange Zeit, und tat, wie er dem Hofe für ersprießlich hielt.

Eines Tages kam gegen den Untergang der Sonne ein Mann geritten, welcher ein braunes weites Gewand an hatte, das mit einem schwarzen Lederriemen gegürtet war. Auf dem Haupte hatte er eine braune Filzhaube ohne Feder oder sonstiges Zeichen. Aus dem Angesichte floß ein langer brauner Bart auf das Gewand. Von Waffen konnte man nichts an ihm bemerken. Der Mann begehrte eine Nachtherberge in dem Hofe. Sie wurde ihm gewährt. Witiko sagte zu dem Knechte »Kuto, führe das Pferd in den Stall.«

Er selber führte den Mann in die große Stube. In derselben setzte sich der Mann auf die Bank neben dem großen Buchentische. Eine Magd stellte Brod und Salz und einen Krug mit Bier auf den Tisch. Der Mann nahm von dem Brote und Salze, und trank von dem Biere. Dann, da es zu dem Abendessen kam, erhielt er ein Stücklein geräucherten Schweinfleisches. Witiko wies ihm hierauf eine Schlafkammer an. Als der nächste Morgen erschienen war, sagte Witiko zu dem Knechte: »Kuto, ich werde mit dem fremden Manne fort reiten, und du mußt mich geleiten. Richte dich zurecht.«

Dann sagte er: »Mira, Glota, Wacemil, ihr hütet mit den andern das Haus, bis ich wieder komme.«

Dann legte er sein Ledergewand an, und in kurzer Frist ritten die drei Männer von dem Hofe weg.

Sie ritten mittagwärts dem Walde zu. Im Walde ritten [] sie auf einem schmalen Pfade zwischen die Bäume hinein. Sie ritten auf dem Pfade unablässig fort. Zuweilen trank einer aus einer Quelle, die an allen Orten im Walde rieselten. Da es wärmer wurde, hielten sie auf einem Rasenplatze an, neben dem ein Bach floß, und gaben den Pferden etwas Nahrung und Trank. Dann ritten sie wieder weiter.

Am Mittage kamen sie zu Waldhütten, die den Namen Elhenic hatten. Dort gaben sie den Pferden ihre Mittagpflege, und sie selber aßen Gerstenbrote, Milch und Eier, und tranken von dem Waldwasser. Nach zwei Stunden ritten sie wieder ihres Weges. Sie ritten nur einmal noch am Nachmittage an Hütten vorüber, die den Namen Tiš führten. In der Zeit nach der Hälfte des Nachmittages nährten sie ihre Pferde wieder ein wenig, und setzten dann ihren Weg fort. Sie kamen in den dichten Wald des Andreasberges und von ihm hinunter auf Ogfolds Heide, auf welcher schon die Büsche und Gräser von der untergehenden Sonne rot waren. Von Ogfolds Heide ritten sie den hohen Tannenwald hinan, und dann seinen langgestreckten Abhang hinunter, und dann wieder hinan, und wieder hinunter. Am Ende des letzten Abhanges gelangten sie in freies Land. Sie sahen an dem Abendhimmel einen flachen kegelartigen Berg. Sie ritten an seiner linken Seite dahin, und erblickten dann den keildachigen Turm und die Kirche und dann die mittagwärts hinabgehenden Häuser des oberen Planes. Sie ritten in den Ort, und von ihm wieder hinaus in das steinerne Haus Witikos.

Die Bewohner des Hauses schliefen schon. Witiko stieg von dem Pferde, und klopfte mit dem Klöppel an die Tür. Ein Fenster wurde geöffnet, Martin sah heraus, und tat einen Ruf der Freude, da er Witiko erblickte. Er öffnete hierauf das Hoftor, und Witiko ging mit seinem Pferde hinein, und der Fremde und Kuto ritten in den [] Hof. In demselben stiegen sie ab. Es kam nun auch Raimund, der Knecht, und Lucia, die Magd. Martin klagte, daß man drei Pferde nicht werde in den Stall bringen können, wenn man nicht die Kühe in den Schoppen stelle. Witiko ließ die Pferde in den Schoppen führen, und dort anhalftern. Die Magd Lucia sendete er in die Stube um ein Licht in einer Laterne. Als sie damit zurückgekommen war, wurden die Pferde weiter versorgt, und es wurde längs der offenen Seite des Schoppens eine Mauer aus Strohbünden gemacht. Dann gingen die Männer in die Stube. Lucia brachte Brod und Salz und Butter und Käse. Sie wollte um Bier zum Schenken gehen; Witiko ließ aber nicht zu, daß sie jemanden wecke. Die Männer aßen von dem Brote, vom Käse und Butter, und tranken Wasser, welches ein Strahl lieferte, der hinter dem Hause in eine Steinkufe rann. Dann suchten sie die Nachtruhe.

Am nächsten Morgen sendete Witiko Kuto zurück, und sagte dem Knechte Raimund, daß er sich rüste, ihm und dem Manne in dem braunen Gewande zu folgen. Da alles in Bereitschaft war, und da die Männer die warme Milch, welche Witiko hatte bereiten lassen, getrunken hatten, bestiegen sie ihre Pferde. Raimund war in das grobe graue Gewand gekleidet, das man in der Gegend hatte, trug eine kurze Wurflanze in der Hand, und hatte ein kleines Beil in die Schleife seines Sattels gesteckt. Sie ritten nun auf dem Wege gegen den Wald des heiligen Thomas, und nach kurzer Frist lenkte Witiko von dem Wege gegen mittagwärts. Sie kamen bald an das Ufer der Moldau, und durchritten das Wasser, das an dieser Stelle seicht war, und ritten jenseits im Sumpfgrunde auf einem festen Riegel einem rauschenden Bache entgegen. Sie kamen in den dichten Wald der Glöckelberge, ritten in ihm drei Stunden lang fort, und gelangten dann zu dem Berge des heiligen Ulrich hinunter. Dort hielten sie Mittagruhe [] und Mittagpflege in den Gefilden des bayrischen Herzoglandes. Nach zwei Stunden Rast ritten sie in der Richtung zwischen Abend und Mitternacht an dem Wasser der entgegen kommenden Mihel weiter, und da noch die Sonne hoch am Himmel stand, bogen sie wieder von der Mihel gegen Mitternacht, und ritten dem Hause zu, in dessen Nähe Witiko an einem Sonntage das Mädchen Bertha mit Waldrosen bekränzt gefunden hatte, und wo er als Gast aufgenommen worden war.

Die Männer ritten an das Tor des Hauses. In dem Tore öffnete sich ein Schubfach, und das Haupt eines Knechtes sah heraus. Dann schloß der Knecht das Fach, und öffnete das Tor. Unter dem Bogen des Tores stand Heinrich, und sagte zu Witiko: »Seid gegrüßt. Es ist gut von Euch, daß Ihr auf meine Einladung nicht vergessen habt, und wieder einmal in mein Haus gekommen seid. Ihr werdet mit den Eurigen freundlich in demselben aufgenommen.«

»Ich danke Euch«, entgegnete Witiko, »wir bitten nur um Raum zu einer kurzen Rast für heute, um etwas Nahrung für uns und unsere Pferde und um eine Herberge für die Nacht. Mit dem frühen Morgen werden wir unsern Weg wieder betreten.«

»Wie es Euch gefällt, und wie Ihr in Absicht habt«, entgegnete Heinrich, »es wäre ein Unrecht, den Gast zu zwingen, länger zu bleiben, als er will, er wisse nur, daß er gerne begrüßt wird.«

»Ich danke Euch für Eure Gesinnungen«, sagte Witiko.

»So reitet ein«, antwortete Heinrich.

Nach diesen Worten trat er seitwärts, und Witiko ritt mit seinen Gefährten in den Hof. Dort stiegen sie von den Pferden. Der Knecht, welcher das Tor geöffnet hatte, und ein anderer, welcher herbei gekommen war, nahmen die Pferde, und führten sie in den Stall. Heinrich geleitete Witiko gegen eine Tür, die von dem Hofe in das Gebäude [] ging, die zwei andern folgten. Als sie an der Tür angelangt waren, sah Witiko, daß von ihr mehrere Stufen empor führten. Er stieg mit seinem Gastherrn die Stufen hinan. Dann gelangten sie in einen Gang, in dessen Mitte ein Fallgitter war, unter welchem sie hindurch gingen. Dann kamen sie an eine Tür. Heinrich öffnete sie, und ließ die Männer in ein Gelaß, welches aus zwei Gemächern bestand, und Geräte und Betten hatte.

»Hier haltet Rast und Herberge, Witiko«, sagte Heinrich, »Ihr seid von allem Geräusche entfernt. Und wenn es Euch dann genehm sein wird, so kommt zu meiner Haufrau, sie zu begrüßen.«

»Ich werde bald kommen«, entgegnete Witiko, »sagt der hohen Frau indes meine Ehrerbietung.«

»Ich werde es tun«, antwortete Heinrich, »und gehabt euch wohl.«

»Gehabt Euch wohl«, sagte Witiko.

Heinrich verließ die Gemächer.

Die drei Männer standen nun in dem Raume, der ihnen angewiesen worden war.

»Ich werde nach den Pferden sehen«, sagte Raimund.

»Tue das«, entgegnete Witiko, »ich werde dir so gleich folgen.«

Raimund ging fort, der Mann in dem braunen Gewande setzte sich auf ein Gesiedel, das in einer Ecke stand, und Witiko verließ nun auch das Gemach.

Als er in den Hof kam, sah er dort den Knecht, welcher das Tor geöffnet hatte.

Der Knecht näherte sich ihm, und sagte: »Das ist sehr gut, daß Ihr gekommen seid, das ist sehr gut.«

»Es kann gut sein«, sagte Witiko, »und es freut mich, daß du das sagst.«

»Und das schöne Pferd habt Ihr auch noch, das bei den Köhlern gestanden ist«, sagte der Knecht, »und Ihr werdet wieder zu ihm gehen, wie damals.«

[] »Das werde ich tun«, antwortete Witiko, »wie heißest du denn?«

»Hando«, erwiderte der Mann.

»Nun, Hando«, entgegnete Witiko, »du wirst mir wohl behilflich sein, wenn ich etwas brauche.«

»Es ist der Befehl des Herrn, daß ich bei den Pferden bleibe«, sagte Hando, »ich glaube, daß Euer Pferd sehr rechtschaffen sein wird.«

»Es ist schon rechtschaffen gewesen, und wird wieder rechtschaffen sein«, sagte Witiko.

Nach diesen Worten ging Witiko von dem Knechte in den Stall. Er sah, daß die Pferde gut eingestellt und mit Decken versorgt worden waren. Er sagte Raimund noch genauer, was er tun solle, streichelte sein graues Pferd, und ging dann fort. Er ging über den Hof, und suchte den Saal, in welchem er einst von Heinrich empfangen worden war, und in welchem man das Mittagmahl eingenommen hatte. Er kam in den Saal. Der Saal war gerade so wie damals, er hatte die Tische, die Waffen, und an einem Fensterpfeiler hing auf einem Nagel ein Kopfgoldreifchen mit kleinen Öffnungen. Es war aber niemand in dem Saale. Witiko ging durch eine Tür in ein weiteres Gemach. Auch dieses war leer. Als er in demselben stand, hörte er Tritte kommen, und Heinrich ging herein. Er führte Witiko durch ein zweites Gemach, das gleichfalls leer war, in ein drittes, in welchem Wiulfhilt saß. Sie stand von dem Stickrahmen auf, und ging Witiko entgegen.

»Seid willkommen, Witiko«, sagte sie.

»Ich bringe meinen ehrerbietigen Gruß«, sagte Witiko, »ich bin in Euer gastliches Haus gekommen, hohe Frau, um darin um eine Nachtherberge zu bitten.«

»Und mein Gemahl und ich gewähren sie«, entgegnete die Frau, »und würden viele Nachtherbergen gewähren.«

[] »Mein Weg ruft mich morgen wieder weiter«, entgegnete Witiko.

»So genießet heute, was unser Haus vermag«, sagte Wiulfhilt.

Nach diesen Worten ging sie zu ihrem Sitze, und lud Witiko ein, sich auch nieder zu setzen.

Er tat es. Heinrich setzte sich auch.

Wiulfhilt richtete ihre blauen Augen auf Witiko, und sagte: »Ihr seid vier Jahre nicht in unserem Hause gewesen.«

»Ich habe oft an dasselbe gedacht«, entgegnete er.

»Dann gebt Ihr jenen Stunden, die Ihr da waret, ein gutes Gedächtnis«, sagte Wiulfhilt.

»Oft denkt man weniger Stunden, und vergißt vieler«, antwortete Witiko.

»Ja, so ist es«, entgegnete Wiulfhilt, »und wie Ihr in jener Zeit nicht einmal eine Nacht unter unserem Dache geblieben seid, so wollt Ihr heute auch wieder nur nach einer Nacht weiter.«

»Es hat sich alles gefügt«, sagte Witiko, »und fügt sich jetzt auch wieder.«

»Nun, so gehorcht Eurer Fügung, und möge sie immer eine günstige sein«, erwiderte die Frau.

»Es wechselt das Gute mit dem Übeln«, sagte Witiko.

»Und mit dem Ehrenvollen«, entgegnete Wiulfhilt, »Ihr seid lange bei dem böhmischen Herzoge Soběslaw gewesen, und seid von ihm zu dem Landtage geschickt worden.«

»Ich bin ein Jahr in Böhmen gewesen, da Soběslaw herrschte, und nur wenige Tage bei ihm, da er sich zum Sterben rüstete«, sagte Witiko, »und es ist kein Landtag gewesen, zu dem ich gegangen bin, erhabene Frau, sondern eine freiwillige Versammlung der Herren der Länder Böhmen und Mähren, um für das Sterben Soběslaws einen Nachfolger zu wählen, obgleich sie schon dem Sohne Soběslaws den Eid geleistet hatten. Ich bin auch [] nicht zu der Versammlung geschickt worden, sondern Soběslaw, der mir traute, wollte nur wissen, was in seiner Krankheit geschehe. Ich bin selber in die Versammlung gegangen.«

»Und Ihr habt dort geredet«, sagte Wiulfhilt.

»Und sie haben mich ihren Beratungen und Beschlüssen zuhören lassen«, antwortete Witiko.

»Seid Ihr bei dem Tode Soběslaws gewesen?« fragte Heinrich.

»Ich habe ihn sterben gesehen«, antwortete Witiko.

»Er hat sich dem Hohenstaufen Konrad verbündet, und ist ein Feind unseres verstorbenen Herzoges Heinrich gewesen«, sagte Heinrich, »aber ich habe ihn doch geehrt, und habe es ihm gezeigt, wenn ich ihn gesehen habe.«

»Habt Ihr seine Adelheid gesehen, Witiko?« fragte Wiulfhilt.

»Ich habe mit ihr gesprochen, und sie hat mir die Geschenke des Herzogs für meinen Dienst gegeben«, antwortete Witiko.

»Wie hat sie den Tod ihres Gemahles ertragen?« fragte Wiulfhilt.

»Sie hat für ihn gebetet, und ist in Trauer gestorben«, sagte Witiko.

»Wir haben davon gehört«, entgegnete Wiulfhilt; »ist für ihre Kinder gesorgt worden?«

»Der Herzog Wladislaw ist ehrfurchtvoll gegen Adelheid gewesen«, sagte Witiko, »er ist großmütig gegen ihre Kinder, und er wird selbst gegen den aufständigen Wladislaw nicht hart sein.«

»Ihr seid, da auf dem Herzogstuhle gewechselt worden, lange in dem oberen Plane gewesen, Witiko«, sagte Wiulfhilt.

»Da ist eine traurige Zeit verflossen«, entgegnete Witiko, »ich wollte dem neuen Herzoge nicht dienen, und bin in dem kleinen Hause geblieben, das wir in Plan besitzen. [] Ich habe nur mit den Waldleuten geredet und einmal mit einem alten Župane und zwei kleinen Herren des Landes, ich habe meine Mutter nicht gesucht, und konnte nichts tun, als was ein Knecht bei einem kleinen Hausverwalter tut.«

»Ihr habt Euch aber dann dem Herzoge Wladislaw zugewendet«, sagte Heinrich.

»Da der andere Wladislaw, der Sohn Soběslaws, sein Recht aufgegeben hatte, bin ich im Gedächtnisse der Sterbeworte Soběslaws, die seinem Sohne die Unterwerfung an Wladislaw angeraten hatten, zu dem Herzoge gegangen.«

»Und Ihr seid in der Schlacht gegen die Mährer und bei den anderen Kämpfen gewesen«, sagte Heinrich.

»Nicht bei allen, da ich anderwärts hin befohlen wurde«, antwortete Witiko.

»Wladislaw ist der Sohn des Herzoges Wladislaw, der ein starkmütiger Mann gewesen ist, und er ist der Neffe des Herzoges Soběslaw, der auch ein starkmütiger Mann gewesen ist, und er wird selber starkmütig sein«, sagte Heinrich.

»Gegen mich ist er gut und freundlich gewesen«, sagte Witiko.

»Es wäre ersprießlich, wenn auch in unserem Herzogtume Baiern alles geordnet würde«, sprach Heinrich, »es haben in den Kämpfen viele Männer, denen noch eine lange Zeit auf der Erde bevor stand, das Leben verloren, andere haben auch sonst ihr Ende gefunden. Unser hochsinniger Herzog Heinrich, der zwischen den Meeren gebot, und dem der Kaisermantel gebührte, ist aus der Welt gegangen, Richenza, die Witwe des Kaisers Lothar, die als Heldin bei den Sachsen stand, ist in das Grab gestiegen, und Leopold, der Markgraf von Österreich, den der König Konrad mit dem Herzogtume Baiern belehnt hatte, und der sich dieses Herzogtum mit allen Kräften erstreiten wollte, liegt in der Erde. Und Adalbert, der[] Erzbischof von Mainz, der dem Könige Konrad so feindlich gewesen ist, mußte von hinnen. Jetzt vermählen sie die Witwe unseres hohen verstorbenen Herzoges dem feindlichen Geschlechte, Heinrich, dem Bruder Leopolds, dem Markgrafen von Österreich. Das Söhnlein unsers mutvollen Herzoges belohnten sie mit Sachsen, und Baiern behält der König Konrad noch für einen Ergebenen in der Hand. So meinen sie es geendiget zu haben. Aber es wird wieder auferstehen, und mancher Mann, nachdem er in vielen Ländern und Kämpfen gewesen ist, kann sich den Sitz der Ruhe nicht gründen, indes die besten Jahre dahin gehen.«

»Tragen wir es«, sagte Wiulfhilt, »Gott kann alles fügen, und kann uns Freuden bereiten, die wir gar nicht vermutet haben.«

»So füge er es«, antwortete Heinrich, »und füge es bald. Ihr habt Euch bei den Leuten Vertrauen erworben, die in dem Walde wohnen, Witiko.«

»Ich liebe das lange und breite Waldesband und seine Leute«, sagte Witiko.

»Im Walde stehen noch viele Dinge bevor«, sagte Heinrich, »beachtet sie, Witiko.«

»Ich suche nach dem Rechten zu streben, so wie ich es verstehe«, sagte Witiko.

»Tut immer so, dann könnt Ihr manches erreichen«, entgegnete Heinrich.

»Ihr seid in den Jahren, die wir Euch nicht gesehen haben, viel stattlicher geworden, Witiko«, sprach Wiulfhilt.

»Die Jugend ändert sich schnell«, sagte Heinrich, »in späteren Zeiten ist man oft Jahre lang gleich.«

»Ihr scheint mir auch wirklich wie damals, hochedle Frau«, sagte Witiko, »selbst die Haare tragt Ihr wieder im Goldnetze.«

»Das ist so die Gewohnheit«, sagte Wiulfhilt, »habt Ihr Euch das gemerkt?«

[] »Es ist so, als wäre seit jenen Tagen keine Zeit vergangen«, sagte Witiko.

»Nun, wenn Ihr wieder nach mehreren Jahren erst abermals hieher kommt«, sprach Heinrich, »möget Ihr uns dann auch als die gleichen und nicht älter sehen als heute.«

»Oder mögen alle Verwirrungen enden, und möget Ihr bald wieder zu uns kommen, und länger bleiben«, sagte Wiulfhilt.

»Wenn ich den freundlichen Empfang wie die zwei Male erwarten darf, werde ich wiederkommen«, antwortete Witiko.

»Der Empfang wird immer gut sein«, erwiderte Heinrich.

»Ich habe Euch, erhabene Frau, den Ankunftsgruß gebracht«, sagte Witiko, »und Eure Zeit genommen. Erlaubet, daß ich Euch nun verlasse.«

Mit diesen Worten stand er von seinem Sitze auf.

Wiulfhilt sagte: »Nehmt noch einmal das Willkommen, und handelt bei uns nach Euerm Gefallen.«

»Gebraucht Eure Zeit nun für Euch, Witiko«, sagte Heinrich, »und seid gedenk, daß Ihr, wenn die Glocke schallt, mit den Eurigen zum Abendessen kommt.«

»Ich werde folgen«, antwortete Witiko.

Er verließ hierauf das Gemach.

Er ging jetzt wieder in die Kammern, die ihm zur Herberge angewiesen worden waren. Dort standen auf einem Tische Speisen und Wein; aber es saß niemand vor ihnen. Raimund war nicht da. Der Mann in dem braunen Gewande lag angekleidet auf einem Bette, und schlief.

Witiko verließ nun auch die Gemächer wieder.

Er ging durch den Hof in das Freie. Dort lenkte er seine Schritte dem rauschenden Wasser entgegen, das von dem Walde der drei Sessel herab floß. Er ging auf dem weichen Rasen dem Wasser entgegen und dem großen breit aufsteigenden Walde zu. Als er an den Rand desselben [] gekommen war, teilte sich der Weg. Der eine Zweig ging gerade zwischen den Stämmen empor in der Richtung gegen die drei Sessel, der andere ging links an dem Saume des Waldes fort. Witiko wendete sich gegen diesen Pfad. Da sah er in der Tiefe unten, in welche ein Arm des Wassers hinab floß, auf einem Steinblocke zwischen Gebüschen den Mann mit den schwarzen krausen Haupthaaren sitzen, der einmal im Hauzenberge den Topf mit Draht umwunden, und den Heinrich im Waldhause Wolf geheißen hatte. Der Mann blöckte seine weißen Zähne gegen Witiko, lächelte, und wies öfter mit seinem Finger in der Richtung des Waldsaumweges hin.

Witiko ging auf diesem Wege fort.

Er ging zuerst an dem Waldrande, dann zwischen Stämmen, dann wieder frei an dem Waldrande, immer aufwärts. Dann gelangte er zu einem sehr großen Granitsteine, der aus dem weichen Grase emporstand, und höher als eine Waldhütte war, und nach unten auf Ahorne und das Waldhaus und weiter hin auf Berge blicken ließ. Vor dem Steine war eine Bank aus Holz, und neben der Bank stand Bertha, die Tochter Heinrichs. Zu ihren Füßen war grüner Rasen, unter ihr graues Gestein, ober ihr graues Gestein, und hinter ihr der dunkle Wald.

Sie hatte nicht wie damals, da Witiko sie zuerst gesehen hatte, die weißen Ärmel des Hemdes und die Zöpfe, sondern ein reiches veilchenfarbenes Kleid und die Haare in einem silbernen Netze.

Sie stand, und sah auf Witiko, Witiko sah auf sie.

Dann sagte sie: »Bist du gekommen, Witiko?«

»Ich bin gekommen«, sagte er, »und du stehst wieder wie meine Weissagung am Rande des Waldes, aber ohne Rosen.«

»Man könnte allerlei Kränze tragen«, sagte Bertha, »von dem Heidekraute, von dem wohlriechenden Kunigundenkraute, von den grünen Blättern der Preußelbeeren.«

[] »Die dunkelrote Waldrose ist dein schönster Schmuck«, entgegnete Witiko, »und mein Glück. O Bertha, du bist sehr schön geworden.«

»Du bist auch schön geworden, Witiko«, sagte Bertha, »und du bist zwei Jahre in dem oberen Plane jenseits des Waldes gewesen.«

»Meine Mutter hat dort ein kleines Haus«, antwortete Witiko.

»Und in dem Hause bist du gewesen«, sagte Bertha, »du hast geholfen, kleine Arbeit zu tun, du bist zu Leuten in die Stuben gegangen, du hast Leute in deine Stube geladen, du bist auf deinem grauen Pferde die Wege um Plan geritten, du hast Nachbarn in dem Walde und fern des Waldes besucht, und bist auf den Berg gegangen, auf welchem das rote Kreuz steht.«

»Ich habe von dem Berge auf die Wälder geschaut, die rings um ihn zu sehen sind«, antwortete Witiko.

»Die Mädchen von Plan nennen den Berg Witikos Berg«, sagte Bertha.

»Das habe ich nie gehört«, entgegnete Witiko.

»Sie haben ihn so genannt, als du dort warest«, erwiderte Bertha, »und nennen ihn so, da du fort warest. Du bist mit den Leuten des Waldes auf den Berg Wysoka und in die Stadt Prag gegangen, und hast sie wieder in ihre Heimat zurückgeführt.«

»Woher weißt du denn diese Dinge, Bertha?« fragte Witiko.

»Von der Moldau sind viele Wege herüber, mancher heilige Mann geht sammeln, und unser Knecht Wolfram kennt alle Fluren.«

»Der Berg heißt der Kreuzberg«, sagte Witiko.

»Du bist zu dem Herzoge Soběslaw gegangen, und hast ihm treu gedient«, sprach Bertha.

»Er ist unserm Lande ein gerechter und wohltätiger Herrscher gewesen«, sagte Witiko.

[] »Du bist zu ihm auf die Burg gegangen, da er sich zum Sterben rüstete«, sagte Bertha, »und bist bei ihm geblieben, da sich die Herren zur Wahl eines Nachfolgers versammelten.«

»Manche sind treu geblieben, manche sind abgefallen« sagte Witiko.

»Und du bist für den Herzog nach Prag gegangen«, sprach Bertha, »bist in die Versammlung der Herren gegangen, hast sie bewogen, hast sie gehört, und dem Herzoge die Botschaft gebracht.«

»So ist es gewesen, Bertha«, sagte Witiko.

»Und du bist bei des Herzoges Sterben und seiner Bestattung gewesen«, sagte Bertha, »und bist von dem neuen Herzoge auf zwei Jahre Groll in den Wald gegangen.«

»Nicht auf Groll«, antwortete Witiko, »sondern ich habe dem Herzoge nicht gedient, weil noch das Recht bei Wladislaw, dem Sohne Soběslaws, war.«

»Und nach dem Ende dieses Rechtes«, sagte Bertha, »bist du mit den Guten zu dem andern Wladislaw gegangen, du bist in der Schlacht auf dem Berge Wysoka gewesen, du hast den Schaden der Verräter gut gemacht, du hast nach dem Tode Smils den Befehl über die Waldleute geführt, und hast in dem Kampfe ein weißes Schild mit der dunkelroten fünfblättrigen Waldrose getragen.«

»Was ich getan habe, weiß ich nicht mehr genau«, antwortete Witiko, »aber den weißen Schild mit der dunkelroten fünfblättrigen Waldrose habe ich getragen.«

»Ihr seid, du und die Waldleute, mit dem Herzoge nach Prag gezogen«, sagte Bertha, »du bist ihr Führer geworden, du bist mit dem Herzoge zu dem Könige Konrad nach Nürnberg geritten, du hast mit Odolen die Feinde geschlagen, und hast die mährischen Fürsten entrinnen lassen. Der Herzog hat in dem Gerichte darüber dich geehrt, und du bist mit den Waldleuten wieder nach Plan gegangen.«

[] »So ist alles, Bertha«, sagte Witiko.

»Ich weiß es«, antwortete Bertha; »aber weißt du, was ich gesagt habe?«

»Nein, ich weiß es nicht«, antwortete Witiko.

»Ich habe gesagt«, entgegnete Bertha, »keiner soll mein Gatte werden, der nicht ist wie Witiko, oder er selber soll mein Gatte werden. So habe ich gesagt. Ihr aber, edler Witiko, seid nicht zu uns gekommen, und wisset nur, als ich Euch heute in unsern Hof reiten sah, bin ich von Euch fort zu dem Walde gegangen.«

»Und ich habe dich in dem Walde gesucht«, antwortete Witiko, »und mein Himmelgeschick hat mich dich finden lassen wie an jenem Sonntage. Du Bild des heitern Sonntages, Bertha, ich habe deinen roten Mund nicht vergessen, der auf den sonnigen Steinen gesprochen, und dein Auge nicht, das in dem Walde geglänzt hat. Da ist die schöne Dimut in dem Turme von Rowna, da ist die schöne Herzogin Gertrud in der Hofburg in Prag, da wandeln die schönen Frauen und Jungfrauen in den Straßen und Gärten von Prag, und wohnen in den hohen Häusern und Schlössern, da sind in dem Hoflager des Königs Konrad und in Nürnberg Frauen und Jungfrauen voll der Schönheit, in Plan, in Daudleb, in Wettern, in Friedberg, im Walde sind die Mädchen wie die Rosen; ich aber habe nicht vergessen, daß ich mit dir auf den Steinen des Waldes gesessen bin, und daß du höher bist als die Rosen.«

»Und doch hast du den Weg über den Wald herüber zu mir nicht gesucht«, sagte Bertha.

»Ich habe zu dir in jenem Walde unten einmal gesagt«, antwortete Witiko, »daß ich ein rechter Mann werden wolle. Und weil ich noch kein rechter Mann geworden war, bin ich aus Scham nicht gekommen, Bertha. Aber auf dem Kreuzberge bin ich gestanden, und habe auf den Wald geschaut, hinter dem ich dich zum ersten Male gesehen [] habe, und habe wieder auf den Wald geschaut. Ich wäre auch heute nicht gekommen, nur ein kleiner Umstand hat mich hergeführt. Aber ich wäre einmal gekommen, wenn ich ein rechter Mann geworden wäre, und hätte dann gesehen, ob du denkest wie ich.«

»Ja, Witiko, so ist auch alles recht, wie du getan hast«, sagte Bertha.

»Und ich werde kommen«, sagte Witiko.

»Und du weißt schon, wie ich denken werde«, sagte Bertha.

»So ist alles gut und klar«, sagte Witiko.

»Baue dir ein Haus, Witiko«, sagte Bertha, »und wenn dann noch keine Makel an dir ist, so folge ich dir, und harre bei dir bis zum Tode. Dann rede zu den Männern deines Landes, bringe sie zu dem Großen, und tue selber das Große.«

»Ich habe dir gesagt, daß ich das Ganze tun will, was ich kann«, antwortete Witiko.

»Ich will, daß dir keiner gleich ist«, sagte Bertha, »so weit die Augen blicken, es mögen unten die Bäume des Waldes emporstehen, oder die goldenen Felder der Ähren oder der grüne Sammet der Wiesen weit und weit dahin gehen.«

»Ich will zu dem Höchsten streben«, sagte Witiko.

»Und wenn du ein niederer Mann würdest«, sagte Bertha, »so würde ich als dein Weib von dir gehen, dahin du mir nicht folgen könntest.«

»Du gehst nicht, und alles wird sich erfüllen«, sagte Witiko.

»Alles wird sich erfüllen«, sagte Bertha.

»Und nun bitte ich dich um etwas, Bertha«, sagte Witiko.

»Sprich«, entgegnete Bertha.

»Lasse mich deine Lippen küssen, über welche einmal der Quell des Gesanges geklungen hat«, sagte Witiko.

»So küsse sie, Witiko«, sagte Bertha.

[] Und er nahete sich, und küßte ihren Mund.

Dann sagte er: »Wie schön ist die Stelle, darauf wir stehen, es hat jemand die Bank gebaut.«

»Ich habe sie errichten lassen«, entgegnete Bertha, »so wie ich die Steine habe legen lassen, auf denen wir vor vier Jahren gesessen sind.«

»Bist du oft hier?« fragte Witiko.

»Da wir in dem Walde waren, bin ich oft da gewesen, und habe an dich gedacht«, antwortete Bertha.

»Und wenn ich auf die Waldhöhen geschaut habe, auf denen eine Burg schön ragen würde«, sagte Witiko, »so schaute ich am längsten auf die Höhe der Sessel.«

»Und mein Herz jauchzte, als du sie auf dem Wyšehrad gezwungen hast, dir einen Sitz zu geben«, sagte Bertha.

»Und ich habe in meinem Sinne die Worte gesagt, die du im Walde gesprochen hast«, antwortete Witiko.

»Und ich habe auf Wolf gelauscht, wenn er von dir erzählte«, sagte Bertha.

»Ich habe dieser Tage das Gewand angelegt, das ich hatte, als ich dich zum ersten Male sah«, sprach Witiko.

»Ich dachte es«, antwortete Bertha.

»Ich habe die rote Rose auf dem weißen Schilde deinetwegen in dem Kampfe getragen«, sagte Witiko.

»Ich wußte es«, entgegnete Bertha.

»Und ich kann hier nur weilen, bis die Sonne des Morgens scheint, dann muß ich wieder fort«, sagte Witiko.

»Ich weiß es«, antwortete Bertha.

»Du weißt es?« fragte Witiko.

»Ja, ich weiß es«, sagte sie, »und lasse uns schnell zu den Eltern gehen.«

Sie wendeten sich. Witiko reichte ihr den Arm. Sie legte ihren Arm in den seinigen, und so gingen die zwei Gestalten auf den Pfad an dem Waldsaume dahin, und gingen auf dem Pfade gegen das Haus Heinrichs. Als sie gegen die Tiefe kamen, wo die zwei Wege sich vereinigen, [] sah Witiko den Mann Wolf noch immer auf dem Steine in der Schlucht neben dem Gebüsche sitzen. Da Wolf die Wandler erblickte, sprang er von dem Steine, und eilte in großen Sprüngen durch die Schlucht gegen das Haus. Witiko und Bertha aber gingen an dem Bache dem Hause zu, von dem Witiko vor kurzem allein herauf gegangen war.

Als sie das Haus erreicht hatten, gingen sie durch die nämliche Tür in dasselbe, durch welche Bertha Witiko herein geführt hatte, da er das erste Mal hieher gekommen war. Sie traten in den Vorsaal, und von demselben in den Saal. Er war leer. Hier löste Bertha ihren Arm von dem Witikos, und eilte in die ferneren Gemächer.

Witiko aber ging zu den Seinigen.

Der Mann in dem braunen Gewande schlief noch immer auf dem Bette, und Raimund war wieder nicht in der Herbergwohnung.

Witiko ging auch wieder von den Stuben fort, und ging gegen die Ställe.

An der Tür zu den fremden Pferden standen die Knechte Hando und Raimund, und sprachen.

»Hando«, sagte Witiko, »gehe zu deinem Herrn, und frage ihn von mir, ob ich zu dieser Frist zu ihm kommen, und mit ihm reden dürfe.«

»Ich werde es tun«, sagte Hando.

Er ging in das Haus.

Witiko sprach zu Raimund: »In unsern Kammern stehen Speisen und Getränke. Wenn du essen und trinken willst, so gehe hin, und nimm, was du bedarfst. Ich esse jetzt nicht. Der andere schläft, und lasse ihn schlafen.«

»Ich werde etwas von den Speisen nehmen«, sagte Raimund.

Der Knecht Hando kam zurück, und sagte: »Ich soll Euch zu dem Herrn führen.«

»So führe mich«, antwortete Witiko.

[] Der Knecht ging voran, Witiko folgte ihm. Aus dem Gange des Vorsaales hinter der eisenbeschlagenen Eingangstür führte der Knecht Witiko in ein Gemach, in welchem Heinrich an einem Tische saß. Er stand auf, da Witiko eingetreten war.

Da der Knecht sich entfernt hatte, sagte Witiko: »Wenn es Euch genehm ist, mich zu hören, so hätte ich Euch etwas mitzuteilen, das Euch und mich betrifft.«

»Sprecht, Witiko«, sagte Heinrich, »das Gemach ist zu meinem Gebrauche.«

Er wies auf einen Stuhl, und als sich Witiko darauf niedergelassen hatte, setzte er sich auf einen andern.

Witiko sprach: »Ich bin vor vier Jahren auf einem Ritte von Passau nach Böhmen in Euern Wald gekommen. Weil des andern Tages ein Sonntag war, ließ ich mein Pferd bei den Köhlern an der Mihel stehen, und ging in den Wald, um zu beten. Ich sah nach dem Gebete an dem Waldrande ein Mädchen stehen, das noch sehr jung war. Das Mädchen trug rote Waldrosen in einem Kranze um das Haupt. Ich sprach mit dem Mädchen, wir setzten uns auf Steine, und redeten Dinge, wie sie Kinder zu reden pflegen. Das Mädchen war Eure Tochter Bertha, und führte mich in Euer Haus. Ich habe das Kind nicht vergessen, und trug es in dem Sinne. Dann dachte ich, wenn ich etwas getan habe, daß ich zu den guten Männern unseres Landes gezählt werde, wolle ich kommen, und fragen, ob Bertha mein Weib werden könne. Die Zeit zu dieser Frage war noch nicht gekommen, weil ich noch nichts zu tun vermocht habe. Ich bin heute zu Euch geritten, Eure Gastfreundschaft für eine Nacht zu erbitten. Ihr gewährtet sie. Dann ging ich zu Eurer Gemahlin, um ihr den Ankunftsgruß zu bringen. Sie sprach mit Güte zu mir. Hierauf ging ich in den Wald. Es war mein Wille, Bertha zu suchen. Ich fand sie, und da kam vorzeitig aus dem Munde, was später hätte gesprochen werden sollen. [] Ich sagte, daß ich nie ein anderes Weib zu meiner Gattin nehmen werde als Bertha, und Bertha sagte, daß sie nie einen andern Mann zum Gatten nehmen werde als mich, und ich küßte Eure Tochter auf den Mund. Wenn Ihr ein Mann seid, der meint, daß durch diese Handlung die Gastlichkeit verletzt worden ist, so werde ich Euch die Genugtuung leisten, die Ihr gerecht fordern könnet. Morgen muß ich fortreisen. Bestimmt nach vier Tagen einen Tag, ich werde kommen. Was ich zu Bertha gesprochen habe, ist wie eine Handfeste, die gilt. Bertha tue, wie sie muß.«

Witiko schwieg.

Heinrich aber sprach nach einer Weile: »Witiko, jetzt höret mich an. Von dem alten Randshofe, dem Eigen der Pipine und der Söhne Karls, sieht man über die Brunnenau und den Innstrom wasserabwärts einen Fels, darauf die Burg Jugelbach steht. Die Burg ist das Haus unseres Geschlechtes. Ich bin Heinrich von Jugelbach. Man nennt mich Fahrirre, weil ich die Eigen vieler Herren gesehen habe, und über Land und Meer gefahren bin. Ihr seht aber an meinem Waldhause, daß ich auch stille lebe. Mein Vater ist Werinhart von Jugelbach, meine Mutter ist Benedicta von Aschach. Mein Bruder ist Gebhart von Jugelbach, der älteste Bruder Werinhart ist gestorben. Meine Gattin ist Wiulfhilt von Dornberg. Bertha ist unser einziges Kind. Der edle Mann, Adelram von Aschach, unser Großvater und der Vater unserer Mutter Benedicta, ist gestorben, und das Erbe von Aschach mit Mauten und Gebühren diesseits und jenseits der Donau ist an unsere Mutter gekommen, weil Adelram keine anderen Kinder hatte. Da ist in dem Aschachwinkel der Ort Hilkering, der gehört den zwei edlen Brüdern von Schillingsfirst, und der ist der einzige, welcher nicht ein Teil der Erbschaft ist. Ich und mein Bruder Gebhart sind von dem Inn an die Donau nach Aschach herab gestiegen, [] und werden zwei Burgen bauen. Die eine werden wir auf dem Berge hinter dem Orte Hilkering bauen, und sie wird Stauf heißen, und die andere werden wir auf der Waldhöhe, die von Aschach gegen die alte Stadt Eferdingen geht, bauen, und sie wird Schauenberg heißen, weil sie in das Land über die Donau schaut, darin die Mihel fließt, und in das Land, dahin die Donau geht, und auf die Berge, die gegen die Steiermark sind. Die von Jugelbach sollen in Stauf und Schauenberg groß werden, und in die Geschicke ihrer Länder hinein wachsen. Jetzt, Witiko, kennt Ihr unser Geschlecht. Nun will ich von der Genugtuung sprechen. Ihr habt in der Schlacht die rote Waldrose auf dem weißen Schilde getragen, sehet, daß die Rose in die Geschicke Eurer Länder hinein blühet, und dann kommt. Bis dahin ist Bertha von Euch getrennt, und seid Ihr von Bertha getrennt. Ist Euch diese Genugtuung gerecht?«

»Sie ist mir gerecht«, sagte Witiko, »ich danke Euch für Eure Worte. Ich habe nie gedacht, Bertha anders zu gewinnen als so, und ich habe nie gedacht, anders zu handeln, wenn auch Bertha nicht wäre.«

»Tut so«, sagte Heinrich, »und wenn eine Burg wird, in der die Rose ist, so denke ich, daß die Burg der Rose und daß Stauf und Schauenberg in gleicher Größe und in Wohlvernehmen fortbestehen mögen. Ihr seid als Gast in meinem Hause immer willkommen. Jetzt muß ich den Frauen verkünden, was wir gesprochen haben. Beurlaubet mich.«

Er stand auf, Witiko stand auch auf, die Männer reichten sich die Hände, und Witiko verließ das Gemach.

Da er in den Hof gekommen war, sah er Wolf.

Wolf ging eilig zu ihm, und sagte: »Ihr seid sehr lange nicht mehr in unser Haus gekommen.«

»Ist es dir lange geworden?« fragte Witiko.

»Ja«, entgegnete Wolf, »es ist mir lange geworden.«

[] »Ich habe nicht anders gekonnt«, entgegnete Witiko.

»Zählt nur auf mich, ich will Euch in allen Dingen beistehen«, sagte Wolf.

»Nun, ich werde es dir sagen, wenn ich deines Beistandes bedarf«, antwortete Witiko, »und werde dir dafür danken.«

»Es ist nicht Dankes halber«, sagte Wolf, »ich tue es gerne. Unser Herr ist strenge, er hat die ganze Welt gesehen, die Leute nennen ihn Fahrirre, ich habe es ihm aber nie gesagt. Sonst ist er auch gut.«

»Ich habe es erfahren«, sagte Witiko, »er ist immer gastlich gegen mich gewesen.«

»Ja, gastlich ist er«, sagte Wolf.

Witiko verabschiedete sich von Wolf, und ging in seine Wohnung.

In derselben saß der Mann, der die braunen Kleider hatte, auf einem Stuhle, und der Knecht Raimund saß auf einem andern Stuhle. Witiko sah, daß von den Speisen und den Getränken etwas verzehrt worden war. Raimund berichtete, daß die Pflege der Pferde vorüber sei, und daß sie jetzt ruhen könnten. Witiko nahm von den Speisen und Getränken nichts, und setzte sich auf einen Stuhl.

Es dauerte noch eine Zeit, bis die Sonne unterging. Da ertönte eine Glocke in dem Hause.

Witiko erhob sich, und ging mit Raimund und dem fremden Manne in den großen Saal.

In demselben war alles so zum Speisen angeordnet, wie es Witiko gesehen hatte, da er zum ersten Male in dem Hause gewesen war. Er wurde an das obere Ende des Tisches zu Heinrich und Wiulfhilt geführt. Heinrich stand obenan, Witiko wurde zu seiner Linken gewiesen, rechts war die Mutter und dann Bertha. Es waren auch noch zwei Männer am oberen Ende des Tisches, die Heinrich Dienstmannen, Hartnit und Liutolt, nannte. Die [] Leute des Hauses harrten weiter unten, bei ihnen waren auch der Knecht Raimund und der Mann in dem braunen Gewande. Heinrich sprach ein lautes Gebet, in das die Leute antworteten. Nach dem Gebete setzten sich alle nieder, und die Speisen wurden von zwei Mägden gebracht. Sie wurden alle zugleich auf den Tisch gestellt. Auf dem oberen Ende waren Fische, es war gebratenes Geflügel, es war Hirschfleisch, es waren Kuchen, es war Brod und Wein. Auf dem unteren Ende des Tisches war gebratenes Hammelfleisch, Bier und Brod.

Als das Mahl geendet war, sprach Heinrich wie vorher ein Gebet. Nach demselben gingen die Leute, welche an dem unteren Ende des Tisches gesessen waren, fort.

Heinrich sagte zu Witiko: »Möge Euch als Gast mein Abendessen wohl bekommen, und weil ihr morgen mit dem Anbruche des Tages fortreiten wollt, so nehmen wir heute Abschied.«

Wiulfhilt sagte: »Lasset Euch genügen, was wir Euch in Eurer kurzen Zeit hier bieten konnten, und kommet als Gast bald wieder in unser Haus. Mein Gemahl und ich werden Euch gerne aufnehmen. Sein Wille ist der meinige.«

»Ich danke Euch, edle Frau«, sagte Witiko.

Darauf wendete er sich zu Bertha, und sprach: »Möge Bertha das Glück erfahren, das ihr die wünschen, die sie lieben.«

»Möge Witiko erreichen, was er hofft«, entgegnete Bertha.

»Er will darnach streben«, sagte Witiko, »Gott fügt das weitere.«

Er reichte Bertha die Hand, und Bertha reichte ihm die Hand.

»Ich werde Euch in Eure Stube geleiten«, sagte Heinrich.

Witiko und Bertha lösten ihre Hände auseinander. Witiko neigte sich vor Wiulfhilt, vor Bertha, und auch vor den Dienstmannen.

[] Diese alle gaben den Gruß zurück, und Witiko ging mit Heinrich gegen die Tür. Heinrich führte ihn in die Wohnung, die ihm zur Herberge bestimmt war.

Dort verabschiedeten sie sich.

Raimund und der Mann in dem braunen Gewande waren schon in den Stuben, und die drei Männer suchten nun die Ruhe der Nacht.

Als der Morgen noch wenig dämmerte, verließ Witiko die Gemächer. Da war in dem Gange vor denselben Heinrich, und öffnete mit einem Schlüssel das Fallgitter, und zog es empor. Dann ging er fort. Witiko ging unter dem geöffneten Fallgitter hinaus. Er ging in den Stall. Raimund kam auch sogleich herunter, und die Pferde wurden mit der Beihilfe des Knechtes Hando besorgt.

Da dieses geschehen war, aßen die drei Männer etwas von den Morgenspeisen, die in ihre Wohnung gebracht worden waren. Dann wurden die Pferde in den Hof geführt, und die Männer gingen zu ihnen.

Da kam Wolf herzu, und brachte mehrere Stricke, welche Raimund an seinem Sattel befestigte.

Darauf bestiegen die Männer ihre Pferde.

Nun kam Heinrich zu ihnen, und geleitete sie bis zu dem Tore.

Wolf öffnete die beiden Flügel des Tores, und nickte im Gruße gegen Witiko.

Heinrich geleitete die Männer durch das Tor hinaus.

Da sie außerhalb seines Hauses waren, reichte er Witiko die Hand auf das Pferd, und sagte: »Ich danke Euch für das Vertrauen, welches Ihr mir heute in der Nacht erwiesen habt.«

»Lebt wohl«, sagte Witiko.

»Lebt wohl«, sagte Heinrich.

Die Männer setzten sich in Bewegung, und Heinrich ging durch das Tor in den Hof zurück.

Witiko und seine Begleiter ritten an dem rauschenden [] Bache nieder zu dem tieferen Walde, und in dem Walde fort bis an die Mihel. Sie durchritten die Wasser der Mihel, und Witiko ritt mit ihnen an die Hütte des Köhlers Mathias.

Der Köhler Mathias kam von dem rauchenden Meiler herzu, und sein Weib Margaretha kam mit den Kindern aus der Hütte.

»Gib uns einen Trunk frischen Wassers, Mathias«, sagte Witiko.

»Wollet Ihr denn nicht in das Haus gehen?« fragte der Köhler.

»Wir reiten sogleich wieder fort«, antwortete Witiko.

»Ihr haltet Euch gar nicht auf?« sagte Margaretha.

»Ich komme schon wieder einmal«, entgegnete Witiko.

»Ach, nach vielen Jahren«, sagte das Weib.

Dann ging sie, und brachte in einem grünen Kruge frisches Waldwasser. Witiko trank aus dem Kruge, und auch seine Begleiter tranken.

Dann reichte er von dem Pferde dem Köhler die Hand, und reichte sie auch seinem Weibe Margaretha.

Hierauf ritten die Männer an dem Rauche der Meiler vorüber in der Richtung gegen Mittag weiter.

Sie ritten unter den hohen und alten Tannen des breiten Berges empor. Sie ritten auf dem schmalen Pfade unter den tiefen Ästen einer hinter dem andern. Als sie zu dem roten Kreuze gekommen waren, taten sie ein Gebet, und ritten wieder weiter im Walde aufwärts. Nachdem noch eine halbe Stunde vergangen war, kamen sie auf der Höhe in die Waldlichtung hinaus, vor der Witiko zum ersten Male den Dreisesselwald gesehen hatte. Sie wendeten sich jetzt auch um, und sahen die Forste und die Höhen, und sahen den Rauch, der von Heinrichs Hause empor stieg.

Darnach ritten sie wieder in einen neuen Wald auf einer Fläche sanft abwärts.

[] Nach einer Stunde erquickten sie, wie sie es gewöhnlich taten, an einer Waldstelle die Pferde.

Dann ritten sie wieder weiter.

Gegen den Mittag kamen sie auf einen Platz, auf dem niedriges Buschwerk auf Rasen weit dahin ging. An der Grenze waren Bäume, davon viele durch Winde gestürzt waren. Da sie auf dem Platze ritten, kam ein Bolzen gegen Witikos Seite geflogen, und prallte von dem Leder ab. Witiko blicke auf den Mann im braunen Gewande. An dem braunen Gewande desselben hing auch ein Bolzen. Sofort auch schaute Witiko in der Richtung hin, woher die Bolzen gekommen sein mochten. Da waren zwei Männer in den Gebüschen, und ragten mit dem Oberkörper über sie empor. Der eine hatte einen roten Bart, der andere einen grauen. Sie hatten beschmutzte Ledergewänder. Witiko nahm die Lanze Raimunds, und ritt in die Büsche, und in ihnen, so schnell es sein Pferd vermochte, gegen die Männer. Da die Männer dieses sahen, ergriff der graubärtige die Flucht.

Witiko rief gegen den andern: »Wenn du dich regst, und von dem Platze weichen willst, so werfe ich dir diese Lanze in den Leib, wenn du ruhig stehen bleibst, so schone ich deines Lebens.«

Der Mann blieb stehen.

Raimund kam nun auch auf dem Pfade, den Witiko in den Büschen gemacht hatte, herzu, und hinter ihm der Mann in dem braunen Gewande.

Raimund rief: »Und ich schleudere dieses Beil in deinen Körper, wenn du dich rührst.«

»Nimm ihn gefangen, Raimund«, sagte Witiko.

Raimund nestelte die Stricke, welche ihm Wolf gegeben hatte, von dem Sattel, und stieg von seinem Pferde. Dann reichte er dem Manne in dem braunen Gewande die Zügel desselben, und sagte: »Halte mir das Roß, bis ich fertig bin.«

[] Der Mann in dem braunen Gewande nahm die Zügel, und hielt an denselben das Pferd Raimunds.

Raimund aber näherte sich dem rotbärtigen Manne, indem er das Beil hoch in der Hand trug.

Der Mann stand ruhig.

Da Raimund zu ihm gekommen war, ließ er das Beil in das Gras fallen, nahm die beiden Hände des Mannes, legte seine Unterarme vor der Brust übereinander, umwickelte sie mit einem Stricke, und knüpfte die Enden des Strickes zusammen.

Der Mann ließ es geschehen.

Dann nahm er wieder sein Beil, nahm die Armbrust, die auf der Erde lag, und führte den Mann zu Witiko.

Dort hieb er mit dem Beile einen Ast aus dem Gesträuche, hieb aus dem Aste einen Knebel zurecht, befestigte den Knoten mit dem Knebel noch besser, und band an den Fesselstrick noch einen andern Strick als Leitseil.

Dann sagte er: »So, mein Gaurabe, jetzt bist du versorgt.«

»Führe ihn mit uns«, sagte Witiko.

Raimund gab dem Manne in dem braunen Gewande das Ende des Leitseiles in die Hand, und sagte: »Jetzt mußt du mir diesen da ein wenig halten.«

Der Mann in dem braunen Gewande tat es.

Raimund hing die Armbrust an seinen Sattel, stieg auf sein Pferd, richtete sich zurecht, nahm dem Manne in dem braunen Gewande das Ende des Leitseiles wieder ab, und sagte: »Jetzt bin ich fertig.«

»So reiten wir«, sagte Witiko.

Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Witiko ritt von dieser Stelle fortan schneller, als er bisher geritten war. Die andern folgten. Der Mann an dem Leitstricke mußte mit beschleunigten Schritten hinter dem Pferde Raimunds gehen.

So gelangte man endlich zu den Häusern Hauzenberg.

[] Die Männer stiegen von den Pferden.

Das Leitseil des Gefangenen wurde an einen der Pflöcke gebunden, die auf der Gasse zum Anhängen der Pferde in die Erde getrieben waren.

Dann wurden die Pferde mit Halftern an Pflöcken befestigt, mit Decken gut behüllt, und man begann ihre Verpflegung.

Als dieses geschehen war, setzte sich Witiko an einen der Gassentische, und der Mann in dem braunen Gewande setzte sich in kleiner Entfernung von Witiko auf eine Bank an demselben Tische.

Der Krämer, welchen Witiko vor vier Jahren auf dieser Gasse gesehen hatte, saß wieder auf der Gasse der Herberge.

Sonst war kein Gast zugegen.

»Raimund«, sagte Witiko, »führe nun den Mann an seinem Stricke zu mir.«

Raimund löste das Leitseil von dem Pflocke, und führte den Gefangenen an den Tisch Witikos.

Dort blieb er mit ihm stehen.

Aus der Tür und dem Tore des Wirtshauses kamen mehrere Menschen, und blickten von ferne auf Witiko und auf die, welche bei ihm waren.

Witiko sagte zu dem Gefangenen: »Es werden bald vier Jahre werden, da bist du an einem Tische auf der Gasse vor dieser Herberge mit deinem graubärtigen Genossen, der heute durch die Büsche entronnen ist, gesessen, eben da ich mit diesem meinem Pferde und in diesem meinem Gewande hier Mittagruhe hielt. Ist es nicht so?«

»Ich weiß es nicht, wo ich vor vier Jahren oder vor drei Jahren gewesen bin«, sagte der Mann. »Wenn Ihr mich den Schergen übergeben wollt, oder wenn Ihr mich von hier wieder fortführen, und in einem Graben erschlagen wollt, könnt Ihr es tun.«

»Ich habe dir das Leben zugesichert«, sagte Witiko.

[] »Ihr könnt mich martern lassen«, antwortete der Mann.

»Ich lasse dich nicht martern«, sagte Witiko.

»Ich habe dem Herzoge Heinrich immer treu gedient; aber die Bischöflichen sind arge Genossen«, erwiderte der Mann.

»Ich werde dich den Bischöflichen nicht ausliefern, sondern werde dich selber richten«, sagte Witiko.

»Da ist wenig zu richten, weil ich unschuldig bin«, sagte der Mann.

»Das ist gut«, antwortete Witiko, »und ich werde die unschuldigen Leute schützen. Jetzt sprich.«

»Ich werde wohl vor vier Jahren auf dieser Gasse gesessen sein«, sagte der Mann.

»Und weshalb hast du heute mit dem andern Bolzen auf uns geschossen?« fragte Witiko.

»Hat der andere Bolzen geschossen? Ich habe es nicht gesehen, da ich zu ihm kam«, sagte der Mann.

»Bist du aus Zufall zu ihm gekommen?« fragte Witiko.

»Ich bin aus Zufall zu ihm gekommen«, antwortete der Mann, »da ich meines Weges zu dem Kirchlein des heiligen Ulrich beten ging.«

»Bist du auch vor vier Jahren aus Zufall mit ihm auf dieser Gasse gesessen?« fragte Witiko.

»Aus Zufall«, antwortete der Mann.

»Gehst du, wenn du auf dem Wege zu dem heiligen Ulrich bist, in den dichten Gebüschen statt auf dem Pfade?« fragte Witiko.

»Ich habe den Mann stehen gesehen, und bin von dem Wege zu ihm in die Büsche gegangen, weil er es wollte«, antwortete der Gefragte.

»Und als mich der Bolzen traf, und als ich in der gleichen Zeit einen Bolzen an dem Gewande meines Begleiters sah«, entgegnete Witiko, »standest du mit deinem Gefährten in den Gebüschen, und ihr blicktet auf uns, und als mein Knecht zu dir kam, lag eine Armbrust neben [] dir in dem Grase. Wenn ich dir auch das Leben verbürgte, und dich nicht martern lasse, so denke, daß die Strafe durch die Lüge härter wird.«

»Es ist alles ein bekläglicher Irrtum«, sagte der Mann, »ich habe immer dem hohen Herzoge Heinrich treulich gedient, und bin belobt worden. Und der hohe Herzog hat verkündet, daß man die Kundschafter fangen, und einbringen soll. Mein Nachbar hat damals vor vier Jahren an dem Tische gesagt, Ihr seid ein Kundschafter; aber Ihr seid gar nicht zu dem Feinde Leopold nach Österreich geritten.«

»Also habt ihr auf dem Wege nach Österreich gelauert?« sagte Witiko.

»Nein«, entgegnete der Mann, »es ist nur erzählt worden.«

»Das ist gut«, antwortete Witiko, »und wie war es heute?«

»Als mein Nachbar die Bolzen geschossen hat«, erwiderte der Mann, »hat er gesagt, Ihr seid ein Kundschafter, und kommet von Leopold. Er wollte euch ein wenig ritzen, weil ihr drei waret; allein seine Pfriemen sind nicht durch Euer Leder und durch das Tuch Euers Knappen gegangen.«

»Ihr habt damals im Hauzenberge die Elenhaut meines Panzers zu wenig angeschaut«, sprach Witiko.

»Ich habe meinem Nachbar gesagt«, entgegnete der Mann, »daß Ihr ein sehr edler Herr seid, und kein Kundschafter.«

»Hat dir dein Nachbar anvertraut, weshalb er auf meinen Knappen geschossen hat?« fragte Witiko.

»Er hat ihn mehr gefürchtet als den andern«, sagte der Mann, »und auf den andern hätte er dann auch noch geschossen.«

»Und wenn er uns bloß geritzt hätte, hat er dann gemeint, daß wir uns nicht wehren würden?« fragte Witiko.

[] »Ihr hättet Euch gewehrt«, erwiderte der Gefangene, »und mein Nachbar wäre davon gerannt, weil ich Euch nicht hätte fangen lassen, da Ihr ein sehr edler Herr und kein Kundschafter seid.«

»Von welchem Orte bist du denn auf den Weg zu dem heiligen Ulrich gegangen?« fragte Witiko.

»Von dem Hauzenberge«, antwortete der Mann.

»Und hat dir dein Nachbar gesagt, von welchem Orte er in die Büsche gegangen ist?« fragte Witiko.

»Nein, er hat es mir nicht gesagt«, antwortete der Mann, »aber er wird auch von dem Hauzenberge hin gegangen sein.«

»Welcher Ort ist deine Heimat?« fragte Witiko.

»Passau, edler Herr«, antwortete der Mann.

»Und weißt du die Heimat deines Nachbars?« fragte Witiko.

»Es werden etwa die Innhäuser bei Passau sein«, sagte der Mann.

»Und wo bist du denn die letzten drei oder vier Tage oder die letzten Wochen gewesen?« fragte Witiko.

»Ich bin zu Hause gewesen, oder im Hauzenberge, oder in Vilshofen, oder wohin ich eine Botschaft zu tragen gehabt habe, oder wo es eine Arbeit für mich gegeben hat«, sagte der Mann.

»Ist dein Nachbar auch in der Gegend gewesen?« fragte Witiko.

»Ich habe ihn hin und wieder gesehen«, antwortete der Gefangene.

Witiko rief nun gegen die Leute, die an dem Hause standen: »Ist der Wirt der Herberge bei euch?«

»Ja freilich«, antwortete eine Stimme.

»So bitte ich Euch, kommet zu uns an den Tisch«, sagte Witiko.

Der Wirt ging zu dem Tische.

»Beantwortet mir einige Fragen in Angelegenheiten dieses [] Mannes, der da gebunden vor uns steht«, sagte Witiko.

»Wenn ich sie beantworten kann«, entgegnete der Wirt.

»Ist dieser Mann heute schon einmal hier gewesen?« fragte Witiko.

»Er hat am Vormittage hier Käse gegessen«, antwortete der Wirt.

»Ist er allein gewesen?« fragte Witiko.

»Nein, es ist noch einer bei ihm gewesen«, sagte der Wirt.

»Hat der andere einen grauen Bart gehabt?« fragte Witiko.

»Er hat einen grauen Bart gehabt«, sagte der Wirt.

»Sind diese zwei Männer oft bei einander?« fragte Witiko.

»Wie es sich fügt«, antwortete der Wirt, »ich habe sie schon öfter gesehen.«

»Sind sie zu vieler Zeit in dieser Gegend hier?« fragte Witiko.

»Sie sind einmal Kriegsknechte des seligen Herzoges Heinrich gewesen«, sagte der Wirt, »sie müssen in der Nähe von Passau zu Hause sein, und werden manches Mal bei uns und da herum gesehen.«

»Gehen sie auch über den Wald hinein?« fragte Witiko.

»Das wird sich schwerlich zutragen, weil es dort nichts zu verdienen gibt«, entgegnete der Wirt.

»Sind sie in diesem Sommer nicht einmal in einer längeren Zeit abwesend gewesen?« fragte Witiko.

»Ich glaube es nicht«, sagte der Wirt, »sie haben sich in der letzten Zeit sehr oft auf unserer Gasse erblicken lassen.«

»Also auch in den letzten zwei Wochen?« fragte Witiko.

»Da gewiß«, antwortete der Wirt.

»Ist der Mann an jenem Tische ein Krämer?« fragte Witiko.

»Ja«, sagte der Wirt.

[] »So erweiset mir den Dienst, ihn zu unserem Tische her zu bitten«, sagte Witiko.

Der Wirt ging zu dem Krämer, und kam mit ihm zu Witiko zurück.

»Ihr seid ein Krämer«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete der Mann.

»Ihr reiset wohl in mehreren Gegenden herum?« fragte Witiko.

»Nun, wie es der Brauch ist«, sagte der Krämer.

»Beantwortet mir eine Frage wegen dieses Mannes da«, sagte Witiko.

»Wenn ich das weiß, um was Ihr fragt«, sagte der Krämer.

»Habt Ihr ihn etwa mit einem andern, der einen grauen Bart hat, öfter gesehen?« fragte Witiko.

»Ja, sehr oft«, antwortete der Krämer.

»Habt Ihr diese Männer auch in der Weite gesehen, wenn Ihr so herum kommt, auch jenseits des Waldes, in diesem Sommer?« fragte Witiko.

»Sie sind im Frühlinge bis auf diese Zeit herzu von dem Grafen von Formbach eingesperrt gehalten worden«, sagte der Krämer.

»Wißt Ihr das gewiß?« fragte Witiko.

»So gewiß, weil ich diesem Manne da Linnen von seiner Mutter bringen mußte«, antwortete der Krämer, »ich habe sie ihm in sein Verlies getragen, wo auch der andere war.«

»Kennt Ihr sie genauer?« fragte Witiko.

»Sie kommen zuweilen an meinen Karren, und haben mir nie ein Leides getan«, antwortete der Krämer.

»Welche sind ihre Namen?« fragte Witiko.

»Sie heißen beide Heinrich, wie der junge Herzog«, antwortete der Krämer.

»Ich danke Euch und dem Wirte für die Antworten«, sagte Witiko.

[] Dann wendete er sein Angesicht gegen den Gefangenen, und sprach: »Ich habe dir vor vier Jahren hier gesagt, daß ich dir einmal einen Dienst erweisen werde. Jetzt ist die Zeit dazu gekommen. Ich lasse dich frei; aber merke dir: ich bin oft in diesen Wäldern, oft in dem der drei Sessel, und weiter gegen Morgen. Ich werde mir in dem Walde ein Haus bauen, und wenn ich dich einmal mit Waffen in dem Walde treffe, so lasse ich dich auf dem Baume, unter dem du stehst, aufhängen. Sage das auch deinem Genossen. Ich erfülle meine Worte, wie ich sie jetzt erfüllt habe. Raimund, löse ihm die Bande.«

Raimund band zuerst seinen langen Strick los, dann entfernte er den Knebel, und löste die Schleife um die Hände.

»So, jetzt laufe, so weit dich deine Füße tragen«, sagte er.

Der Mann rieb sich mit den Händen die Knöchel, und strich mehrere Male über sein Koller herab. Dann sagte er: »Schönen Dank, schönen Dank.«

»Geh«, sagte Witiko.

»Ich würde um die Armbrust bitten«, sagte der Mann.

»Die Armbrust wird zerbrochen werden«, sprach Witiko, »du, gehe.«

»So geh um deines Heiles willen«, rief ihm Raimund zu.

Der Mann ging nun von dem Hause weg gegen die Bäume, und wurde dann hinter denselben nicht mehr gesehen.

»Zerschlage mit deinem Beile die Armbrust«, sagte Witiko zu Raimund.

Dieser zerhieb das Holzwerk der Armbrust und den Strang mit dem Beile. Den eisernen Bogen zerbrach er dadurch, daß er ihn mit der Wölbung nach oben legte, und auf ihn sprang.

Da dieses geschehen war, bestellte Witiko Speise und Trank für sich und seine Begleiter.

[] Als sie die Speisen verzehrt hatten, und als die Pflege der Pferde vollendet war, ritten sie wieder weiter.

Sie ritten in einer Richtung zwischen Mittag und Abend an Gehölzen, Waldhütten, kleinen Wiesen und Feldern vorüber, und kamen, da die Sonne sich zu ihrem Untergange neigte, gegen die Stadt Passau.

Sie ritten über den Hals an die Ilz hinab, neben der Ilz an die Donau hinaus, dann zwischen der Donau und den Felsgesteinen eine Strecke dem Wasser entgegen, bis sie zu einer Brücke kamen. Dann ritten sie über die Brücke in die Stadt.

Witiko ritt durch eine lange Gasse, die zwei andern folgten ihm.

Er gelangte aus der Gasse auf einen freien Platz, der über die andere Stadt erhöht war. An einer Seite dieses Platzes stand die große Kirche des Hochstiftes Passau. Witiko ritt an der Kirche vorüber in der Richtung gegen Morgen von dem Hügel abwärts. Da kamen sie an ein sehr großes Haus, das eine dunkle Farbe hatte, und in breiten Gliedern gebaut war. Witiko hielt an einer Pforte dieses Hauses an, neigte sich von dem Pferde, und schlug mit dem eisernen Klöppel, der sich an dem Tore befand, drei Mal auf die Eisenschiene, auf welche der Klöppel paßte. Es öffnete sich hierauf ein kleines Türchen in dem Tore, und unter dem Türchen stand ein Mann, der eine veilchenfarbene Haube und ein veilchenfarbenes Mäntelchen hatte, sonst aber in ein gelbes Wams und in gelbe Beingewandung gekleidet war. Er hatte weiße Haare und einen weißen Bart. Dieser Mann sagte: »Was begehret ihr?«

»Wir begehren zu dem hochehrwürdigen Bischofe von Passau«, sagte Witiko, »da wir ihm Nachrichten bringen.«

»Ich hätte es nicht geglaubt«, antwortete der Mann, »daß Ihr so bald wieder kommen werdet, Witiko, weil Ihr einen [] so großen Schmerz um den Tod des Bischofes Regimar empfunden habt, und weil Ihr fort geritten seid. Wie ist es Euch denn ergangen?«

»Ich werde dir schon meine Schicksale erzählen, Odilo«, sagte Witiko, »aber jetzt ist mir daran gelegen, zu dem Bischofe zu gelangen.«

»Wenn ich sagte, daß ich nicht eine große Freude habe, Euch wieder zu sehen«, antwortete der Mann, »so wäre es eine Lüge. Und zu dem hochehrwürdigen Bischofe werde ich Euch weisen; denn er schenkt mir das Vertrauen, das mir der selige Herr Regimar geschenkt hat. Und ist denn der Krieg aus, in welchem Ihr gewesen seid?«

»Jetzt ist er aus«, sagte Witiko, »und ich weiß, daß du in dem Hause als der Torwart viel giltst, und du wirst uns das Tor öffnen, daß wir einreiten, die Pferde unterbringen, und zu dem hochehrwürdigen Bischofe gehen können.«

»Ja«, sagte der Mann, »und ich habe mit dem hocherhabenen Bischofe von Euch gesprochen, wie Ihr klug gewesen seid, und tapfer sein werdet. Und wenn Ihr meint, daß ich einem Freunde, der an mein Tor klopft, die Gastlichkeit verweigere, so irret Ihr Euch.«

Er wendete sich in dem Türchen um, und rief nach innen: »Hans!«

»Ja«, ertönte im Innern eine sehr starke Stimme.

»Schließe auf«, sagte der Torwart.

Hierauf rasselten hinter dem Tore Eisenstangen, der andere Flügel, in welchem sich kein Türlein befand, wurde geöffnet, und ein sehr großer junger Mann stand an dem Flügel. Er hatte wie der Torwart ein veilchenfarbenes Mäntelchen, aber auf seinem Haupte war eine Eisenhaube, um seine Brust ein Harnisch, und an seinen Beinen Schienen.

Witiko und seine Begleiter ritten an dem Manne vorüber [] in einen großen Hof. Dort hielten sie an, und stiegen von den Pferden. Der Torwart und der junge Mann gingen ihnen nach.

»Hans«, sagte der Torwart, »rufe die Stallbuben, und gehe zu Rudolph, dem Steiner.«

Der junge Mann rief gegen die Vertiefung des Hofes, und ging dann in das Gebäude.

Es kamen drei Stallbuben, und wollten die Pferde hinwegführen.

»Wartet noch«, sagte Witiko.

Die Stallbuben und alle andern blieben bei den Pferden stehen.

Hans kam wieder aus dem Gebäude, und ein ritterlich gekleideter junger Mann ging neben ihm.

Da sie herzu gekommen waren, sagte der Torwart: »Dieser ist der Schüler Witiko, und sie haben für den hochehrwürdigsten Bischof Nachrichten. Ich empfehle Witiko.«

»Sei mir gegrüßt, du treues Blut«, sagte der ritterlich gekleidete Mann.

»Sei gegrüßt, Rudolph«, sagte Witiko, »wir sollten zu dem hochehrwürdigen Bischofe.«

»Wir sind nicht mehr in der Schule des Bischofes, Witiko«, antwortete Rudolph, »aber einer sollte den andern so lieben wie damals, und ich liebe dich, Witiko. Gehe nur mit deinen Knappen über die Treppe zu der Rathalle, und von ihr in den roten Saal, und dort harre. Morgen werden wir mit einem Feste den Gruß erst recht begehen, weil du wieder da bist.«

»Das werden wir tun«, sagte Witiko.

Nachdem dieses gesprochen war, ging Rudolph wieder durch eine Tür in das Gebäude zurück.

Witiko sagte zu den Stallbuben: »Jetzt zeigt uns den Weg zur Unterbringung der Pferde.«

Die Buben zeigten den Weg, und halfen die Pferde in den Stall führen.

[] Als die ersten Notwendigkeiten geschehen waren, sagte Witiko zu seinen Begleitern, sie mögen ihm folgen.

Er ging mit ihnen wieder in den Hof hinaus. Dort stand noch der Torwart und Hans.

»Ich danke dir, Odilo«, sagte Witiko, »was nun ferner sein muß, weiß ich schon.«

»Ich habe eingerichtet, daß alles für dich gut wird«, sagte der Torwart.

»Das ist gut«, antwortete Witiko.

Nach diesen Worten ging der Torwart in ein Gemach, das neben dem Torbogen war. Hans schloß den Flügel des Tores, und stieg über eine Treppe neben dem Tore in ein Gemach empor.

Witiko aber führte seine Begleiter durch die Tür, durch welche Rudolph in das Gebäude gegangen war, in eine große Halle. Von der Halle führte Witiko seine Begleiter über eine breite Stiege in einen Gang empor. In dem Gange wandelten sie eine Strecke weiter. Dann öffnete Witiko eine hohe Tür, und sie kamen durch dieselbe in ein Gemach, in welchem viele Stühle und Tische waren. Von dem Gemache gingen sie in einen großen Saal. Der Saal war mit rotem Marmor gepflastert. An seinen Wänden waren Bänke von gelben Pölstern. Sonst enthielt er nichts. Er hatte drei Türen. Durch eine war Witiko gekommen, die andere war geschlossen, und durch die dritte, welche offen war, sahen sie in eine große Stube mit vier Fenstern, deren Wände mit roter abgeblaßter Seide beschlagen waren, und die viele Bänke und Gesiedel von gleicher Seide enthielt. Die Fenster des Saales und der Stube sahen auf die Berge, die an dem jenseitigen Ufer des Flusses Inn standen.

In dem Saale wartete Witiko.

Nach einer Weile kam aus der Seidenstube ein Mann heraus, der eine hohe Gestalt, braune Haare, einen braunen Bart und ein längliches Angesicht hatte. Er war in [] ein weites veilchenblaues Gewand gekleidet, und trug über demselben eine goldene Kette und ein goldenes Kreuz. Hinter ihm gingen zwei Männer in priesterlichen Kleidern. Der Mann sah Witiko und seine Begleiter an. Dann gab er den zwei Männern, die hinter ihm waren, ein Zeichen zur Entfernung. Die zwei Männer öffneten die geschlossene Tür, und gingen durch dieselbe in ein weiteres Gemach.

Da dieses geschehen war, trat der Mann in dem braunen Gewande, der mit Witiko gekommen war, gegen den mit der goldenen Kette vor, und stand ein Weilchen vor ihm.

Dann nahm er die Haube von seinem Haupte, und sprach mit laut tönender Stimme: »Hochehrwürdiger Bischof von Passau, hochedler Graf von Peilstein und Hagenau, ehrwürdiger geweihter Priester Regimbert! ich komme zu dir in dem Gewande Jakobs, da er in der Wüste auf der Flucht war.«

»Hochehrwürdiger Bischof und teurer Bruder Zdik«, antwortete der Bischof von Passau, »und wenn du in dem Gewande des Lazarus kämest, so wärest du der Herr dieses Hauses. Sei gegrüßt.«

Er legte die Hände auf die Schultern des Mannes in dem braunen Gewande, und küßte ihn auf die Stirne. Der Mann in dem braunen Gewande legte dann auch die Hände auf die Schultern des Bischofes, und küßte ihn auch auf die Stirne.

Dann sagte er: »Ich will nicht der Herr des Hauses sein, sondern ich bitte nur, daß ich den Panzer und das Schwert, welche ich durch Tage und Nächte unter diesem Kleide trage, ablegen darf, daß ich in einfältigen Kleidern gehe, daß dein Dach über meinem Haupte sei, daß ich die geringe Speise genieße, die mein Körper bedarf, und daß ich in deiner Kirche zu Gott bete.«

»Lebe, wie du es wünschest, und wie ich dich ehre«, sagte der Bischof von Passau. »Und du, Witiko, hast dich der [] Mühe unterzogen, den hochehrwürdigen Bischof zu mir zu geleiten. Sei gegrüßt.«

Witiko antwortete: »Der hochehrwürdige Bischof und Abt Silvester hat zu mir gesagt, ich solle in Demut vor Gott dem Herrn handeln, und ich hätte jeden Verfolgten des Weges geführt, und hätte ihn geschützt, um wieviel mehr den hohen Bischof Zdik, den ich verehre. Ich bin nebst meinem Knechte, der da steht, mit ihm geritten.«

»So gehe mit mir in meine Stube, hochehrwürdiger Bruder Zdik, und du auch, Witiko, bis eure Wohnung bereitet ist«, sagte der Bischof von Passau.

Witiko sprach zu Raimund: »Du hast gesehen, was geschehen ist, gehe nun zu unsern Tieren, sie zu pflegen, und sei dessen gewärtig, was ich dich weiter heißen werde.«

Raimund ging durch die Tür hinaus.

Der Bischof von Passau berührte den Ärmel an dem braunen Gewande Zdiks, und führte ihn an diesem Ärmel in die Stube von Seide. Witiko folgte. In der Stube führte der Bischof seinen Gast zu einem rotseidenen Stuhle, über dem ein Seidendach war, und nötigte ihn, dort nieder zu sitzen. Witiko wies er ein anderes seidenes Gesiedel an. Witiko setzte sich auch. Der Bischof aber ging zu einer silbernen Glocke, die an einem silbernen Wandarme befestiget war, und tat mit einem silbernen Hammer einen Schlag auf die Glocke. Da dieses Zeichen erscholl, öffnete sich eine Tür, und ein Kämmerling, der ein Gewand von veilchenblauer und gelber Farbe hatte, trat herein.

»Rufe mir den Vater Konstantin«, sagte der Bischof.

Der Kämmerling ging wieder durch die Tür hinaus. Der Bischof setzte sich auf einen Stuhl neben Zdik. Nach einer Weile kam ein Priester in die Stube, welcher ein schwarzes Gewand an hatte, und eine silberne Kette auf der Brust trug.

[] Zu diesem Priester sagte der Bischof von Passau: »Ehrwürdiger Bruder Konstantin, und Meister im Hochstifte, der hochehrwürdige Oberpriester des Landes Mähren wird dieses Haus als Gast ehren, ich bitte dich, lasse ordnen, was zu dieser Absicht notwendig ist.«

»Ich werde meines Amtes walten«, sagte der Priester.

Er verneigte sich vor den zwei Bischöfen, und ging wieder durch die Tür hinaus.

»Und nun sei noch einmal in meinem Hause willkommen, Bruder Zdik«, sagte der Bischof von Passau.

»Ich habe es gewußt, daß du dem flüchtigen Haupte ein Kissen geben wirst«, antwortete Zdik, der Bischof von Olmütz.

»Was ihr dem geringsten eurer Brüder getan habt, das habt ihr mir getan«, sagte der Bischof Regimbert.

»So ist es«, entgegnete Zdik.

»Und weil die Geringen dem Heilande gleich sind, so müssen wir sie ehren, und müssen sie ehren, wenn sie Gott heimgesucht hat. In deinem Sprengel sind die Sachen hoch gediehen, Zdik«, sagte Regimbert.

»Ich habe meine Hand erhoben, und den Bann über das Land Mähren ausgesprochen, und irre nun flüchtig auf der Erde, und muß die Menschen eines guten Herzens bitten, daß sie mich geleiten und schützen«, antwortete Zdik.

»Und so segnet dich der Herr, begnadeter Bruder Zdik«, sagte der Bischof Regimbert.

»Ich kann einen Segen nicht erkennen, weil ich eines Segens nicht wert bin«, erwiderte Zdik.

»Du bist des Segens wert«, sprach Regimbert, »weil du dem frommen Bischofe Adalbert nachstrebest, Zdik, der einmal aus einem hohen Geschlechte den Hirtenstab über eure Länder ergriffen hat. Dann aber hat dir der allmächtige Gott die Huld gewährt, daß du schon zwei Male in Jerusalem gewesen bist, und an dem Grabe seines Sohnes gebetet hast. Und dann hat er das Zeichen des Unglückes [] auf dein Haupt gesetzt, daß er dich erhöhen wolle. Siehe, wie Hiob mehr bekam, als er je hatte, wie Jakobs Trauer um Joseph in Jakobs Freude über Joseph verwandelt wurde, wie David aus den Höhlen der Erde in die Gemächer des Königshauses ging, wie der Tempel nach der Gefangenschaft herrlicher wurde als vorher, wie die Schmach des Todes Petrus' Rom zum Haupte der Christenheit erhob, wie die Verbannung und der Tod Gregors die Kirche mächtiger machte, als die Siege Heinrichs die Welt machen konnten: so verkläret der Herr das Haus des Glaubens durch Kümmernis, und die Säulen, die dieses Haus tragen, werden glänzender sein, als sie vordem gewesen sind.«

»Mir geziemt es nicht, so zu sprechen«, sagte Zdik. »Ich bin ein Sünder, und habe Strafe verdient, und was gekommen ist, das ist die Strafe. Höre mich an, ehrwürdiger Bruder Regimbert. Seit langen Zeiten ist wegen der Sünden vieler die Hand des Herrn schwer auf unsern Ländern gelegen, und sie ist wegen der Sünden der einzelnen auch auf die einzelnen gekommen. Da unsere Völker noch Heiden waren, hat ihnen Gott, soweit er Heiden, die nicht an ihn glauben, beglücken kann, zuweilen Männer gesandt, die ihnen in ihrer Finsternis beistanden. So war Zaboy, so war Lumir, so war Samo, so war Krok, so war die Frau Libuša, und so war Přemysl, der Ackerer und der Gatte Libušas. Von ihm ist ein Geschlecht gekommen, aus dem die Häupter des Landes wurden, die Wladyken, wie wir das Haupt eines Hauses den Wladyk nennen. Es sind Nezamysl, Mnata, Woyen, Unislaw, Křesomysl, Neklan und Hostiwit gekommen. Sie sind lauter Heiden gewesen, da bei euch schon lange das Christentum entstanden war. Dann ist Bořiwoy gewesen, der ein Christ geworden ist, und dann sind sie lauter Christen gewesen. Sie haben sich Herzoge genannt, und sind geworden, wie bei euch Pipin von Heristal und Karl Martell [] und die andern, die sich zu Herrschern gemacht haben. Die Nachkommen Přemysls sind immer zahlreicher geworden. Sie betrachteten das Land als ihr Eigentum, teilten es, haderten darum, und führten Kriege, in welchen ihre Anhänger das Blut verloren. Da machten sie ein Gesetz, es sind jetzt neunzig oder hundert Jahre, daß in jeder Zeit der Älteste des Stammes der Herzog sein solle, daß die andern zu ihrem Nutzen Gebietsteile in Mähren bekommen, und daß sie dem Herzoge gehorchen müssen. Aber bald wurde das Gesetz nicht mehr befolgt; denn wer die Macht hatte, suchte die Nachfolge dem zu gewinnen, den er liebte, oder den er sonst wollte. Da entstanden Kämpfe von entsetzlicher Art, und es kam noch größeres Unheil in die Länder, als früher gewesen war. Den Beginn machte Swatopluk, der ein wilder Mann gewesen ist, und er dauerte siebenunddreißig Jahre, bis auf unsere Tage, und wir wissen noch das Ende nicht. Swatopluk ist ermordet worden, weil er gemordet hat, und sein Nachfolger, Wladislaw, der Vater des jetzigen Herzoges, ein gerechter und guter Mann, mußte sich den Fürstenstuhl gegen seinen Bruder Bořiwoy erkämpfen, und Soběslaw, der dann folgte, mußte mit dem deutschen Könige Lothar wegen des schwarzen Otto von Olmütz, der das Herzogtum anstrebte, Krieg führen. Als der starke und rechtgesinnte Soběslaw herrschte, und als das Volk die Süßigkeit der Ordnung kennen lernte, wollten viele Männer der Länder, deren ich auch einer war, die Vorsorge treffen, daß bei seinem Ende nicht wieder das Unglück herein komme. Soběslaw hatte einen Sohn, namens Wladislaw, den er sehr liebte. Wir, die Männer und ich, sagten, er solle ihn von Konrad, dem Könige der Deutschen aus dem Geschlechte der Hohenstaufen, mit den Ländern Böhmen und Mähren belehnen lassen, und Konrad belehnte den Knaben Wladislaw auf dem Tage in Bamberg, da derselbe achtzehn Jahre alt war. Und in einem [] Monate darnach schwuren auf unserem Tage in Sadska so die hohen wie die niederen Herren der Länder dem jungen Wladislaw. Als ein halbes Jahr vergangen war, erkrankte der Herzog Soběslaw, und die Ärzte sagten, er werde sterben. Da riefen die Männer: Jetzt haben wir einen Knabenherzog, den sein Vater nicht mehr zu einem rechten Herzoge hat erziehen können, ein jeder wird ihn anfallen, und sie sagten: Nun müssen wir selber einen Herzog wählen. Der erwählte Bischof Silvester, der die weißen Haare des Alters auf dem Haupte hat, sagte aber: Tut das Gute, und bleibt bei eurem Schwure, alles andere wird kommen. Allein wir vermeinten klüger zu sein, und versammelten uns auf dem Wyšehrad zur Wahl. Da war Wladislaw, der Sohn des guten vorigen Herzoges Wladislaw, von dem einige Macht und Ansehen, andere eine gute Regierung erhofften, und wir wählten ihn zum Herzoge. Im Frühlinge dieses Jahres aber wählten viele wieder einen andern Herzog, Konrad von Znaim, und zogen in Waffen gegen Böhmen. Auf dem Berge Wysoka ist eine Schlacht gewesen, und viele hundert Menschen, ja tausend, sind erschlagen worden. Und dann waren Kämpfe und die Belagerung von Prag. Die Saaten sind zerstört, die Häuser öde, weil die Menschen fliehen, die heiligen Bauwerke und kostbare Handschriften und Kirchenschätze sind verbrannt worden, und in die Geschlechter ist die Wildheit gekommen. Der Herzog Wladislaw ist zu dem deutschen Könige Konrad um Hilfe gegangen, und als die Hilfsheere heran zogen, haben sich die Feinde zerstreut. In Mähren sind die Fürsten gegen mich aufgestanden, sie haben die Kirchengüter genommen, und Zuchtlosigkeit gestiftet. Ich sprach die Worte des Bannes. Und als der Bann in dem Lande war, als das heilige Opfer bei verschlossenen Kirchentüren gehalten wurde, als man die Toten nicht kirchlich beerdigen konnte, als die Gnadenspendungen nur den Sterbenden gereicht wurden, und [] als sich alle nach einem Zeichen auf die Erde werfen mußten, um Gott zu bitten, daß er das Unglück wende: da drangen sie gegen mich, sie suchten mich an dem Halse zu drosseln, daß ich das Übel wegnehme, und da ich darauf meine Männer zur Hilfe aufbot, boten sie noch mehr auf, und ich floh aus dem Lande durch ödes Gefild nach Böhmen, und ich wurde dann flüchtig in fremde Länder, wo die Zahl ihrer Anhänger nicht ist. Das ist Strafe, hochehrwürdiger Bischof, und Silvester hat gesagt, daß sie kommen wird.«

»Und wenn es Strafe ist, hochehrwürdiger Bruder«, antwortete der Bischof von Passau, »so bist du durch Gott beglückt, daß du hienieden noch büßen kannst, wenn du gefehlt hast. Die er züchtiget, die liebt er, und wenn deine Gedanken, die Gutes wollten, nicht zum Guten taugten, so wird er dich zu dem Guten führen. Ich würde mich an deiner Stelle preisen, und ich bete, daß ich meine Sünden auf dieser Welt abbüßen könne. Wie oft habe ich gebetet, daß ich auf jener Stätte Buße zu tun vermochte, auf welcher mein Erlöser gelitten hat.«

»Gott wird dir diese Gnade gewähren«, sagte der Bischof Zdik.

»Wenn die Spanne meines Lebens nicht schon zu kurz ist, so werde ich die Pilgerschaft in die heiligen Länder beginnen«, antwortete der Bischof von Passau; »dir aber, Zdik, wird er den Kranz reichen, der nach der Strafe bestimmt ist, die Wilden werden Lämmer werden, und dein Volk wird zurückkehren, und vor den Altären auf die Kniee fallen.«

»Ich erwarte, was in der Hand des Herrn ist«, sagte Zdik.

»Er hat deinen Gegner gerührt, daß er dich beschützt hat«, sagte der Bischof Regimbert, »ist nicht dieser Jüngling auf dem Wyšehrad dir entgegen gestanden?«

»Ich bin bei der Wahl nicht ein Gegner des hochehrwürdigen Bischofes Zdik gewesen«, sagte Witiko, »ich bin [] ein Diener des Herzoges Soběslaw gewesen, und habe der Wahl nur zugeschaut. Aber wenn ich auch ein Gegner des hochehrwürdigen Bischofes gewesen wäre, so hätte ich ihn doch geleitet und beschützt, wenn ich es gekonnt hätte. In meiner Sache hat mich der hochehrwürdige Bischof damals sehr unterstützt. Jedoch beschützen habe ich ihn jetzt nicht können, weil auf den Wegen, die wir geritten sind, nirgends eine Gefahr gewesen ist.«

»Ihr habt mich doch beschützt, Witiko«, sagte Zdik, »denn wer solche Wege wählt, daß es wie ein Tuch vor den Augen meiner Feinde ist, und wer solche Nachtlager findet, auf denen ich ruhig sein kann, der ist mein Beschützer wie der, der gerade die Waffe des Feindes zurückschlägt.«

»Welche Wege seid Ihr denn geritten, Witiko?« fragte der Bischof von Passau.

»Von Přic gleich in den Mittagwald«, sagte Witiko, »und in ihm auf Pfaden, die die Säumer nicht besuchen, über Elhenic, Tiš und über die Heide Ogfolds nach Plan in mein Häuschen zur Nachtruhe. Von Plan durch die Moldau, durch den ebenen Wald, an dem Berge des heiligen Ulrich vorüber zu dem Mittagsfuße der drei Sessel, wo wir in dem Waldhause Heinrichs von Jugelbach übernachteten. Von dem Waldhause über den breiten Berg und den Hauzenberg nach Passau.«

»Du hast gute Wege gewählt«, sagte der Bischof von Passau, »obgleich noch wildere und abgelegenere sind, darauf ein Fuß kaum gehen oder klettern kann.«

»Ja«, sagte Witiko, »von dem schwarzen See über den Blöckenstein oder über die drei Sessel zu der kalten Moldau, die durch lange und breite Wälder fließt.«

»Oder von dem Hohensteine auf der Waldschneide zum Arber, wo Luchse und Bären und Hirsche und Rehe sind«, sagte der Bischof Regimbert. »Hat euch Heinrich von Jugelbach erkannt?«

[] »Mich hat er von früherer Zeit gekannt«, sagte Witiko, »er hat meinen Vater gekannt, und kennt meine Mutter. Er hat uns eine feste Wohnung in seinem Hause gegeben, hat den hochehrwürdigen Bischof beim Mahle unter den Knechten sitzen lassen, hat das eiserne Zugangsgitter zu unserer Wohnung mit seinen eigenen Händen gesperrt und geöffnet, und hat bei dem Abschiede zu mir gesagt: Ich danke Euch für das Vertrauen, welches Ihr mir heute in der Nacht erwiesen habt.«

»Er ist ein gewalttätiger ehrenhafter Mann«, sprach der Bischof von Passau, »und beschützt, wen er beschützen will. Hast du schon Botschaft an den Heiligen Vater getan, hochehrwürdiger Bruder?«

»Ich habe sie getan«, entgegnete Zdik, »und es kann in jeder Frist die Antwort nach Mähren gelangen.«

»Sie wird dahin gelangen, und eine Leuchte ihrer Taten sein«, sagte der Bischof von Passau.

»Möge es so werden«, antwortete Zdik.

»Heinrich von Jugelbach ist schon in sehr vielen Ländern gewesen«, sagte Regimbert, »und hat dich gewiß gesehen und kennt dich, ehrwürdiger Bischof von Olmütz. Er hat schon zum öftern die Gnade genossen, zu der Stätte dies Leidens und des Sterbens des Heilandes gelangen zu können, und er will wieder dahin gehen. Ich habe ihn vor sieben Jahren in großem Schmucke mit seinem Vater Werinhart gesehen, da die Klöster an dem Randshofe eingeweiht worden sind. Er wollte verhindern, daß, wie der Pfarrer Erimbert von Pfaffing das Ordenskleid nahm, desgleichen auch die Herren Ebo von Aua, Richer von Rohr und Stilicho von Engersheim täten, weil er nicht gemeint war, daß das weltliche Gut in die heiligen Hände gelange. Sie haben es aber doch getan, und er und sein Vater sind im Unmute von den Klöstern fort geritten. Sie sind immer der Habe und des Wachsens begierig gewesen. Werinhart, der Vater Heinrichs, hat wegen einiger [] Rechte und einigen Besitzes mit dem Kloster Berchtesgaden Streit begonnen. Konrad, der Erzbischof von Salzburg, und Roman, der Bischof von Gurk, haben vermittelt, ja es ist sogar die Hilfe des Heiligen Vaters angegangen worden, und der Streit hat sein Ende bis in unsere Tage nicht erlangen können. Da der letzte Herr von Aschach gestorben ist, so hat die Tochter desselben, welche die Mutter Heinrichs von Jugelbach ist, das ganze Habe von Aschach geerbt. Und die zwei Brüder Heinrich von Jugelbach und Gebhart von Jugelbach wollen gegen Aschach gehen, und zwei Burgen bauen, indes der alte Werinhart in Jugelbach sitzt. Wenn die Abtei Wilhering, die man stiften will, entstehen kann, dann wollen sie ihr Totenlager von der Abtei Formbach nach Wilhering verlegen. Von Benedicta erbt Heinrich einmal die Wassermaut von Aschach, und da kann ich durch meine Schiffer mit ihm in Streit geraten, wie das Kloster Berchtesgaden mit seinem Vater in Streit geraten ist. Die zwei Brüder werden die Fittiche schon regen.«

»Das Totenlager verlegen sie«, sagte Zdik, »es ist allwärts wie bei uns, erst üben sie Gewalt, dann haben sie Reue, und begaben die Orte ihrer letzten Ruhe. In deinem Lande, ehrwürdiger Bruder, ist uns Gewalt begegnet. Man hat Bolzen auf uns gesendet, die abgeprallt sind.«

»Wer hat solches gewagt?« fragte der Bischof von Passau.

»Ich habe einen der zwei Männer fangen lassen«, entgegnete Witiko.

»Und habet Ihr ihn in unser Gericht gebracht?« fragte der Bischof.

»Nein«, antwortete Witiko, »ich habe ihn selber abgeurteilt. Weil ich durch Fragen im Hauzenberge erkannt hatte, daß er nur einen Gauneranfall hatte verüben wollen, so ließ ich ihn mit einer Drohung aus der Haft. Wir hatten nicht Frist zu Gerichtsdingen, und ich wollte [] nicht, wenn ich den Mann bei unserem Weiterreiten mitziehen ließe, die Aufmerksamkeit der Leute auf uns richten.«

»Das ist gut, Witiko«, sagte der Bischof.

»Du darfst die Sache nicht beachten, hochehrwürdiger Bruder«, sagte Zdik, »die Bolzen stammen nicht aus dem Lande Mähren, und der Mann, der aus eigenem Rate auf uns geschossen hat, wird der Strafe nicht entrinnen.«

»Es ist arg, daß sich die Ordnung in diesen Tagen immer mehr verwirrt«, sagte Regimbert, »und am ärgsten, daß in unserm Lande Baiern kein Herr und Herzog ist. Der König hält das Land in seiner Macht, und es müßte vieles geschehen, wenn nicht der Markgraf Heinrich in Wien einen Teil davon erhielte.«

»Der König ist der Stiefbruder des Markgrafen Heinrich«, antwortete Zdik, »und weil er mit euerm stolzen Herzoge Heinrich und seinem Bruder Welf den schweren Krieg gehabt hat, so fürchtet er, wenn er dem Knäblein Heinrich zu Sachsen auch noch Baiern gäbe, daß es einst zu mächtig werden könnte. Und so kann es schon geschehen, wie du gesagt hast.«

»Dann ist der Sprengel des Bischoftumes Passau noch weiter in die Ostmark hinein gelegt, als jetzt«, sagte Regimbert.

»In unsern Zeiten werden die Dinge vielfältig von ihrer Stelle gerückt«, antwortete Zdik, »und die Kirche erleidet auch Änderungen.«

»Ja, es geschehen Zeichen und Wunder, und Mächte wachsen und vergehen, wie wir nicht geahnt haben«, sagte Regimbert, »wir sollten sorgsam auf diese Zeichen achten. Denke an Friedrich von Büren, und was er geworden ist. Er ist ein edler Mann gewesen, wie auch sein Vater ein edler Mann gewesen ist, und wie sein Großvater gewesen sein mag. Aber er ist nur ein edler Mann gewesen, und um sein Vorgeschlecht war Dunkelheit gehüllt. [] Er stieg von seinem Dorfe Büren auf den Gipfel des hohen Staufen, und baute dort eine Burg. Und dann hat er mit seiner Hand und seinem Rate dem vierten Heinriche stets gedient, daß dieser endlich gesagt hat: Ich gebe dir meine Tochter Agnes zum Weibe, und verleihe dir das Herzogtum Schwaben. Und sitzt nicht der Sohn dieses Mannes Büren, Konrad, jetzt auf dem Königsstuhle der Deutschen, dem ersten weltlichen Stuhle auf dieser Erde, welcher gleich nach dem Stuhle des Heiligen Vaters kommt? Und wird dieses Geschlecht nicht wachsen? Hat er nicht die alten Welfe, die in Baiern und Sachsen mächtig waren, nieder geworfen? Und wird er nicht gegen Heinrich, den Sohn unsers verstorbenen stolzen Herzoges Heinrich, dem sie Sachsen gegeben haben, und in dem ein rächender Löwe heran wächst, einst streiten? Und wenn die Mächtigen streiten, kannst du sagen, Bruder Zdik, in welche Zeiten und in welche Länder sich der Streit fortpflanzen wird? Und wie der Mann Büren auf den hohen Staufen gestiegen ist, und seinem Geschlechte den deutschen Königstuhl errungen hat, so hat ein anderer Mann in der Zeit vor unsern Tagen seine Söhne ausgesendet, daß sie sich ihren Lebensunterhalt suchen, und sie haben Königskronen gefunden, die furchtbar sind, und die noch furchtbarer werden können. Es ist der Mann Tankred gewesen, der in dem Lande Normandie gehauset hat. Er ist auch nur ein edler Mann gewesen, und sein Geschlecht hat einiges Ansehen gehabt. Er hat die edle Jungfrau Moriella geheiratet, und sie hat ihm Töchter und fünf Söhne geboren. Und da sie gestorben war, hat er die edle Jungfrau Fresenda geheiratet, und sie hat ihm Töchter und sieben Söhne geboren. Und sie hat die Töchter und die Söhne erzogen. Und die Jünglinge waren in allen Tugenden der Männer und Ritter geübt. Da sagte der Vater: Wenn meine Habe unter euch geteilt wird, so hat jeder wenig, wenn sie aber einer bekömmt, [] so kann er sein Geschlecht in Ansehen fortführen, und wenn die übrigen sich Ruhm und Habe erwerben, so könnt ihr alle bedeutsam sein. Da gingen drei Söhne, Wilhelm, Drogo und Humfried, nach Italien, und verdingten sich dem Fürsten von Capua. Als der Fürst kargte, gingen sie in den Dienst des Fürsten von Salerno. Derselbe übergab sie dem griechischen Kaiser Michael, und sie schlugen mit den Männern der Normandie, die nach gekommen waren, für ihn ein sicilisches und saracenisches Heer auf der Insel Sicilien. Die Griechen aber betrogen sie um die Beute, und waren arglistig, und die Männer mußten nach Italien fliehen. Dort errannten sie im Sturme die Stadt Malfi, machten aus ihr eine Veste, und sie sollte gemeinschaftliches Eigentum sein, und was man erobern würde, sollte geteilt werden. Wilhelm wurde als Haupt erkannt. Er führte sie gegen die Griechen, welche bestrebt waren, die Eindringlinge aus dem Lande zu werfen, und besiegte die Griechen. Aber er starb. Da wurde Drogo das Haupt, und es kamen wieder sieben Söhne Tankreds zu ihm. Weil die Griechen nicht zu siegen vermochten, und auch durch Geschenke die Fremden nicht aus dem Lande bringen konnten, dachten sie auf Hinterlist. Drogo wurde, als er in die Kirche von Montello ging, ermordet, viele seiner Leute wurden getötet, und es sollten an diesem Tage alle Normannen ermordet werden. Aber an Drogos Stelle trat Humfried, er rief die Seinigen zusammen, sie erstürmten Montello, töteten die Verräter, und befestigten ihre Macht. Nun wies sie der Heilige Vater Leo aus dem Lande, und befahl, daß sie aus Italien weichen sollten. Sie gehorchten nicht. Und so zog er mit den Leuten des Fürsten von Benevent, mit Griechen, und selbst mit Deutschen gegen sie. Allein sie siegten, und nahmen den Heiligen Vater gefangen. Sie bezeugten ihm große Ehrerbietung, und er belehnte sie mit dem, was sie hatten, und was sie in dem untern Italien [] erwerben würden. Als Humfried starb, kam der nächste der Söhne Tankreds, Robert Guiskard, an seine Stelle. Sie sagen, daß Robert sehr schöne rote Wangen und blaue Augen und blonde Haare gehabt hatte. Aber die Männer gehorchten dem Haupte nicht mehr. Sie zerstreuten sich in Fehdefahrten, und wohnten auf Burgen. Robert baute sich ein Schloß, und mußte sich dahin Lebensmittel stehlen, er mußte einen falschen Leichenzug in ein Kloster führen, um von den Mönchen durch Schreck Geld und Nahrung zu erpressen, und er trug einen reichen Mann gegen sein Schloß, um Lösegeld zu erzwingen. Da kam nun auch der jüngste der Söhne Tankreds, Roger, nach Apulien. Er war schön und blond wie sein Bruder, aber größer. Zuerst war er mit seinem Bruder Robert vereinigt. Aber sie zerfielen dann, und bekriegten sich. Roger erhielt von einem Bruder eine Burg zum Geschenke, und er mußte Wegelagerung treiben, und stahl in der Nacht mit seinem Knechte Pferde. Die Brüder versöhnten sich wieder, und da sie versöhnt waren, bezwang Robert Länder in Apulien, und Roger machte Raubzüge nach Sicilien, und behielt die Stadt Messina in seiner Gewalt. Sie entzweiten sich dann wieder, und kämpften gegen einander. Da rettete Roger einmal seinen Bruder aus der Gefangenschaft und von dem Tode, und nun blieben sie vereint durch die Zeit ihres Lebens, und halfen einer dem andern. Roger besiegte die Saracenen in Sicilien, dann kam Robert zu ihm, und sie durchzogen die Insel. Dann gingen beide nach Apulien, bezwangen Städte durch Hunger, durch Sturm oder durch Schreck, und dann eroberten sie wieder Palermo, und dann die letzten Teile von Apulien. Roger wurde als Fürst von Sicilien und Robert als Fürst von Apulien anerkannt. Robert rüstete darauf ein Heer gegen den griechischen Kaiser Alexius, schiffte nach Griechenland, besiegte den Kaiser in mehreren Schlachten, und war daran, das ganze Reich zu bezwingen. [] Da ward ihm zu Hause Empörung erregt, und der Heilige Vater Gregor der Siebente rief ihn zu Hilfe, weil er in der Engelsburg von dem Kaiser Heinrich belagert wurde. Robert ließ seinen Sohn Boemund in Griechenland, ging heim, schlug die Empörer, zog mit seinem Bruder nach Rom, und befreite den Heiligen Vater. Boemund besiegte in der Zeit die Griechen in drei Schlachten. Robert machte nun den zweiten Zug gegen sie; allein da starb er. Seine Söhne haderten, und endlich erlosch seine Nachkommenschaft gänzlich. Und da auch Roger gestorben, und da ihm sein Sohn desselben Namens Roger gefolgt war, kam alle Herrschaft in Sicilien und Apulien an diesen zweiten Roger. Er wurde dann König und vor zwölf Jahren in der heiligen Weihnachtzeit von dem Gegenpapste Anaklet durch einen Kardinal in der erzbischöflichen Kirche in Palermo gesalbt. Der im Himmel selige Kaiser Lothar hat wohl nach seinem Krönungszuge nach Rom das ganze Land Italien erobert, und Roger auf Sicilien zurück gedrängt, und den Heiligen Vater Innozenz auf seinen Stuhl nach Rom geführt; aber da Lothar nach Deutschland zurück gezogen, und auf dem Wege gestorben war, eroberte Roger wieder alle Länder des untern Italien, und wurde von dem Heiligen Vater Innozenz als König von Apulien, Calabrien, Capua und Sicilien erkannt. Und da steht er nun, der Enkel des Mannes Tankred, als ein gewaltiger Herrscher da, bereit, alles zu nehmen, und sei es so viel, als eines Menschen Haupt zu denken vermag. Und wie sind die Sachen indessen in dem oberen Italien gediehen? Wenn man mit Worten den Kaiser nennt, so achtet in Taten niemand sein, die Begierden herrschen, und Venedig kämpft mit Ravenna, Florenz und Pisa mit Lucca und Siena, Verona und Vicenza mit Padua und Treviso, Bologna mit Modena, und die Herren in dem Lande sind dabei, der Markgraf von Tuscien steht zu den Florentinern, der Graf Guido zu den Feinden derselben, [] und es erheben sich Räuberhorden, die den Freund und den Feind plündern, und Bischöfe und Äbte anfallen. Und hat nicht der Abt von Clugny, der auch von Räubern ergriffen worden war, an den König Roger geschrieben: Oh, wenn nur das arme Land deinen Befehlen unterworfen würde? Und sind nicht diese Worte bekannt gemacht worden? Wenn nicht ein deutscher König zu retten kommt, so wird Roger das Land ergreifen, es mit einem Arme halten, und mit dem andern über die Alpen langen, und alles zu verschlingen streben, oder alles wird zerfallen.«

»So ist es, hochehrwürdiger Bruder Regimbert«, sagte Zdik, »das Erhobene wird gedemütigt, das Kleine wird erhoben. So stark wie dieser Roger, Robert, Boemund, Wilhelm und Drogo, so sind noch andere auf dieser Welt, und wer weiß, ob nicht der deutsche König und römische Kaiser schon unter uns wandelt, der die Rettung bringt.«

»Konrad wird jetzt auf seinen Römerzug gehen«, sagte Regimbert, »auch preisen viele den Knaben Friedrich.«

»Was ist alles vor den Augen Gottes«, antwortete Zdik, »Geschlechter steigen in die Grube, andere breiten sich aus, Reiche vergehen, und werden. Bei uns sind Männer von dem Herzogstuhle in das Elend gegangen, andere von dem Pfluge zur Herrschaft, Städte und Stämme haben geboten, und sind dahin. Aber Gott wirkt durch die Menschen Wunder, welche leuchten von dem Aufgange bis zu dem Untergange, und welche nicht vergessen werden, wenn wir sie auch durch Unreinheit des Herzens verlieren.«

»Du sagst es, Bruder Zdik«, antwortete Regimbert, »das ist die Befreiung des Heiligen Landes von der Schmach der Entweihung durch den Eifer gebrechlicher Menschen. Das ist das Wunder, das vor unserer Zeit geschehen ist, und das nicht vergessen werden kann. Es ist mein Gebet beim Tage, meine Betrachtung in der Nacht, und mein [] Traum in dem Schlafe, daß ich einmal in das Land gelange. Ich erzähle mir, und wiederhole mir, wie es sich wundervoll zugetragen hat. Da ist ein Mann mit einem kleinen Körper, mit schwachen Gliedern, mit geschwärzten Wangen, und mit nackten Füßen, der Einsiedler Peter, zu dem Heiligen Vater Urban gekommen. Er hat erzählt, wie er nach Jerusalem gegangen ist, und wie ihn die Leute gepflegt haben, und wie ihm vornehme Frauen die Füße gewaschen haben; denn es hat sich ausgebreitet, daß die Pilgerungen zum Seelenheile dienen, damit man sich von Schuld löse, oder frömmer werde, oder Überbleibsel hole, die ewigen Segen bringen, und viele Menschen sind nach Jerusalem gewandelt, und immer mehrere, um des Heiles teilhaftig zu werden. Und je mehr Menschen nach Jerusalem gezogen sind, desto mehr Ungläubige sind aus dem Lande Asien heraus gezogen, und haben alles erobert bis an das Meer, und sind den Pilgern zum Schrecken und zur Gefahr geworden, und haben Zins begehrt, wenn man die heiligen Stätten betreten wollte. Aber die Pilger duldeten den Schrecken und die Gefahr, und leisteten den Zins. Siegfried, der Erzbischof von Mainz, Otto, der Bischof von Regensburg, Günther, der Bischof von Bamberg, Wilhelm, der Bischof von Utrecht, die große Geleite hatten, wurden angefallen, und verloren Habe und Männer. Von siebentausend Christen, die eine Wallfahrt unternommen haben, sind fünftausend getötet worden. Dietrich, der Graf von Trier, welcher Kuno, den Erzbischof von Köln, erschlagen hatte, ging, um die schwere Schuld zu sühnen, nach Jerusalem, und ist nicht wieder zurückgekehrt. Die pilgernden Herren von Wulfenberg, vom Thal, von Bingen sind verschollen, und ist nie mehr etwas von ihnen gehört worden. Eine schöne Äbtissin hat man bis zum Tode entwürdigt. Die Türken schändeten die heiligen Orte, die Kirchengeräte wurden zerstört, die Priester geschlagen [] und mißhandelt, der Patriarch wurde bei den Haaren und dem Barte zu Boden geworfen, und es wurde ihm in das Angesicht gespien, und wenn die armen Pilger den Zins nicht zahlen konnten, so wurden sie zurück gejagt, und die Christen konnten ihnen nicht helfen, weil sie selber beraubt und geplündert worden waren, und da man die Pilger nicht pflegen konnte, mußten sie oft auf der Heimkehr verschmachten. Der Einsiedler zog Briefe heraus, die ihm Simeon, der Patriarch, gegeben hatte, die ihm andere Leute gegeben hatten, und die ihm unzählige Leute gegeben hatten. Der Heilige Vater antwortete, daß er auf Abhilfe denken werde. Peter ging darauf über die Alpen, und erzählte dort, und teilte Briefe aus. Auf den November des Jahres 1095 berief der Heilige Vater eine Versammlung nach Clermont. Es kamen über dreihundert Bischöfe und Äbte, und dann Fürsten, Edle, Ritter und Volk. Der Heilige Vater hielt die Versammlung unter dem freien Himmel, und sprach: Die Lehre des Heilandes ist durch viele hundert Jahre in dem Lande Asien geübt worden, sie ist von da in die ganze Welt ausgegangen; jetzt aber sind Ungläubige dort, und walten. Welch ein Jammer ist dieses! Und doch ist der Jammer noch größer. Die heilige Stadt Jerusalem und das Heilige Land ist in ihrer Gewalt. Der Erlöser, welcher die menschliche Gestalt angenommen hat, ist dort gewandelt, hat dort seine Worte gesprochen, seine Wunder gewirkt, hat dort gelebt, und ist dort gestorben. Jetzt ist dort keine Erlösung mehr. In der Kirche der Auferstehung, durch die er dem Tode die Macht genommen hat, werden Teufelsworte verkündiget, in dem heiligen Raume stehen Lasttiere, die Christen werden verfolgt, die Priester mißhandelt und erschlagen, und um das nur anblicken zu können, müssen die Pilger einen schweren Zins zahlen. Uns allen wäre besser, daß wir stürben, als daß wir leben, und dieses Unheil dulden. Ich sage: Jeder [] verleugne sich selbst, jeder nehme das Kreuz des Heilandes, kein Christ streite mehr wider den andern, keiner rufe den andern vor Gericht, keiner sei tapfer gegen den Nachbar, sondern gegen die Heiden zur Vergebung der Sünden, keiner fürchte Gefahr; denn wer reinen Herzens für den Herrn streitet, dem sind die Feinde dahin gegeben, keiner fürchte Mangel; denn wer Gott gewinnt, ist reich, keiner lasse sich durch Klagen der Seinigen hindern; denn die Gnade schützet das Haus. Und der Heilige Vater konnte seine Worte nicht endigen; denn es entstand ein Donnerschrei in dem Volke, und es rief gesamt wie ein einziger Mensch: Gott will es! Und da es wieder stille geworden war, sagte der Heilige Vater: Wahrhaftig sind die Worte der Schrift: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, werde ich bei ihnen sein. Er ist bei euch gewesen, und hat durch euch wie mit einem Munde das Wort gerufen: Gott will es. Das Wort ist nun fortan euer Feldwort, und das Kreuz sei euer Zeichen, es ist das Zeichen der Macht und der Demut. Wer das heilige Unternehmen zu stören wagt, den trifft der Fluch des päpstlichen Stuhles, wer es fördert, dem wird sein Beistand im Namen des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit. Da der Heilige Vater geendet hatte, kniete Ademar von Monteil, der Bischof von Puy, vor ihm nieder, und bat, daß er bei dem heiligen Zuge sein dürfe, dann kniete Wilhelm, der Bischof von Orange, nieder, und bat auch so, und dann knieten viele, und baten, und die meisten der Versammelten riefen auf, und gelobten den Zug. Man riß plötzlich, wo irgend ein rotes Tuch oder rote Seide oder rotes Linnen auf einem Kleide war, dasselbe herab, und schnitt Kreuze daraus, und heftete sich die Kreuze auf die Schultern. Alte Männer, welche zu jener Zeit gelebt haben, erzählen, daß sich die Kunde von dem, was zu Clermont geschehen ist, in allen Ländern der Christenheit zu der gleichen Zeit verbreitet hat. Die Bischöfe [] und die Priester predigten nun das Kreuz, und die Pilger riefen zum Zuge. Der Mann trennte sich von dem Weibe, das Weib von dem Manne, die Eltern von den Kindern, die Kinder von den Eltern, der Bruder von der Schwester, die Schwester von dem Bruder, der Landmann vergaß den Acker, der Hirt die Herde, Mönche und Nonnen verließen ihre Zellen, und alle, Männer und Weiber, Hohe und Niedere wollten nicht ausgeschlossen sein von der Wanderung der Völker nach dem Heiligen Lande. Es war nicht mehr Frist, das auszuschließen, was nicht tauglich war, und wie ein brausendes Gewässer lief alles vorwärts. Unzählbare Menschen zogen sogleich mit dem Ritter Walter und mit dem Einsiedler Peter dahin; aber sie gingen zu Grunde. Dann zogen andere mit dem Grafen Emiko; aber sie gingen auch zu Grunde. Da zog der edle Herzog von Lothringen, Gottfried von Bouillon mit Ratschluß und Besinnung aus. Es zogen mit ihm seine Brüder Balduin und Eustathius. Es zogen mit ihm Robert, der Graf von der Normandie, der Bruder des Königs von England, dann Robert, der Graf von Flandern, es zogen mit ihm Hugo, der Graf von Vermandois, der Bruder des Königs von Frankreich, dann der Graf Stephan von Blois, der Burgen hatte, wie Tage im Jahre sind, dann Raimund, der Graf von Toulouse, welcher der reichste unter den Rittern war, dann Boemund, der Sohn des Normannen Robert Guiskard, der Enkel des Mannes Tankred, und mit ihm war sein Neffe Tankred, der in jungen Jahren schon hohes Lob gewonnen hatte, es zog mit ihm noch eine große Zahl von Herren, Rittern und Edlen. Sie gingen durch das Land Ungarn und durch das Reich der Griechen, und waren, als sie auf den Boden des Erdteiles Asien stiegen, eine halbe Million und hunderttausend Menschen. Darunter waren dreihunderttausend gewappnete Fußgänger und hunderttausend Reiter. Sie gingen in dem Erdteile Asien vorwärts, und waren [] Leute aller Zungen und Völker. Sie litten durch Hunger und Durst, durch Feinde und Zank, durch Krankheit und Erschöpfung, durch Kämpfe und Aufenthalt, weil sie nicht ganz reinen Herzens waren. Und als sie sich gereiniget hatten, eroberten sie Nicäa, Edessa, und Antiochia, und am sechsten Tage des Brachmonates des Jahres 1099 hatten sie die Gnade, Jerusalem zu sehen. Sie fielen auf die Knie, sangen Loblieder, und weinten vor Freude. Dann näherten sie sich der Stadt, und rüsteten sich zur Belagerung, und am neununddreißigsten Tage nach ihrer Ankunft, am fünfzehnten des Heumonates erstiegen sie im Sturme die Stadt Jerusalem. Alle hatten die größte Anstrengung erwiesen, und man hatte diejenigen, welche auf dem Zuge gestorben waren, wieder unter den Kämpfern erblickt. Sie küßten den Erdboden, berührten alles mit ihren Händen, feierten in der heiligen Kirche den Gottesdienst, taten Buße, und gelobten mit lauter Stimme Besserung. Dann errichteten sie, da sie riefen: Gott will es, ein christliches Reich, und erwählten Gottfried zum ersten Könige von Jerusalem. Dieses ist im dritten Jahre, nachdem sie die Heimat verlassen hatten, geschehen. Siehe, mein Bruder Zdik, das ist das Wunder, das von Gott durch gebrechliche Menschen gewirkt worden ist, wie du gesagt hast. Es ist nichts Größeres seit dem Leben und Sterben des Heilandes auf der Welt gewesen. Eine Freude war in der ganzen Christenheit.«

»Es ist nichts Größeres gewesen«, sagte Zdik, »und ich halte es mir immer vor die Seele.«

»Aber die Menschen in Jerusalem sind nicht fortan reinen Herzens geblieben«, erwiderte der Bischof Regimbert.

»Nein, sie sind nicht reinen Herzens geblieben«, sagte Zdik, »und ich habe es selber in Jerusalem gesehen, daß sie nicht solchen Herzens geblieben sind.«

»Darum mußte auch wieder die Heimsuchung kommen«, antwortete Regimbert. »Der fromme König Gottfried [] hat nur kurz geherrscht. Dann führte unter Mühen und Erwerbungen sein Bruder Balduin siebenzehn Jahre das Königtum. Dann kam der andere Balduin, sein Vetter, der Graf von Edessa, und stiftete ein Reich von Tarsus bis nach Ägypten. Er vermählte in unseren Tagen seine älteste Tochter Melisenda mit Fulko, dem Grafen von Anjou, und als er gestorben war, wurde Fulko König. Der König Fulko ist jetzt schon alt, er ist irdisch und unsicher, und auch die andern sind irdisch und habgierig. Da hat Gott zwei Feinde des Reiches erweckt. Der eine ist der griechische Kaiser Johannes, der Sohn des Kaisers Alexius, der in Griechenland geherrscht hatte, als Gottfried in die heiligen Länder gezogen war. Er ist ein tapferer Mann, und besiegte gleich nach dem Beginne seiner Herrschaft die Türken und Petschenegen. Darauf fingen die Ungarn gegen ihn Krieg an, weil er Almus, den flüchtigen Bruder ihres Königs, gütig aufgenommen hatte. Er war auch gegen die Ungarn siegreich. Da er diese Dinge beendiget hatte, zog er mit seinem Heere nach Asien, und drängte die Ungläubigen zurück. Es mögen jetzt fünf Jahre sein, daß er Tarsus und das ganze Cilicien eroberte, und vor die christliche Stadt Antiochia kam. Weil einmal diese Länder zu Griechenland gehört hatten, und weil die ersten Pilger dem Kaiser Alexius die Lehensherrlichkeit darüber versprochen hatten, so begehrte sie nun Johannes. Aber die jetzigen Pilger verweigerten sie, und so sind nun Christen wider Christen. Der zweite Feind ist Emadeddin Zenki, der Ungläubige. Er ist Herr von Aleppo, Syrien und des Landes zwischen den Flüssen. Er hat seine Waffen gegen die Christen gekehrt, und Raimund, den Grafen von Tripolis, gefangen, zugleich auch den König Fulko in einer Burg bei Akkon eingeschlossen. Den Grafen Raimund gab er gegen ein Lösegeld und den König gegen die Burg frei. Jetzt rüstet er gegen Edessa. Wenn nicht mit neuem Glauben und [] neuem Eifer Pilger von uns in das Morgenland ziehen, kann alles verloren werden. Boemund hat ein irdisches Mittel angesagt. Man soll das griechische Reich erobern, dort eine starke abendländische Herrschaft stiften, und von ihr aus die weiteren Länder erwerben und anfügen. Gott wird aber die Seinigen ohne dieses Mittel retten und befreien.«

»Und wenn alles durch die Sünden der Menschen verloren wird, so wird alles einmal wieder gewonnen werden, und es wird ein Hirt und eine Herde sein«, sagte Zdik.

»Und glücklich sind, die zu diesem Gewinne werden auserkoren sein«, sprach Regimbert. »Sage, Zdik, wird der Herzog Wladislaw zu dem heiligen Kampfe seine Mitwirkung bringen?«

»Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, wird zuerst in seinen Ländern seine Macht in Sicherheit stellen«, antwortete Zdik, »und dann wird er tun, was der Kirche und den Menschen frommt.«

»Und Könige und Fürsten und alle, die die Macht haben, sollen dem Werke nicht fehlen«, sagte der Bischof von Passau, »und du, mein Sohn Witiko, wirst du auch deine Jugend in die heiligen Länder tragen?«

»Wenn mein geringer Dienst etwas wirken kann, werde ich ihn nicht versagen«, antwortete Witiko.

»Ich glaube es«, sagte der Bischof.

»Ihr habt in Eurer Rede einen Namen genannt, welchen ich kenne, hochehrwürdiger Bischof«, sagte Witiko, »Almus, der flüchtige Bruder des ungarischen Königs, den der griechische Kaiser Johannes gütig aufgenommen hatte, ist der Vater Adelheids, der Gemahlin des böhmischen Herzoges Soběslaw, gewesen, welche die Länder Böhmen und Mähren geliebt hat, welche in diesem Leben wie eine Heilige gewandelt ist, und mir Wohlwollen erwiesen hat. Und erlaubet mir auch, hochehrwürdiger Herr, daß ich von Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen [] und Mähren, rede. Wenn es die Ehre und der Ruhm seiner Länder erheischt, wird er seine Banner über die Grenze zu entfernten Völkern tragen, und wir werden ihm folgen.«

»Ich habe Adelheid gekannt, mein Sohn«, sagte Regimbert, »sie genießt im Himmel den seligen Lohn. Wladislaw möge nicht nur die Ehre und den Ruhm seiner Länder wahren, sondern vielmehr tun, was die Ehre und der Ruhm Gottes erheischt.«

»Wie Gott durch alle Zeit hindurch die Zeiten lenkte«, sagte Zdik, »und die erweckte, welche er für die Zeiten brauchte, so wird er auch die erwecken, die in den weltlichen Dingen und auch in den himmlischen seine Ehre und seinen Ruhm erfüllen, und wenn es auch in so entfernten Jahren ist, dahin wir nicht zu sehen und nicht zu denken vermögen.«

»Amen«, sagte der Bischof von Passau, »so ist es gewesen, und so wird es sein. Und was für die jetzige Zeit not tut, wie du sagst, daß der Herzog Wladislaw seine Macht festigen muß, so wird der Heilige Vater einen Gesandten nach Böhmen schicken, der die geheiligten Dinge ordnet, und der Herzog kann dann weiter walten, und in Deutschland würde ein König taugen, der das Blut der Hohenstaufen und der Welfen zugleich in sich trägt, wie der junge Friedrich, damit der Streit zwischen ihnen ruhte, Italien muß gehorchen, der Heilige Vater Innozenz und der Kaiser, wenn er einmal gekrönt sein wird, sollten in Freundschaft sein, und dann würden die Zelte die nicht fassen, die zu dem Zuge in die heiligen Länder kommen, und den Herrn dort verherrlichen wurden.«

Als der Bischof noch diese Worte sprach, trat der Priester Konstantin in das Gemach. Er blieb in der Entfernung stehen, bis der Bischof ausgesprochen hatte.

»Nun, was hast du zu berichten, lieber ehrwürdiger Bruder Konstantin?« fragte ihn der Bischof.

[] Der Priester trat näher, neigte sich, und sprach: »Es ist alles vollendet, was zur Aufnahme des hochehrwürdigen Bischofes von Olmütz notwendig gewesen ist, und der hochehrwürdige Herr kann in seine Wohnung kommen.«

»Wenn du in dein Gemach begehrest, hochehrwürdiger Bruder Zdik«, sprach Regimbert, »so wirst du es sagen.«

»Die Sonne ist untergegangen, wie ich an jenen Bergen sehe«, antwortete Zdik, »es wird an der Zeit sein, seine Wohnung zu suchen, um dort ein Abendgebet zu sprechen.«

»So gehe ein in dein Haus unter meinem Dache«, sagte der Bischof von Passau, »und die von Hagenau und von Peilstein und die von dem Bischoftume werden dich schützen.«

Er erhob sich nach diesen Worten von seinem Sitze.

Der Bischof Zdik in seinem braunen Gewande stieg auch von dem seidenen Stuhle herab, Regimbert nahm ihn bei der Hand, und sagte: »Lasse dich geleiten. Und du, edler Witiko, folge uns, daß dir auch deine Herbergstube gezeigt werde.«

Er führte den Bischof an der Hand gegen eine andere Tür, als durch welche die Wanderer herein gekommen waren. Witiko folgte den zwei Kirchenherren. Hinter Witiko ging der Priester Konstantin. Als sie in das Vorgemach gekommen waren, standen noch Priester, Kämmerlinge und Diener da. Sie reihten sich nach ihrer Würde dem Zuge an. Der Bischof Regimbert führte seinen Gast durch Gemächer mit Holzgetäfel und geschnitzten Gestalten von Aposteln und Heiligen, und dann über Tücher eines kurzen Ganges in einen andern Teil der kirchlichen Burg, und hielt vor einer Eichentür an, indem er sagte: »Gott segne den Eingang.«

Ein Diener öffnete die Flügel der Tür, und der Zug trat in ein großes Vorgemach, in welchem brennende Lichter [] waren. Von dem Vorgemache konnte man in andere beleuchtete Gemächer sehen.

Der Bischof von Passau führte Zdik an der Hand in diese Gemächer.

Sie kamen zuerst in eines, welches mit roter Seide überzogen war. In demselben stand unter einem roten Seidendache ein Kreuz mit dem Heilande, davor ein Betschemel war, den rote Seide bedeckte. Dann kamen sie in ein Gemach von dunkelblauer Seide mit vielen dunkelblauseidenen Stühlen und mit Tischen. Dann gelangten sie in das Speisegemach. Es war mit dunkelm Birnholze getäfelt. In demselben standen die Speisegeräte. Sie waren schon zum Abendmahle bereitet. Dann war ein Wohnzimmer, das gleich dem Speisezimmer Birnholzgetäfel hatte. Dann ging der Zug in ein Zimmer, dessen Getäfel braunes Nußholz war. In dem Zimmer standen Schreine aus Eichenholz, deren Türen offen waren. In einigen Schreinen hingen Gewänder, welche ein hoher Kirchenherr in der Kirche, dann, welche er außerhalb derselben im Hause, im Felde und im Walde tragen konnte, und in andern Schreinen waren Trutz- und Schutzwaffen. Nach dem Gewandgemache war ein Ankleidegemach mit braunem Nußholze, und nach diesem Gemache war hinter einem gelbseidenen Vorhange die Schlafstelle.

Als der Bischof von Passau den Gast durch alle Gemächer geführt hatte, blieb er an dem seidenen Vorhange stehen, und sagte: »Ich habe dir deine Wohnung gezeigt, ehrwürdiger Bruder Zdik, benütze sie wie dein Haus, und offenbare jeden Wunsch zur Erfüllung eines Bedarfes. Erlaube, daß ich mich entferne. Gelobt sei Gott der Herr!«

Er ließ bei diesen Worten die Hand des Bischofes Zdik los.

Zdik sagte: »Gelobt sei Gott der Herr. Ich bringe dir den Dank, und werde dich geleiten.«

[] Der Bischof von Passau trat den Rückweg an, und Zdik geleitete ihn bis in das Vorgemach. Regimbert ging aus dem Vorgemache, und es folgten ihm einige Priester, Kämmerlinge und Diener. Konstantin, zwei Priester, zwei Kämmerer und vier Diener blieben bei Zdik zurück.

Zdik wendete sich zu den Priestern, und sprach: »Ehrwürdige Herren, ich danke euch für euer Geleite, ich glaube, es ist nicht geziemend, daß ich euch noch ferner von euerem Gebete und eueren Obliegenheiten abhalte.«

»Wir sind zu dir gehörig, hochehrwürdiger Herr«, sagte Konstantin, »rufe uns, so du willst.«

»Ich werde es tun«, sagte Zdik.

Darauf entfernte sich Konstantin mit den Priestern aus dem Vorgemache.

»Harre ein Weilchen, Witiko«, sagte Zdik.

Nach diesen Worten ging er in das rote Zimmer, kniete dort auf den Betschemel vor dem Kreuze nieder, und betete.

Dann stand er auf, ging wieder hinaus, und sprach: »Zuerst der Dank an Gott, dann der Dank an dich, Witiko, du hast treue Christenpflicht an mir geübt; möge sie dir im Walde gelohnt werden, von dem Hause Heinrichs von Jugelbach bis an die Waldstelle, in der du wohnen wirst. Möge Wladislaw die Stelle zieren, und möge ich etwas hinzu tun können. Die Reisetage werde ich nicht vergessen, und die Vergeltung wird im Jenseits nicht vergessen werden.«

Nach diesen Worten legte er die Hände wie zum Segen auf den Scheitel Witikos.

»Hoher Herr«, sagte Witiko, »ich danke Euern Worten. Was ich getan habe, das habe ich nicht des Lohnes wegen getan, sondern weil ich meinte, daß es gut sei. Und darum habe ich es mit Liebe getan, die sich zur Liebe gegen Euch gesellte. Jedes Glück, das mich findet, ist eine [] Gnade des Herrn, und das Glück im Walde ist meinem Herzen lieber als das Glück anderswo.«

»Lasse die Liebe zu mir dauern, Witiko, wie die meinige zu dir dauert«, sagte Zdik, »genieße die Ruhe nach dem Ritte, und zeige mir morgen wieder dein Angesicht.«

Dann wendete er sich zu den Dienern, und sagte: »Weise einer dem Ritter seine Schlafstelle.«

Ein Diener schickte sich zum Gehorchen an.

»Habt gute Ruhe, hochehrwürdiger Herr«, sagte Witiko.

»Du auch, mein Sohn«, sagte Zdik.

Darauf ging Witiko mit dem Diener aus dem Gemache.

Der Diener führte ihn über den erleuchteten Gang, dann über eine Treppe hinauf zu einer großen Eichentür.

Sie gingen durch die Tür in ein Vorgemach. In dem Vorgemache saßen zwei Diener und Raimund.

»Diese Männer sind zu Euern Diensten, hoher Herr«, sagte der, welcher Witiko geleitet hatte, und entfernte sich.

Die Diener in dem Vorgemache erhoben sich.

Witiko sagte zu Raimund: »Folge mir.«

Raimund erhob sich auch von seinem Sitze.

Witiko ging mit ihm von dem Vorgemache in ein zweites kleineres Vorgemach, in welchem ein Lager bereitet war, das er als das Nachtlager Raimunds erkannte. Dann gelangte er in ein Speisezimmer, in welchem der Tisch zum Abendessen gerüstet war. Aus dem Speisezimmer kamen sie in ein Gemach, in welchem Waffen und schöne Kleider waren. Und neben diesem Gemache befand sich das Schlafzimmer für Witiko. In allen Gemächern brannten Lichter.

»Nun hast du unsere Wohnung gesehen, Raimund«, sagte Witiko, »jetzt folge mir in den Stall.«

Er lehnte das Geleite eines Dieners ab, und führte Raimund in den Stall.

Dort sahen sie nach den Pferden, und gingen dann wieder in ihre Gemächer.

[] Witiko ging mit Raimund in das Kleiderzimmer, dort setzte er sich nieder, nahm die Lederhaube von seinem Haupte, und strich sich die blonden Haare zurück.

»Siehe, Raimund«, sagte er, »nun ist die Mühsal überstanden. Sie haben uns in dieser kirchlichen Burg schöne Zimmer gegeben, und werden auf den Tisch bald Speisen stellen, die uns wohltun werden, und auf den guten Lagern wird die Ruhe gut sein.«

»Über mich aber wird harte Strafe kommen«, sagte Raimund.

»Warum wird Strafe kommen?« fragte Witiko.

»Ich habe dem hochwürdigsten Bischofe mein Pferd zu halten gegeben, und habe ihm gar den Strick des Diebes in die Hand gegeben«, antwortete Raimund. »Ihr habt mich nicht belehrt, und ich habe ihn nicht gekannt; denn das braune Gewand ist schlechter gewesen, als die weiten Gewänder, die sie im innern Lande tragen, es ist auch schlechter gewesen als das andere braune Gewand, das der Mann angehabt hatte, der Euch den Schwertgürtel des Herzogs und Eure andern Dinge in den obern Plan gebracht hat. In der großen Stadt Nürnberg hat der hochehrwürdigste Bischof ein veilchenblaues Kleid gehabt und eine goldene Kette und ein goldenes Kreuz und eine schöne Haube und einen gekräuselten Bart. So hätte ich ihn gekannt. Und in dem Hause, wo wir zur Nachtherberge waren, habe ich ihm die besten Speisen weggegessen.«

»Und was hättest du denn getan, wenn du ihn gekannt hättest?« fragte Witiko.

»Ich wäre auf die Knie gefallen, und hätte zu Martin und Lucia gesagt, daß sie auch auf die Knie fallen«, antwortete Raimund.

»Und hättest ihn verraten«, sagte Witiko, »du hast ihm gedienet, weil du ihn nicht gekannt hast. Der Herr des Waldhauses, in welchem wir eine Nacht gewesen sind, [] hat ihn gekannt, hat ihn unter die Knechte gesetzt, und hat ihm so geholfen; denn der hochehrwürdige Bischof mußte auf der Flucht aus unsern Ländern sein, weil ihm dort Menschen nach Leib und Leben trachten.«

»Und trifft diese nicht ein fallender Baum oder die Strafe Gottes?« fragte Raimund.

»Es kann sein«, antwortete Witiko, »es kann aber auch sein, daß ihnen noch Frist gegeben werde.«

»Mir wird der hochwürdige Bischof alles nachtragen, was ich gegen ihn getan habe«, sagte Raimund.

»Er wird dir es nachtragen, daß er dir einen Lohn gibt«, antwortete Witiko, »du aber gedenke, wenn du wieder mit deinesgleichen bist, daß du ihnen nicht die besten Speisen wegissest.«

»Ich bin so hungrig gewesen«, sagte Raimund, »er wird immer daran denken.«

»Er denkt an vieles, aber an dieses nicht«, antwortete Witiko.

»Sagt es ihm«, sprach Raimund.

»Ich werde es tun«, antwortete Witiko.

Nun schwieg Witiko, und Raimund blieb vor ihm stehen.

Nach einer Zeit kamen Speiseknechte, brachten Speisen und Wein, und stellten alles auf den Tisch in dem Speisegemache.

Witiko erhob sich, befahl Raimund, ihm zu folgen, und ging in das Speisegemach hinaus. In demselben setzte er sich an den Tisch, und hieß Raimund sich zu ihm setzen, und mit ihm essen, und der Herr und der Knecht aßen an dem Tische der Bischofsburg, und die Diener walteten an ihnen ihres Amtes. Als sie gegessen und getrunken hatten, stand Witiko auf, ließ die Speiseknechte die Reste des Mahles fort tragen, und sagte zu Raimund, daß er in seine Kammer schlafen gehe, zu den Dienern, daß sie in allen Gemächern außer in seinem Schlafgemache [] die Lichter auslöschten. Dann ging er in das Schlafgemach, schloß es zu, zündete die Nachtlampe an, löschte die andern Lichter aus, entkleidete sich, und legte sich auf sein Lager.

Da es Morgen geworden war, sorgte Witiko mit Raimund für die Pferde, dann gingen sie wieder in ihre Wohnung, und verzehrten ein Frühmahl, das ihnen die Speiseknechte gebracht hatten.

Als die Sonne an dem Himmel leuchtete, erschollen die Glocken in dem Münster der Bischofstadt. Witiko und Raimund gingen in den Hof der Burg, und von dort durch das offene Pförtchen in das Freie. Da waren viele Menschen, die harrten, den Bischof in die Kirche reiten zu sehen. Witiko und Raimund blieben unter den Menschen stehen.

Da eine Zeit vergangen war, hörte man Stangen und Riegel an dem Tore der Bischofburg rasseln, und Hans, der schön gewappnet war, und andere schön gewappnete Männer öffneten die beiden Flügel des Tores, und blieben an ihnen stehen.

Die Menschen drängten sich gegen die offene Wölbung. Odilo erschien mit seinen Untergebenen. Er war in schönen Gewändern, und trug einen schweren Stab in der Hand, mit dem er die Menschen zurück wies.

Sie erzählten sich wechselweise, daß ein Kardinal aus Rom gekommen sei, daß in der Nacht der Schenke und der Marschalk gekommen seien, und daß ein sehr schöner Kirchengang sein werde.

Da sie sprachen, kam der Zug vom Hofe durch das Tor heraus.

Zuerst ritten bischöfliche Männer, dann ritten Männer, die nach Peilstein und Hagenau dienstbar waren. Dann ritten in hellen Platten und schönen Pelzverbrämungen die Herren Marquard von Wesen, der Schenk des Hochstiftes Passau, und Chunrat von Heichenbach, der Marschalk [] des Hochstiftes Passau. Ihnen folgten einige ihrer Dienstmannen. Dann ritten Dienstmannen anderer Herren. Dann kamen die zwei Bischöfe auf weißen Zeltern. Sie waren in veilchenblauen Gewändern, und die Kreuze waren aus Gold und Edelsteinen. Zdik ritt an der rechten Seite des Bischofes Regimbert. Das Volk warf sich auf die Knie, und die Bischöfe gaben den Segen. Hinter den Bischöfen kamen Priester und Herren, die in den bischöflichen Ämtern waren, dann priesterliche Schüler und Diener der Kirche. Dann wurde in einer Sänfte die Schwester des Bischofes von Passau getragen, die edle Frau Anna von Peilstein und Hagenau. Sie war in roten Sammet gekleidet, und neben ihr gingen Frauen und Jungfrauen. Dann kamen Männer von Peilstein und Hagenau und dann Männer des Bischofsitzes.

Als der Zug vorüber war, eilten die Menschen in die Kirche, um der heiligen Handlung beizuwohnen.

Raimund erhob sich auch von der Erde, und Witiko ging mit ihm in die Kirche.

Es sammelten sich in diesen Stunden noch mehrere Ritter und Männer des Bischofes in der bischöflichen Burg.

Am Mittage war in dem großen Saale ein Mahl, und Herren und Ritter und Frauen und Jungfrauen und Priester und Dienstmannen waren an dem Tische. Witiko war auch dazu gerufen worden, und saß neben Rudolph dem Steiner.

Nach dem Mittagmahle waren an dem Innflusse einige Waffenspiele.

Am Nachmittage, da Witiko mit dem Knechte Raimund in seine Wohnung gegangen war, kam ein Diener des Bischofes zu ihnen, und sagte, er bringe von dem hochehrwürdigen Bischofe von Olmütz ein Geschenk an den Knecht des jungen Ritters. Er nahm bei diesen Worten ein Beutelchen von rotem Leder aus seinem Wamse, und [] reichte es an Raimund. Dann entfernte er sich wieder. Raimund öffnete das Beutelchen, und fand zehn Goldstücke darinnen. Witiko deutete ihm den Wert der Goldstücke, und sagte, er möge diese Menge des Geldes gut bewahren. Raimund versteckte das Beutelchen an der innern Seite seines Wamses, und band es dort an.

Am Abende kam Rudolph der Steiner zu Witiko, führte ihn in eine Stube der Burg, und sie erfreuten sich dort mit andern jungen Rittern an Wein und an mancherlei Scherzen.

Und alle Tage ritten nun die Bischöfe in die Kirche, um dort das Meßopfer zu feiern. Wenn Zdik zurück gekommen war, legte er in seiner Wohnung ein härenes Gewand an. Nach einiger Zeit kamen Dienstmannen des Bischofes Zdik nach Passau, und brachten auf Saumtieren Dinge, die zu dem Eigentume des Bischofes gehörten.

An einem Tage wurde eine Jagd abgehalten. Dazu kamen Marquard von Wesen, der Schenk des Hochstiftes Passau, Otto von Aheim, der Kämmerer des Hochstiftes von Passau, Chunrat von Heichenbach, der Marschalk des Hochstiftes Passau, Heinrich von Tannenbach, der Truchseß des Hochstiftes Passau, dann Cholo von Wilheringen, Werinhart von Martspach, Calhochus von Valchenstein, und andere Ritter und Kriegsherren. Die Bischöfe ritten mit Hüfthorn und Speer auf dem linken Ufer der Donau hinunter. Witiko war im Geleite des Bischofes Zdik. Dienstmannen, Edelknechte, Knechte, Jagdmeister und Hundemeister waren am Ende des Zuges. Sie ritten an hohem Waldlande, das mit dichten Bäumen jäh von dem Wasser empor stieg, dahin.

Der Bischof Zdik sagte zu Regimbert: »Das ist ein sehr schönes Gehege.«

»Es geht viele Wegestunden an dem Strome bis Aschach dahin, wo die Brüder von Jugelbach die zwei Burgen [] bauen wollen«, antwortete der Bischof von Passau. »Der Wald da neben uns steigt hoch hinan, und geht dann in Absätzen immer höher bis zu dem Lande Böhmen fort, wie es an dem Wege ist, auf dem du zu mir gekommen bist. Oben ist es vielfach gereutet, und es stehen Ortschaften und Burgen da. Von den Burgen sind manche dem Hochstifte noch nicht unterworfen. Wir suchen aber zu erwerben, und die Kirche zu verstärken. Unser Gericht Velden ist vor kurzer Zeit wieder ausgedehnt worden. Dort sitzt der Gaurichter, und hält die Dinge zum Urteile. Wir geben den Insassen mehr Rechte als die weltlichen Herren. Füchse und Hasen darf sich jeder nehmen, für einen Marder und Iltis bekommen sie Geschenke, wer einen Wolf bringt, darf sich einen Hirsch erlegen, und die Bauern haben drei Haghackenwürfe weit von ihrem Felde in den Wald hinein das Holzrecht.«

»Und wenn ihr noch manches zuwendet, so werden die Fluren ein höheres Gedeihen und einen größeren Reichtum gewinnen«, sagte Zdik.

»Der Krummstab soll segenreicher sein als das Schwert«, entgegnete der Bischof von Passau.

»Und möge sich im Glauben noch alles mehr mildern und sänftigen«, antwortete Zdik.

Und als sie so gesprochen hatten, erscholl das Hüfthorn zur Versammlung, und sie ritten in den Wald empor zu der Jagd.

Ein anderes Mal war ein Jagen auf dem Gebiete der Grafen von Formbach und von Neuenburg.

Es war auch ein Kirchenfest bei Konrad, dem Erzbischofe von Salzburg.

Als vierzehn Tage vergangen waren, seit Witiko sich in der bischöflichen Burg befand, meldete er sich zur Abreise. Er verabschiedete sich bei den Bischöfen und bei den älteren und jüngeren Herren der Burg. Die Bischöfe gaben ihm schöne Gewänder und Gold zum Geschenke. [] Er gab den jüngeren Rittern Geschenke, und sie gaben auch ihm Geschenke.

Am anderen Tage, ehe noch die Menschen in der Stadt ihren Geschäften nachgingen, und die Tore und die Fensterläden geöffnet waren, ritt er mit Raimund über die schwache Anhöhe zu der Donau hinab. Saumpferde mit seiner Habe folgten. Auf dem Wasser stand an dem Ufer ein schöngebordetes Schiff. Es hatte eine grüne Farbe und einen roten Schnabel. Auf dem Schiffe stand ein Haus von einer andern grünen Farbe und mit roten Zieraten. Es wurden Güter auf das Schiff geladen, und Menschen gingen auf dasselbe. Witiko und Raimund ritten zu dem Schiffe, stiegen von den Pferden, führten die Pferde über eine Brücke in das Schiff, brachten sie dort in ein Gelaß, in dem Borne und Heuleitern waren, und halfterten sie an. Dann wurde Witikos Habe in das Schiff geladen. Hierauf setzten sich Witiko und Raimund auf eine Bank, die auf dem Dache des Schiffhauses nach der Länge dahin ging. Als die Güterladung vollendet war, und alle Menschen sich auf dem Schiffe befanden, wurde die Brücke abgetragen, die Taue gelöset, und die Schiffer drückten mit Stangen den Schnabel vom Ufer. Als der Schnabel von dem Fahrwasser gefaßt worden war, wendete sich das Schiff, und glitt auf dem Wasser hinunter. Die Steuermänner walteten auf ihrem Gerüste mit dem langen Baume des Steuers, und die andern Ruder wurden in das Wasser gesenkt, und trieben das Schiff vorwärts. Es fuhr an den Häusern der Stadt vorüber, an der Mündung der schwarzen Ilz vorüber, und in das breite Wasser hinunter, wo sich die Flüsse Inn und Donau berührten. Die Stadt Passau rückte zurück, der klippige Ilzberg rückte zurück, und das Schiff ging in die Waldschlucht nieder, in welche Witiko mit den Bischöfen zur Jagd geritten war. Es war lauter Wald ohne eine lichte Stelle. An den Ufern waren Streifen Wiesen und [] Felder, und es stand hie und da ein Haus. Auf den Waldhöhen war manche Burg. Die Augen aller Menschen sahen auf die Burg Martspach, in welcher der Ritter Werinhart wohnte. An dem andern Ufer stand in der Niederung auf einer grünen Wiese das Haus Marquards von Wesen, des Schenken des Hochstiftes Passau. Wo die obere und die untere Mihel in die Donau mündeten, waren feste Gebäude. Das rotschnablige Schiff fuhr beinahe den ganzen Tag in der Schlucht fort. Als die Sonne schon gegen den Abend neigte, kam es mittagwärts in ebnes Land hinaus. Man sah hier in der Ferne die Alpenberge, wie sie Witiko von dem Walde des heiligen Thomas erblickt hatte. Wo die Waldschlucht endigte, war der Ort Aschach. Es wurde hier das Schiff an das Ufer gelegt. Es wurde die Wassermaut gezahlt, es wurden Waren ausgeladen und eingeladen, und Menschen gingen aus dem Schiffe, und andere kamen wieder auf dasselbe. Dann fuhr man weiter gegen breite Auen hinab. Man fuhr zwei Stunden zwischen den Auen fort. Dann kamen wieder Berge an den Fluß. Auf dem linken Ufer waren waldige Höhen. Auf dem rechten stand ein finsteres Waldhaupt empor, und die Leute sagten, dort sei die Burg der Herren vom Kürenberge, die man aber nicht sehen könne. Witiko zeigte Raimund das Waldhaupt, und sagte, von da stamme der junge Ritter vom Kürenberge, der mit ihm ein Knabe des alten Bischofes Regimar gewesen sei, und damals schön gesungen und die Fiedel gespielt habe. Das Schiff fuhr eine halbe Stunde zwischen den Bergen, dann kam es wieder in freies Land, und auf dem rechten Ufer lag die Stadt Linz. Das Schiff wurde in dunkelm Abende an das obere Gelände der Stadt gelegt. Witiko und Raimund führten ihre Pferde über die errichtete Brücke auf das Land, und dort durch den Wasserturm in die Stadt. In der Wasserherberge fanden sie Unterkunft. Ehe sie aber die Ruhe suchten, rüsteten [] sie die Pferde, und ritten, damit die Glieder derselben bewegt würden, eine Strecke an der Donau abwärts, und dann in die Stadt. Sie ritten in der Stadt herum, und betrachteten, wo ein Schein aus den Häusern kam, die Gebäude und die wandelnden Menschen. Dann ritten sie in ihre Herberge, pflegten sich und die Pferde, und begaben sich zur Ruhe.

Als am andern Tage das erste Morgenlicht an dem Himmel war, fuhr das Schiff wieder weiter abwärts. Witiko und Raimund saßen wieder auf der Bank des Daches. Das Schiff fuhr gegen Auen hinab, und zwischen Auen fort. Nach zwei Stunden sah man auf dem rechten Ufer die Zinnen und Mauern der Stadt Enns, an welcher Stelle die alte Stadt Lorch gestanden war. Die Donau wurde nun ein großer Strom, weil die Flüsse Traun und Enns hinzu gekommen waren. Und wieder nach zwei Stunden sah man auf dem nämlichen Ufer die große Burg der Herren von Walse. Darauf fuhr das Schiff in eine finstere Schlucht ein, wie die gewesen war, welche man unterhalb Passau durchfahren hatte. Das Wasser wurde in der Schlucht eingeengt, und floß mit größerer Schnelligkeit dahin. Als das Schiff eine Zeit in der Schlucht gefahren war, kamen von einem hölzernen Hause, das auf dem Ufer stand, drei Männer in einem Kahne an das Schiff, hefteten den Kahn an dasselbe, bestiegen es, und die Schiffer übergaben ihnen die Leitung des Fahrzeuges. Sie lenkten es an dem Orte Grein vorüber. Unterhalb des Ortes wurde die Schlucht noch wilder. Es standen auf großen Felssteinen Türme, und auf einem Inselfelsen stand auch ein Turm. Über den Schiffschnabel hin sah man auf dem Strome eine Fläche, die so weiß wie Schnee war. Die Leute sagten, man komme zu den Stellen Strom und Wirbel, die den Schiffen sehr gefährlich seien. Alle sammelten sich nach und nach auf dem Dache des Schiffes. Als man zu der weißen Fläche gekommen war, stimmten [] die Menschen ein lautes Gebet an. Die Männer, denen die Leitung des Schiffes anvertraut worden war, späheten sorgsam, arbeiteten emsig, und lenkten das Schiff in ein schnelles tiefes Wasser zwischen dem Inselturme und der weißen Fläche, welche schäumendes tosendes Wasser über Geklippe war. Das Schiff ging geschwinde in dem tiefen Wasser hinunter, wurde um einen Fels gelenkt, und hinter dem Felsen sah man den Wirbel, der sich in großen Ringen drehte. Die Männer lenkten das Schiff an dem Rande der Ringe vorüber. Dann ruheten sie, blickten nach vorwärts, und ließen das Schiff in das breitere stillere Wasser hinaus gehen. Das Hilfegebet der Menschen verwandelte sich in ein Dankgebet. Als es geendiget war, erhielten die Männer, welche das Schiff gelenkt hatten, ihren Lohn, bestiegen den Kahn, und fuhren wieder an das Ufer. Dann kam ein anderes Schifflein herzu, aus welchem Menschen an einer langen Stange einen hölzernen Kübel empor hielten, und eine Gabe für die Armen und für eine Kirche zur Behütung der Schiffe verlangten. Alle legten eine Gabe in den Kübel. Hierauf kam noch ein größeres Schiff, und heischte Wassermaut und Wasserzins. Die Wassermaut und der Wasserzins wurden bezahlt. Dann ging das rotschnablige Schiff zwischen kleineren Waldhöhen in freies Land mit Wiesen und Feldern und Wäldern und Kirchen und Burgen hinaus. Das Land war zu beiden Seiten des Stromes das des Markgrafen von Österreich. Auf dem rechten Ufer lag die Stadt Ybbs, und auf dem linken eine alte dunkelbraune Kirche. Dann kam an gerade emporstehenden Felsen der Ort Marbach. Dort legten sie das Schiff an, und hielten Nachtruhe.

In der Morgendämmerung fuhren sie wieder weiter, und Witiko und Raimund saßen wieder auf dem Dache. Sie fuhren an der alten Stadt Bechelaren vorüber, an der Veste und dem Münster Melk, und kamen dann wieder [] in eine Schlucht hinunter, die größer und tiefer war als diejenigen, durch welche sie bisher gefahren waren. Auf den dichten Waldhöhen standen Burgen, die dem Geschlechte Chunring oder andern angehörten, an dem Saume des Wassers waren Kirchen und Ortschaften, Wiesen und Felder, und es grünete der Weinstock. Bei dem Orte Stein endigte die Schlucht, und die Schiffer fuhren in ein sehr weites ebenes Land hinaus. Sie fuhren an den Städten Stein und Krems vorüber, und an der alten Stadt Tuln. Als die Sonne schon dem Untergange nahe war, kamen sie wieder zu einem Berge. Es war der Kahlenberg, auf dem die Burg der Markgrafen von Österreich stand. Sie fuhren an dem Berge vorüber. Sie fuhren noch an Gärten und Wäldchen und Häusern vorüber, und als die Nacht schon dunkelte, landeten sie an dem Gestade der Stadt Wien. Die Menschen gingen nun aus dem Schiffe. Witiko und Raimund führten ihre Pferde auf das Ufer. Dann ließ Witiko seine Habe aus dem Schiffe tragen und auf Saumtiere laden, und ritt neben den Säumern mit Raimund in die Herberge des Salzgrießes. Dort verbrachten sie die Nacht.

Am nächsten Morgen pflegten sie die Pferde, dann ging Witiko durch das Tor der Stadt in das Kirchlein des heiligen Rupert, welches auf der Höhe des Gestades stand, und betete. Als er zurück gekommen war, rüsteten sie die Pferde, bestiegen sie, und ritten fort. Sie ritten an dem Rande des Stadtgrabens bis zu einer Stelle, welche die Freiung hieß, weil sie fliehenden Missetätern einen Schutzraum bot. Sie ritten an der Freiung vorüber, dann von der Stadt hinweg in ein grünes Gefilde, auf dem manches Häuslein stand, mancher Garten eingezäunt war, hie und da Bäume empor ragten, und an manchem Pflocke und an manchem Gitter Weinreben angebunden waren. Sie ritten an Häusern, Gärten, Bäumen und Weinreben vorüber, bis sie in den Wald gelangten, der zu der Höhe [] des Kahlenberges empor ging. Sie ritten auf dem Pfade des Waldes zu der Burg der Markgrafen von Österreich hinauf.

Als sie vor dem Tore der Burg angekommen waren, ließ Witiko den Klöppel des Tores erschallen. Da öffnete sich das kleine Pförtchen neben dem Tore, und der Torwart trat heraus. Er fragte um den Namen des Reiters. Witiko nannte ihn. Darauf ging der Torwart wieder hinein, und es wurde ein Flügel des Tores geöffnet. Die Reiter ritten in den Hof. Dort stiegen sie von den Pferden, und es kam ein Mann herzu, welcher sagte, er diene dem Marschalke des durchlauchtigsten Markgrafen, und werde die Pferde besorgen. Witiko und Raimund brachten mit diesem Manne die Pferde in einen Stall, und gaben ihnen die erste Pflege. Dann führte sie der Mann in ein Wartegemach, und ging fort. Nach einer Zeit kam ein anderer Mann, der sagte, daß ihm der von den Reitern, welcher Witiko heiße, folgen solle. Witiko befahl dem Knechte, der Pferde zu achten, und auf ihn dann in dem Stalle oder in dem Gemache, in dem sie jetzt wären, zu harren. Dann ging er mit dem Manne fort. Dieser führte ihn über eine Treppe empor, dann über einen Gang, und dann in ein Gemach, in welchem junge Mädchen saßen, die spannen. Hier ließ er Witiko stehen, und ging wieder durch die Tür hinaus. Eines der Mädchen stand von seiner Spindel auf, öffnete die Tür in ein weiteres Gemach, und ging hinein. Nach einer Weile kam es wieder heraus, und sagte, Witiko möge hinein gehen.

Witiko ging in das Gemach. Es war eine geräumige Stube in einer Ecke der Burg mit vier Fenstern in zwei Seiten. An einer Rückwand stand ein hölzernes Kreuz mit dem Heilande. Vor dem Kreuze stand ein Betschemel mit braunem Tuche, und über dem Kreuze war ein Dach von dem nämlichen Tuche. Die ganze Stube war mit Eichenholz getäfelt. An einem Tische waren vier Frauen, [] die dunkelgraue Gewänder hatten. Die Gewänder wurden durch einen Gürtel zusammen gehalten. Auf dem Haupte trugen sie weiße Hauben. Die Frauen waren an einem großen Tuche mit der Nadel beschäftigt, eine Stickerei darauf zu verfertigen. Zwei von ihnen waren jung, eine war in mittlerem, die andere in höherem Alter. Die Frau mittleren Alters saß etwas tiefer als die ältere, die jungen noch tiefer. Die Frau hatte ein sanftes Angesicht von feiner weißer, ein wenig rot schimmernder Farbe. Ihre Augen waren blau, und die Haare, die unter der Haube hervor sahen, waren blond, und schienen blasser zu werden. Die älteste der Frauen hatte ebenfalls ein sehr feines Angesicht voll Freundlichkeit; aber das Rot darauf war schwächer als bei der andern. Die Augen waren dunkelblau, und die Haare waren weiß wie die Haube.

Als Witiko in dieses Gemach gekommen war, nahm er seine Haube ab, daß die blonden Haare sein Angesicht umwallten, neigte sich und sprach nicht.

Die ältere der Frauen erhob sich von ihrem Sitze, legte die Nadel auf den Tisch, und sagte: »Du bist verwundert, Witiko, daß du in diese Stube der Frauen gekommen bist. Verharre ein Weilchen hier, und nimm zum Zeichen, daß du uns nicht verschmähest, einen Sitz.«

Eine der jungen Frauen stand auf, und wollte einen Stuhl gegen Witiko rücken. Er kam ihr aber zuvor, nahm den Stuhl, und da sie wieder zu ihrem Platze gegangen war, setzte er sich auf denselben nieder.

Die ältere Frau hatte auch ihre Stelle wieder eingenommen.

Dann sprach sie: »Witiko, da du jetzt unter uns bist, grüße ich dich. Ich bin Agnes, die Witwe Leopolds, des vorvorigen Markgrafen von Österreich, die Tochter des Kaisers Heinrich des Vierten.«

Witiko stand schnell von seinem Sitze auf.

Sie aber sagte: »Bleibe auf deinem Stuhle, und wenn du reden willst, so rede von ihm aus.«

[] Witiko setzte sich nieder, und sprach: »Hocherlauchte Frau, da es sich so gefügt hat, so erlaubt, daß ich Euch meinen Dank für die Aufnahme in diesem Gemache sage, und für die Huld, die Ihr mir erweiset.«

Agnes aber sprach: »Witiko, als mein Vogt in dieses Zimmer kam, uns deinen Namen zu sagen, so befahl ich, weil deine Mutter hier war, dich zu uns zu führen. Verzeihe mir; meine Augen wollten sehen, wie ein guter Sohn zu der guten Mutter komme. Unterlasse den Empfangsdank, und grüße deine Mutter; denn das ist dein erstes.«

Witiko stand nach diesen Worten auf, näherte sich der Frau des mittleren Alters, ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder, und sagte: »Ich grüße dich, meine gute vielgeliebte Mutter!«

»Ich grüße dich, mein treuer Sohn«, antwortete die Frau.

Sie zog ihn an seiner Hand empor, und legte ihre Hände auf sein Haupt.

Da sie dieselben herab genommen hatte, beugte er sich auf ihre rechte Hand nieder, und küßte sie.

Als er sich wieder erhoben hatte, und in ihr Angesicht schaute, waren in ihren Augen Tränen, und es waren in seinen Augen Tränen.

Die zwei jungen Frauen hörten zu sticken auf, und sahen auf die Mutter und den Sohn.

»Gehe wieder auf deinen Platz, Witiko«, sagte die Mutter, »und erweise der hohen Frau, die dich vor ihr Angesicht gerufen hat, deine Verehrung.«

Witiko aber blieb auf seiner Stelle stehen, und sprach: »Ja, die Verehrung, welche der erhabenen Frau gebührt, die Verehrung, welche sich gegen die Tochter des denkwürdigen Kaisers Heinrich geziemt, die Verehrung, welche der Mutter des deutschen Königs Konrad zukömmt, die Verehrung, welche ich der Mutter Gertruds, der Gattin Wladislaws, des Herzogs von Böhmen und Mähren, [] zolle, die bei der Belagerung von Prag eine Heldin geworden ist, die Verehrung, welche ich gegen die Frau hege, die in ihren Söhnen und Töchtern auf geistlichen und weltlichen Stühlen und auf den Kriegsfeldern und im Fürstenrate waltet, und die Verehrung, die der Jüngling der Frau bringt.«

»Witiko«, antwortete Agnes, »meine Schwiegertochter Maria hat mir erzählt, daß ihr Vater Soběslaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, gesagt hat, du könnest, wenn du auch noch jung bist, deine Worte gut stellen, und du hast uns ein Zeichen davon gegeben. Ich glaube, daß du mich verehrest, aber es ist für meine weißen Haare und für meinen gebeugten Körper, wie stets ein Alter wirkt, über welches Gott viel verhängt hat.«

»Hocherhabne Frau«, sagte Witiko, »der Herzog Soběslaw ist immer mild gegen mich gewesen, und meine Worte rede ich nach meinen Gedanken, und kann oft die Gedanken nicht in Worte bringen. In dir aber verehre ich, was du bist, und verehre auch dein Alter.«

»Gehe zu deinem Sitze, Witiko«, sagte Agnes, »und harre noch eine Frist, ich werde dich deiner Mutter nicht lange entziehen.«

Witiko ging zu seinem Stuhle, und setzte sich auf denselben nieder.

»Bist du von Přic gekommen?« fragte Agnes.

»Ich bin von Přic gekommen«, antwortete Witiko; »aber ich habe von Přic den hochehrwürdigen Bischof von Olmütz, Zdik, der auf der Flucht ist, nach Passau geleitet, und bin dann von Passau donauabwärts nach Wien gefahren.«

»So ist der Bischof Zdik auf der Flucht?« fragte Agnes.

»Wegen der Mächtigen in seinem Lande, die einen schweren Groll gegen ihn tragen«, sagte Witiko.

»Es ist immer so, und immer so«, entgegnete Agnes.

»Wie lange hast du deine Mutter nicht gesehen, Witiko?«

[] »Vier Jahre«, antwortete Witiko.

»Er ist in dem nämlichen Gewande gekommen, in welchem er Abschied genommen hat«, sagte die Mutter.

»So hast du dein Jugendgewand angelegt?« sprach Agnes.

»Ich habe das Gewand angelegt«, antwortete Witiko, »weil ich dachte, daß auch die Mutter daran Freude habe, und dann ziemt mir ein schönes Ritterkleid noch wenig, weil ich noch keine Rittertaten habe vollbringen können, die von dem Herrn des Landes, dem man dient, und von fürstlichen Gebietern mit Verleihungen ausgezeichnet werden, und die den Ruhm und den Glanz vor den Menschen erringen.«

»Dieser junge Ritter spricht auch wieder von Taten«, sagte Agnes, »und weiß man denn, was Taten sind? Siehe, Witiko, heute ist hier ein Gedenktag, und ich habe, als du kamest, eben den Frauen von der Vergangenheit erzählt. Ich will weiter erzählen, dir kann es auch fruchten, Witiko, wenn du es hörst, und in deinen Gedanken überlegst.«

Sie schwieg eine Weile, dann sprach sie: »Mein Vater hat seinen Sohn Konrad zum erwählten römischen König gemacht, und er sollte nach ihm römischer Kaiser werden. Aber Konrad stand gegen den Vater auf, und wollte ihm die Herrschaft entreißen. Die Fürsten entsetzten ihn auf dem Reichstage in Mainz seines Königtumes und seines Anrechtes auf das Kaisertum, weil keine Gewalt auf Frevel gegründet werden sollte. Der Vater zog jetzt seinen geliebten jungen Sohn Heinrich hervor, und derselbe wurde zum römischen Könige und Nachfolger des Vaters erwählt. Er wurde in Aachen gekrönt, und schwur, daß er dem Vater in allem gehorchen, und sich nie gegen seine Pflicht erheben werde. Mich vermählte der Vater, da ich noch sehr jung war, dem herrlichen Manne, Friedrich von Büren, der immer treu gewesen war, der sich die Burg auf dem hohen Staufen erbaut hatte, und den der [] Vater zum Herzoge von Schwaben gemacht hatte. Ich gebar ihm die Söhne Friedrich und Konrad. Als fünf Jahre nach der Krönung meines Bruders verflossen waren, ging dieser zu den Empörern nach Baiern. Der Vater sandte meinen Gatten, dann die Erzbischöfe von Trier und Köln zu ihm, daß sie ihm seinen Schwur und das vierte Gebot vorhielten. Aber er blieb unbeweglich. Er gewann die Sachsen und manche andere, und zog gegen den Vater. Da starb mein Gatte. Der Bruder sagte, er wolle nicht gegen den Vater kämpfen, er wolle nur, daß sich derselbe von dem Banne löse, und mit seinen Kindern, die ihm dann gehorchen werden, christlich lebe. Im Erntemonate kam die Heeresmacht meines Vaters bei Regensburg gegen die Heeresmacht meines Bruders. Die Heeresmacht des Vaters war größer als die Heeresmacht des Bruders. Es waren viele getreue Herren bei dem Vater, es war Leopold, der Markgraf von Österreich, bei ihm, es war Bořiwoy, der Herzog von Böhmen und Mähren, bei ihm, und es waren noch andere bei ihm. Es war vorauszusehen, daß, wenn eine Schlacht würde, dem Vater der Sieg bliebe. Da ging der Bruder in der Nacht vorher zu dem Markgrafen Leopold, und sagte, er wolle mich ihm zur Gemahlin geben, wenn er dem Vater in der Schlacht nicht beistünde. Leopold versprach es, ging zu dem Vater, und sagte ihm, daß er für ihn nicht kämpfen werde. Darauf sagte Bořiwoy, der Herzog von Böhmen und Mähren, man könne dann überhaupt nicht kämpfen, weil die Macht zu geringe sei. Als dieses geschehen war, sandte mein Bruder einen Boten an den Vater, der melden sollte, es sei eine Verbindung in dem Heere des Vaters geschlossen worden, ihn zu verlassen, und ihm nach dem Leben zu streben. Weil der Markgraf Leopold den Kampf verweigert hatte, weil der Herzog Bořiwoy gesagt hatte, daß man nicht kämpfen könne, glaubte der Vater die Botschaft, er verzweifelte, und floh in der Nacht aus dem [] Lager. Mein Bruder ließ mich am andern Tage in seine Zelte bringen, und sagte mir, ich sei die Braut Leopolds, des Markgrafen von Österreich. Ich weiß, daß ich einen Schrei tat, und daß mir dann die Sinne vergingen. Als ich erwachte, lag ich auf dem Boden. Mein Bruder stand vor mir, und sah mich an. Die Frauen halfen mir nicht, weil sie den Bruder fürchteten. Da saß ein böhmisches Mädchen bei meinem Haupte auf der Erde, das Mädchen träufelte Wasser auf meine Stirne, und befeuchtete meine Lippen damit. Und als ich wieder in dem Leben war, drückte es seinen Mund auf den meinen, und streichelte meine Wangen, und liebkoste mich. Ich faßte mit meiner Hand den Arm des Mädchens, und das Mädchen half mir auf einen Stuhl. Und es ist den ganzen Tag und dann mehrere Tage bei mir geblieben. Dann zog es wieder mit den Ihrigen in das Land Böhmen. Ich sagte, daß ich Leopold, den Markgrafen von Österreich, ehelichen werde. Es ist das Sterbejahr meines Gatten gewesen, und es sind seitdem siebenunddreißig Jahre verflossen. Das böhmische Mädchen aber habe ich erforscht, es ist meine Freundin geworden, ich bin seine Freundin geworden, und wir haben uns Liebe durch das ganze Leben gewährt. Das Mädchen hat den böhmischen Herrn Zaton geheiratet, und das erstgeborne Kind dieser Ehe ist deine Mutter geworden, Witiko, und diese hat mir auch ihre Liebe während des Lebens und nach dem Tode ihrer Eltern gegeben.«

»Meine Mutter hat nur eine Christenpflicht geübt«, sagte die Mutter Witikos.

»Und mein Dank ist auch nur eine Christenpflicht gewesen«, antwortete Agnes.

Dann sprach sie: »Mein Eheleben mit Leopold ist sehr glücklich geworden. Er ist fromm und gut gegen seine Untertanen gewesen, er hat Münster und Klöster gestiftet, durch diese Fenster kann man auf das Kloster der [] neuen Burg hinab schauen, das er gegründet hat. Unsere Kinder sind in der Liebe zu uns und in der Liebe zu einander aufgewachsen. Dann ist er gestorben, und ich trauere hier um ihn.«

Sie schwieg eine kleine Zeit, und die andern schwiegen auch.

Dann sprach sie wieder: »Der Vater ist nach Böhmen geflohen. Der Herzog Bořiwoy ist ihm nachgezogen, und hat ihn dann ehrerbietig behandelt. Er geleitete ihn zu seinem Schwager Wipprecht von Groitsch. Wipprecht von Groitsch geleitete ihn weiter, bis er an den Rhein kam. Bei Koblenz sammelte er ein neues Heer. Mein Bruder zog auch an den Rhein, und es standen wieder die Männer des Sohnes gegen die Männer des Vaters. Da schickte mein Bruder Boten an den Vater, welche die Worte melden mußten: Auf die heilige Weihnachtzeit ist ein Reichstag nach Mainz angeordnet worden, ich bitte meinen Vater demütig, daß wir vorher zusammen kommen, und bereden, was unserer beiden Sache ist, und daß wir uns versöhnen. Der Vater kam zu der Unterredung, und als er den Sohn erblickte, flossen Tränen aus seinen Augen, und er sagte: Heinrich, um Gott des Allmächtigen willen bitte ich dich, lade nicht die Tat auf dich, die weder in diesem Leben noch in jenem Leben verziehen wird. Wir müßten beide verzweifeln. Mein Bruder fiel auf die Erde, und faßte die Knie des Vaters, und sagte, er bereue alles, was er gegen ihn getan habe, er bitte um Verzeihung, er werde gehorsamen, der Vater möge sich mit der Kirche versöhnen, und beide wollen sie auf den Reichstag nach Mainz gehen, und dort die Versöhnung besiegeln. Der Vater verzieh. Dann sagte mein Bruder, er wolle nach Mainz gehen, und dort alles vorbereiten, der Vater möge indessen warten. Er ging fort, der Vater wartete. Er kam wieder zurück, und schwor, er sei bereit, für den Vater Leib und Leben zu opfern, und er [] wolle ihn weiter geleiten. Sie zogen fort, und kamen bis gegen Bingen. Ein jeder hatte dreihundert Begleiter. Auf dem Wege wurden die Begleiter meines Bruders immer mehr. Vor Bingen sagte er: Vater, meine Besorgnis wächst, daß Euch der Erzbischof von Mainz wegen des Bannes nicht in seine Stadt einlassen werde. Bleibet in Bingen, und feiert dort das Weihnachtfest, ich werde nach Mainz gehen, und für Euch wirken. Der Vater antwortete: Heinrich, Gott richtet zwischen mir und dir, ich vertraue auf dich. Mein Bruder schwor zum dritten Male, daß er das Leben für den Vater lassen wolle. Er zog nach Mainz, der Vater nach Bingen. Aber in Bingen wurde er von Männern meines Bruders Heinrich, welche dort waren, und von Männern Gebharts, des Bischofes von Speyer, welche sich zu ihnen gesellt hatten, umringt, die Männer des Vaters wurden besiegt, und er wurde gefangen genommen. Und in der Haft wurde ihm des Leibes Bedürfnis und Bequemlichkeit versagt. Und es kamen dann von Mainz die Erzbischöfe von Mainz und Köln, der Bischof von Worms, und der Markgraf von Meißen. Sie sagten zu dem Vater: Gib die Kleinode heraus, die Krone und den Purpur und den Ring, daß wir sie deinem Sohne Heinrich bringen. Mein Vater fragte: Wo ist das Recht zu dem Begehren? Sie sagten: Weil du priesterliche Stellen für Geld verkauft hast, weil du in dem Banne bist, und weil alle im Reiche an Leib und Seele Schaden leiden, so wollen der Heilige Vater und die Fürsten dich deiner Würde entsetzen. Der Vater rief: Du, Rothart, Erzbischof von Mainz, du, Friedrich, Erzbischof von Köln, und du, Adalbert, Bischof von Worms, was habt ihr mir für eure Stellen gegeben? Sie antworteten: Nichts. Der Vater sagte: Nun also bin ich hierin gerechtfertigt; denn ihr hättet mir viel für eure Stellen zahlen müssen. Euch aber sage ich, beflecket diese Stellen und die kaiserliche Würde nicht. Wollen die Fürsten über die andern Dinge [] einen Entschluß fassen, so werde eine Frist zur Untersuchung gesetzt, und werde ich schuldig befunden, so werde ich selber die Krone von meinem Haupte nehmen. Die Abgesandten sagten, eine Frist werde nicht gewährt, der Kaiser müsse sogleich willfahren. Darauf entfernte sich der Vater aus dem Gemache, und kam dann wieder in dasselbe zurück, angetan mit dem Purpur, die Krone auf dem Haupte, und den Ring an dem Finger. Er sprach: Der Kaiser hat sonst dem Verbrecher Frist und Gehör bewilligt, dem Kaiser werden sie nicht bewilligt. Wohlan, so nehmet, wornach euch gelüstet. Als er dieses gesagt hatte, standen die Boten, und regten sich nicht. Da sprach der Markgraf von Meißen: Unser König Heinrich hat gesagt, wenn der Kaiser schnell einwilligt, so kann sein Leben gerettet werden. Der Erzbischof von Mainz sagte: Wenn wir den Würdigsten auf den Kaiserstuhl setzen dürfen, warum sollen wir den Unwürdigsten nicht absetzen dürfen? Und da dieses gesprochen war, nahmen sie dem Vater die Krone von dem Haupte, zogen ihm den Ring von dem Finger, und entkleideten ihn des Purpurs. Er aber rief: Herr, ich leide für die Sünden meiner Jugend. Ihr aber habt das Amt des Rächers nicht, und die Strafe wird euch ereilen wie den Verräter des Herrn. Und die Boten brachten dann die Kleinode nach Mainz, und die Fürsten und die Priester und die Abgesandten des Heiligen Vaters verlangten, der Kaiser solle nun kommen, soll Buße tun, und freiwillig dem Reiche entsagen. Der Bruder ließ den Vater nach Ingelheim bringen, die Fürsten und die Versammelten gingen auch dahin. Sie droheten dem Vater, und sagten, er solle die Herrschaft freiwillig niederlegen. Der Vater fragte: Wenn ich das tue, werde ich dann Ruhe und Sicherheit haben? Darauf antwortete Gebhart, der Bischof von Konstanz, welcher der Gesandte des Heiligen Vaters war: Nein, du wirst so lange nicht Ruhe und Sicherheit haben, bis du eingestehst, daß [] du an der Kirche und an ihrem Haupte gefrevelt hast. Der Vater sagte: So setzet ein Gericht aus Fürsten und Priestern zusammen, daß es untersuche und entscheide. Gebhart sprach wieder: Du bleibest lebenslang gefangen, wenn du dich nicht sogleich entschließest. Der Vater sagte: Und wenn ich bekenne, und wenn ich die Herrschaft niederlege, wirst du dann den Bann von mir nehmen? Gebhart antwortete: Das ist nicht in meiner Macht. Der Vater sagte: Wer die Beichte hört, muß auch lossprechen können. Gebhart antwortete: Das wird vielleicht der Heilige Vater tun, wenn du nach Rom pilgerst, und Genugtuung leistest. Nach diesen Worten fiel mein Vater auf die Knie, und rief: Um der Gnade und Barmherzigkeit des Himmels willen bitte ich euch alle um Milde und Gerechtigkeit, und an dich, Heinrich, mein Sohn, richte ich die Beschwörung, vollbringe nicht an mir das Unwürdigste und Entsetzlichste. Vielen Fürsten rannen nun die Tränen von den Wangen, Gebhart blieb bei seinen Worten, Heinrich, mein Bruder, sagte nichts, und blickte nicht auf den Vater. Da sprach der Kaiser: So entsage ich also dem Reiche, und werde der Kirche genügen, und nach dem Gebote der Verzeihung empfehle ich euch meinen Sohn. Sie wählten und weiheten dann darauf noch einmal meinen Bruder Heinrich zum Könige. Den Vater aber ließen sie nicht fort. Da eine Zeit vergangen war, bat er Gebhart, den Bischof von Speyer: Gib mir eine Pfründe in deinem Stifte, daß ich zum Chore gehen kann. Der Bischof verweigerte es. Und da der Vater dachte, daß sein Leben nicht sicher sei, so versuchte er die Flucht, und sie gelang ihm. Er floh nach Köln, und zog dann mit einem kleinen Geleite gegen Lüttich. Als sie auf dem Wege waren, hörten sie Jagdhörner, und der Herzog von Lothringen, den der Vater einmal abgesetzt hatte, trat ihm mit seinen Männern entgegen, und sagte: Du hast sehr unrecht an mir gehandelt. Der Vater antwortete: [] Ich leide jetzt dafür und für das andere. Der Herzog aber sagte: Ich will zu dir stehen, der du verfolgt bist. Und er ging darnach mit allen seinen Kriegsmännern zu dem Vater nach Lüttich. Und Köln und Jülich und andere Städte erklärten sich nun für den Vater, und es kam ein Kriegsheer zusammen. Da sandte nun mein Bruder Heinrich Boten zu dem Vater, ihn demütig zu grüßen, und zu sagen, daß er sich mit ihm aussöhnen, und daß er bei ihm in Lüttich das Osterfest feiern wolle. Der Vater antwortete: Ich vertraue dir nicht, ich bin an das Ende des Reiches gegangen, um Ruhe zu finden, und du bleibe fern, das Volk hier ist dir feindlich. Mein Bruder aber ging mit einem Heere gegen Lüttich, er wurde geschlagen, und rettete kaum sein Leben. Der Vater ließ einen Brief ergehen, darin stand: Ich klage Gott und den Heiligen mein Leid von der Kirche; aber ich will mich ihr unterwerfen, und ihr Genugtuung leisten, und so ist die Ursache gehoben, um die mein Sohn gegen mich ist, es müßte nur sein, daß er einzig nach der Gewalt strebt. Mein Bruder sammelte wieder ein Heer, und belagerte Köln durch lange Zeit, bis Hunger und Krankheit seine Leute dahin nahmen. Dann verließ er Köln, sammelte neuerdings Männer, und zog gegen Lothringen. Da kam eines Tages Burkhard, der Bischof von Münster, zu ihm, und sagte: Dein Vater, der Kaiser, sendet dir das Reichsschwert, welches damals nicht in Bingen gewesen ist, du sollst es hinfort führen; denn er ist am siebenten Tage des Erntemonates in Lüttich gestorben. Er läßt dich bitten, daß du ihn begrabest, und den Seinigen verzeihest. Aber Heinrich begrub den Vater nicht. Der Bischof von Lüttich begrub ihn christlich; aber er mußte ihn wieder ausgraben, weil er im Banne gestorben war. Die Leiche stand nun auf ungeweihetem Grunde auf einer Insel der Maas, und nur ein einziger Pilger aus Jerusalem betete und sang bei ihr. Dann wurde sie mit dem Willen meines Bruders [] in einem steinernen Sarge nach Speyer gebracht. Der Diener des Vaters, Erkenbald, wollte sie mit Priestern und Volk in der Kirche der heiligen Jungfrau Maria, welche der Vater gebaut hatte, begraben; aber der Bischof von Speyer gestattete es nicht. Von da stand sie fünf Jahre in einer ungeweiheten Kapelle. Nach dieser Zeit wurde sie begraben, und der Bruder feierte das Begräbnis. Er waltete nun fortan als das weltliche Haupt der Christenheit. Heute ist der Tag des Gedächtnisses an jenen Tag, an welchem mir endlich nach vielem Beten von Gott die Gnade verliehen worden ist, meinem Bruder gänzlich verzeihen zu können, was er an dem Vater gesündigt hat. Darum war feierlicher Gottesdienst, und darum erzähle ich davon. Es ist meinem Bruder auch die Gnade zu Teil geworden, seine Schuld noch hier ein wenig büßen zu können. Der Schoß seines Weibes blieb unfruchtbar, er wurde in den Bann der Kirche getan, und er starb in den Mannesjahren an einem kleinen Geschwüre, das sich vergrößerte, und ihn dahin raffte. Die deutsche Krone ist auf den Sachsen Lothar übergegangen. Rothart, der Erzbischof von Mainz, der den Namen von Hartesberg trug, starb drei Jahre nach dem Vorgange in Bingen, Adalbert, der Bischof von Worms, zwei Jahre darauf, Friedrich, der Erzbischof von Köln, der den Namen Ortenberg hatte, lebte noch über zwanzig Jahre, ist aber jetzt auch tot. Eben so ist jener Markgraf von Meißen dahin gegangen, der so schnell gestiegen ist, und dessen Geschlecht dann so Unglückliches erlebte.«

Agnes schwieg nun. Die Mutter Witikos nahm das Wort, und sagte: »Hohe Frau, lasse diese traurigen Dinge nicht in deinem Gemüte empor leben, sie sind vergangen, Gott hat sie geschehen lassen, und richtet über sie. Denke an die Gegenwart. Du bist verehrt wie eine der Frauen, die im Leben heilig gewandelt sind, das Volk in diesen Ländern heiligt das Andenken deines Gemahles, und du hast [] wohlgeratene Kinder. Der Kaiser Lothar, der Sachse, ist tot, und die Herrlichkeit der deutschen Königskrone ist auf das Haupt deines Sohnes Konrad gekommen, und auf die Königskrone wird die Kaiserkrone folgen. Das neue starke Geschlecht der Hohenstaufen wird von der Krone geziert, und ziert die Krone bis in Zeiten, die in der entfernten Zukunft sind. Dein Sohn anderer Ehe, Heinrich, herrscht als Markgraf in diesem schönen Lande, er hat sich die Witwe seines Feindes in Liebe verbunden, er wird den Herzoghut tragen, und die Österreicher werden mit den Hohenstaufen in Freundschaft des gleichen Weges gehen bis in die Zeiten, von denen ich gesagt habe.«

»O Wentila«, entgegnete Agnes, »die traurigen Dinge leben nicht in meinem Gemüte empor, sie leben in demselben immer fort, und wenn sie auch vergangen sind, und Gott über sie richtet, so ist die Vergangenheit doch in mir, und ich bin in ihr. Und heilig kann ich nicht wandeln, ich kann nur für meine Sünden büßen, und für die Lebenden und Toten beten. Die Macht und die Kronen aber sind Dinge, welche tauglich sind, mit ihnen Gutes zu tun, sonst sind sie nichtig.«

»Und die Deinigen haben mit diesen Dingen schon Gutes getan«, sagte Wentila, »Konrad hat den wilden Krieg des trotzigen Mannes aus Baiern beendigt, er hat die Kraft des deutschen Landes viel befestigt, und wird sie noch mehr befestigen, und dann seine Augen auf Jerusalem und Bethlehem richten. Heinrich waltet in seiner Mark. Er wird der erste Herzog derselben sein, und die Dinge in den heiligen Ländern können durch ihn auch an Gedeihen gewinnen.«

»Mögen die Hohenstaufen die Macht immer zum Guten wenden«, sagte Agnes, »und durch sie nicht in Verwirrung geraten, wie die, welche die Macht vor ihnen gehabt haben. Ich habe Taten genug gesehen, die gepriesen worden sind, und Übles gestiftet haben. Wer seine Ehefrau [] liebt, seine Kinder in Gott erzieht, seine Habe ehrbar mehrt, und seine Untertanen schützt und fördert, hat rechte Taten getan. Und wer weiß es, ob es nicht eine bessere Tat ist, wenn wir hier dieses Tuch zum Dienste der Kirche sticken, oder auch nur zum weichen Fußtritte eines Greises, als wenn wir Herzogtümer eroberten oder zertrümmerten.«

»Hohe Frau«, sagte Wentila, »es sind der menschlichen Dinge unzählbare, wie es unzählbare Bäume und Kräuter gibt.«

»Sie sind«, sagte Agnes, »und Gott leitet sie. Witiko, meine Schwiegertochter hat von dir geredet, mein Sohn hat von dir geredet, und deine Mutter hat mir erzählt, wie gut du bist. Ich habe dich gesehen. Gehe jetzt mit deiner Mutter in ihre Kammer, und redet, wie ihr redet, wenn ihr allein seid. Bleibe bei uns und deiner Mutter auf dem Kahlenberge, so lange du willst. Gehe zu meinem Sohne Heinrich, und gehe zu den alten und zu den jungen Rittern, und sage dann in der Heimat deinen Freunden, wie es bei uns ist. Hecila, melde Kunigunden, daß sie den Vogt anweise, Witiko seine Wohnung zu zeigen.«

Eine von den zwei jungen Frauen erhob sich von ihrem Sitze, und ging aus dem Gemache.

»Du beurlaubest uns, erlauchte Frau«, sagte Wentila, »und wir entfernen uns.«

Sie stand von ihrem Sitze auf, und Witiko stand auch auf.

Er sprach, da er stand: »Nehmet noch einmal den Dank für die gute Aufnahme, hocherlauchte Frau, und den für die Gewährung der Beherbergung, ich werde ihrer in Gemeinschaft mit meiner Mutter pflegen, und mich bestreben, sie zu verdienen.«

»Genieße mit deiner Mutter«, sagte Agnes, »wie es ist, wenn Eltern und Kinder einig sind.«

[] Die junge Frau, welche aus dem Gemache gegangen war, kam wieder zurück.

»Du hast deinen Auftrag vollbracht, Hecila«, sagte Agnes.

»Es ist geschehen«, antwortete die Frau.

»Nun, so wollen wir, die wir zurück bleiben, wieder an die Arbeit gehen, und sie zu fördern suchen«, sagte Agnes.

»Gehabe dich wohl, hohe Frau«, sagte Wentila.

»Du auch«, entgegnete Agnes.

Wentila und Witiko neigten sich vor Agnes, und verließen das Gemach.

Sie gingen durch die Stube, in welcher die jungen Mädchen spannen, und als sie draußen waren, setzte Witiko die Lederhaube wieder auf sein Haupt.

Wentila geleitete Witiko durch einen Teil des Ganges, und führte ihn zu einer Tür. Sie öffnete dieselbe, und sie traten in ein Gemach, in welchem ein Mädchen saß, und nähte.

Das Mädchen stand auf, da die Mutter und der Sohn herein kamen.

»Sei gegrüßt, Lutgart«, sagte Witiko.

»Seid gegrüßt, hoher Herr«, antwortete das Mädchen.

Es ging zu einer Tür, und öffnete sie in eine zweite Stube.

»Sorge, daß wir nicht gestört werden«, sagte Wentila.

»Ich werde es tun, hochverehrte Frau«, antwortete das Mädchen.

Wentila führte Witiko in die zweite Stube, und das Mädchen schloß hinter ihnen die Tür.

»Lege deine Haube auf diesen Tisch, Witiko, und lege dein Schwert dazu«, sagte Wentila.

Witiko nahm seine Haube von dem Haupte, und legte sie auf den Tisch. Dann lösete er sein Schwert ab, und legte es zu der Haube.

Hierauf sagte er: »Sei mir nun erst recht gegrüßt, meine liebe, ehrwürdige Mutter.«

[] »Sei mir gegrüßt, mein guter Sohn des guten Wok«, antwortete Wentila.

Sie nahm ihn mit beiden Händen an dem Haupte, und küßte ihn auf die Stirne.

Dann streichelte sie mit den Händen seine Wangen.

»Setze dich zu mir auf eine dieser Bänke«, sagte sie darauf, »und genießen wir die Einigkeit, wie die Frau Markgräfin gesprochen hat.«

Sie setzte sich auf eine gepolsterte Bank, und Witiko setzte sich zur ihr.

Er nahm ihre Hand, und drückte seine Lippen ehrerbietig darauf.

Sie sah ihn freundlich an, und sprach: »Wo hat dich denn mein Bote getroffen?«

»Er ist nach Přic zu mir gekommen«, antwortete Witiko.

»Als ich dir durch Smitan auf deine Botschaft zurück hatte sagen lassen, daß ich dir eine Kammer in Landshut richten werde«, sagte Wentila, »ritt Gerhard, der Marschalk Ottos, des Bischofes von Freising, nach Landshut, und meldete mir, daß mich Agnes, die verwitwete Markgräfin von Österreich, zu sich auf den Kahlenberg entbietet, weil ein Geschwader des Bischofes nach Wien geht, das mich geleiten würde. Ich willigte ein, und schickte dir gleich den alten Michael mit der Nachricht zu.«

»Er ist über Plan nach Přic geritten«, sagte Witiko, »ich mußte nur vorher den Bischof Zdik nach Passau geleiten.«

»Und auf einem Schiffe bist du von Passau nach Wien gefahren?« fragte Wentila.

»Auf einem Schiffe«, antwortete Witiko.

»Ich habe dich lange nicht gesehen«, sagte Wentila.

»Es werden jetzt bald vier Jahre, seit ich von Passau über den Wald geritten bin«, entgegnete Witiko.

»Vier Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Wentila.

[] »Mutter«, antwortete Witiko, »ich mußte manche Tage harren, ob sich etwas ereigne, daran ich mitwirken könnte, und ob ich auch etwas zu vollbringen vermöchte, zu dir kommen zu können; aber endlich wollte ich dich wieder sehen, und mit dir über verschiedene Dinge sprechen. Ich habe dir in manchen Zeiten Nachrichten geschickt.«

»Ich habe sie empfangen, und habe dir Nachrichten zurück geschickt«, sagte Wentila. »Und in dem Kleide bist du zu mir gekommen, in dem du von mir weg geritten bist.«

»Ich habe das Kleid deinetwillen angelegt«, entgegnete Witiko, »und auch eines andern Menschen willen, von dem ich dir später sagen werde.«

»Du bist viel stärker geworden, Witiko«, sagte Wentila.

»Ich habe es nicht beachtet«, antwortete Witiko.

»Auch deine Wangen sind röter geworden«, sagte Wentila.

»Das kann von den freien Lüften herrühren«, entgegnete Witiko.

»Gott im Himmel wird dir ferner noch Gedeihen geben«, sprach Wentila. »Witiko, sage, befolgst du die Lehren der heiligen Kirche?«

»Ich suche nach dem zu leben, wie mich der ehrwürdige Vater Benno angeleitet hat«, entgegnete Witiko.

»Dann wirst du gottgefällig leben wie er«, sagte Wentila. »Bist du gütig und freundlich gegen alle Menschen, auch gegen die Geringen?«

»Ich liebe die Menschen, und strebe, gegen sie gut zu sein«, antwortete Witiko.

»So ist dein Vater Wok gewesen und dein Großvater Witek«, sprach Wentila. »Der ehrwürdige Vater Benno sagt, daß das recht gewesen ist, was du getan hast, Witiko.«

»Sagst du das auch, Mutter?« fragte Witiko.

»Benno weiß es besser«, antwortete Wentila, »und ich sage, es wird schon recht sein.«

[] »Da ist auch der hochehrwürdige Silvester«, sagte Witiko, »welcher Abt in dem Kloster an der Sazawa gewesen ist, dann erwählter Bischof von Prag wurde, wegen Ungerechtigkeit zurückgetreten ist, und jetzt wieder in dem Kloster an der Sazawa wohnt. Er sagt, daß man nur das Gute tun soll, und alles andere ist damit verbunden. Er lobt nicht alles, was ich getan habe. Ich möchte unter allen, die ich kenne, zuerst dir, Mutter, Genüge tun, und dann Benno und Silvester, und dann noch einem Menschen.«

»Witiko, öffne mir dein ganzes Gemüt«, sagte Wentila.

»Ich bin lange in Plan gewesen«, antwortete Witiko.

»Ich weiß es«, entgegnete Wentila.

»Dort sind die Gründe Waldland«, sagte Witiko. »Von dem Walde sind Gerölle, Grobsand und Steinmehl in unsern Äckern. Aber Martin und Raimund und Lucia bewirtschaften mit Taglöhnern das kleine Anwesen gut. Das Haus ist nicht schadhaft, und liegt handsam in dem Walde.«

»Du hast dort Arbeiten wie ein Knecht verrichtet«, sagte Wentila. »Florian, den mir Mathias geschickt hat, ist ein guter Bote gewesen.«

»Ich habe geholfen, und es ist mir dabei gut geworden«, sagte Witiko.

»Und in Přic hast du auch geholfen«, sagte Wentila.

»Přic hat einen besseren Boden, und es wird noch immer besser werden«, antwortete Witiko. »Kuto ist ein treuer Diener, er versteht die Pflege, und ist gelassen und sparsam. Kan und Peko und Mira und Glota dienen ihm gerne. Die Brücke ist fertig geworden, das Dach ist verbessert, und die zwei Kühe sind von dem Fichtelberge gekommen.«

»Es ist gut, Witiko«, sagte Wentila, »deine Vorfahrer haben kleine Besitzungen gehabt, sind für sie sorgsam gewesen, und haben auch gerne selber die Hände angelegt.«

»Im Wangetschlage ist der harte Boden doch gedeihlich, [] und wird gut gehalten«, sagte Witiko. »Das Häuschen bedarf noch lange keiner Ausbesserung, und die Wiesenmauer hat Jakob aus Steinen gelegt. Huldrik wacht auch über die Tiere, und sucht überall nachzuhelfen.«

»Er ist in seinen Sendungen richtig, und die Knoten seiner Merkschnüre sind genau«, sagte Wentila.

»Und er nimmt für sich das Armseligste«, antwortete Witiko.

»Ich weiß es«, sprach Wentila.

»Er hat mich nach Friedberg geleitet«, sagte Witiko, »und hat mir das Pferd wie ein Knecht geführt.«

»Weil er uns für ein vornehmes Geschlecht hält«, antwortete Wentila.

»Das Pferd hat er ledig von Friedberg durch den Wald in die untere Moldau hinauf geführt«, sagte Witiko; »denn ich bin von dem Ufer, das bei Friedberg ist, durch die Waldlehne bis auf den Kamm hinauf gestiegen, wo ein Platz ist, auf dem einmal eine Denksäule des heiligen Apostels Thomas gestanden ist.«

»Ich kenne den Platz«, sagte Wentila, »man sieht von ihm auf Baiern, Böhmen und Österreich, und der Wald ist um ihn.«

»Ja, so ist es«, sagte Witiko.

»Und dann bist du auf dem langen Wege durch den Thomaswald in die untere Moldau hinab gegangen, wo die Herberge steht«, sagte Wentila.

»Ja«, entgegnete Witiko, »und in der Herberge haben Huldrik und Jakob mit dem Pferde auf mich gewartet.«

»Ich habe jetzt lange diese Dinge nicht gesehen«, sagte Wentila, »der Wald ist dort sehr groß und sehr schön.«

»Er ist dort am schönsten«, antwortete Witiko.

»In dem schönen Walde ist Huldrik«, sagte Wentila, »und möchte in einem Schlosse Marschalk sein.«

»Er soll zu mir kommen, wenn ich mir einmal einen festen Ort erwähle, und er dann noch lebt«, sagte Witiko.

[] »Nun, er sagt ja«, sprach Wentila, »daß die Angehörigen seines Stammes sehr alt werden, und daß er dieses auch hofft.«

»Gott gewähre es ihm«, sagte Witiko.

»Er gewähre es ihm nach meinem Wunsche«, antwortete Wentila.

»Mutter«, sprach Witiko, »ich habe dir in meinen Botschaften etwas nicht erzählt, ich will es dir jetzt sagen. An jenem Sonntage, an welchem ich in dem Walde der drei Sessel betete, habe ich ein Mädchen des Namens Bertha kennen gelernt, das damals dunkelrote Waldrosen, die du liebst, als gutes Zeichen auf dem Haupte trug. Ich bin, da ich den hochehrwürdigen Bischof Zdik nach Passau geleitete, wieder in dem Hause der Eltern Berthas gewesen, und habe mich mit Bertha in Zuneigung und Liebe geeinigt, daß wir Ehegatten werden wollen. Sie ist die Tochter Heinrichs von Jugelbach.«

»Er wird sie dir nicht geben«, sagte Wentila.

»Es ist noch ungewiß«, sprach Witiko.

»Du hast die Sache den Eltern Berthas geoffenbart«, sagte Wentila.

»Ich habe sie dem Vater geoffenbart«, entgegnete Witiko, »und er hat zurück geredet: wenn die Rose, welche ich auf dem Berge Wysoka in dem weißen Schilde getragen habe, in einer Burg ist, und wenn sie in die Geschicke unserer Länder hinein blüht, solle ich wieder kommen, und fragen.«

»Ich weiß nicht, ob es so gewesen ist, wie der Vater Benno sagt«, antwortete Wentila, »daß unsere Vorfahren einst reiche Güter gehabt haben, und die Herren in dem Walde gewesen sind; aber die Geschlechter werden reich, und wieder arm, und können wieder reich werden, und es wechseln die Geschicke. Wenn du Bertha zu deinem Eheweibe gewinnen kannst, so erfreue dich darüber; wenn es aber nicht möglich ist, so trage es gelassen.«

[] »Ich werde es tragen«, sagte Witiko.

»Wiulfhilt, die Mutter Berthas, ist sehr gut«, sprach Wentila, »und Bertha wird auch gut sein.«

»Sie ist gut und starkherzig«, sagte Witiko, »und haßt die schlechten Taten wie die Frau Markgräfin, aber anders, und liebt die großen und herrlichen. Sie hat gesagt, ich solle tun, daß mir keiner gleich sei in dem Felde der goldenen Ähren und in dem Walde der Wipfel der Bäume.«

»Strebe nicht mit Hoffart nach deinem Ziele, Witiko«, entgegnete Wentila. »Und wenn du auch nicht tust, daß dir keiner gleich ist in dem Felde der goldenen Ähren oder in den Wäldern der Wipfel der Bäume, und wenn dir nur die Gnade verliehen ist, Geringeres zu tun, was recht ist, wie du mir die Meinung Silvesters gemeldet hast, so wird es am besten sein.«

»Ich werde suchen, das Gute zu tun, wie es dein und Silvesters Gedanke ist«, antwortete Witiko.

»Tue es, mein Sohn«, sagte Wentila. »Ich habe Bertha gesehen, da sie ein kleines Kind war. Vielleicht sehe ich sie wieder, wenn ihre Eltern nach Jugelbach heimkehren, und ich auf der Rückreise bin.«

»Wenn du zu ihr kommst, so wirst du wissen, daß meine Neigung gut ist«, sagte Witiko.

»Ich weiß es schon«, antwortete Wentila, »weil ich dir vertraue.«

»Und wann meinst du wieder nach Landshut zurückzukehren?« fragte Witiko.

»Wenn es die hohe Frau, die mich auf diesen Berg geladen hat, anordnet«, entgegnete Wentila. »Es wird ihr Sohn Otto, der Bischof von Freising, kommen, und ich glaube, daß ich mit seinem Geleite nach Baiern zurückreisen werde.«

»Ich habe auch Berthas willen das Lederkleid angelegt, weil sie mich zuerst darin gesehen hat«, sprach Witiko.

[] »Ich denke es mir«, sagte die Mutter.

»Und nun, Mutter«, sprach Witiko, »wie lebt denn der hochehrwürdige Vater Benno?«

»Er lebt in Gesundheit«, antwortete Wentila, »er hält seinen Gottesdienst in der Kirche des heiligen Martin, er stellt Betrachtungen an, und schreibt in ein großes Buch die Dinge der Kaiser ein; denn er sucht alles zu ergründen, was einmal geschehen ist. Er hat mir aufgetragen, dir einen feierlichen Gruß von ihm zu sagen.«

»Bringe ihm den Dank, wenn du heimkehrst«, sagte Witiko, »und bringe ihm meine Ehrerbietung.«

»Ich werde es tun«, antwortete Wentila, »und es wird ihn freuen, weil er dich liebt, wie, da du noch ein Kind warest. Er sagt, daß die Baiern mit Sorge auf Österreich schauen, seit Konrad, der Halbbruder des Markgrafen Heinrich, in Deutschland herrscht, und seit der Markgraf die Witwe ihres verstorbenen Herzogs geheiratet hat.«

»Wird er denn auch wieder einmal nach Přic kommen?« fragte Witiko.

»Přic erweckt ihm seit dem Tode deines Vaters Traurigkeit«, antwortete Wentila, »aber er wird schon kommen.«

»Die Leute dort lieben ihn«, sagte Witiko.

»Die Leute aller Orten lieben ihn«, entgegnete Wentila.

»Und wie lebt denn die Base Hiltrut?« fragte Witiko.

»Sie ist fromm«, antwortete Wentila, »genießt der Gesundheit des Leibes, sorgt in dem Hause, und denkt deiner, wie sie dachte, da sie dich noch in den Windeln pflegte.«

»Ich möchte ihr recht viel Gutes tun«, sagte Witiko.

»Das tust du«, entgegnete Wentila, »da du ihr beständig die guten Grüße schickest, die ihr angenehm sind.«

»Mir ist es auch angenehm, Grüße zu schicken«, antwortete Witiko; »bringe ihr wieder einige, wenn du hier fort gehst.«

[] »Sie bedarf ja nichts als Zuneigung«, sagte Wentila.

»Und diese empfängt sie von uns reichlich«, antwortete Witiko.

»Du bist in Plan zu den Leuten in ihre Stuben gegangen«, sagte Wentila.

»Ja, Mutter«, entgegnete Witiko.

»Wir haben es auch immer so gepflegt, wenn wir dort lebten«, sagte Wentila, »sie sind gut, ernsthaft und treu.«

»Sie sind dieses alles in ihrer Armut und in der Härte und Stärke ihres Körpers«, sagte Witiko. »Sie haben in dem vergangenen Kriege der Gerechtigkeit zur Entscheidung geholfen, sind meine Gefährten geworden, und ich bin ihr Gefährte geworden.«

»Du hast sie auch in deiner Stube versammelt«, sagte Wentila.

»Ja, sie haben dort Brod und Salz gegessen«, antwortete Witiko.

»Es ist gut so«, sagte Wentila, »das Land des Waldes ist vielen Menschen noch unbekannt; aber es ist sehr bedeutsam. Was wirst du denn nach der jetzigen Zeit tun, Witiko?«

»Ich werde wieder nach Plan und Přic gehen«, antwortete Witiko, »dann werde ich nach Prag zu dem Herzoge reiten. Im Frühlinge wird der Krieg gegen die mährischen Fürsten beginnen, und ich werde in ihm sein.«

»Du wirst tun, was dir obliegt, mein Sohn Witiko«, sagte Wentila, »und du wirst klug und vorsichtig sein.«

»Ich werde tun, wie ich es nur immer als gut und recht einsehe«, entgegnete Witiko.

»Und Gott wird das Gute und Rechte schützen«, antwortete Wentila, »und nach dem Kriege werde ich mit der Base Hiltrut nach Přic kommen.«

»Ich werde euch von Landshut holen und nach Přic geleiten«, sagte Witiko.

»Bleibe jetzt eine Weile auf diesem Berge, mein Sohn«, [] sagte Wentila, »Agnes, die hohe Frau, ist gegen mich und dich gut gesinnt. Siehe nur, welch ein schönes Gemach mit den gepolsterten Gesiedeln und der Aussicht in das ganze Land sie mir gegeben hat. Ihr Sohn Heinrich hält seinen Hof in Wien, und um ihn sind die Herren der Kirche und die Männer des Rittertumes und der Künste, und befleißigen sich zierlicher Sitten. Du wirst zu ihm gehen, und wirst manches sehen, was dir gut ist.«

»Ich bleibe bei dir, und werde öfter nach Wien gehen«, antwortete Witiko, »es müßte nur sein, daß ich in unserem Lande nötig werde, dann reite ich schnell in dasselbe.«

»Es wird sich alles erweisen«, sagte Wentila. »Jetzt, Witiko, ruhe. Lasse dir deine Kammer zeigen, und wenn es dich gemahnt, dann komme wieder zu mir. Richte dich hier ein, und möge es dir gefallen.«

Sie stand bei diesen Worten auf, Witiko auch.

Er setzte seine Haube auf das Haupt, und befestigte sein Schwert an seiner Seite.

Dann machte sie ein Kreuz auf seine Stirne, und er küßte ihre beiden Hände.

Hierauf verabschiedeten sie sich. Witiko verließ die Stube, sie blieb in derselben zurück.

Als Witiko in das Vorgemach gekommen war, in welchem das Mädchen Lutgart saß, sah er auch einen Mann auf einem Stuhle sitzen. Es war der nämliche Mann, welcher ihn in das Gemach der spinnenden Mädchen geführt hatte.

Der Mann stand auf, und sagte: »Ich bin der Hausvogt der hocherhabenen Frau Markgräfin, Ezelin, und bin von der hohen Frau Markgräfin befohlen, Euch, edler Witiko, in Eure Herberge in dieser Burg zu geleiten.«

»So geleitet mich, edler Vogt Ezelin«, sagte Witiko.

Die zwei Männer verließen nun die Vorstube.

Der Vogt führte Witiko über eine Treppe empor in ein Gemach, an welchem noch eine zweite Stube war.

[] »Hier sollet Ihr mit Euerm Diener wohnen«, sagte er, »und der Speisemeister und der Gewandmeister und der Meier und der Marschalk sind angewiesen, Euch zu gehorchen, wie Ihr wünschet.«

»Ich danke Euch für Euer Geleite, edler Vogt«, sagte Witiko, »ich bedarf zu dieser Zeit keines andern Dinges als der Stube.«

»So verabschiede ich mich«, sagte der Mann.

»Gehabt Euch wohl«, entgegnete Witiko.

Der Mann entfernte sich, und Witiko stand allein in dem Gemache.

Dasselbe war nicht groß, hatte weiße getünchte Wände, und es standen starke Geräte aus Eichenholz darinnen. Durch die zwei schmalen Fenster, welche spitzige Bögen hatten, sah Witiko auf einen Wald und dann auf ebenes Land, das gegen Morgen hin ging, und in welchem die Donau floß. Die zweite Stube war kleiner, war auch weiß, und hatte auch Eichengeräte.

Witiko verließ diese Herberge wieder, und ging in das Wartezimmer um Raimund. Raimund war nicht in dem Zimmer. Darauf ging Witiko in den Stall. In dem Stalle stand Raimund bei den Pferden. Witiko führte ihn in die Herberggemächer, und zeigte sie ihm. Dann sagte er: »Rüste dein Pferd, reite in die Stadt Wien hinab, und lasse unsere Habe in die Burg herauf bringen.«

Raimund schickte sich an, den Befehl Witikos zu vollführen. Er verließ das Zimmer, und nach einer halben Stunde ritt er in dem Walde des Berges hinunter.

Witiko aber blieb in seinem Gemache, ging an ein Fenster, und sah auf das Land Österreich hinab. Der Wald des Berges trug nicht wie die Wälder, die an den Ufern der jungen Moldau stehen, die dunkle Tanne, die grüne Buche, die leuchtende Birke, den langarmigen Ahorn, die Eibe, die Ulme, die Esche, die Erle und den zackigen Wacholder, sondern gleichartiges Laubwerk der Buche, [] Esche, Eibe, des Haselstrauches und das Dämmer der Föhre und andern Nadelgehölzes. In der Donau waren breite und gestreckte Inseln, welche Auwald trugen, und auf dem ebenen Lande war Auwald. Dem Kahlenberge gegenüber sah Witiko wieder einen Berg. Und von diesen zwei Bergen floß die Donau in der Ebene gegen das Land Ungarn hinaus.

Als es Mittag war, kam ein Mann, und führte Witiko in das Speisegemach. Dasselbe war ein Saal mit langen Tischen, Stühlen und Speisegeräten. In dem Saale waren Männer in schönen Gewändern. Sie waren die Mannen der Markgräfin. Sie gingen Witiko entgegen, und grüßten ihn, und er grüßte sie. Dann setzten sich alle an den Tisch, ein Priester sprach das Gebet, und es wurden ihnen gute Speisen und guter Wein aufgetragen.

Nach dem Essen ging Witiko wieder zu seiner Mutter, sie wandelten auf verschiedenen Wegen des Waldes, und saßen dann in Wentilas Stube.

Des Nachmittages kam Raimund aus Wien zurück, und ein Säumer brachte auf einem Saumtiere das Reiseeigentum Witikos. Dasselbe wurde in die Beherberggemächer gebracht, und dort geordnet.

Am andern Tage des frühen Morgens rüstete sich Witiko zum Ritte an den Hof des Markgrafen Heinrich. Er hatte sein Ledergewand an, und trug sein Petrusschwert an Soběslaws Gürtel. Er ritt auf seinem eisengrauen Pferde den Weg zwischen dem Laubwerke des Berges hinunter. Raimund ritt in seinem Waldgewande hinter ihm. Sie kamen in das grüne Gefilde, und durch dasselbe bis zu der Freiung, und von da über die Brücke des Grabens in die Stadt.

Sie ritten an vielen Menschen und Dingen vorüber an das Haus, das der Markgraf baute, um mit Gertrud darin zu wohnen. Es war groß und gewaltig, und an manchen Teilen waren noch Gerüste. Man wies die Reiter in einen [] Hof. Dort standen Pferde und Knappen, Reiter stiegen auf oder stiegen ab, und Männer in Kriegesgewändern waren da. Witiko stieg von seinem eisengrauen Pferde, und gab die Zügel desselben in die Hände Raimunds. Er ging gegen eine Treppe, an welcher Männer in schönen Kleidern standen. Einer, der sehr langschnäblige purpurrote Schuhe, einen grauen Bart und graue Haare hatte, rief ihn an, und sprach: »Nun, du Ledermann, wohin gehst du?«

»Was frägst du?« entgegnete Witiko.

»Ich frage, weil ich frage«, sagte der Mann.

»Und ich gehe, weil ich gehe«, sagte Witiko.

»Und hast du ein Recht?« fragte der Mann.

»Und hast du ein Recht?« fragte Witiko.

»Wenn Thiemo von der Aue kein Recht hat, wer soll es denn haben?« fragte der Mann.

Die umher standen, lachten nach diesen Worten.

»Wenn du ein Recht hast«, sagte Witiko, »so wisse, daß ich zu Heinrich, dem erlauchten Markgrafen von Österreich, will.«

»Und will Heinrich, der erlauchte Markgraf von Österreich, auch, daß du zu ihm willst?« fragte der Mann.

»Das weiß ich nicht«, sagte Witiko, »und das werde ich erfahren, wenn er gefragt wird.«

»Und wer wird ihn fragen?« sagte der Mann.

»Wer Geleite zu ihm geben kann«, antwortete Witiko.

»Thiemo von der Aue kann Geleite geben«, sagte ein Mann, der ein dunkelgrünes Gewand und einen braunen Mantel hatte, »ich bin Marchard von Hintberg, und wenn du ein Anliegen hast, mein Kind, lasse deinen Namen sagen, der Markgraf wird dir behilflich sein, er ist gut.«

»Ich habe kein Anliegen«, antwortete Witiko, »ich will nur den erlauchten Markgrafen sehen, und ihm meine Ehrerbietung bezeigen. Ich bin in dem Zuge gewesen, als [] der erhabene König Konrad mit Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren, gegen Prag ging, um die Empörer zu besiegen, und der erlauchte Markgraf ist auch in dem Zuge gewesen.«

»Ihr seid also Kriegsgenossen«, entgegnete der Mann. »Nun ich bin auch ein solcher Kriegsgenosse, ich bin auch in dem Zuge gewesen, und Thiemo von der Aue ist in dem Zuge gewesen, und Gebhard von Abbadesdorf, und Ebergus von Aland, und Werinhard von Brun, und Juborth von Tribanswinchel, und Viricus von Gaden, die alle hier stehen. Du bist aus einem fremden Lande, wie wir sehen, und kennest die österreichischen Degen noch nicht.«

»Ich kenne sie nicht«, sprach Witiko, »aber ich will dir meinen Namen sagen, ich heiße Witiko, stamme vom Lande Böhmen, und diene dem Herzoge Wladislaw.«

»Du bist Witiko«, sagte Marchard von Hintberg, »der die Herzoge aus Mähren gefangen, und dann hat weiter reiten lassen.«

»Ich habe den Herzogen die Flucht gestattet«, antwortete Witiko.

»Du bist Witiko«, rief Gebhard von Abbadesdorf.

»Witiko«, sagte Viricus von Gaden.

»Du bist Witiko, und bist noch so jung«, sprach Ebergus von Aland.

»Er hat sie geschlagen, und hat sie dann wacker davon gejagt«, sagte Thiemo von der Aue.

»Du hast sie nicht einen Deut geachtet, Witiko«, sagte Juborth von Tribanswinchel, »sei uns gegrüßt.«

»Seid gegrüßt«, sagte Witiko.

»Du hast närrisch gehandelt«, sprach Werinhard von Brun, »aber sei gegrüßt, hat dich dein Herzog getadelt?«

»Er hat mich geehrt«, antwortete Witiko.

Und die Männer traten herzu, und reichten Witiko die Hand.

[] »Du hast heute den guten Tag gewählt«, sagte Thiemo von der Aue, »der Markgraf wird dich anhören, morgen würde es nicht sein können, weil Kahlenbergritt ist.«

»Wir werden dich geleiten«, sagte Marchard von Hintberg.

Die Männer gingen nun mit Witiko über die Treppe in das Innere des Hauses hinan.

Sie kamen in einen Gang und dann durch eine Tür in einen Vorsaal.

In dem Vorsaale waren wieder Männer in verschiedenen schönen Kleidern, es waren Jünglinge da und auch Knaben in feinen Gewändern.

Thiemo von der Aue schritt gegen einen Mann, der ein dunkles weites Gewand und ein silbernes Kreuz hatte.

»Rudpert«, sagte er zu dem Manne, »da bringe ich einen, der drei goldene Fische gefangen, und sie in das Wasser geworfen hat. Er ist Witiko, von einem böhmischen Schlosse, wie heißt es?«

»Kein Schloß, nur der Hof Přic«, sagte Witiko.

»Ich weiß alles«, entgegnete der Mann, »ich bin als Kapellan mit dem Markgrafen auf die Vogelweide gegangen, und Witiko hat die Vögel verjagt. Was willst du denn hier, mein Sohn?«

»Er will mit dem erlauchten Markgrafen sprechen, weil derselbe sein Kriegsgenosse gewesen ist«, sagte Thiemo.

»Es ist gebührlich, Freundschaft mit Kriegsgenossen zu halten«, sagte der Kapellan. »Dort steht Tibert, der Kämmerer. Komme nur, Witiko.«

Nach diesen Worten faßte er Witiko an dem Arme, und führte ihn im Geleite der andern Männer gegen einen Ritter, der in einem dunkelrotbraunen Kleide dastand.

Er sprach zu dem Ritter: »Tapferer Tibert, da ist ein Mann aus Böhmen, der mit seinem Herzoge Wladislaw in unserem Kriegszuge von Nürnberg nach Pilsen und Prag gewesen ist. Er hat unser Land besucht, den hocherlauchten [] Markgrafen zu sehen. Man nennt ihn Witiko von Přic.«

»Du bist Witiko, du junges Blut?« sagte der Kämmerer. »Sie haben von dir übel geredet wegen der mährischen Herzoge, und gut wegen deiner Tapferkeit im Frühlingskriege und bei Pilsen. Bist du dieser Mann?«

»Ich war in dem Kriege wie ein anderer«, sagte Witiko, »und habe bei Pilsen nach meiner Einsicht getan.«

»Nun der hohe Markgraf wird schon mit dir sprechen«, sagte der Kämmerer.

Dann rief er gegen die Knaben: »Komm her, du kleiner Chunring.«

Ein Knabe in einem Gewande, das rot und weiß war, ging herzu.

»Lauf zu dem Herrn Otto von Lengenbach hinein, und sage ihm, daß ein Ritter aus Böhmen da ist, der Witiko heißt, und der zu dem Herrn Markgrafen will«, sprach der Kämmerer zu dem Knaben.

»Ja«, sagte der Knabe, und ging von dem Saale in ein Gemach.

Nach einer Weile kam er wieder heraus, und sagte zu dem Kämmerer: »Der Herr Ritter soll hinein kommen.«

Tibert, der Kämmerer, und Thiemo von der Aue führten Witiko in das Gemach, aus welchem der Knabe die Botschaft gebracht hatte.

In dem Gemache waren wieder Herren und Ritter, und auch Frauen, welche warteten.

Ein alter Ritter in einem grünen Kleide sagte zu Witiko: »Du mußt ein wenig harren, junger Kriegsmann, der erlauchte Markgraf ist beschäftigt.«

Witiko blieb stehen, und wartete.

Die Männer sprachen mit einander.

Nach einer Zeit kam ein alter Mann aus der Tür eines weiteren Gemaches, grüßte die, welche da waren, und ging dann in den Vorsaal hinaus.

[] »Nun ist es an dir, Witiko«, sagte der Ritter in dem grünen Gewande.

Er wies mit der Hand gegen die Tür, aus welcher der alte Mann gekommen war. Witiko ging gegen die Tür, ein Greis in einem Gewande, das rot und weiß war, stand vor derselben, öffnete sie, und Witiko ging hinein.

Er kam in ein Gemach, das mit Birnholz getäfelt war. An verschiedenen Stellen hingen rote Stoffe in langen Falten herab. An einem Tische saß in ritterlichen Kleidern Heinrich, der Markgraf von Österreich, aus dem Geschlechte der Herren von Babenberg. Eine schöne Haube aus rotem Sammet lag vor ihm auf dem Tische. Er hatte blonde Locken und blaue Augen.

Witiko nahm seine Haube ab, und stand vor ihm.

»Sei gegrüßet, du junger Degen«, sagte der Markgraf, »bist du in unser Ländlein Österreich gekommen?«

»Ich bin in das Land gekommen«, sprach Witiko, »und die erhabene Frau Markgräfin, deine erlauchte Mutter, hoher Herr, hat gesagt, daß ich mich unterfangen dürfe, dir den Ehrfurchtsgruß zu bringen.«

»Ich danke dir für den Gruß, mein Sohn«, sagte der Markgraf, »unsere erlauchte Mutter hat dir gut geraten, ich nehme dich so lieb auf wie andere fremde Männer, die mich mit einem Heimsuche bedenken und achte dich, weil mein Schwager Wladislaw und meine Schwester dich genannt haben, daß du in ihrer Sache mit Entscheid gehandelt hast.«

»Ich habe gemeint, das Geziemende zu tun«, antwortete Witiko.

»Der Herzog sagt, daß du nach Gerechtigkeit strebest«, entgegnete der Markgraf.

»Ich möchte sie nur so einsehen können, wie die weisen Männer, welche um den Herzog sind«, antwortete Witiko.

»Das wird in den Jahren kommen, welche noch vor dir [] sind, Witiko«, sagte der Markgraf. »Du bist mit deiner Mutter auf dem Kahlenberge bei unserer vielgeliebten Mutter als Gast.«

»Meine Mutter ist früher da gewesen, ich bin dann gekommen, und es hat mir die erlauchte Frau Markgräfin Herberge gewährt«, sagte Witiko.

»Unsere Mutter liebt deine Mutter als die Tochter ihrer Mutter ungemein«, antwortete der Markgraf, »genießet die Herberge, und komme oft zu mir und meinen Männern herunter. Ich werde meinen Herren und Kriegsleuten befehlen, daß sie gütlich mit dir umgehen. Erheitere dich in unserer Weise, da noch die Waffenruhe vor dem Kriege gegen die Mährer, die du entlassen hast, dauert.«

»Ich dachte, daß der Krieg leichter gegen jeden Fürsten allein sein wird, als gegen ihre Vereinigung«, antwortete Witiko, »und dann werden wir den Streit auch ohne fremde Hilfe vollführen können.«

»Das liegt bei Gott, Witiko, und das werden die Kriegsherren ermessen und die weisen Männer, von denen du sagst, daß sie bei dem Herzoge sind«, entgegnete der Markgraf. »Fahre im Guten fort, Witiko, du bist noch jung, und kannst vieles erstreben, ich bin auch nicht alt, und so mir Gott hilft, werde ich das Ehrengrüßen, das du bringst, und das mir andere bringen, erst recht verdienen. Bleibe lange bei uns, und wenn du scheidest, lasse dir nicht leid sein, daß du gekommen bist, und wenn du eine österreichische Sitte gelernt hast, lasse dich's nicht kränken, und komme wieder.«

»Es wird mir nicht leid sein«, sagte Witiko, »und ich werde suchen, von dir und den Deinigen zu lernen.«

»So etwas zu lernen ist«, erwiderte der Markgraf. »Bringe unserer geliebten Mutter einen Gruß, grüße deine Mutter, und gehabe dich wohl.«

Er stand nach diesen Worten auf, und reichte Witiko die [] Hand. Witiko sah, daß die Hand weiß und schön gebildet sei.

Er faßte sie, und sagte. »Lebe glücklich, hoher Herr!«

»Das wäre ein guter Wunsch, wenn Gott ihn erfüllen will«, antwortete der Markgraf.

Darauf verneigte sich Witiko, und verließ das Gemach.

In dem Vorgemache grüßte er den Ritter in dem grünen Gewande, und setzte dann seine Lederhaube wieder auf das Haupt.

Der Ritter aber sagte. »Ich bin Otto von Lengenbach, und so du einmal in meine Veste kommen willst, Witiko, so wirst du freundlich aufgenommen werden.«

»Ich danke Euch, Herr«, sagte Witiko, »es könnte sich fügen, und dann nehme ich die Einladung an.«

Hierauf wurde er von Tibert, dem Kämmerer, und Thiemo von der Aue in den Vorsaal geführt.

Von dem Vorsaale ging er im Geleite derer, die mit ihm gekommen waren, über die Treppe hinab.

In dem Hofe waren nun Pferde von den Knechten der Ritter, die bei ihm waren, herbei geführt worden.

Witiko bestieg sein Pferd, die Ritter bestiegen auch die ihrigen, und Marchard von Hintberg sagte: »Wir werden dich eine Strecke geleiten, Witiko.«

»Ich freue mich eurer freundlichen Art«, entgegnete Witiko.

Alle die Männer und hinter ihnen ihre Knechte ritten nun aus dem Hause auf den großen Platz hinaus.

Dort rief Thiemo von der Aue: »Wo hast du denn deine Herberge, du junger fahrender Ritter, der du da fremde Länder besuchst?«

»Ich bin nicht genau ein fahrender Ritter«, sagte Witiko, »meine Mutter ist in euerm Lande, und ich bin zu ihr gekommen und so auch gerne in euer Land.«

»Und wo herbergt denn deine Mutter, so du jetzt etwa zu ihr reitest?« fragte Thiemo von der Aue.

[] »Ich reite zu ihr«, antwortete Witiko, »und sie herbergt auf dem Kahlenberge bei der hocherlauchten Frau Markgräfin Agnes, zu der sie beschieden worden ist.«

»Das ist die böhmische Wentila«, rief Thiemo von der Aue, »und herbergest du auch bei ihr auf dem Kahlenberge?«

»Ich herberge auch dort«, entgegnete Witiko.

»Dann werden wir dich morgen sehen, weil Kahlenbergritt ist«, sagte Marchard von Hintberg, »du mußt dich anschließen, und mit uns reiten.«

»Wenn es sich ziemt«, sagte Witiko.

»Es ziemt sich«, rief Ebergus von Aland, »und es ist deine Ritterpflicht und Kriegerpflicht, weil du dem Markgrafen einen Heimsuch gemacht hast.«

»Dann werde ich mitreiten«, entgegnete Witiko.

»Und ich werde dich schützen«, rief Thiemo von der Aue.

»Ich hege großen Dank für deinen Schutz«, sagte Witiko, »aber ich denke, ich werde mich selber schützen, oder eines Schutzes nicht bedürfen.«

»Gegen den Witz schütze ich dich«, rief Thiemo, »und gegen den Witz kann dich kein anderer so schützen.«

»So schütze mich, Vater«, antwortete Witiko.

»So bist du ein folgsamer Knabe«, rief Thiemo.

»Ich werde dir immer gehorsamen«, sagte Witiko.

»Das wird zu deinem Heile sein«, antwortete Thiemo.

Die Männer ritten durch das Tor der Stadtmauer gegen den tiefen Graben hinaus. Sie ritten über die Brücke des Grabens, und an der Freiung vorüber.

Dann nahmen sie Abschied.

»Reite wohl, Witiko«, rief Marchard von Hintberg.

»Gehabe dich gut«, sagte Viricus von Gaden.

»Gedenke des Gehorsams«, rief Thiemo von der Aue.

»Freue dich in unserem Lande«, sagte Werinhard von Brun.

»Bleibe recht lange da«, rief Gebhard von Abbadesdorf.

[] »Habet Dank, ihr Herren«, rief Witiko entgegen, »und gehabet euch wohl.«

»Gehabe dich wohl«, riefen mehrere, und sie riefen ihm noch zu, daß er sie in ihren Vesten besuchen solle.

Dann wendeten sie ihre Pferde, und ritten der Freiung entlang wieder gegen die Stadt.

Witiko aber ritt mit Raimund auf den Kahlenberg.

Nach dem Mittagessen zeigte Ezelin, der Vogt, Witiko die ganze Burg, er zeigte ihm ihre Vorräte und ihre Waffen, und zeigte ihm, wie sie den Ungarn Widerstand geleistet habe, und wie sie in Zukunft zu verteidigen wäre.

Ehe an dem folgenden Tage die Sonne aufgegangen war, begannen sich die Männer auf dem Kahlenberge zum Empfange derer, die da kommen sollten, zu rüsten. Sie schmückten sich und ihre Pferde, und luden Witiko ein, das gleiche zu tun. Er aber rüstete nur sein Pferd, legte sein Hausgewand ab, tat das Ledergewand an, und gürtete an dasselbe sein Schwert mit dem Soběslawgürtel. Dann bestiegen alle die Pferde, ritten vor die Burg, und stellten sich in eine Reihe.

Als sie eine Zeit gewartet hatten, kam ein Zug von Reitern und Reiterinnen auf dem Pfade des Laubwaldes herauf. Der erste in dem Zuge war Heinrich, der Markgraf von Österreich. Er hatte ein blaßrotes Kleid, und auf der dunkelroten Sammethaube eine weiße Reigerfeder. Sein Pferd war schwarz. Neben ihm ritt die Markgräfin in einem weißen Kleide und einem grünen Schleier. Sie hatte blonde Haare, blaue Augen und ein helles Angesicht. Die Farbe ihres Pferdes war goldbraun. Hinter dem Markgrafen und der Markgräfin ritten Herren und Frauen in schönen Gewändern. Die Herren hatten Obsorge, daß die Frauen gut ritten.

Als der Zug zu dem Tore der Burg gelangte, ritt Agnes, die verwitwete Markgräfin von Österreich, durch das Tor [] heraus. Sie hatte ein graues Gewand und einen weißen Schleier. Ihr Zelter war weiß. Hinter ihr ritten Herren und Frauen. Die Herren hatten schöne Kleider, die Frauen aber nur graue. Unter den Frauen war Wentila, Witikos Mutter.

Als Agnes zu dem Markgrafen und der Markgräfin gekommen war, wurde sie von ihnen ehrerbietig gegrüßt. Sie dankte des Grußes. Dann sprachen sie noch ein wenig mit einander. Dann stellten sie ihre Pferde neben einander, und ritten von der Burg weg auf einem Pfade, der gegen Abend führte. Die Männer und Frauen, die zu Heinrich und Gertrud und die zu Agnes gehörten, folgten ihnen. Vorn ritten solche, welche Hofämter hatten. Dann kamen die andern. Die Männer der beiden Geleite vermischten sich, wie es sich ergab, oder ihr Wunsch es fügte. Am Ende des Zuges ritten die jüngeren Leute, und waren auseinander gestreuter. An den Seiten des Zuges standen die grünen Bäume, und streckten ihre Zweige gegen die bunten und schimmernden Gewänder, gegen die Panzergeflechte und gegen die Waffen.

Witiko ritt zwischen Weringand von Plaien und Poto von Potenbrun. Sie zeigten ihm Männer und Frauen, die vor ihnen ritten, und nannten ihre Namen.

Gebhard von Abbadesdorf lenkte sein Pferd herzu, und sagte: »Sei gegrüßt, Witiko, tummle dein Roß unter österreichischen Reitern.«

»Sei gegrüßt«, antwortete Witiko, »auf diesem Pfade ist wenig zu tummeln.«

»So komme zu uns hinab, wo der Raum größer ist«, sagte der andere.

»Ich werde kommen«, entgegnete Witiko.

Dann ritten Ebergus von Aland und Viricus von Gaden herbei, und Ebergus sagte: »Bist du da, junger Reiter?«

»Ich bin da«, entgegnete Witiko, »du hast ja gesagt, daß es meine Pflicht ist.«

[] »Und du erfüllest sie«, sagte der andere.

»Ich werde sie immer zu erfüllen streben«, sagte Witiko.

»Dann erfülle sie auch gegen die Frauen, und huldige ihnen, sie sind schön, und verdienen es«, sprach Viricus von Gaden.

»Ich bin in Huldigungen nicht geübt«, antwortete Witiko.

»So übe dich, und nimm von Thiemo deinen Unterricht, der sich schon lange übt.«

Marchard von Hintberg kam herzu, und sagte: »Sei gegrüßt, du Freund von gestern, es ist gute Art, daß du bei uns bist, nun lebe recht wacker mit uns.«

»Sei gegrüßt«, antwortete Witiko, »wie es sich fügt und schickt.«

»Es fügt sich und schickt sich«, entgegnete Marchard.

Dann kam Werinhard von Brun, und sagte: »Böhmischer Rittersmann, du bist in dem Zuge, nun lasse es dir gefallen, wie es auch andern gefallen hat, die gekommen sind.«

Hierauf ritt Thiemo von der Aue von hinten nach vorne gegen Witiko, und sagte: »Sei gegrüßt, Witiko, ich habe jetzt nicht Zeit, ich werde später wieder zu dir kommen.«

Dann ritt er vorwärts, und schloß sich an die älteren Männer an.

Und so kamen noch andere Männer herzu, und ritten wieder weg, und sprachen mit einander.

Nach einer Zeit hörte Witiko hinter sich schnellere Pferdetritte, wie wenn einer näher reitet, und dann hörte er die Worte: »Es hat mir an dem Herzen viel dicke weh getan, daß mich es des gelüste, das ich nicht mochte han.«

Er blickte um, und es war ein sehr junger Mann in blauen Kleidern auf einem weißen Pferde hinter ihm.

Witiko rief: »Der Fiedler vom Kürenberge.«

»Ja, du Lederhaube, so bist du in Österreich«, antwortete der Mann.

[] »Ich bin bei meiner Mutter und der Frau Markgräfin auf dem Kahlenberge«, entgegnete Witiko.

»Ich weiß es«, sagte der Mann, »und mußte dich im Zuge mit den Augen herausstechen, wie man eine Lerche an den Pfeil heftet.«

Nach diesen Worten trieb er sein Pferd vorwärts, bis er neben Witiko war.

»Und wie bist du denn nach Österreich gekommen?« fragte Witiko.

»So wie du in die Welt gegangen bist«, antwortete der Ritter vom Kürenberge. »Als der alte Regimar tot war, und als du fort warest, ritt ich von Passau hinweg. Ich bin in vielen Gebieten und Burgen gewesen, und dann bin ich an den Hof der Markgrafen von Österreich gezogen. Als der Krieg kam, der zwischen dem Markgrafen von Österreich und dem Herzoge von Baiern war, zogen wir nicht in den Krieg, es zog mein Vater nicht, die Ritter von Rohre zogen nicht, der alte Heinrich von Oftering zog nicht, der unser Nachbar ist, die Herren von Wilheringen zogen nicht, der Ritter von Traun zog nicht, und viele nicht, die um uns waren. Wir halfen aber auch dem Markgrafen von Österreich nicht. Ich ritt zu meinem Vater auf den Kürenberg, und blieb auf dem Kürenberge. Als der Krieg geendiget war, und als der Ruf ging, daß wir nach Böhmen ziehen werden, um die mährischen Fürsten zu züchtigen, so kamen wir aus den Gauen der Traun und der Enns und der Donau zusammen, und zogen mit unseren Fähnlein den bayrischen Wald hinan, und vereinigten uns bei dem Orte Furth mit dem Könige Konrad. Und als die Sache aus war, und als ich von Prag wieder auf den Kürenberg gekommen war, ritt ich eine Weile zu Erlustigungen nach Linz und nach Wels und nach Eferdingen und nach Enns und nach Kremsmünster und nach Rohre, und dann ritt ich nach Wien an den Hof Heinrichs, des Markgrafen von Österreich; [] denn die Babenberge sind doch anders als die Welfe, und das Herzogtum Baiern ist jetzt ledig, und weil der Markgraf Heinrich der Stiefbruder des Königs Konrad ist, so wird er von dem Könige Konrad mit Baiern belehnt werden, und wenn er auch damit nicht belehnt wird, so kann das bayrische Land zwischen der Enns und dem Inn losgetrennt und zu Österreich gefügt werden, und der Markgraf Heinrich wird dann der erste Herzog von Österreich sein, und wir werden Mannen des Herzoges von Österreich sein.«

»Ich habe Zdik, den Bischof von Olmütz, der auf der Flucht ist, von Böhmen nach Passau geleitet«, sagte Witiko, »und bin dann auf einem Schiffe die Donau herab nach Wien gefahren, und da ich gegen Linz kam, habe ich auf den Wald des Kürenberges geschaut, und habe deiner gedacht.«

»Hast du meiner gedacht?« rief der Ritter vom Kürenberge, »nun so habe meinen Dank dafür. Auf der Burg des Kürenberges sitzt nun mein Vater allein. Er reitet nicht mehr an den Hof. Es ist kein Hof in Baiern, und zu dem Hoflager des Königs reitet er nicht, und an den Hof des Markgrafen auch nicht. Er waltet mit den Knechten, streicht die Fiedel, läßt noch seine Stimme erschallen, gibt Rat, tröstet meine Mutter, wenn sie ein Leid hat, und sendet mir Botschaften. Unten an dem Kürenberge, wo die kleinen Föhren gegen die Stadt Wels hingehen, sitzt auf dem ebenen Boden der alte Heinrich von Oftering, der noch manchen Streitsang hegt. Er ist der Vater des jungen Heinrich von Oftering, der mit uns ein Knabe bei dem alten Regimar gewesen ist, du weißt noch die roten Wänglein und die blonden Haare.«

»Ich weiß es«, sagte Witiko.

»Und wie ist es denn bei euch in Prag?« fragte der vom Kürenberge.

[] »Der Hof des Herzogs Wladislaw ist bisher mit Sorgen und mit Krieg erfüllt gewesen«, sagte Witiko.

»Der Krieg ist auch herrlich«, sprach der Ritter vom Kürenberge, »er ist nach dem Sange das Herrlichste, und gibt den Ruhm.«

»Uns hat er Zerstörung und Jammer gegeben«, sagte Witiko.

»Und der Ritter Gertrud und ihr Knappe Dimut sind jetzt in dem Munde aller Sänger an dem Hofe ihres Bruders Heinrich«, entgegnete der Ritter vom Kürenberge.

»Das geschieht mit Recht«, antwortete Witiko, »wer ein Großes tut, dessen Name soll in Ewigkeit genannt werden.«

»In Ewigkeit«, rief der Ritter, »und sein Sänger dazu.«

»Es sind auch alte Helden in dem Kampfe gewesen«, sagte Witiko.

»Wir wissen es, und ehren sie«, antwortete der Ritter. »Bist du nach dem Kriege in die Heimat gegangen?«

»Ich bin in die Heimat gegangen«, antwortete Witiko.

»Ich habe erst von dir reden gehört, als wir auf dem Rückwege nach Deutschland waren«, sagte der Ritter.

»Da ist nicht viel zu reden«, antwortete Witiko.

»Sie haben hingeredet und haben widergeredet«, sagte der Ritter, »du solltest jetzt bei uns bleiben.«

»Ich diene meiner Heimat«, entgegnete Witiko.

»So diene ihr, wie wir im Deutschen dienen«, antwortete der Ritter, »aber du sollst recht lange in Wien bleiben.«

»So lange es sich fügen mag«, entgegnete Witiko.

»Wenn der Hof des alten Regimar fröhlich gewesen ist«, sagte der Ritter, »wenn der Hof Regimberts noch fröhlicher ist, so ist der Hof zu Wien nur wonniglich. Der Hof der Markgrafen von Österreich ist der Erste in der Christenheit, zu dem die Jugend wandert. Die alten lobebaren Recken sind da, die sich im Ernste und im Schimpfe umtun, und Ruhm gewinnen, und es sind die [] jungen zierlichen Degen da, die alle kommen. Heute sind manche versammelt. Der hinter dem Markgrafen reitet, und den braunen Mantel trägt, ist der von Chunring. Er ist in dem Geleite gewesen, das der Schwester des Markgrafen, Gertrud, mitgegeben worden ist, da sie die Brautfahrt nach Böhmen gemacht hat. Sein Gemüt ist tapfer; er achtet aber des Klanges nicht. Der in dem dunkeln Gewande ist der Kapellan Rudpert. Der in dem schwarzen Gewande reitet, und die weiße Feder hat, ist Rudeger, welcher bei dem Markgrafen fünf Männer gilt. Er ist ein Degen der Ehren, stark und viel kunstreich, und hat die schönste Hausfrau in den Landen. Neben ihm reitet Tibert, der Kämmerer, in dem grünen Kleide, ein guter Mann und vieledler Degen. Dann kömmt Chunrad von Aspan, der auch im Brautgeleite gewesen ist, und an seiner rechten Seite reitet Gotescalc, der Abt von Heiligenkreuz. Dann kommen Bruno von Pusinberg, Albero von Chunring, ein starker Degen, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk, Udalrich von Marbach und Heinrich von Gundramsdorf. Siehst du dann den Mann, der ein gelbes Gewand hat und ein grünes Wams und eine rote Feder?«

»Ich sehe ihn«, sagte Witiko.

»Der ist Thiemo von der Aue«, sagte der Reiter von dem Kürenberge, »er hat Kleider wie ein Zeisig und Füße wie Krebsscheren. Seine roten Schuhschnäbel werden immer länger, daß er sie an den Gürtel wird binden können, und seine Ärmel werden weiter, daß sie auf die Schuhschnäbel reichen mögen. Er trägt die Farbe des Fräuleins Kunigunde von Hartheim, das er in Regensburg gesehen hat, als er mit dem vorvorigen Markgrafen dort gewesen ist, und das er heiraten gewollt hat. Neben ihm reitet ein junger Mann im blauen Kleide auf einem weißen Pferde.«

»Ich sehe ihn«, sagte Witiko.

»Der ist der junge Heinrich von Oftering«, sprach der [] Ritter, »wir tragen immer gleiche Kleider. Und auf der andern Seite reitet einer mit einem grünen Mantel.«

»Ich kann ihn sehen«, sagte Witiko.

»Der ist der junge Ruhenegk aus der Waldschlucht«, entgegnete der Ritter. »Oftering und Ruhenegk zwingen den alten Knaben immer, daß er Reimzeilen sagt, die so ungefüg sind wie die Wollkittel der böhmischen Männer Bořiwoys, die er in Regensburg gesehen hat. Er hält die Reime aber immer für höfisch. Sie lassen ihn nicht zu dir zurück, wie er sonst täte, weil er alle Fremden beschützt. Du solltest schöne Kleider anziehen, so lange du bei uns bist, Witiko.«

»Ich habe das Leder in Freud und Leid getragen, und werde es fortan tragen«, erwiderte Witiko.

»Du bist noch so töricht wie du in Passau gewesen bist«, sagte der Ritter vom Kürenberge; »aber ich will dir weiter von unserem Hofe erzählen. Da ist das Werfen der Speere, das Schießen der Pfeile und das Brechen der Lanzen, wenn man in vollen Platten in den Bügeln steht, und gegen einander reitet, daß die Splitter fliegen, und der Palast und der Saal ertost, und wenn man dann doch mauerrecht in dem Sattel sitzt, daß die Frauen und Jungfrauen auf dem Söller jubeln, und mit dem Scheine ihrer Augen herab sehen.«

»Ich würde es vorziehen«, antwortete Witiko, »durch das, was ich vollbringe, nicht den Schein der Augen einer Jungfrau zu gewinnen, sondern ihr Herz zu treffen, daß es nichts anderes kennt als die Liebe zu mir, und daß ich ihr die größte Lust auf der Erde bin, wenn ich es nämlich vermag.«

»So triff das Herz, du waghalsiger Mann«, sagte der Ritter vom Kürenberge, »hier und allerwärts sind die schönsten Jungfrauen. Oder hast du es schon getroffen?«

»Ich habe noch nichts Großes zu vollbringen vermocht«, sagte Witiko.

[] »Und wer dann im Stechen die Ehren gewann«, sprach der Ritter vom Kürenberge, »der erhält im Angesichte aller den Preis, und sein Name wird genannt in den Ländern und Burgen. Und wie die liebe Sonne auf das Land Österreich scheint, so ist ein Klingen und Singen in dem Lande, und wird viel geehrt, und es wird noch immer höher und höher gehen. Wer da Geltung hat in Sang und Klang, der geht nach Österreich, und der Preis, den er gewinnt, ist dem der Waffen gleich. Die von Babenberg sollten Kaiser sein. Da würde das Hoflager bald in Würzburg, bald in Nürnberg, bald in Speyer, bald in Frankfurt, bald in Regensburg schimmern, und es würde das schimmerndste auf der Erde sein. Die neuen Herzoge in Schwaben, die sich erst ihre Burg auf dem hohen Staufen erbaut haben, und schon die Königskrone tragen, mögen herrlich sein, wie der starke Büren gewesen ist, und wie der junge Friedrich werden wird, dem der goldene Bart wächst, der Neffe der verwitweten Markgräfin Agnes: aber Österreich ist alt und aller Ehren und aller Freuden voll. Seine Männer ziehen in den Krieg in Schmuck und Zier, und reiten klar und sonder Umschweif in den Feind, daß er weicht, und die Rückkehr scheut, und sie ziehen auf die Jagd, und wieder an den Hof zu Sitten und Spielen.«

»In unseren Landen ist auch ein altes Volk, das seine Sitten und seine Tapferkeit wahrt«, sagte Witiko.

»Ja, ja«, entgegnete der Ritter vom Kürenberg. »Sage, Witiko, tragt ihr auch schon die glänzenden Harnische?«

»Einige tragen sie«, antwortete Witiko, »andere haben die biegsamen Waffenhemden, und viele haben Leder. Das Leder schützt besser, und ist leichter. Und der Schild ist das Schwert, welches ein Rad vor dem Leibe macht, und dem Zudringen der Waffen wehrt.«

»Das wäre ein Zeug gegen die Ungarn«, sagte der Ritter. [] »Diese kämpfen nicht nach der Sitte. Und wenn wir noch so zierlich gegen sie reiten, so achten sie die Zier für nichts, sie fliehen, und fliehen um unseren Waffenbann herum, und senden Pfeile herzu, daß mancher Mann und manches Pferd verwundet oder getötet wird, indes wir sie nicht erreichen, und in unsern Helmfässern hungern können. Du würdest an sie kommen, wenn du ein Pferd dazu hast, würdest sie treffen, und ihre Pfriemen würden an deinem Elen oder Schelch, oder was es für ein Getier ist, hängen bleiben.«

»Sie blieben hängen«, sagte Witiko.

»Und wenn ihr nicht in dem Kriegsgewande geht«, sprach der Ritter, »so habt ihr weite Kittel, daß es eine Schande ist, und bindet sie mit einem Riemen oder Stricke zusammen, und die Männerzier, die Locken, schneidet ihr zu einem Strohdächlein herab, und auf der Haube habt ihr die gerade Feder wie einen Pfahl.«

»Die gerade Feder ist der Trotz«, sagte Witiko, »und wenn ich meine Haube abtäte, so würdest du meine Locken sehen.«

»Trägst du die Locken nach deutscher Art?« fragte der Ritter.

»Wie sie die jungen Männer in Böhmen und Mähren tragen, habe ich sie nicht«, antwortete Witiko, »weil ich aus andern Ländern kam; aber unsere Ritter nähern sich schon eurer Kleidersitte; obgleich ich sagen muß, daß, wenn der alte Bolemil oder Lubomir in das dunkle fließende Gewand gekleidet sind, und die reichen Gürtel tragen, es erhabener aussieht, als eure schimmernden Fähnlein. In dem Mittage des Landes haben sie enge Gewänder aus grober Wolle. Ich trage sie auch, wenn ich dort bin.«

»Die werden wohl in diesen Gewändern nicht turnieren«, sagte der Ritter vom Kürenberge.

»Diese turnieren gar nicht«, entgegnete Witiko, »wo sie [] mit ihren Keulen oder Hämmern oder Eisenstangen hinschlagen, gilt es gleich auf das Leben.«

»Ich bin von den Bäumen, die in unserem Lande mit der unendlichen Obstblüte und der unendlichen Obstfrucht stehen, nicht zu euern Buchen und Tannen hinein gekommen«, sagte der Ritter, »und habe keinen Bären gesehen, der seinem Feinde die Haut abziehen, oder ihn erdrücken will.«

»Wir werden in dem nächsten Kriege sehen, was der Bär vermag«, sagte Witiko, »wenn dann auch kein zierlicher Sänger von ihm singt.«

»So muß ein unzierlicher singen, wenn sie unzierlich kämpfen«, sprach der Ritter.

»Er singe, wie sie kämpfen«, sagte Witiko.

»Lasse uns vorwärts zu Heinrich von Oftering reiten«, sagte der Ritter vom Kürenberge, »er wird sich freuen, daß du da bist. Heinrich und ich werden einmal einen Sang anheben von dem hörnernen Sifrid und von den Burgonden und von Island und von dem Könige Etzel und von Dietrich von Bern. Es möge nur nicht so werden, wie mit der schönen Frau in Passau, von der ich als Büblein die Farbe trug, und die ich nicht mochte han, was mir an meinem Herzen viel dicke weh getan.«

»So hast du das Lied von Passau nicht vergessen?« fragte Witiko.

»Ich habe es von Passau nach Wien getragen«, antwortete der Ritter; »aber ich achte jetzt mehr auf das Lied als auf die Frau. Witiko, reite recht oft zu mir in die Stadt Wien hinab, ich werde dir zeigen, was man tut und baut und singt, und werde dich zu Männern und Leuten führen.«

»Ich werde kommen«, sagte Witiko.

»Nun aber trachten wir zu dem hochgemuten Degen Heinrich von Oftering«, sprach der Ritter.

»So tun wir es«, sagte Witiko.

[] »Mit Vergunst, ihr Herren«, sprach der Ritter vom Kürenberge zu den Männern, die um Witiko waren, »gebt euerm Gaste Urlaub, wir reiten zu Heinrich von Oftering, der ihm ein Freund ist.«

»Reitet zu ihm, und gehabt euch in der Frist wohl«, sagte Poto von Potenbrun.

»Gehabt euch wohl«, sagte Witiko.

Und sie setzten ihre Pferde in schnellere Bewegung, und waren bald bei Heinrich von Oftering. Witiko grüßte ihn, er grüßte Witiko, und Witiko ritt nun auf seinem grauen Pferde zwischen den zwei Männern mit den blauen Gewändern und den weißen Pferden, und sie begannen zu sprechen.

Der Zug des Markgrafen ging nach mehrerer Zeit auf einem Wege in dem Walde nach abwärts. Er kam in ein enges Tal, in welchem ein Bach floß. Die Männer und Frauen ritten an dem Bache dahin. Dann kamen sie in ein weiteres Tal, ritten in demselben fort, bis die Bäume des Waldes zu Ende waren, und das Münster der neuen Burg vor ihnen stand. Sie ritten in das Münster, in dem Vorhofe stiegen sie von den Pferden, die Pferde wurden den Knechten zur Wahrung übergeben, Hartmann, der Abt, kam herzu, begrüßte die Mutter des Markgrafen, den Markgrafen und seine Gemahlin, und geleitete sie in die Kirche. Die Ritter, die Frauen und Jungfrauen folgten. Der Markgraf und die Markgräfinnen wurden zu einem geschmückten Platze geführt, die andern nahmen ihre Plätze ein, das Volk sammelte sich in dem hinteren Teile der Kirche, und es wurde ein feierlicher Gottes dienst gehalten. Nach dem Gottesdienste gingen die Gäste in den großen Saal, es wurde Wein und es wurden Speisen gereicht, und verschiedene Gespräche wurden geführt. Dann bestiegen die, welche von dem Kahlenberge gekommen waren, ihre Pferde, und ritten wieder auf den Berg zurück.

[] Dort wurden die Pferde in die Ställe gebracht, und die Reiter und Reiterinnen gingen in die Gemächer der Burg.

Am Mittage wurde in dem Saale ein Mahl abgehalten.

Nach dem Mahle waren Gespräche, und es war Lustwandeln in dem Walde.

Gegen den Abend ritten die, welche aus der Stadt gekommen waren, wieder in die Stadt zurück, und Männer der Burg, unter denen auch Witiko war, geleiteten sie über die Höhe des Waldes hinab.

Dann ritten sie wieder in die Burg zurück.

In den Tagen, die nun kamen, schloß Witiko Genossenschaft mit den Männern der Burg, und lernte die Frauen und Jungfrauen kennen, und diente ihnen nach der Sitte, wie er hier sah.

Eines Tages ritt er mit Raimund in die Stadt Wien hinunter. Er ging zu dem Fiedler vom Kürenberge und mit ihm dann zu Heinrich von Oftering. Sie grüßten ihn, und wandelten dann mit ihm in der Stadt herum. Sie zeigten ihm den Bau des Markgrafen, an dem geschaffen wurde. Sie zeigten ihm die Kirchen, und dann Häuser, die schon von alten Zeiten her da standen, und solche, welche neu emporgerichtet wurden. In den Gassen und auf den größeren Plätzen sah Witiko Männer und Frauen, Herren und Knechte, Ritter und Reisige, Feiernde und Arbeitende, Jünglinge und Kinder teils herumstehen, teils wandeln, teils reiten, teils sogar fahren. Er sah Werkstätten der Waffen, der Stoffe, der Gewänder, und Stätten, wo Gold und Silber verwendet wurde, und kostbare Edelsteine in Fassung kamen. Er betrachtete die Hütten, in denen Dinge zum Verkaufe lagen, und betrachtete freie Gassenschenken, wo die Leute Wein, Bier, Met und Zugehöriges genossen, und ein Harfner zu Zeiten Weisen ertönen ließ. An einem Hause sang ein Mann Lieder von einem Gerüste herunter, und viele hörten ihm zu, und an einer andern Stelle tanzten auf Brettern [] zu der Fiedel bunte Männer und Frauen. Die wandernden Krämer schrieen ihre Waren aus, die sie trugen. Auch manchen fremden Mann und manche fremde Frau sah Witiko in der Tracht des Landes Ungarn oder der Länder Böhmen und Mähren oder des weiteren deutschen Reiches. An dem Saume der Stadt waren Gärten mit grünen Bäumen, mit Blumen, Gemüsen und Früchten, und mit Wegen zum Wandeln. Die jungen Ritter führten Witiko an diesem Tage auch zu Chunrad von Asparn, zu Werinhard von Brun, zu Udalrich von Marbach, zu Wolftrigil von Stein und zu Thiemo von der Aue. Dann aß und trank Witiko mit mehreren Rittern, und kehrte am Abende wieder auf den Kahlenberg zurück.

Und so kam er nun öfter in die Stadt, und trachtete, sie immer mehr zu ergründen. Er ging auch zu älteren Herren und Rittern, und hielt mit den jüngeren Genossenschaft. Er lernte auch Frauen und Jungfrauen kennen, und wurde in manche Wohnungen geladen. Zu Zeiten ritten einige seiner neuen Freunde auf den Kahlenberg, und pflegten mit ihm ihrer Übungen.

Einmal wurde ein Fest des Hofes angesagt, und Witiko dazu entboten. Man errichtete auf einem Anger außerhalb der Stadt vor den Häusern der Wollzeile viele Schranken. An den Schranken wurde ein Gerüste mit Sitzen und Söllern gezimmert, und noch andere Gerüste wurden herum errichtet. Über die Gerüste wurden kostbare Tücher gebreitet, und über die Söller seidene Dächer gespannt. An dem Tage des Festes saßen der Markgraf und die Markgräfin auf dem höchsten Söller unter dem seidenen Dache, und auf den andern Söllern und Sitzen saßen die Herren und Frauen des Hofes und die hohen Männer und Frauen des Landes, und Ritter und Ritterfrauen und Jungfrauen. Außerhalb der Schranken war viel Volk. Auf einem sehr schön gezierten Gerüste erhoben Ritter in prächtigen Gewändern ihre Stimme zum [] Gesange, und übten die Fiedel. Der Ritter vom Kürenberge und Heinrich von Oftering waren unter den Männern. Hierauf wurden die Preise in Gold und in Seide und in Kleinodien ausgeteilt. Dann ritten die Männer zum Turniere. Witiko ritt auf seinem grauen Pferde und einem schönen Sattel, dessen Schemel Goldränder hatten, in die Schranken. Er trug einen Ringpanzer, einen Helm mit goldenen Zierden und an dem Arme einen weißen Schild, darauf eine Waldrose war, die fünf Blätter und die dunkelrote Farbe hatte. Er erstritt sich den Preis einer Binde aus Goldstoff mit edlen Steinen. Die Markgräfin reichte ihm die Binde. Der Ritter vom Kürenberge, Heinrich von Oftering, Wolftrigil von Stein, Udalrich von Marbach, Werinhard von Brun, Chunrad von Asparn und Erchambert von Mosebach erhielten Preise. Thiemo von der Aue ritt auf einem weißen Pferde in die Schranken. Er hatte eine weiße und eine grüne und eine rote Feder auf dem Helme. Sein Harnisch glänzte silbern, die Beinschienen waren blau und der Schild gelb. Über den Harnisch trug er eine veilchenblaue Schärpe, welches die Farbe des Fräuleins von Hartheim war. Er legte drei Ritter in den Sand, erhielt einen kostbaren Preis, und ritt zu den jungen Männern zurück, bei denen er seinen Stand hatte. Das Volk erhob großen Jubel über die Spiele, Zinken und Pfeifen ertönten zu Zeiten, und helle Rufe stiegen empor, da der Markgraf, die Markgräfin und die Herren und Ritter und die Frauen und Jungfrauen in die Stadt zurückkehrten.

Als dreiunddreißig Tage vergangen waren, als Witiko und seine Mutter über alles geredet hatten, was sie im Sinne und Gedanken trugen, und als sie sich geeint hatten, was in ihrem Eigentume noch geschehen solle, rüstete sich Witiko zur Fortreise. Er ging zur Markgräfin Agnes, den Abschiedsdank zu sagen. Sie sprach zu ihm: »Witiko, ziehe mit Gottes Gnade, und bleibe gut. Denke an uns, [] und denke auch an meinen Vater, und bete einmal für ihn. Er ist schön an Gestalt gewesen, sein Geist hat viele Gaben gehabt, von seinen Lippen sind demütige Worte gegangen, und er hat so Herbes erdulden müssen.«

»Ich werde an Euch und an Euern Vater und an alle hier gedenken, und mein Gebet für sie zu Gott richten«, antwortete Witiko.

Sie gab ihm ein leuchtendes Gewand und eine schöne Helmzier zum Geschenke.

Dann verabschiedete er sich von seiner Mutter. Sie gab ihm ein Sammetbeutelchen mit so viel Gold, als sie vermochte. Er nahm es im Danke an.

Dann verabschiedete er sich von den Herren und Frauen der Burg.

Dann sagte er Lutgart, dem Mädchen seiner Mutter, einen Scheidegruß.

Dann ordnete er seine Habe, übergab sie Säumern, und ritt mit Raimund in die Stadt Wien.

Dort verabschiedete er sich von allen seinen neuen Genossen, und noch besonders von dem Ritter vom Kürenberge, von Heinrich von Oftering und von Werinhard von Brun.

Dann ritt er mit Raimund aus der Stadt Wien über die lange Donaubrücke hinaus, und schlug den Weg nach dem oberen Plane ein.

3

Mit Waldschäften.

Witiko ritt mit Raimund über die große Ebene, welche in Mitternacht der Stadt Wien an dem linken Ufer der Donau liegt. Er ritt einen Tag lang dem Wasser der Donau entgegen. Am Morgen des zweiten Tages ritt er über eine Anhöhe hinan, auf welcher dann das Waldland begann. Er ritt durch Gebiete der Herren von Chunring, durch die Stadt Horn, und übernachtete in einer Herberge [] des Waldes. Am dritten Tage ritt er über Hügel, durch Täler, an Büschen, Hütten und Gehöften vorüber, und kam darauf in den dichteren Wald, in dem größere und mächtigere Bäume standen. Am vierten Tage gelangte er in die krumme Au. Am fünften Tage ritt er an dem Turme Rownos vorüber, dann zwischen den Häusern von Horec hindurch, und kam am Mittage in dem oberen Plane an.

Er ritt in den Hof des steinernen Hauses, und brachte dann mit der Hilfe Martins und Raimunds die Pferde in eine Ruhestelle, und begann die Pflege derselben. Hierauf ging er in die Stube, legte seine Lederhaube von sich, und setzte sich mit Martin an den großen Tisch.

Lucia bereitete Speisen, und als sie fertig waren, verzehrten Witiko und Raimund dieselben.

Nach dem Essen ging Witiko zu dem alten Pfarrer. Die Leute, welche ihm auf dem Wege begegneten, grüßten ihn, und auch aus Häusern kamen manche zum Gruße. Witiko sprach mit einem jeden.

Bei dem alten Pfarrer blieb er eine Stunde.

Dann ging er zu David, dem Zimmerer, und sagte zu ihm: »David, hast du trockenes Baumholz?«

»Sie sind in der Laube geschichtet, die wir vor drei Jahren nach dem Tage des heiligen Andreas geschlagen, und im Sommer behauen haben«, antwortete David, der Zimmerer.

»Hast du Gehilfen, schnell einen Holzbau aufzurichten?« frage Witiko wieder.

»Ich habe Gehilfen, und kann überall Gehilfen bekommen«, antwortete David.

»Bei uns liegen auch behauene und trockene Kernstämme«, sagte Witiko. »Ich werde die Laube in einen warmen Holzstall umwandeln lassen, und an einer andern Stelle eine neue Laube bauen. Ehe die Fröste des späten Herbstes kommen, muß die Sache fertig sein.«

[] »Sie wird fertig sein«, sagte David, der Zimmerer.

»So nimm Männer zu deiner Arbeit«, sprach Witiko, »und komme morgen in der ersten Frühe zu mir, daß wir die Maße des Platzes nehmen, und daß wir über das Werk sprechen.«

»Ich werde vor dem Aufgange der Sonne bei dir sein«, sagte David.

»Dann zimmere mir aber auch zugleich vier Truhen, welche geeignet sind, daß man Habschaften in ihnen aufbewahren kann«, sagte Witiko.

»Ich werde in der Frist das Zimmern der Truhen beginnen, in der du mein Haus verlassen hast«, antwortete David.

»So tue es«, sagte Witiko. »Ich werde in diesem Winter bei euch bleiben.«

»Das wird schön sein«, antwortete David.

Nach diesen Worten verließ Witiko das Haus Davids, und ging noch zu Peter Laurenz, dem Schmied, und zu Christ Severin und zu Veit Gregor und zu Tom Johannes, dem Fiedler, und zu Stephan und zu der Mutter Norberts.

Dann ging er wieder in sein Haus.

Dort sprach er mit Martin über die Dinge, welche in der Zeit seiner Abwesenheit in dem Hause geschehen waren, und ließ sich manches zeigen.

Am Abende saß er mit mehreren Männern, die gekommen waren, auf der Gasse des Hauses, und als es Nacht geworden war, legte er sich in der Kammer auf sein Lager.

Nach dem Anbruche des nächsten Tages zog er sein graues grobes Wollgewand und seine langen Stiefel an, und setzte seine dunkle Filzhaube auf das Haupt. Dann kam David, der Zimmerer. Er zeigte ihm die behauenen Stämme, die im Hause waren, sie maßen die Länge und Breite der Laube, und bestimmten, was geschehen müsse, daß daraus ein Stall werde.

[] Dann ging David, der Zimmerer, wieder fort.

Witiko bestellte nun drei Männer mit Saumrossen, und trug ihnen auf, daß sie am Mittage in Bereitschaft wären, in die krumme Au zu ziehen, dort seine Habe, welche Säumer aus Wien bringen würden, auf die Rosse zu laden, und sie nach Plan zu fördern. Raimund wurde beauftragt, mit den Männern zu reiten, und die Habe von den Säumern aus Wien zu übernehmen.

Als dies geschehen war, ging Witiko auf den Kreuzberg, tat vor dem Kreuze ein kurzes Gebet, und blickte dann auf den Wald, in welchem der dunkle See lag, und hinter welchem das Haus Heinrichs von Jugelbach stand. Dann blickte er auf den Wald des heiligen Thomas.

Nach dem Mittagessen kamen vier Männer mit einem Gehilfen Davids, des Zimmerers, und begannen die Arbeit an der Laube.

Am Nachmittage ritt Witiko auf seinem grauen Pferde eine Wegstunde in der Richtung gegen den Thomaswald und wieder zurück.

Am Abende kamen Stephan, der Wagenbauer, Peter Laurenz, der Schmied, Tom Johannes, der Fiedler, Christ Severin, der Wollweber, Zacharias, der Schenke, Roman, den sie den grünen Weber hießen, Tobias, Maz Albrecht, Urban und Mathias zu Witiko. David, der Zimmerer, sandte sein Weib, und ließ sagen, daß er Witiko nicht besuchen könne, weil er an den Truhen mit seinen Knechten arbeite, so lange ein Tagesschein ist. Witiko ließ durch Martin und Lucia Holzschragen aus dem Hause auf die Gasse tragen, die Männer legten lange Bretter darüber, so daß Bänke wurden, und sie setzten sich im Vierecke auf die Bänke. Sie sagten, weil Witiko einen Stall baue, und weil der Stall vor dem Herbste fertig sein müsse, und weil es der Brauch sei, daß die Einwohner von Plan einer dem andern helfen, wenn er etwas baut, oder unternimmt, so wollen sie ihm auch beistehen[] und mit Werkzeugen kommen. Witiko nahm mit Dankbezeugung das Anerbieten an.

»Ich werde morgen in der Frühe heraus gehen«, sagte Tobias.

»Ich auch«, sagte Mathias.

»Ich werde auch kommen«, sagte Maz Albrecht.

»Ich kann nicht selber kommen«, sagte Zacharias, der Schenke; »aber mein Altknecht ist in Bereitschaft, und wird an manchem Tage da sein.«

»Ich komme selber«, sagte Roman, »und wir werden abwechseln.«

Jetzt nahm Peter Laurenz, der Schmied, das Wort, und sprach: »Witiko, wir haben alles ausgewirkt, was dem Herzoge von Nutzen war, und das Eisenwerk zu dem Stalle wird keinen Tadel leiden, und ich werde nichts verzögern, und eher das andere liegen lassen, und Urban ist kein Kind, das um Taglohn arbeitet, er hat dessen nicht Not, er hat seine Geschäfte, und wird etwas Erkleckliches in der Welt werden, ich erziehe ihn dazu; aber er wird kommen, und wird bei dir arbeiten, weil er mit dir in Nürnberg gewesen ist, ich habe ihn unterrichtet, daß er es besser machen kann als die andern. So sage ich.«

»Und ich werde erfreut sein, wenn Urban an meinem Holzbaue mitwirkt, und werde ihm auch wieder helfen, wenn er einmal einer Hilfe bedarf«, sagte Witiko.

»Du kannst ihm raten, wenn er nach großen Dingen geht, weil du doch älter bist als er«, antwortete der Schmied.

»Ich werde morgen kommen«, sagte Urban, »und man wird mir schon zeigen, wie ich die Sache angreifen muß, daß ich nicht ungeschickt verfahre.«

»Mache alles so, wie ich dir gesagt habe«, sagte der Schmied.

»Nun, wir wollen den Bau einrichten, wie wir ja schon andere Baue in die Höhe gebracht haben«, sagte Roman.

[] »Ja, das haben wir«, antwortete der Schmied, »und ich habe sie geleitet.«

»Männer«, sprach Witiko, »helft, wie ihr euch erbietet. Und wenn ich einmal ein größeres Ding unternehme, so helft mir wieder. Und wenn dann einer von euch etwas zu erbauen gesonnen ist, werde ich mich ebenfalls erbieten, werde die Leute, die ich habe, senden, oder werde, wie es sich fügt, wohl auch selber die Hände an das Werk legen.«

»So lege sie an, und es wird dich zieren, wie es eine Zier ist, wenn du mit dem Herzoge reitest«, sagte der Schmied. »Aber das Haus da ist ja nur ein kleines Kämmerlein, du brauchst ein großes mit Klammern und Sparren. Baue es um, wir werden es schon recht machen.«

»Was in einer Zeit sein muß, wird sein«, sagte Witiko, »dieses Haus von Stein hat einmal einer meiner Vorfahrer, den niemand mehr kennt, erbaut, und so mag es noch eine Weile stehen.«

»Es kennt niemand die, welche Plan gebaut haben«, sagte der Schmied, »aber der Pfarrer weiß alles, und er kann die Namen aus der alten Zeit sagen.«

»Das ist ja nicht auf einmal gebaut worden«, sagte Zacharias, der Schenke, »sondern es hat sich einer nach dem andern angesiedelt.«

»Das kann man nicht wissen, wie es nach der Erschaffung der Welt geworden ist, daß Dörfer und Kirchen entstanden sind«, sagte Christ Severin, der Wollweber.

»Die heiligen Väter haben Kirchen und Dörfer gebaut,« sagte Tom Johannes, der Fiedler, »Loth und Abraham, und die andern, und als sie den babylonischen Turm bauen wollten, haben sie auch an Städte gedacht. Ich kann mit Hauen und Äxten nicht mehr umgehen, Witiko; aber ich werde dir meinen Buben senden, daß er hilft, und ich werde den Leuten Anweisungen geben.«

»Die Anweisungen geben wir selber«, sagte der Schmied.

[] »Diese gibt Witiko und der Zimmerer«, sagte Roman.

»Aber es muß einer sein, der sorgt, daß sie erfüllt werden«, sagte Tom Johannes, der Fiedler.

»Lernt Urban bei dir schon geigen?« fragte Zacharias, der Schenke.

»Er lernt es, daß du es nicht begreifst«, antwortete Tom Johannes.

»Wer handhabt denn die Geige des Herzogs« fragte Witiko.

»Die handhabt niemand«, entgegnete Tom Johannes, »sie hängt in meiner schönen Stube, und ich hülle ein Tuch darüber, und ich streiche zu mancher Zeit mit der linken Hand sachte auf die Saiten, daß sie singen, und ich kneipe sie schwach, und den Urban und meinen Buben unterrichte ich, daß die guten Geiger in Plan nicht aufhören.«

»So bemühe dich nur,« sagte Witiko.

»Ich bemühe mich, und ich kann es auch«, antwortete Tom Johannes, der Fiedler.

Und so sprachen die Männer fort, sie sprachen vorzüglich von dem Kriege, in dem sie gewesen waren, und was jeder darin erfahren hatte, und sie gingen erst in ihre Wohnungen, als die Sterne schon an dem Himmel standen.

Am andern Morgen kamen die, welche bei dem Baue des Stalles zu arbeiten versprochen hatten, und es kamen auch noch andere mit ihren Werkzeugen.

David, der Zimmerer, ordnete sie, daß sie sich nicht hinderten, und es begann die emsige Arbeit.

Gegen den Abend traf Raimund mit den Säumern von der krummen Au ein, und sie brachten die Habschaften Witikos. Dieselben wurden abgeladen, und in dem Hause aufbewahrt, wie man es konnte.

Vor dem Anbruche der Nacht saßen wieder Männer mit Witiko vor seinem Hause. Es waren an diesem Tage mehr gekommen als an dem vorigen.

[] Und in der Zeit, die folgte, wurde fleißig gearbeitet, und an den Abenden saßen Männer vor dem Hause Witikos.

Von denen, welche arbeiten halfen, blieben an manchen Tagen einige weg, weil sie in ihrem Hause Verrichtungen hatten, dafür kamen andere. Und so wechselten sie nun fort und fort.

Die Abendversammlungen aber wurden stets zahlreicher.

Am sechzehnten Tage nach der Ankunft Witikos waren die vier Truhen fertig geworden. Er ließ sie neben einander in die große Stube stellen, und legte von seiner Habe dasjenige, was die Säumer gebracht hatten, und was sonst noch in dem Hause war, hinein.

So lange die Arbeit an dem Holzstalle dauerte, war er dabei beschäftigt, und leitete sie. Zu einem jeden der Männer, die an den Abenden zu ihm kamen, konnte er nicht sogleich wieder gehen, um die Ehre des Heimsuches zurückzugeben, weil ihrer zu viele waren; aber er ging nach und nach zu allen, sprach mit ihnen, und aß an ihrem Tische Brod und Salz. An jedem Tage tat er auf seinem grauen Pferde einen Ritt, und oft ging er auf den Kreuzberg, und sah auf die dunkeln Bänder der Wälder. Wenn die Mädchen auf einer Gasse oder auf dem Anger einen Gesang hielten, oder wenn zwischen ihnen und den jungen Männern ein Wechselgesang stattfand, war er unter den alten Männern und Frauen, welche zuhörten. Er war auch dabei, wenn ein Tanz oder eine Belustigung angestellt wurde. An Sonntagen und Festtagen saß er in der Kirche auf der Stelle, welche zu dem steinernen Hause gestiftet worden war. Auf dem großen Anger außerhalb der Häuser, auf welchem Gänse, Schafe, Hunde und andere Tiere herum gingen, Linnen zur Bleiche lag, und Kinder spielten, stieg er zuweilen von seinem Pferde, zeigte den Knaben die Ausrüstung des Pferdes, und erzählte ihnen Märchen. Oder er gesellte sich zu manchem alten Manne, der nicht mehr arbeiten konnte, und die [] Spiele der Knaben leitete, und die Streite ausglich. Er sah, ob die Spiele noch so seien wie in seiner Knabenzeit. Sonst war er auch bei den Beschäftigungen seines Hauses tätig.

Im Herbste wurde der hölzerne Stall fertig. Die Männer pflanzten ein Tannenbäumlein mit Zierden auf den Giebel, und erhoben ein Jauchzen. Witiko hielt auf der Gasse ein Mahl, zu dem die Mithelfer und alle kommen durften, die da wollten. Der alte Pfarrer tat einen frommen Spruch, und die andern wünschten dem Hause Gedeihen.

Am nächsten Morgen wurden Raimund und Benedikt, der Sohn des Schenken Zacharias, der Witiko einmal zu Rowno geleitet hatte, nach Přic geschickt, daß sie die zwei braunen Pferde, welche Witiko von dem Herzoge Wladislaw zum Geschenke bekommen hatte, an Zäumen mit ihrer Ausrüstung nach Plan führten.

Sie kamen nach vier Tagen mit den Pferden zurück.

Witiko entkleidete mit Raimund die Tiere ihres Schmuckes, und ließ sie mit weichen Hüllen versorgt in den neuen Stall führen. Den Schmuck aber verwahrte er sorgsam in dem Hause. Dann wurden auch das graue Pferd Witikos und das Pferd Raimunds in die Stände des neuen Stalles, die für sie bestimmt waren, gestellt.

Nun ging Witiko zu Peter Laurenz, dem Schmiede, und sagte: »Ich will deinem Neffen Urban Unterricht in der Kunst des Reitens geben, wenn du einwilligest, und wenn es seinen Eltern genehm ist.«

»Es muß so sein und ist notwendig«, antwortete der Schmied, »seinen Eltern ist es recht; denn ich muß auf den Knaben schauen, daß er lerne sich selber zu verteidigen, wenn ich einmal nicht mehr auf der Welt bin, und ihm einer das Leben nehmen will. Er soll mit meinem Danke besser bei dir reiten lernen. Und ich werde nach Netolic gehen, und werde ihm ein Pferd kaufen, wie es die Ritter brauchen.«

[] »So tue es«, sagte Witiko.

»Ja, ich werde es tun«, antwortete der Schmied.

Hierauf ging Witiko zu Elias, dem Steinhauer, und zu Anna, seinem Eheweibe, welche die Eltern Urbans waren, und sagte ihnen und dem Jünglinge Urban, was er mit dem Schmiede gesprochen habe.

Elias und Anna willigten ein, und Urban war sehr erfreut.

Da dieses geschehen war, ging Witiko zu Paul Joachim, dem Maurer, und sagte, er wolle seinen Sohn Augustin, den Pfeifer, welchen er im Frühlinge von der Stadt Prag mit sich in die Stadt Nürnberg genommen habe, im Reiten unterrichten. Er brauche kein Pferd, er könne das Pferd Raimunds nehmen.

Paul Joachim sagte Dank, und rief seinen Sohn Augustin herbei.

Augustin war wie Urban erfreut.

Und an dem folgenden Tage begann der erste Unterricht in dem Hofe des steinernen Hauses. An dem Pferde Raimunds wurden die ersten Stellungen und Handgriffe gezeigt. An jedem Tage war nach der Morgenpflege der Pferde der Unterricht durch zwei Stunden. Der Schmied war schon an dem ersten Tage zugegen, und schaute zu. Dann kamen auch andere Leute, besonders junge Männer, um zu sehen, was da geschehe. Witiko ließ sie gewähren. Der Steinhauer Elias und sein Weib Anna kamen, und es kam Joachim, der Maurer, mit seinem Weibe. Tom Johannes, der Fiedler, stand jedes Mal an der Mauer des Stalles. Selbst Mädchen liefen zuweilen gegen das Tor, und sahen von ferne hinzu. Jeder, in dessen Hause ein Pferd und ein junger Mann war, gestattete, daß der junge Mann sich auf das Pferd setzte, und darauf nachahmte, was er in dem Hofe des steinernen Hauses gesehen hatte, oder was ihm Augustin und Urban zeigten. Selbst mancher ältere Mann stieg auf ein Roß, [] und Witiko zeigte ihnen, wie sie die Zurüstungen zu machen hätten.

Der Schmied ging nun nach Netolic, und kam nach fünf Tagen mit zwei Pferden zurück, einem für Urban, dem andern für sich. Wenn die Pferde auch nicht waren, wie sie Ritter brauchen, so war das Pferd für Urban hinlänglich, und das Pferd des Schmiedes war ein sehr starker Rappe mit großen Hufen und einer struppigen Mähne. Nun mußte Raimund auch an dem Unterrichte Anteil nehmen.

Als eine kurze Zeit vergangen war, ritt Witiko mit seinen drei Schülern auf den Bachanger hinaus, und ließ sie dort ihre Bewegungen machen. Da kamen nun noch mehr Menschen herzu. Oft verließen sie die Arbeit, und standen an dem Reitplatze.

Der Schmied ging hierauf mit Joachim, dem Maurer, noch einmal nach Netolic, und sie brachten zwei Pferde. Eines hatte Joachim für Augustin gekauft, und das andere hatte der Schmied zu dem Ende gebracht, daß er es ausleihe, oder wieder verkaufe.

Es ritten täglich die vier Reiter auf den Anger, Witiko, Augustin, Urban und Raimund.

Der Schmied ließ aber auch auf der Gasse vor seiner Werkstätte Sand streuen, und es versammelten sich ältere und jüngere Männer, welche Pferde zu besteigen hatten, und machten dort ihre Reitübungen. Der Schmied saß auf seinem starken Rappen. Die Lehrmeister waren Urban und Augustin. Die Reiter liehen aber ihre Pferde auch wieder an andere, und wurden ihre Lehrer. Witiko kam oft herzu, und unterwies die Männer. Zwei von ihnen durften täglich, abwechslungsweise in den Hof des steinernen Hauses zum Unterrichte kommen, weil der Raum nicht mehrere faßte, und auf den Anger durften vier mit hinaus reiten, die er dann wie seine Schüler unterrichtete.

[] Nach einigen Wochen ritt Witiko schon mit den jungen Männern auf allerlei Wege, besonders auf den gegen den Thomaswald, und zeigte ihnen wie man auf einer Flur schnell Hindernisse des Reitens besiegen könne.

Peter Laurenz, der Schmied, David, der Zimmerer, und Sebastian, der Schuster, verfertigten im Vereine Sättel und Zaumzeug, und lernten diese Dinge immer besser machen.

Witiko zeigte den Leuten auch die Pflege und den Unterricht der Pferde, und den Gebrauch der Waffen auf ihnen.

Wenn am Abende die Männer bei dem Scheine der Leuchte in Witikos Stube saßen, so wurde jetzt häufig vom Reiten gesprochen, und man sagte Urteile und brachte Neckereien vor.

Witiko übte seine eigenen Pferde an jedem Tage auch noch besonders, namentlich die, welche er von dem Herzoge erhalten hatte.

Als Urban und Augustin schon so reiten konnten, daß sie einem guten Pferde nicht mehr schädlich wurden, ließ er sie zuweilen auch auf seine Pferde steigen, daß sie gemach mit edlen Pferden umgehen lernten.

Es zeigte sich nun der Schnee, er hinderte aber die Reitübungen nicht; ja es kamen Nachrichten, daß auch auf anderen Stellen des Waldes sich die Männer im Reiten übten.

Als der völlige Winter gekommen war, und die Arbeiten außerhalb der Häuser bis auf das Fällen der Bäume im Walde aufgehört hatten, ging Witiko zu David, dem Zimmerer, und fragte ihn, welches Holz er im Vorrate habe, das zu rechter Zeit geschlagen worden sei.

»Es ist Buchenholz da«, entgegnete David, der Zimmerer, »es ist Holz von dem Ahorn, der Esche, der Birke, der Eibe, der Tanne und der Fichte vorhanden. Wir haben es im Winter vor zwei und drei Jahren geschlagen, es ist trocken und fest.«

[] »So richte die Stücke zurecht, aus denen Schäfte für Lanzen gemacht werden können«, sagte Witiko.

»Ich werde es tun«, antwortete David, der Zimmerer.

Und als das Holz geordnet war, und als es Witiko besehen hatte, schlug er vor, daß aus Balken der Buche, Esche und des Ahorns Lanzenschäfte gemacht werden. Männer, die sich selber Schäfte verfertigen wollen, mögen es tun, anderen, die entweder nicht Zeit oder Geschick oder Geld haben, werde er sie verfertigen lassen, und sie ihnen, wenn sie dieselben begehren, schenken.

David, der Zimmerer, nahm nun Leute, und es wurden Lanzenschäfte geschnitten und geglättet. In verschiedenen Häusern ging man daran, sich selber solche Schäfte zu machen.

Als der tiefe Schnee in dem Walde und auf dem ganzen Lande lag, rüstete sich Witiko, fort zu reiten. Er sagte, die Männer und Jünglinge möchten in seiner Abwesenheit ihre Pferde fleißig üben, und wenn er zurückkomme, werde er mit ihnen fortfahren, wie er begonnen habe. Dann ritt er mit Raimund nach Prag.

Als drei Wochen vergangen waren, kam er wieder zurück. Er untersuchte die Schäfte, die fertig geworden waren, und gab Anleitungen, wie einiges besser werden könne.

Alle Tage ritt er nun aufs neue mit den Männern und Jünglingen in das Freie, wo ein Pfad oder eine Bahn oder eine taugliche Fläche war. Und als Mathias die Jungfrau Barbara, die Tochter des Schenken Zacharias, heiratete, und Urban und der Sohn des Fiedlers Tom Johannes mit ihren Geigen den Zug geleiteten, war Witiko unter den Gästen.

Da später die Tage länger wurden, ritt er an einem Morgen mit Raimund zum zweiten Male fort. Er ritt in die Herberge an der unteren Moldau. Dort stellte er die Pferde ein, und mietete sich eine Stube und für Raimund eine Schlafstelle.

[] Wenn Männer in der Herberge einsprachen, redete er mit ihnen von dem Kriege, der gewesen ist, und der im Frühlinge wieder gegen die Feinde in Mähren beginnen werde.

Und so redete er noch öfter bei Gelagen.

Die Leute breiteten seine Worte aus.

Und als an dem zweiten Tage des Monates Hornung eine große Zahl von Gästen, Männern, Frauen, Jünglingen, Jungfrauen teils, um sich an dem Festtage zu vergnügen, teils aus Neugierde, was Witiko sprechen werde, in die Herberge gekommen waren, mischte er sich unter sie, er saß mit mehreren an einem Tische, brachte und empfing den Grußtrunk, und redete mit den Leuten.

Als sie sehr fröhlich waren, sagte er: »Leute, ich möchte gerne von einem Dinge mit euch reden, das uns alle angeht, wollet ihr mir zum Gehöre sein, so würde es mich freuen.«

»So rede«, rief ein Mann in einem groben grauen Rocke und mit einem langen weißen Barte.

»Rede, Witiko«, rief ein anderer, »wir hören dich gerne.«

»Rede, rede«, riefen mehrere.

»Witiko«, sagte einer, »du meinst es gut mit uns, das haben wir in dem Kriege erfahren, und du hast das Geld den Leuten gebracht, die ihre Kinder verloren haben, und den Geschädigten sind Geschenke gegeben worden.«

»So schweigt«, rief jetzt ein Mann mit groben Fäusten und großen Schultern, »wenn ihr redet, kann kein anderer reden.«

Als es nun stille geworden war, und die Angesichter gegen Witiko blickten, stand er auf, nahm seine Lederhaube von dem Haupte, legte sie auf den Tisch, und sah auf die, welche um ihn waren, und auf die, welche sich entfernter gesammelt hatten. Dann sprach er: »Männer und Jünglinge, höret mich an, und auch ihr, Frauen und Jungfrauen, möget es hören, was ich sage, ihr werdet [] mich nicht strenge tadeln; denn ich rede von einer Sache, die Vorsicht verlangt, daß nicht ein Schaden und ein Unheil zu uns kommt. Der allmächtige Gott in dem Himmel möge uns vor Schaden bewahren.«

»Der allmächtige Gott in dem Himmel und seine Heiligen bewahren uns vor Schaden«, sagte eine Frau.

»So laßt ihn zu Ende sprechen«, rief der Mann mit dem weißen Barte.

»Rede, Witiko«, sagte ein anderer, »und enthülle uns, was du weißt.«

»Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen! sehet um euch, wir haben ein schönes Wohnland. Die Bäche rinnen von den Bergen, die Moldau wandelt in den Tälern, und die großen Bäume stehen daran. Wir haben Felder und Wiesen und Weiden, und gewinnen uns unsere Nahrung. Wenn man von uns gegen Mitternacht geht, sind Gründe, in denen der Weizen steht, und wo das Obst in Fülle gedeiht; aber in den reichen Gründen des Weizens und des Obstes ist ein Herr und Leche, dem die Bewohner eine Burg bauen mußten, dem sie die Burg erhalten und ausbessern müssen, dem sie Wege und Stege und Brücken bauen müssen, dem sie Getreide und Obst und Vieh und Wild und Fische liefern müssen, dem sie Gräben und Schanzen und Verhaue errichten müssen, dem sie in der Burg Wachedienst tun müssen, dem sie streiten helfen müssen, und wenn er Feste feiert, müssen sie das bringen, was die Gäste verzehren, und wenn er reiset, müssen sie ihn und die Seinigen beherbergen und verpflegen, und wenn er jagt, müssen sie ihn und die Jäger erhalten, und seine Hunde ernähren, und wenn ein Verbrechen begangen wird, muß die Flur Gerichtskosten zahlen, und für den Schaden haften. Bei uns ist nur der hocherlauchte Herzog der Herr, dem wir kleine Gaben senden, und der uns beschützt. In dem Frühlinge des vorigen Jahres sind viele reiche Herren, wie der ist, von [] dem ich sagte, nach Mähren gegangen, weil sie noch reicher werden wollten, und weil der, welcher eine oder zwei Županeien hatte, noch mehr Županeien haben wollte; denn der Herzog Wladislaw beschützte die kleinen Männer, und litt nicht, daß die großen alles an sich reißen. Sie sind zu Konrad, dem Herzoge von Znaim gegangen, der ihnen viele Versprechungen gemacht hat, daß er ihnen reichlich geben wolle, wenn sie ihm den Herzog Wladislaw von dem Fürstenstuhle vertreiben helfen. Sie haben ein Kriegsheer gesammelt, und sind in dem Monate April nach Böhmen gedrungen. Zu dem Herzoge Wladislaw haben sich die kleinen Männer gesellt, und auch viele von den großen, denen noch Gerechtigkeit in dem Sinne war. Auf dem Berge Wysoka ist der Streit gewesen. Nun, ihr wisset, was dort geschehen ist, ihr seid dabei gewesen, und habet zum großen Teile das Gute bewirket. Die Feinde haben dann die alte Stadt Prag belagert, und haben Unheil und Verwüstung gestiftet; aber der Herzog ist mit seinem Schwager Konrad, dem Könige der Deutschen, gekommen, und sie mußten nach Mähren zurück fliehen. Der deutsche König ging wieder heim, und Wladislaw belohnte seine Krieger, und entließ sie, und zeichnete sich auf, wer ihm gute Dienste getan hatte. Die Feinde sind von der Zeit in ihren Ländern und Burgen; aber wenn der Schnee von den Gefilden schmilzt, können sie wieder hervor kommen, und aufs neue beginnen. Der Herzog Wladislaw ruft die Seinigen auf, um die Entscheidung zu gewinnen. Wenn Konrad, der Herzog von Znaim, den Sieg erhält, wird er seine Helfer belohnen, und ein reicher Leche wird zu euch als Herr in den Wald kommen. Ich meine also, Männer unserer Fluren, wir sollten, so viele wir es vermögen, aufstehen, und zu dem gütigen Herzoge Wladislaw gehen, damit ein Kriegsheer werde, das nach Mähren eile, ehe es sich die Feinde versehen, und sie niederwerfe, und ihnen [] die Macht und alles nehme, was zur Vergeltung notwendig ist, und daß sie nicht mehr schaden können. Der Herzog wird dann immer ein Freund der Geringen sein, er wird mit uns leben, und wir werden mit ihm leben. Und wenn er uns einen Herrn sendet, so wird er von einem kleinen Geschlechte sein, das uns liebreich ist, das Kirchen stiftet, ein wohltätiges Kloster baut, und das Leben in dem Walde versteht. An vielen Stellen rüsten sie schon, weil sie so denken wie ich, und meine Meinung ist, wir sollten die Sache in unserem Haupte überlegen, und nach dem Sinne verfahren, der uns eingegeben werden wird. So rede ich, der ich mit Sorgfalt auf das sehe, was geschieht, und auf das, was geschehen wird.«

Als er diese Worte gesprochen hatte, setzte er seine Lederhaube wieder auf das Haupt, und nahm seinen Platz auf der Bank wieder ein.

Es war eine kurze Zeit eine Stille. Dann sagte ein alter Mann: »Ich habe mir das auch schon so ein wenig gedacht, was du gesagt hast, Witiko.«

»Mir sind die Gedanken auch schon in dem Kopfe gewesen«, sagte ein anderer.

»Ich habe auch darauf gedacht, und das ist so eine Sache«, sagte wieder einer.

»Das ist so eine Sache«, sagte ein sehr alter Mann.

»Die Dinge müssen wir sehr überlegen«, sagte ein Mann, der ebenfalls hoch in den Jahren war.

»Wir begreifen sie nicht recht, und uns achten die Herren nicht«, sagte ein anderer.

»Es ist nur, daß man davon redet«, sprach wieder ein anderer.

»Daß man redet, und wir dürfen reden, und wir reden auch«, sagte wieder einer.

»Wir reden davon, und wir denken daran«, sagte einer, der neben Witiko saß.

»Und wir sollen es recht überlegen, das ist eine Sache, das ist so eine Sache«, sagte ein anderer.

[] »Das ist leicht überlegt«, sprach ein junger Mann, »wer mitziehen will, der zieht mit.«

»Die Herren haben einen Streit, und der Streit geht uns an«, sagte ein älterer Mann.

»Wir müssen in dem Streite mit tun, und müssen in dem Streite entscheiden, und müssen etwas lenken, daß sie mit uns nicht tun dürfen, wie sie wollen«, sagte ein Mann in den mittleren Jahren.

»Die Felder und die Wiesen und die Hausarbeiten sind auch zu betrachten«, sagte ein älterer Mann.

»Und wer weiß denn genau, was der Streit einträgt«, sagte ein anderer.

»Wir müssen mitreden dürfen, wenn alles aus ist, wir müssen den Herren sagen dürfen, was wir wollen, wir müssen unsere Sache verteidigen dürfen«, rief ein junger Mann, »und es braucht nicht ein jeder mitzugehen; wer nicht den Mut hat, bleibt daheim.«

Nach diesen Worten sprangen mehrere junge Männer von den Bänken auf.

»Wir müssen unsere Sache verteidigen«, rief einer.

»Wir müssen uns verteidigen«, rief ein anderer.

»Wir müssen erlangen, was wir wollen«, rief wieder einer.

»Wer Mut hat, steht ein, und gewinnt sich, was er begehrt«, rief einer.

»Wer Mut hat, steht ein, und gewinnt«, rief ein anderer.

»Er gewinnt, und wir haben Mut«, rief wieder einer.

»Wir gehen zu Wladislaw«, »wir streiten«, »wir rüsten«, »Witiko hat recht«, riefen mehrere durcheinander.

Dann folgten Rufe mit unverständlichen Worten.

Als es stiller geworden war, sprach der Greis mit den weißen Haaren: »Höret mich an.«

Nach diesen Worten wurde es ganz stille, und der Greis sagte: »Witiko, du kennest mich, ich bin der Wenhart von der Friedau, ich bin in dem Kriege gewesen, der mit [] dem Herzoge Swatopluk und der mit dem Herzoge Bořiwoy und der mit dem Herzoge Wladislaw gewesen ist, mit dem früheren Herzoge Wladislaw. Die Wohnungen haben gebrannt, die Tiere sind auf den Höfen geschlachtet, und ihr Fleisch ist vergeudet worden, die Saatfelder waren zerrüttet, was fleißige Hände zur Bedeckung des Leibes gewebt haben, ist geraubt und verschleppt worden, die Weiden, die Anger, die Kräuter waren niedergetreten und erstorben. In den Wald ist kein Unglück herein gekommen; aber es könnte herein kommen, und wir könnten es dann in vielen Jahren nicht gut machen, weil wir das Geld nicht verwenden könnten. Wir müssen daher wehrhaft sein.«

»Es ist Weib und Kind, Haus und Hof, Feld und Wald, was zu verteidigen ist«, sagte Witiko.

»Wir müssen vorbereitet sein«, sprach Wenhart, »wir müssen rüsten, und müssen gegen die Feinde sein wie gegen die Wölfe. Weil es aber nicht genug ist, daß wir vor dem Walde stehen, und warten, bis die Feinde kommen; denn dann würden sie uns besiegen, weil unsere Zahl zu geringe ist, so müssen wir zu dem gutherzigen Wladislaw gehen, und ihn verstärken, wie ihn viele verstärken, daß der Feind von vielen abgewendet sei. Und du, Witiko, bist gegen den armen Simon vom Reutschlage, den sie getötet haben, mild gewesen, und hast seinen Leuten das Geschenk des Herzoges gebracht, und du hast die Männer aus dem Walde auf dem Berge Wysoka angeführt, und sie haben dir gehorcht, und du wirst sie wieder anführen, wenn sie es wollen, und sie werden dir wieder gehorchen. Und wenn für uns ein Herr in den Wald kommen sollte, so komme du, Witiko; du hast in Plan gearbeitet, und wirst bei uns wieder arbeiten. Und die Weissagungen sind, von denen Huldrik, der dein Vogt in dem Hause des Wangetschlages ist, erzählt hat, daß von Witiko das Glück in den Wald kommen wird. [] So meine ich, und so glaube ich, daß viele meinen sollten.«

»Ich meine so«, rief der Mann mit dem starken Körper und den starken Händen.

»Ich meine auch so«, rief ein anderer.

»Sie sollen nicht unser Korn und unser Heu und unsere Lämmer und unsere Rinder nehmen«, sagte ein alter Mann.

»Wir dürfen nur einen Herrn unter uns haben, der so ist wie wir«, rief der große junge Mann.

»Ja, der so ist wie wir«, rief ein anderer.

»Wir sind keine Hundewärter, wir sind keine Gebietseigenen, wir sind keine Schloßwächter, sondern betreuen unsere Felder«, rief ein Mann, der einen sehr groben Rock auf dem Leibe und eine sehr alte Filzhaube auf dem Kopfe hatte.

»Eher zünden wir die Wälder an«, rief ein goldblonder Jüngling.

»So wehrt euch«, schrie eine alte Frau, die an dem untern Ende des Tisches saß.

»Sagt dir denn jemand, daß wir uns nicht wehren werden, Susanna?« rief ein anderer Jüngling, »wir werden uns wehren, als seien wir ein einziger Mann, und werden unsere Kraft anwenden, und der alte Wenhart sagt recht, Witiko soll uns wieder anführen.«

»Wir werden zusammen halten«, rief ein Mann mit grauen Haaren, »wie wir zusammen gehalten haben, und es ist wahr, Witiko soll uns wieder anführen. Oder sagt jemand anders?«

»Nein, niemand sagt anders, Witiko soll unser Führer sein«, rief der Mann mit den starken Händen.

»Ich sage auch so«, rief der mit dem groben Rocke.

»Witiko soll der Führer sein«, rief der goldblonde Jüngling.

»Ich sage, Witiko soll uns führen«, rief ein alter Mann, [] »er hat uns besser geführt, da auf dem Berge der grüne Mann getötet worden war, als uns vor ihm der grüne Mann geführt hat.«

»Witiko, der Führer«, riefen mehrere.

»Witiko, der Führer«, riefen fast alle.

»Und Witiko soll als der Herr in den Wald kommen, und soll der Leche sein, der guttätig ist«, rief der Mann mit dem groben Rocke.

»Witiko soll der Leche sein«, rief der mit den starken Händen.

»Er soll es sein«, rief ein alter Mann, »und soll nicht leiden, daß ein anderer komme.«

»Witiko soll der Leche sein«, rief der große junge Mann.

»Witiko, der Leche«, riefen mehrere.

»So tut alles behutsam, und führet doch alles in der Ordnung, daß es zu einem gedeihlichen Ende komme«, sagte der Mann, welcher gemahnt hatte, daß man auch die Felder und Wiesen und die häuslichen Arbeiten betrachte.

»So lasset doch Witiko sprechen«, rief jetzt der alte Wenhart von der Friedau.

»So sprich, Witiko«, rief der starke Mann.

»Sprich«, rief der blonde Jüngling.

»So sprich, Witiko«, rief ein anderer Jüngling.

»Sprich«, riefen mehrere.

Witiko gab mit der Hand ein Zeichen, und da es stiller geworden war, sagte er: »Männer, Leute, höret mich. Höre mich, Wenhart. Ich habe dich früher nicht gekannt; jetzt aber kenne ich dich. Es ist wahr, was du gesagt hast. Weil die Feinde von Mähren gegen Böhmen heran ziehen können, und wenn sie immer weiter zögen, und wenn sie in den Wald herein kämen, so würde das alles werden, was du in dem Kriege gesehen, und was du erzählt hast. Das müssen wir abwenden. Es ist aber nicht nötig, daß ihr die Wälder anzündet. Macht aus starkem [] Holze Lanzenschäfte, und befestiget die Eisenspitzen daran, richtet Keulen und Hämmer, schmiedet Schwerter, und nähet aus dickem Tuche die Streitgewänder. Zugleich aber übet euch, in festem Zusammenschlusse zu stehen, zu gehen, und vorwärts zu dringen. Daß ihr nicht zurückweichet, weiß ich ohnehin.«

»Nein, wir weichen nicht«, rief der goldblonde Jüngling.

»So lasse Witiko sprechen«, schrie Wenhart.

»Und die Pferde haben«, sagte Witiko, »die sollen fleißig reiten, daß sie und die Pferde es gewöhnen. Und wenn dann der Herzog Wladislaw ruft, und wenn er gegen die Feinde nach Mähren zieht, so gesellet euch zu dem Heere, und macht Gebrauch von den Dingen, die ihr vorbereitet habt. Und wenn ihr es wollet, daß ich euch geleite, und daß ich euch einige Ratschläge gebe, so werde ich es gerne tun, und werde bei euch sein wie im vorigen Frühlinge, wenn es der Herzog nicht anders gebietet. Und Gott und die Heiligen im Himmel werden das Rechte beschützen, ihr werdet mit Wladislaw siegen, und der Wald wird unser bleiben, und er wird Vergeltung erhalten.«

»Gott und die Heiligen werden uns schützen«, riefen mehrere Frauen.

»Unterbrecht Witiko nicht«, rief Wenhart.

»Und der Herzog, der Herr des Waldes«, sprach Witiko, »wird euch nicht bedrücken, die ihr ihm geholfen habt, und wird euch keinen Bedrücker senden. Ich strebe nicht darnach, daß ich Untertanen in dem Walde habe. Wenn es mein Glück fügt, werde ich in dem Walde wohnen, werde dort arbeiten, und mich meiner Arbeit freuen.«

»Witiko ist ein Mann«, schrie die alte Susanna.

»Witiko ist ein Mann«, riefen mehrere Mädchen.

»Ja, er ist es«, rief ein alter Bauer, »aber mischt euch nicht ein.«

»Witiko, ich bringe dir den Bundestrunk«, sagte ein [] Mann, der eine Lammshaube und einen Lammspelz hatte.

Er reichte Witiko seinen Krug hin.

»Ich nehme den Trunk an«, sagte Witiko.

Er faßte den Krug, und trank ein wenig daraus.

»Witiko, ich bringe dir den Trunk«, sagte ein anderer.

Witiko tat wieder Bescheid.

»Ich bringe dir den Trunk, Witiko«, riefen mehrere.

Und so riefen endlich alle.

Witiko faßte den Krug eines jeden, und nippte daraus.

Jetzt trat Raimund in die Stube, und mit ihm war Jakob, der Knecht Huldriks, der von dem Wangetschlage in die untere Moldau herauf gekommen war.

Mehrere von den Gästen boten den zwei Männern den Grußtrunk an, und er ward von ihnen angenommen.

»Setzet euch zu uns an den Tisch, es ist noch Platz«, sagte der Mann mit den starken Händen.

Und die Männer rückten etwas näher an einander, und Jakob und Raimund setzten sich an den Tisch.

Und die Tochter des Schenken brachte ihnen einen Krug mit Bier.

Jetzt erhob sich ein Mann von seinem Sitze, der in Lämmerfelle gekleidet war, reichte Witiko die Hand, und sprach: »Ich bin der Richter von dem schwarzen Bache, und wir werden schon so tun, wie du gesagt hast.«

»Und wir werden zu der Heiligen Jungfrau an dem braunen Steine und an dem kalten Wasser der Alsch beten«, sagte eine alte Frau.

Der Richter von dem schwarzen Bache setzte sich wieder nieder.

Ein anderer Mann aber sagte: »Ich bin der Richter von der Mugrauer Heide, und ich gedenke, daß wir uns vorbereiten werden.«

»Die in Stuben werden nicht fehlen, wie die Weissagungen sind«, sagte wieder ein anderer Mann.

[] »Und wir haben auch Bäume und Lammswolle und Schmieden«, sagte einer.

»Der Rat ist überall ein gutes Ding, wenn man ihn vernünftig befolget«, sprach ein anderer.

»Rat befolgen oder nicht, jeder rät sich selber. Die in der Steinleithe und in den Waldhäusern des Heurafels sind auch immer Männer gewesen«, sagte einer mit rötlichen Haaren.

»Und die vom Rathschlage haben ihren Nachbarn stets geholfen«, sagte ein sehr alter Mann, der ganz weiße Haare hatte.

»Ja, da wir in den Stubnerhäusern das große Feuer hatten, sind alle gekommen«, sagte ein anderer.

»Und die alten Leute, die vor Zeiten gelebt haben, sind auch nicht Toren gewesen«, rief jetzt eine sehr alte Frau, welche neben Susanna am unteren Ende des Tisches saß, »wenn die Fässer um Mitternacht in dem Mönchgraben daher rollten, und sehr schwarz waren, und immer größer wurden, wenn der Kiebitz in den Mooswiesen schrie, wenn in dem Scheine des Vollmondes nach dem Tage des heiligen Bartholomäus der Wassermann auf dem Rande des Moldauufers saß, und sich seine grünen Haare kämmte, wenn der Tule von Plan den schwarzen Mann von dem Hammer bis zu den Badehäusern tragen mußte, wenn man immer ein Weinen hörte, und die Hunde sich nicht aus den Häusern getrauten, so waren das Zeichen, und auf die Zeichen muß man achten, und die Zeichen werden wieder kommen, und es sind seltsame Dinge geschehen, der alte Wossic in Wodnian, der auf der Županei sitzt, und alles hat, was sich ein Mensch wünschen kann, hat einen Vorfahrer gehabt, der Holzschuhe gemacht hat, und der alte Lubomir, der in Daudleb ist, stammt auch von einem Manne, der Pech gesammelt hat, und mit dem Herzoge Samo in den Krieg gezogen ist, und dann eine weiße Reigerfeder und einen goldenen Gürtel getragen [] hat. In dem Hause des gelben Melchior an dem hinteren Glöckelberge ist schon ein hölzerner Löffel von dem Ofensimse, auf dem er trocknen sollte, freiwillig in die Stube gesprungen, und in dem Bufferwalde hat sich eine Buche in der Richtung, wohin Mähren liegt, weggebogen, und hat sich gegen uns herein geneigt.«

»Die Jünglinge und die Männer und die alten Männer sollen nur tun, was in der Möglichkeit ist«, schrie die alte Susanna, »und dann wird jedes Ding recht werden. In unsern Zeiten haben sie sich vor nichts gefürchtet, und werden sich auch jetzt vor nichts fürchten. Wir werden für sie die Raben zählen, und in die Abendröte schauen, und die Mädchen sollen für sie beten, und ihnen rote Bänder ziehen, wenn sie heimkehren, und sie sollen fremde Sachen bringen, und wir haben niemanden nötig, der so ist wie der alte Wossic in Wodnian und der alte Lubomir in Daudleb.«

»Wohin liegt denn Mähren?« fragte eine Frau in dem mittleren Alter, welche neben dem Manne mit dem groben Rocke saß.

»Da mußt du gegen den neuen Kirchenschlag gehen, Azela«, sagte der Richter von der Mugrauer Heide, »und dann durch den Wald immer fort, bis du in den Wetternhof kömmst, wo Diet ist, und dann gegen die krumme Au, und dann gegen Daudleb, wo kein Wald mehr ist, und dann ist eine Župe, die Chynow heißt, wohl einen Tag hättest du zu gehen, da die Morgensonne an deiner rechten Hand ist, und dann hättest du gegen die Morgensonne zu gehen, wohl einen Tag oder zwei, und dann kämest du an das Land Mähren.«

»Ist es fruchtbar?« fragte der Mann mit dem groben Rocke.

»Wohl fruchtbarer als du denkst«, sagte der alte Wenhart von der Friedau. »Jetzt sind die Fürsten dort, die von unserem Herzogsgeschlechte abstammen, und es muß uns dienen. Aber einmal ist es ein starkes Reich gewesen, [] es ist Swatopluk dort gewesen, aber nicht der Swatopluk, mit dem ich in den Krieg gezogen bin.«

Als er diese Worte gesprochen hatte, stand ein Mann auf, welcher eine weiße Lammshaube und einen weißen Lammspelz trug, und lederne Beinbekleidungen und starke Stiefel hatte. Der Mann sprach: »Leute, ich muß euch etwas sagen. Mein Weg ist der weiteste. Ich muß noch bis gegen den Kienberg in mein Steinhauerhaus hinab, und muß jetzt fortgehen, und mein Bruder auch. Wir sind in Baiern im Aigen wegen der großen Wasserkufe gewesen. Der Krämer, der mit dem zweirädrigen Wagen fährt, vom Hauzenberge, vom Breitenberge, vom Berge des heiligen Ulrich, und da herum, hat uns erzählt, ehe wir durch den Wald der Schönebene heraus gingen, wie es in Mähren ist. Der Herzog Wratislaw von Brünn ist ein entsetzlicher Mensch. Er wirft alle nieder, die sich ihm widersetzen. Den hochehrwürdigen Bischof Zdik von Olmütz haben sie erschlagen wollen, und ein Zuber voll von Edelsteinen hätte ihn nicht erretten können, wenn er nicht zu dem hochehrwürdigen Bischofe von Passau geflohen wäre. Gehabet euch wohl, ich muß mich sehr sputen. Was ist meine Schuldigkeit, Lukas?«

»Dreizehn Pfennige«, sagte der Schenke.

»Hier sind dreizehn Pfennige«, sagte der Mann, »lebet wohl.«

»Lebe wohl, Andreas«, sagte der Richter von dem schwarzen Bache, »bringe den Leuten an der weiteren Moldau unten im Walde unsern Gruß.«

»Ich werde ihn bringen«, antwortete der Mann.

»Lebe wohl«, riefen mehrere.

»Lebt wohl«, sagte der Mann.

Und er ging mit dem, der neben ihm gesessen war, von der Bank zwischen den Männern und dem Tische heraus, näherte sich der Tür, und entfernte sich mit seinem Genossen durch dieselbe.

[] Als dieses geschehen war, sagte der Richter von der Mugrauer Heide: »Es wird Zeit sein, daß wir auch unsern Weg antreten, wir haben zwei Stunden zu gehen, und auf dem Schneepfade wohl noch mehr. Es ist wahr von dem hochehrwürdigen Bischofe, das sind schwere Zeiten, er tut in einem groben Gewande Buße in Passau.«

»In der Kirche ist er in großem Schmucke«, sagte ein Mann.

»Das muß sein, des Gottesdienstes willen«, antwortete ein anderer.

»Und dann gehen wir auch gleich mit«, sagte der Richter von dem schwarzen Bache, »weil ihr ohnehin über den schwarzen Bach geht, und durch Reden die Zeit kürzer wird.«

»Wir gehen über den schwarzen Bach, und geht mit«, sagte der Richter von der Mugrauer Heide.

»Dann gehen auch die vom Eckschlage mit, weil sie in euerem Wege sind«, sagte ein Mann.

»Sie können mitgehen«, sagte der Richter vom schwarzen Bache.

Und mehrere Männer zahlten dem Schenken, was sie für ihre und der Ihrigen Zehrung schuldig geworden waren, und dann verabschiedeten sich Männer und Frauen, die von der Mugrauer Heide waren, und die vom schwarzen Bache waren, und die vom Eckschlage waren, und verließen die Stube.

»Wir von der Steinleithe haben einen noch weiteren Weg, und gehen doch noch nicht fort«, sagte der mit den rötlichen Haaren.

»Aber wir gehen«, sagte Wenhart von der Friedau, »Witiko, gehabe dich wohl, und denke unserer Sache.«

»Ich werde denken«, antwortete Witiko, »und gedenke du auch.«

»Ich vergesse nicht«, sagte Wenhart.

Darauf bezahlte er seine Schuld, und ging mit einigen Männern und einer Frau und einem Mädchen fort.

[] Es gingen dann noch mehrere fort, und die alte Susanna und die alte Frau, welche von den Zeichen gesprochen hatte, gingen fort.

Andere Menschen kamen wieder, und setzten sich an einen Tisch.

Endlich gingen auch die von der Steinleithe ihres Weges, und es waren nur noch wenige Männer da, und darunter waren solche, deren Heimat in der unteren Moldau selber war.

Witiko erhob sich von seinem Sitze, und ging zu einem Fenster.

Der Knecht Jakob folgte ihm.

»Du bist also doch heute wieder herauf gekommen«, sagte Witiko.

»Euer Verweser Huldrik sagt, daß es sich ziemt, daß er mich alle Tage, die Ihr in der Herberge seid, zu Euch schickt, ob Ihr nichts befehlet«, antwortete Jakob.

»Ja, ich befehle etwas«, sagte Witiko, »melde Huldrik, daß er niemanden mehr herauf schickt, ich werde selber bald in den Wangetschlag kommen.«

»Ich werde es vermelden«, sagte Jakob.

»Und nun gehe«, sprach Witiko.

»Ich gehe, und gehabt Euch wohl«, antwortete Jakob.

»Gehabe dich wohl, und grüße Huldrik«, sagte Witiko.

»Ich werde es tun«, entgegnete Jakob.

Darauf reichte er an Raimund seine Hand, verließ die Stube, und begab sich auf seinen Weg nach dem Wangetschlage.

Witiko aber ging von der Herbergstube in seine Kammer.

Als der Morgen des anderen Tages gekommen war, untersuchte er den Weg, der von der unteren Moldau durch den Wald zu der Stelle des heiligen Thomas empor führte. Der Pfad war nirgends zu erkennen. Der Schnee war hoch über ihn gebreitet, wie er über alle andern Gründe gebreitet war.

[] Dann untersuchte er die anderen Wege, welche in verschiedenen Richtungen von der unteren Moldau durch den Wald nach abwärts führten.

Nun begannen die Männer in der unteren Moldau und im Rathschlage und im Reutschlage und an dem schwarzen Bache und auf der Mugrauer Heide und in Friedberg und in der Friedau und in der Steinleithe und gegen die Waldhäuser des Heurafels und weiter hinab aus Eschen oder Ahornen oder anderem zähen Holze Lanzenschäfte und Keulen zu machen, Lanzenspitzen und Schwerter zu schmieden, Riemzeug zu schneiden, Bogen und Armbruste, Pfeile und Bolzen zurecht zu richten, Stiefel zu machen, aus Filz und aus Wolltuche Hauben und Gewänder zu nähen, und auf Pferden, wo sie vorhanden waren, zu reiten.

Als diese Dinge geschahen, bestieg Witiko in der Herberge der unteren Moldau sein Pferd, und ritt mit Raimund in den Wangetschlag.

Dort ritt er gegen sein Häuschen. Auf dem flachen Dache lag der Schnee, und man konnte es von dem Schnee in den Gefilden kaum unterscheiden. Ein dünner blauer Rauch ging von dem Schornsteine empor.

Als die zwei Männer an dem Häuschen angekommen waren, standen Huldrik und Jakob und Regina vor dem Tore, sie zu empfangen.

»Wir haben nach Euch ausgeschaut«, sagte Huldrik, »und haben Euch kommen gesehen. Weil Ihr die Gebühr, daß ich nach Euern Befehlen fragen lasse, verboten habt, konnten wir den Tag Eurer Ankunft nicht wissen. Seid gegrüßet, Witiko. Ihr seid in dem Kriege gewesen, Ihr seid in mehreren Ländern gewesen, und müsset wieder zu Euerem Hause in den Wangetschlag kommen.«

»Ich bin gekommen, dich wieder zu sehen, und die Unsrigen hier zu sehen, und unser Haus zu sehen«, sagte Witiko.

[] »Ihr seid gekommen, weil es so ist«, entgegnete Huldrik, »und ich habe schon Sorge getragen, daß Eure Pferde in einen guten Stand gelangen, so wie das Pferd Jakobs, das er im Kriege erhalten hat, auf einem guten Stande ist. Wir haben dieses Jahr an dem Gelasse gemauert. Stützet Euch nur auf mich, Witiko, daß Ihr bei dem Absteigen nicht auf dem Eise gleitet, wohin Regina immer das Spülwasser gießt.«

»Ich werde mich nicht auf dich stützen«, sagte Witiko, »sondern es trete Jakob herzu.«

»Jakob, diene dem Herrn«, rief Huldrik, »ich aber werde den Zügel halten.«

Jakob ging an die Seite Witikos, um ihm zu helfen; Huldrik aber faßte den Zügel des Pferdes.

Witiko stieg mit einem leichten Tritte von dem Pferde, und stand auf dem glatten Boden des Eises.

Raimund stieg auch von seinem Pferde.

»Nun führet die Pferde durch das Tor hinein«, sagte Huldrik, »aber haltet euch rechts, daß die Eiszapfen des Daches die Sättel nicht streifen.«

Raimund und Jakob führten die Pferde durch das Tor in den Hof. Witiko ging nicht durch die Tür in das Haus, sondern folgte den Pferden. In dem Hofe wurden die Pferde gegen einen Zubau geführt, der an den Stall angefügt worden war.

Witiko sah, daß vier Pferde in diesem Raume stehen konnten.

»Es ist gut, Huldrik«, sagte er, »daß du diese Sorgfalt getroffen hast.«

»Es mußte für diese Zeit Sorge getragen werden, bis alles fertig ist, und sich alles vollendet«, erwiderte Huldrik.

Sie brachten die Pferde in den Stall, und begannen, sie zu versorgen.

Dann ging Witiko in die Stube.

Die Wände der Stube waren frisch getüncht worden, daß [] sie ganz weiß glänzten, die Fensterscheiben waren gereinigt, daß das Licht, so hell es der Winter geben konnte, herein schien, der Fußboden war gewaschen, und der Buchentisch war so gescheuert, daß keine Makel an ihm war.

»Die Stube ist ja wie an einem hohen Festtage«, sagte Witiko.

»An der unteren Moldau ist nur eine Herberge«, antwortete Huldrik; »das aber hier ist Euer Eigen, in dem Ihr seid, und das dauert, und immer anders wird, bis sich die Zeiten erfüllen.«

»Mögen die Zeiten immer Gutes bringen«, sagte Witiko.

»Sie werden Gutes bringen«, antwortete Huldrik, »lasset es Euch hier gefallen, wie es sich wandelt, bis alles geschehen ist.«

Witiko nahm seine Haube von dem Haupte, und setzte sich an den Buchentisch.

»Regina wird Euch ein Mittagessen bereiten«, sagte Huldrik; »es wird aber heute eine längere Zeit vergehen, bis es fertig wird, als sonst.«

»Ich dränge Regina nicht«, antwortete Witiko.

»Wir suchen die Dinge wahrzunehmen, wie es sein kann«, sagte Huldrik.

Witiko ging indessen noch einmal zu den Pferden.

Als die Speisen bereitet waren, brachte sie Regina auf den Tisch. Sie waren gebratenes Wild und Fische. Dazu wurde Wein gestellt.

Witiko verlangte, daß auch die Speisen der andern auf den Tisch gestellt würden, und daß dann alle mit einander das Mittagmahl verzehrten.

»Weil Ihr es befehlt, so muß es sein«, sagte Huldrik.

Die Speisen wurden auf den Tisch gebracht, und Witiko und Huldrik und Raimund und Jakob und Regina setzten sich zu denselben.

[] »Du mußt das Gebet sprechen, Huldrik«, sagte Witiko.

Huldrik tat es.

Dann wurde das Mahl eingenommen, und Witiko teilte jedem von seinen Speisen und seinem Weine mit. Nach dem Mahle sprach Huldrik wieder das Gebet.

Da sie noch an dem Tische blieben, sagte er: »Eure Vorfahrer haben die Ihrigen geliebt, und sind von ihnen wieder geliebt worden. Und so geschieht alles. Da der erste Witiko in den Wald geritten ist, sind Gold und Edelsteine an den Zügeln seines Pferdes gewesen, und Ihr seid auch zu diesem Hause geritten.«

»Die Zeiten sind ungewiß«, sagte Witiko, »wer weiß es, wann ich wieder kommen kann.«

»Ihr werdet kommen«, sagte Huldrik; »denn Ihr habt Milch und Honig an dem Buchentische gegessen. Und es werden viele da sein, Euch zu sehen.«

»Deine Gedanken bringen Menschen in die Einsamkeit des Waldes, Huldrik«, sagte Witiko.

»Die Rosen haben in Rom herrlich geblüht«, erwiderte Huldrik, »die Rosen sind hieher gebracht worden, und haben hier auch zur Lust geblüht, und die Rose wird Dinge und Kleinodien aus Welschland bringen.«

»Die Rose möchte erst ihre Blätter öffnen«, sagte Witiko.

»Ihr werdet noch oft in Euerm Schlößlein da sein, wie es sich verwandelt«, antwortete Huldrik, »wo das Schloß voll Pracht gestanden ist, wo das Jagdschloß gewesen ist, wo die goldne Burg sein wird, und wo die fünf roten Blätter allen Raum bedecken werden.«

»Du siehest in seltsame Zeiten, Huldrik«, sagte Witiko.

»Ihr habt Männer gesammelt, und seid in den Krieg gegangen«, entgegnete Huldrik, »sie sehen auf Euch, und die Jungfrau aus dem starken und großen Geschlechte wandelt schon für Euch an dem Rande des hohen Waldes, und Raimund freut sich des Bildes, das Euch in der [] Wildnis ist, und ich freue mich, und Jakob freut sich, und Regina freut sich.«

»Huldrik«, sagte Witiko, »zeige mir die Dinge in dem Hause, wie sie seit der Zeit, in der ich hier gewesen bin, geworden sind.«

»Ihr befehlet es, und ich gehorche«, antwortete Huldrik.

»Dann setze deine Haube auf, damit dein Haupt nicht von der Kälte Schaden leidet«, sagte Witiko.

»Ich werde es tun«, entgegnete Huldrik.

Witiko stand auf, und die andern erhoben sich auch von dem Tische.

Witiko bedeckte sich mit seiner Haube, Huldrik setzte auch seine graue Filzhaube auf, und beide Männer verließen die Stube.

Huldrik führte Witiko in alle Räume des Hauses. Witiko besah alles, und belobte ihn und die Seinigen.

»Die Felder und die Wiesen und den Wald werde ich besehen«, sagte er, »wenn ich einmal des Sommers hier bin, und die Gewächse auf ihnen grünen.«

»Tut es so«, antwortete Huldrik, »und Ihr werdet dann in den Umliegenheiten sehen, daß ein guter Grund zum Bauen ist, und wie jetzt die Wälder in die Fenster des Hauses schauen, so wird der Nahleswald, der Bühelwald, der Thomaswald und das fernere Hochficht von einer Seite, der Blöckenstein und der Seewald und der Hausberg von der andern Seite, und der obere Wald und der Blansko von der dritten Seite in zahlreiche große und breite Fenster schauen, die hoch oben in glatten Mauern sind, und die Bäume und die Gesträuche überragen.«

»Weil schon die Dämmerung beginnt«, sagte Witiko, »so lasse ein Licht auf der Leuchte der Stube anzünden.«

»Ich werde ein Licht anzünden lassen«, entgegnete Huldrik.

Die zwei Männer gingen in die Stube.

Huldrik befahl, daß Regina mit Splittern des fetten[] Kienholzes der Föhrenstöcke ein Feuer auf der Leuchte errichte.

Regina tat es.

Und als das Feuer brannte, setzten sich Witiko und Huldrik und Raimund und Jakob und Regina an die Leuchte.

Nach einer Zeit kam ein Mann herein, um Witiko zu sehen und zu besuchen. Später kam wieder einer, und dann kamen mehrere, und endlich so viele, daß die Stube kaum hinlänglich Raum gab. Jakob und Regina trugen die Gesiedel aus dem ganzen Hause zusammen, und die Männer saßen umher, aßen Brod und Salz des Hauses, und Witiko redete mit ihnen von verschiedenen Dingen, und von dem Kriege, der im Frühlinge gewesen ist, und der im nächsten Frühlinge sein wird.

Die den weitesten Weg hatten, zündeten zuerst eine Leuchte an, und verfolgten ihre schneeigen Pfade nach heimwärts.

Dann gingen andere, und zuletzt alle.

Witiko dankte ihnen für den Besuch, und bat sie, wieder zu kommen.

Da die Männer fort waren, ging er in seine Kammer, entkleidete sich, und legte sich auf dem Gestelle zur Ruhe, auf welchem ihm Regina aus Stroh und Fellen und weißen groben Linnen ein Lager bereitet hatte. Die andern Bewohner des Hauses suchten auch ihre Schlafstellen.

Als am Abende des zweiten Tages Milch und Brod gegessen worden war, als im Ofen ein Feuer brannte, und als man die Kienstücke auf der Leuchte angezündet hatte, kamen wieder Männer, und es kamen an diesem Abende noch mehr, als an dem vorhergegangenen Abende gekommen waren.

Und so geschah es an dem Abende des dritten Tages und des vierten Tages und des fünften Tages.

An dem fünften Tage verabschiedete sich Witiko von den Männern, und sagte: »Ich reite morgen von diesem Hause fort. Ich werde stets der Worte gedenken, welche [] ihr hier gesprochen habt, und bitte euch, daß ihr auch dessen möget eingedenk sein, was ich geredet habe.«

Darauf sagte ein alter Mann mit roten Wangen und weißen Haaren: »Du bist gut, junger Witiko, und hast einen treulichen Sinn für uns. Wir werden aller Dinge gedenk sein, und was getan werden muß, das wird getan werden, es wird nichts fehlen, und wir werden schon bestrebt sein. Und so gehabe dich wohl.«

»Gehabe dich wohl, Johannes«, sagte Witiko, »und erhalte dir deine Gesundheit.«

»Wie es Gott will«, antwortete der alte Mann.

»Reite mit Gott, Witiko«, sagte ein anderer alter Mann, »wir werden nicht vergessen, und komme bald wieder.«

»Ich komme, wenn es in der Möglichkeit ist«, sagte Witiko.

»Du bist ein gerechter Mann, Witiko«, sprach ein Jüngling, »und wir werden auch tun, was man nicht schmähen kann.«

»Du hast auf dem Berge Wysoka gut gewaltet, und wirst wieder gut walten«, sprach ein anderer.

»Reite wohl, und wenn du wieder kommst, so bleibe lange bei uns«, sagte ein Mann, der ein kleines Häuschen im Wangetschlage hatte.

»Ja, bleibe recht lange bei uns«, sagte ein Greis.

»Bleibe bei uns, und siehe, wie es bei uns ist. In dem Walde ist es nicht schlecht«, sprach ein Mann, der große starke Holzschuhe an den Füßen hatte.

»In dem Walde ist ein annehmbares Wohnen«, sagte Witiko.

»Wir halten zusammen«, sprach ein alter Mann.

»Tut immer so«, sprach Witiko, »und es wird recht sein, und jeder rechte Mann, der sich bei euch niederläßt, wird auch zu euch halten.«

»Das wird er tun«, sprach der Mann.

»Gott beschütze dich in der schweren Zeit, die kommt«, sagte ein Greis.

[] »Gott beschütze dich«, riefen mehrere.

»Gott beschütze euch, und mögen wir uns fröhlich wieder sehen«, rief Witiko.

Und als alle ihren Abschiedsgruß gesagt hatten, und als die Stube leer war, legte sich Witiko zum letzten Male für diese Zeit in seiner Kammer zur Ruhe.

Am nächsten Tage ritt er mit Raimund in den Ort Friedberg.

In Friedberg war er drei Tage.

Dann ritt er noch weiter in den Wald hinunter, wo Häuser waren, die hie und da an Bächen lagen, die aus Tälern hervor sprudelten.

Als er auf die Erhöhung gekommen war, auf welcher die Stifthäuser lagen, von denen ein Bach, den sie die kleine Mihel hießen, gegen Mittag floß, um sich in dem Lande Baiern mit der großen Mihel zu vereinigen, wendete er sich um, und ritt wieder nach Friedberg zurück.

Es war ein Saumpfad, der von Friedberg durch den hohen Wald nach Baiern hinaus führte, und der auch im Winter betreten und gangbar war. Auf diesem Pfade ritt Witiko durch den Wald hinan, bis er zu der Stelle gelangte, auf welcher die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden war.

Auf dieser Stelle hielt er an.

Er blickte vor sich nach Baiern hinaus. Es waren dunkle und weiße Streifen bis an die Alpen dahin. Die Alpen waren blauer und schärfer, als er sie im Sommer gesehen hatte, und der Schnee war klar in ihren Spalten, in ihren Mulden, und auf ihren sanften Hängen. Dann wendete er sich um, und sah in das Land Böhmen. Der breite dunkle Wald ging in Schimmerreif hinunter, die Moldau war verhüllt, und jenseits war wieder dunkler stiller und bereifter Wald. Witiko sah den blauen Zug der Schönebene, des Hochfichtes, des Blöckensteines und der Seewand. [] Er sah den blauen Blansko. Er sah auch den Kreuzberg, der in Mitternacht von dem oberen Plane steht.

Von der Stelle des heiligen Apostels Thomas ritt er wieder nach Friedberg zurück, und ritt noch an dem nämlichen Tage nach Plan.

In Plan forschte er nach dem, was in seiner Abwesenheit geschehen war, und fragte nach verschiedenen Dingen.

Der Schmied und Tom Johannes, der Fiedler, und David, der Zimmerer, und Zacharias, der Schenke, sagten ihm, daß eine große Zahl von Lanzenschäften fertig und mit guten Eisenspitzen versehen ist, daß junge und alte Männer reiten, daß sich alle üben, und daß Gewand in Bereitschaft ist.

Witiko besah, und durchforschte selber alles.

Dann ritt er nach Ogfolds Heide und in die Gefilde von Tiš und Elhenic, und von da wieder links gegen den höheren Wald bis an jene Stellen, wo der eine der zwei Moldaufäden, den sie die kalte Moldau hießen, aus der dicken Wildnis hervor rann.

Als er zurückgekehrt war, blieb er mehrere Tage in Plan.

Dann ritt er zu Rowno, zu Osel, zu Diet von Wettern und zu Hermann von Attes.

Dann kam er wieder nach Plan, und setzte fort, was er begonnen hatte.

Es nahete endlich der Ausgang des Monates März, und der Schnee begann, hinweg zu schmelzen. Die Moldau hatte ihr Eis von sich geschoben, und floß wieder mit dem dunkeln Wasser dahin, und an sonnigen Lehnen schauten schon manche befreite Stellen des Bodens hervor.

Da erschien ein Bote in dem Walde. Der Bote sagte, man solle zum Kriege rüsten. Der Herzog werde in dem ersten Frühlinge gegen Mähren ziehen, um die mährischen Fürsten zur Demut zu bringen. An den Städten Beneschau, Domašin, Pilgram, Časlau und Wilimow werden die Versammlungen sein.

[] Als der Bote diese Nachricht gesagt hatte, ging er gegen den schwarzen Bach und gegen die untere Moldau hinab.

Witiko aber rief die Männer zusammen, und sagte ihnen: »Wer meines Glaubens ist, daß wir über den Krieg eine Sprache halten sollen, der komme nach dem Mittagessen zu dem großen Kreuze auf dem Platze vor der Kirche.«

Und es kam eine große Zahl von Männern zu dem Kreuze. Auch Frauen und Jungfrauen und Kinder und Greise scharten sich hinzu.

Witiko sagte zu ihnen: »Jetzt ist die Zeit gekommen, daß alles nützlich sein kann, was vorbereitet worden ist. Der Herzog duldet nicht die reichen Bedrücker, und schirmet die, welche bedrückt werden sollen. Er zieht gegen die, welche Bedrückung beabsichtigen, und es ziehen die mit ihm, gegen welche Bedrückung geübt werden sollte. Ich sage nicht viel. Ihr wißt, wie es in dem vergangenen Frühlinge gewesen ist. Wer von uns in den Krieg ziehen will, ist gerüstet, und kann ziehen. Ihr wißt auch die Orte, an welchen man sich versammelt.«

»Ich ziehe, ich ziehe, ich ziehe«, riefen beinahe alle, welche sich versammelt hatten.

»Und Witiko soll uns führen«, rief eine Stimme.

»Witiko soll uns führen«, rief die Versammlung.

»Männer und Freunde«, sagte Witiko, »ihr denket noch, wie der vorige Krieg gewesen ist. Alles kann jetzt anders sein, es kann auch so sein, wie es gewesen ist, wir wissen es nicht. Wenn ihr mir vertrauet, so werde ich euch, so wie ich euch von Prag nach Plan geführt habe, zu dem Herzoge führen, und der erlauchte Herzog kann dann beschließen, wie die Sache geschehen soll.«

»Wir wollen bei einander bleiben, wir wollen alles mit einander teilen, und wir wollen einer dem andern beistehen«, schrie Adam, der Linnenweber.

»Ja, so wollen wir, wir wollen nicht auseinander gehen«, schrie Paul Joachim, der Maurer.

[] »Wir wollen fest bei einander sein«, rief Tobias, der Hirt.

»Und ein Mann von uns muß uns führen«, rief der junge Mathias.

»Nur ein Mann von uns«, rief Augustin, der Pfeifer.

»Witiko hat es besser gemacht als der grüne Ritter«, rief Lambert, der Zimbelschläger.

»Er hat es besser gemacht«, schrie Andreas.

Jetzt rief Peter Laurenz, der Schmied: »So lärmet doch nicht, ihr versteht nichts, wir sind zusammen gehämmert, und können gar nicht zerrissen werden, und das bringt uns die Ehre, und das hat jeder gesehen, der von dem Kriege weiß, und der Führer ist der eiserne Kloben, an dem das Eisen hängt.«

»Wir sind ein Kriegsheer, und erwerben, was sich ziemt«, rief Stephan, der Wagenbauer.

»Wenn ihr nur alle wüßtet, was es ist, und wie es ist«, rief Tom Johannes, der Fiedler, »und wenn ihr nur dem Rate eines Mannes folgtet, der mit dem geschändeten Arme nicht kämpfen kann, und der die Einsicht besitzt.«

»So gib uns deine Einsicht mit«, sagte Mathias.

»Dann wäre dir geholfen«, antwortete der Fiedler, »aber ich trage meine Einsicht selber mit mir, und sie wird meinem linken Arme mehr helfen als die deinige deinem rechten.«

»Wir sind auf dem Berge eins gewesen, und die Führung ist eins gewesen, und so muß es bleiben«, rief Philipp, der Steiger.

»Männer und Kriegsgefährten«, sagte jetzt Witiko, »der hocherlauchte Herzog hat euch auf jenem Schlachtberge geehrt, er hat euch auf den Zinnen von Prag geehrt, er hat eure Namen in ein Buch gezeichnet, und er hat gesagt, daß er euch immer besser kennen lernen will: der hocherlauchte Herzog wird nur dasjenige tun, was ist, und wie es ist, und wie es besteht, und was euch frommt. [] Er wird eure Begehren achten, und hohe Männer werden beitragen, daß er sie achtet, und wenn ich etwas beitragen kann, so werde ich es tun, und alles wird recht sein.«

»Es wird schon recht sein«, sagte David, der Zimmerer.

»Und ich werde auch schon machen, daß es recht ist«, sagte der Schmied, »ich werde mit dem Herzoge sprechen.«

»Und ich werde es noch besser machen«, sagte Tom Johannes, der Fiedler.

»Und so, meine ich, lassen wir alle Fragen«, sagte Witiko, »und schreiten wir zu der Ordnung und zu der Einteilung.«

»Zu der Ordnung und zu der Einteilung«, riefen mehrere.

»So sollen alle diejenigen auf eine Stelle zusammen treten, welche reiten gelernt haben«, rief Witiko.

Die Männer sonderten sich, und die Aufgerufenen traten auf eine Stelle.

Unter ihnen waren Veit Gregor, Maz Albrecht, Lambert, Philipp, Augustin, Urban, Mathias, Andreas, und noch mehrere jüngere und ältere Männer.

Witiko sprach: »Wer ein Pferd hat, und reiten kann, nehme das Pferd mit auf den Zug. Und wenn sich auch sonst noch so viele zusammen finden, daß eine Reiterschar wird, so wollen wir auch als Reiter in dem Kriege sein. Sagt es denen, die hier nicht anwesend sind, und doch mitziehen wollen. Ihr müßt euch aber auch so einrichten, daß ihr auch auf euern Füßen stehen, und kämpfen könnt.«

»So ist es recht«, riefen mehrere.

»Und nun ordnen wir auch die andern«, sagte Witiko.

»Ordnen wir sie«, riefen einige Männer.

»Die auf dem Berge Wysoka gewesen sind«, rief Witiko, »und die auf der Mauer von Prag gegen die Belagerung gekämpft haben, sollen so stehen, wie sie auf dem Berge [] gestanden sind, und wie sie in Prag gewesen sind, und die sich hier geübt haben, sollen stehen, wie sie zusammen gewöhnt sind.«

»Ja, ja«, riefen schier alle, »so ist es am besten.«

»Sagt es allen andern, die nicht da sind«, sprach Witiko, »und kommet morgen wieder, wir werden uns zusammenstellen. Und bringet eure Waffen mit. Jetzt trennen wir uns, daß sich ein jeder vorbereiten kann.«

Und die Männer zerstreuten sich, und sprachen noch eifrig von der Sache, und die Zuschauer gingen auch von dem Platze, und redeten von dem, was sie gesehen hatten.

Am andern Tage nach dem Mittagessen versammelten sich die Krieger wieder auf dem Platze vor der Kirche. Auch viele andere Menschen kamen herbei.

Die Krieger hatten ihre starken Gewänder, welche hergerichtet worden waren, und ein jeder, er mochte ein Schwert haben, oder eine Keule, oder einen Hammer, oder eine eiserne Stange, hatte auch einen Schaft von starkem Holze des Waldes und daran eine feste Spitze von Eisen.

Sie stellten sich in der Art zusammen, wie Witiko gesprochen hatte.

Er sagte, sie sollen sich die Stellung sehr gut merken, und sie sehr schnell wieder finden, wenn sie auseinander gegangen sind.

Sie versuchten es, wie er gesagt hatte.

Dann teilte er die Männer in kleinere Haufen, und zeigte, wie sie sich scharen, und wieder in die Haufen trennen könnten.

Sie versuchten auch dieses.

»Nun übet die Dinge«, sprach er, »daß sie immer gangbarer werden.«

Dann sammelte er die Reiter in einen Haufen, und stellte sie, wie sie zusammen gehören sollten. Und als die Stellung [] gut geordnet war, begann er die Bewegungen im Reiten.

»So lasset uns nun eine kurze Frist ausüben, was einmal sehr notwendig sein könnte«, sagte er, »bis der Tag kömmt, an welchem wir uns auf unsern Zug begeben.«

Und die Männer sammelten sich nun jedes Tages zu den Übungen.

Da auch viele gewohnt waren, mit Bolzen oder Pfeilen auf Tiere oder um Preise auf Ziele zu schießen, so machte er auch eine Einteilung von denen, welche Armbruste oder Bogen herbei gebracht hatten.

Als diese Dinge geschahen, kam eine Schar von Männern von dem schwarzen Bache nach dem oberen Plane. Sie hatten graue dicke Wollgewänder, starke Filzhauben und schwere Stiefel mit hölzernen Sohlen. Jeder trug eine Lanze und ein Schwert, oder eine Keule, oder eine andere Waffe, und einen Pack mit Lebensmitteln. Mehrere ritten auf kleinen Pferden des Waldes, und manche hatten Bogen oder Armbruste. Sie verlangten mit den Männern von Plan zu ziehen. Witiko ordnete sie zu ihnen.

Dann kamen Scharen von dem Reutschlage, von dem Eckschlage, von der unteren Moldau, von dem Rathschlage, von Friedberg, von der Friedau, von dem Wangetschlage, von dem Kirchenschlage, von den Häusern der tieferen Waldmoldau, des Heurafels, und den Häusern der Stift, die an dem Lande Baiern lagen, wo die kleine Mihel gegen den Mittag hinab fließt. Sie hatten die groben Wollgewänder, die dicken Filzhauben und die schweren Stiefel. Jeder trug eine Waldlanze, ein Schwert oder einen Hammer, oder eine Keule, oder eine Stange, oder eine Armbrust, oder einen Bogen, und einen Pack mit Lebensmitteln. Eine Zahl saß auf Pferden. Der Greis mit den weißen Haaren, welcher auf die Anrede Witikos in der Herberge an der unteren Moldau zuerst geantwortet hatte, ritt auf einem kleinen, schwarzgrauen, starken [] Pferde. Der Richter von der Mugrauer Haide ritt auf einem braunen Pferde, und der Richter von den Steinleithenhäusern auch auf einem solchen. Es waren noch mehrere sehr alte Greise auf Pferden. Auch Jünglinge und junge Männer saßen auf Pferden. Der Jüngling mit den goldblonden Locken, welcher gesagt hatte, daß man die Wälder anzünden solle, war auf einem schönen weißen Rosse. Er rief zu Witiko: »Wir sind nun da, ich bin nur ein geringer Mann, meine Mutter kocht sich ihre Suppe auf der Leuchte eines Flachsbrechhäuschens; aber ich habe die Glieder wie jeder andere Mann, und will tun, was ich kann, und die weiße Reigerfeder und den Goldgürtel erwerben, und der alte Roder Peter, dessen Pferde ich warte, hat mir dieses gegeben, weil er selber auf keines mehr kann, und ich will ihm, wenn ich das Pferd verliere, die hundert besten von den Feinden bringen.«

»Wie nennt man dich denn?« rief Witiko.

»Sifrid von Milnet, weil mein Vater dort geboren ward«, sagte der Jüngling.

»Nun, Sifrid von Milnet«, sprach Witiko, »mögest du die weiße Reigerfeder und den Goldgürtel erlangen, und wenn du auch nicht mit hundert Pferden zurückkehrest, mögest du nicht ohne Pferd heim kommen.«

»Dann komme ich selber auch nicht heim«, sagte der Jüngling.

Der Greis mit den weißen Haaren ritt zu Witiko hinzu, und als er bei ihm war, sagte er: »Wir haben in den Kriegen, die gewesen sind, das Zusammenstehen kennen gelernt, wie es richtig ist, und wir sind auch auf dem Berge Wysoka zusammen gestanden, und wir haben den Weg hieher gesucht, daß wir wieder beisammen sind.«

»Wenhart, sei mir gegrüßt«, sagte Witiko, »die Vereinigung ist gut, und suchen wir zuerst alles so zu fügen, wie es am fördersamsten sein mag.«

[] Witiko und Wenhart ordneten die Schar zu den Kriegern von Plan hinzu.

Und wie Wenhart gesprochen hatte, so sprachen auch von jeder Schar, wie sie ankam, Männer zu Witiko, und die Scharen wurden zu denen, die schon vorhanden waren, hinzugefügt.

Jetzt aber strebte man, den Zug zu beginnen, und es wurde ein Tag zu demselben angesetzt.

Als das Licht dieses Tages sich erhob, versammelten sich die Männer auf dem Platze vor der Kirche.

Die Fußgänger von Plan hatten ein Banner, welches weiß war, und in dessen Mitte sich etwas Dunkelrotes befand. Rupprecht, der große Sohn Romans, des grünen Webers, trug das Banner.

Die Reiter von Plan hatten ein gleiches Fähnlein, welches aber kleiner war. Dasselbe hatte man auf die Lanze Philipps des Steigers geheftet.

Witiko fragte, wer das angeordnet habe, und was es bedeute.

»Ich habe es angeordnet, und die Männer haben beigestimmt«, rief der Schmied. »In der Mitte ist die rote Waldrose, und Christ Severin hat die Banner gewebt, und die Mädchen haben sie mit Bändern und mit Säumen verziert.«

Die kleine Schar aus dem Wangetschlage hatte auch ein weißes Banner mit der dunkelroten Waldrose.

»Witiko«, sagte der Mann, welcher die großen Holzschuhe angehabt hatte, als im Wangetschlage die Versammlungen gewesen waren, »du hast auf dem Berge Wysoka ein weißes Schild getragen, auf welchem eine rote Waldrose gemalt gewesen war, und Huldrik hat gesagt, daß vor Zeiten dein Geschlecht Rosen von Rom gebracht hat, und daß die Rosen recht viel Gutes von Welschland bringen werden, darum haben wir die Rose auf das Banner gesetzt.«

[] Und die Männer von der unteren Moldau hatten ein blaues Banner und Fähnlein, und die vom schwarzen Bache ein weißes, und die von der Mugrauer Heide ein grünes, und die von Friedberg ein rosenrotes, die vom Eckschlage hatten Geierfedern auf eine Stange gebunden, die vom Rathschlage trugen ein weißes Kreuz, die von der Steinleithe ein rotes, und die vom schwarzen Bache hatten himmelblaue Bänder von einer Lanze flattern.

Witiko sagte: »Männer, der hocherlauchte Herzog Wladislaw hat allen, die von dem Walde stammen, in dem vergangenen Frühlinge ein großes rosenrotes Banner gegeben, um anzuzeigen, daß sie zusammen gehören; er wird euch auch in diesem Frühlinge wieder eines geben, und unter diesem Zeichen mögen alle Zeichen, die ihr gebracht habt, siegen.«

»Sie werden siegen«, riefen viele Stimmen.

»Was nicht ein jeder Mann in jedem Augenblicke braucht, das gebet zu den Säumern«, sagte Witiko.

Sebastian, der Schuster, stand mit einem größeren Packe da, als die andern hatten.

»Was trägst du denn hier?« fragte Witiko.

»Ich habe schöne Dinge aus rauhen Bälgen in dem Sacke, welche ich verfertiget habe, um sie reichen Leuten zu verkaufen«, antwortete Sebastian.

»Nun, mögest du einen Käufer in solcher Zeit finden«, sagte Witiko, »die Dinge aber mußt du zu den Säumern geben.«

Dann sprach er: »Männer, jetzt werden wir Gott um seine Hilfe zu dem bitten, was wir tun, und was wir nur darum tun, weil wir es für das Gerechte halten.«

Als er diese Worte gesprochen hatte, stieg er von seinem Pferde, gab die Zügel in die Hand Raimunds, und ging in die Kirche.

Und die Männer gingen in die Kirche, und erfüllten sie, so viele nur von ihr gefaßt werden konnten. Die[] andern scharten sich vor der Tür, und standen vor derselben.

Dann wurde der Morgengottesdienst gefeiert, und die Männer in der Kirche knieten auf den Boden nieder, und die Männer vor der Kirche knieten in dem Schnee, und die Reiter waren von den Pferden gestiegen, und knieten neben den Pferden.

Als der Gottesdienst geendigt war, segnete der Pfarrer die Männer in der Kirche, und dann ging er vor die Tür, und segnete die Männer außerhalb der Kirche.

Nach der Segnung erhoben sich die Männer von dem Schnee, verabschiedeten sich noch ein Mal von den Ihrigen, und suchten in ihre Stellungen zu gelangen. Die in der Kirche gewesen waren, kamen heraus, nahmen auch noch von ihren Angehörigen Abschied, und stellten sich in die Ordnung. Witiko ging, von dem Pfarrer geleitet, zu seinem Pferde. Dort nahm er von dem Pfarrer und von Martin und Lucia Abschied, und bestieg das Pferd. Augustin, Urban und Mathias waren auf ihren Pferden neben ihm, damit sie dasjenige, was er während des Zuges anordnen würde, schnell an die Orte brächten, an denen es notwendig sein könnte. Die zwei Herzogspferde Witikos wurden von Raimund und Jakob an den Zügeln neben den Pferden, auf denen sie ritten, geführt.

Veit Gregor hatte das große Horn des Bockes. Andere aus Plan und aus anderen Orten hatten kleinere Hörner.

Witiko, da er auf dem Pferde saß, angetan mit dem groben Wollgewande, wie es die Bewohner des Waldes trugen, gab das Zeichen, und es ertönte das große Horn, und die kleinen Hörner antworteten.

Auf diesen Schall erhob sich ein Geschrei der Männer, die zurück blieben, der Frauen, der Mädchen und der Kinder. Es war zum Teile ein Geschrei der Ermutigung, zum Teile der Freude, zum Teile des Schmerzes.

Der Zug setzte sich in Bewegung. An der Spitze waren [] die Reiter, welche ihre Pferde in langsamem Schritte gehen ließen. Dann kamen die Fußgänger. Am Ende waren die Säumer, dann die Frauen, welche mancherlei Arbeiten bei dem Kriegszuge zu verrichten hatten, und verschiedene Knechte.

Man zog in der Richtung gegen den Morgen. So viele Menschen, als aus dem Orte Plan und aus den umliegenden Waldhäusern und aus größeren Entfernungen herbei zu kommen vermocht hatten, gingen mit dem Zuge. Man kam an dem steinernen Hause Witikos vorüber, man gelangte unter die Föhren, welche in der Richtung gegen Morgen von Plan weg dahin standen, man gelangte auf die Höhenscheide der Föhren, von der man noch das Tal von Plan und die Moldau sehen konnte, und ging jenseits der Scheide hinunter. Mehrere Haufen der Menschen, die den Zug begleiteten, sonderten sich ab, und gingen zurück. Man zog über die Talschlucht des Waldes, in welcher der Bach rieselte, und ging dann in dem Waldesdickichte sachte gegen die Mugrauer Heide empor. Als man auf die Heide gekommen war, hatten sich alle Begleiter umgewendet, und hatten den Rückweg angetreten. Andere kamen dafür aus verschiedenen Gegenden herzu, sahen den Zug an, und mehrere begleiteten ihn eine Weile.

Gegen den Mittag langten die Männer bei dem Turme Rownos an. Da blieben sie stehen. Witiko ritt mit einem Geleite in den Turm. Rowno stand in dem Hofe, ihn zu begrüßen. Witiko und seine Begleiter stiegen von den Pferden, und gingen in die große Stube. Dort waren mehrere Sippen Rownos versammelt. Es wurde der Empfangstrunk gereicht. Dann sagte Rowno: »Es ist gut, Witiko, wie du es versprochen hast, sei gegrüßt, und wir werden nicht säumen.«

»Ich komme, dir nur den Gruß zu bringen«, antwortete Witiko, »es ist, wie wir gesagt haben.«

[] »Es ist so«, entgegnete Rowno, »meine Männer ziehen heran. Es können dich nicht alle meine Sippen begrüßen, sie sind zu den Jungfrauen geritten, sich weissagen zu lassen.«

»Es ist gut«, sagte Witiko.

In dieser Frist öffnete sich die Tür, und Ludmila, die Ehefrau Rownos, und Dimut, seine Schwester, traten herein. Ludmila war in einem grauen Gewande mit einem goldgewirkten Gürtel, Dimut trug ein dunkles Kleid, wie sie es in der Verteidigung Prags gehabt hatte, und das Kleid war mit Silber gegürtet.

Ludmila ging zu Witiko, reichte ihm die Hand, und sprach: »Seid gegrüßt, edler Mann Witiko, Ihr ziehet wieder auf die Felder zum Schutze des Reiches, und möge der höhere Schutz des Himmels Euch geleiten. Wir zu Hause wünschen es, und bringen unseren Anteil an dem Gebetschemel des Schlafgemaches dar.«

»Seid gegrüßt, verehrungswürdige Frau«, sagte Witiko, »es ist wahrhaftig der Schutz des Reiches, und es wird wahrhaftig der höhere Schutz nicht fehlen, um den gerechte Frauen bitten.«

Nun ging Dimut zu Witiko, reichte ihm gleichfalls die Hand, und sagte: »Sei gegrüßt, Witiko, du gehest wieder so, wie du im vorigen Jahre gegangen bist, und wirst wieder finden, die du in dem vorigen Jahre gefunden hast. In Prag werden die Heiligtümer aufgerichtet, und wenn sie fertig sind, werden die kommen, die sich des Werkes freuen, und werden darin beten. Und ihr werdet das Reich aufrichten, und wenn das Rechte geschieht, wie es auf Erden und im Himmel gilt, werden die kommen, die sich dessen freuen.« »Sei gegrüßt, edle Jungfrau«, entgegnete Witiko, »du hast Worte gesagt wie im vergangenen Jahre. Mögen sie sich auch so erfüllen.«

»Sie werden sich erfüllen«, sagte Dimut.

[] Darauf sprach Witiko zu Ludmila: »Beurlaubet mich, hohe Frau, meine Männer stehen draußen in dem Schnee. Gehabet Euch wohl.«

»Gehabet Euch wohl, Witiko«, sagte Ludmila.

»Lebe wohl, Dimut«, sprach Witiko.

»Behalte die Freude, mit der du ziehst«, antwortete Dimut.

»Ich werde sie behalten«, sagte Witiko.

Darauf sprach er zu Rowno: »Lebe wohl.«

Rowno antwortete: »Lebe wohl.«

Dann rief Witiko zu den Männern, die in der Stube waren: »Seid gegrüßt, ihr Krieger, und gehabet euch wohl. Wir werden bald wieder auf dem nämlichen Boden stehen.«

»Sei gegrüßt, und lebe wohl«, riefen die Männer.

Dann ging Witiko aus der Stube. Rowno und mehrere Männer geleiteten ihn. Da er in dem Hofe war, bestieg er sein Pferd, und seine Begleiter bestiegen ihre Pferde. Desgleichen setzten sich Rowno und seine Männer auf ihre Pferde, und da Witiko durch das Tor und über den Damm hinaus ritt, gaben sie ihm das Geleite, bis er bei seinem Zuge angekommen war. Dort grüßten ihn Rowno und die Seinigen noch mit kriegerischer Ehre, und wandten sich dann zu dem Turme zurück. Witiko aber gab das Zeichen, die Hörner ertönten, und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Er ging in dem Tale an dem Bache dahin, der gegen den Morgen floß.

Hie und da begegneten ihm Männer, die zu Rowno zogen.

Als der Mittag schon vorüber war, gelangte der Zug in die krumme Au. Von dort ging er zwischen den Felsen und der Moldau hinaus in freieres Land. Auf diesem Lande machte er ein Lager. Mehrere Männer saßen auf Steinen, mit denen die Äcker eingefaßt waren, andere saßen auf [] Stellen, welche schon der Schnee verlassen hatte, oder auf Dingen, die aus dem Schnee hervor ragten, und viele standen, und stützten sich auf ihre Lanzen. Sie nahmen Nahrung hervor, und erquickten sich. Die Frauen und manche Männer, die ihnen halfen, machten aus Holz, das sie gesammelt oder aus Dingen umher gewonnen hatten, zahlreiche Feuer, daran man sich wärmen, und Speisen bereiten konnte. Den Pferden wurde ihre Nahrung gereicht, und ihr Trank aus der Moldau geholt.

Da dieses geschah, ritt eine Zahl von Männern von der krummen Au her gegen das Lager. Als sie an demselben angekommen waren, und man sie gefragt hatte, was sie wollten, sagten sie, Diet von Wettern sende sie, und sie müßten mit Witiko sprechen. Sie wurden zu Witiko geführt, und er sprach eine Zeit mit ihnen. Dann ritten sie auf dem Wege, auf dem sie gekommen waren, wieder zurück.

Als die Menschen und Tiere gerastet hatten und gesättiget waren, ging der Zug wieder gegen Morgen weiter. Er ging zwischen Feldern und Wiesen und kleinen Wäldchen und zerstreuten Wohnungen hindurch, er ging an dem Orte Welešin vorüber, und kam gegen den Abend nach Daudleb. Als er dort auf den Feldern stehen blieb, ritt eine große Zahl von Männern über die Brücke zu ihm heraus. An der Spitze dieser Männer war der alte Lubomir, dann war Rastislaw, dann war Widimir, dann war Wentislaw, dann war Kodim, und es waren Momir und Diš. Witiko erkannte unter den Männern auch Slawa und Radim und Hostiwil und andere. Hinter allen ritt der Priester in dem dunkeln Gewande, der bei der Verteidigung von Prag gewesen war. Witiko war vor seinen Männern auf seinem Pferde. Hinter ihm waren die Reiter, und hinter den Reitern waren in einem großen Bogen die Fußgänger. Alle richteten ihre Angesichter gegen die, welche kamen.

[] Als die Reiter zu Witiko gelangt waren, hielten sie an. Lubomir saß auf einem schwarzen Rosse. Er hatte ein dunkles faltiges Gewand an, das von einem silbernen Gürtel gehalten wurde, auf dem blaue Steine waren. Sein Haupt trug eine schwarze Haube aus Sammet, von der aus einem großen blauen Steine eine kurze weiße Feder emporragte. Unter dem Rande der Haube waren die weißen Haare zu erblicken. Das Pferd hatte eine dunkle Ausrüstung und Zäumung, die mit Silber besetzt war.

Als nach seiner Ankunft einen Augenblick Schweigen gedauert hatte, hob er seine rechte Hand empor, fuhr mit ihr in einem Bogen gleichsam über die Männer, hielt sie dann ruhig aus dem faltigen Ärmel gestreckt, und rief: »Lubomir, der Župan, begrüßt die Männer auf dem Boden seiner Županei, und seine Sippen begrüßen die Männer. Die Krieger wird er morgen begrüßen, wenn seine Krieger versammelt sind.«

Dann ließ er die Hand wieder nieder sinken.

Dann rief er: »So viele die Župenburg beherbergen kann, sind geladen, sich zu erquicken. Es werden Speisen und Getränke und Decken und Lagerzeuge und Geschirre und Pferdebedürfnisse auf das Feld hinaus geschafft werden, und so mein Wort gilt, werden die Türen der Häuser des Burgfleckens geöffnet werden.«

Auf diese Worte rief eine Stimme unter den Männern, die hinter Witiko waren: »Das ist der edle Župan, und er ist in Prag gewesen, und wir sind ihm Dankbarkeit schuldig für das, was er bietet.«

Es war die Stimme des Schmiedes, Peter Laurenz, gewesen, welche gerufen hatte.

»Dankbarkeit und Dank«, rief eine große Zahl von Stimmen.

Dann wandte sich Lubomir zu Witiko, und sagte: »Du reitest so wie einer von diesen Männern vor ihnen. Sei [] gegrüßt, und wenn du mein Dach nicht verschmähst, so lasse es heute mit denen über deinem Haupte sein, die noch darunter eingehen wollen.«

»Ich nehme Eure Gastlichkeit mit Ehrfurcht an«, sagte Witiko, »seid gegrüßet, hoher Župan.«

»Und nun waltet eurer Bequemlichkeit«, rief Lubomir.

Nach diesen Worten wendete er sein Pferd, und seine Begleiter wendeten ihre Pferde, und sie ritten wieder über den Fahrsteg gegen die Häuser von Daudleb hinein.

Aber viele Menschen waren von Daudleb heraus gekommen, sie drängten sich über den Steg, sie drängten sich an die Männer, welche von Plan gekommen waren, und einer, der ein dunkelblaues Wollkleid an hatte, das mit einem roten Gürtel gebunden war, rief gegen die Männer: »Ihr seid einer wie der andere, man kann euch nicht unterscheiden, ich weiß nicht, wer der Vorgesetzte ist, ich bin der Kmete des Burgfleckens von Daudleb, und lade alle ein, die bei uns Platz haben, wir werden tun, was wir vermögen.«

»Wir sind einer wie der andere«, sagte Witiko, »und es ist einerlei, an wen du deine Worte richtest, edler Kmete, wir sind alle dankbar.«

»Wir sind dankbar«, riefen viele Stimmen.

»Kommet zu uns herein«, »kommt zu uns«, »zieht in mein Haus«, »geht in unsere Herbergen«, riefen die Stimmen der Menschen von Daudleb durcheinander.

»Schönen Dank«, »wir kommen«, »das freut uns«, »das ist recht«, »ihr seid freundlich«, scholl es entgegen.

Dann rief Witiko: »Augustin und Urban, saget jedem Zeichen, daß das Lager an dem Flusse Malsch abgesteckt werde, es soll einen Bogen haben, und vierzig Männer der Zeichen haben in Ablösung die Wache der Nacht. Und, Mathias, nimm Männer der Zeichen, und ordnet, wer in den Burgflecken gehen will, und vier Reiter jedes Zeichens und vier Fußgänger jedes Zeichens begleiten mich [] in die Burg. Wir werden durch die Gastlichkeit des hohen Županes und des Burgfleckens geehrt, und ehren die Gastlichkeit wieder.«

»Das ist herrlich«, »das ist in Pracht«, riefen Menschen aus Daudleb.

»Das ist wie Reiter und Krieger«, riefen Männer, die mit Witiko waren.

»Die Ehre ist hier, und die Ehre ist dort, und die Ehre muß bewahrt werden«, rief der Schmied von Plan, »sonst ist es einerlei, ob wir auf der Wolldecke schlafen oder in dem Hause, und wir werden uns einteilen, wer die Ehre geben und nehmen soll.«

»Wir werden uns einteilen«, schrie Paul Joachim, der Maurer.

»Wir werden uns einteilen, und in den künftigen Tagen wechseln«, rief Stephan, der Wagenbauer.

»Ja, ja«, riefen mehrere.

»Nun rüstet das Lager«, rief Witiko.

Nach diesen Worten wendete er sein Pferd, und ritt durch den Haufen der Reiter gegen die Fußgänger zurück, und ritt an ihnen dahin, und sah, wie die Züge der Männer sich auflösten, und daran gingen, das Lager zu errichten. Die Menschen von Daudleb mischten sich unter die Angekommenen, und es waren vielfache Gespräche.

Als das Lager geordnet war, und als die Wachen um dasselbe gestellt waren, zog Witiko mit zwanzig Reitern und vierzig Fußgängern über die Brücke gegen die Burg. Die Männer in dem Lager wählten dann auch aus den ihrigen, und die Gewählten zogen im Geleite von Menschen aus dem Burgflecken gegen die Häuser des Burgfleckens.

Witiko wurde mit seinem Geleite durch das Tor in die Burg gelassen, und die Schar der gewählten Männer wurde in den Häusern des Burgfleckens verteilt.

Und Witiko wurde mit den Seinigen in der Nacht in der Burg gepflegt, und schlief innerhalb der Mauern derselben, [] und die gewählten Männer wurden in den Häusern des Burgfleckens gepflegt und beherbergt, und die anderen Männer und die Frauen, die mit dem Zuge gekommen waren, schliefen auf Decken in dem Lager, und Feuer brannten überall, und die Wachen waren rings um das Lager, und wurden abgelöst, wie es Witiko eingerichtet hatte.

Als das erste Licht des Morgens schien, verabschiedete sich Witiko von dem alten Župane Lubomir, von seiner Gattin Boleslawa, und von seinen Sippen.

Lubomir geleitete mit seinen Sippen Witiko bis an das Tor der Burg. Dort sprach er: »Ziehe mit Gott. Wie ich gesagt habe, findest du das Rechte. Du ziehest früher des Weges als wir andern. Ich werde dir mit den Meinigen, und mit Moyslaw und Radosta, die mir geblieben sind, folgen. Die Kinder des dritten Sohnes, Pustimir, welcher auf dem Berge Wysoka das Leben verlassen hat, sind noch zu klein, als daß sie auf das Feld reiten können. Sammle deine Leute zu dem Kriegsgruße, den wir bringen. Lebe wohl.«

»Lebet wohl, hochehrwürdiger Župan und Leche Lubomir«, sagte Witiko.

Dann zog er mit den Seinigen von der Burg gegen das Lager.

Als sie in das Freie kamen, sahen sie von verschiedenen Seiten Reiter und Fußgänger gegen Daudleb eilen.

Die Männer, welche in dem Burgflecken übernachtet hatten, zogen wieder in das Lager. An ihrer Spitze ging der Fiedler, Tom Johannes. Witiko rief ihm zu: »Wie ist es denn, daß du bei den Streitern bist, Tom Johannes, da deine Hand der Waffe nicht mächtig ist?«

»Er ist mit Gewalt mitgegangen, da wir ihn zurückweisen wollten«, rief David, der Zimmerer.

»Sie verstehen die Dinge nicht«, sagte Tom Johannes, »ich halte mit der linken Hand die Lanze, und habe es [] gut gelernt, und heute in der Nacht bin ich bei dem Kmeten dieser Stadt gewesen, ihn zu ehren, wie du bei dem Župane.«

»So führe deinen Schaft nur gut, wie du es kannst«, sagte Witiko.

»Ich führe ihn besser als auf dem Berge«, sagte Tom Johannes.

»Dann wird es recht sein«, antwortete Witiko.

Und die Männer Witikos und die anderen Männer kamen in das Lager, und Witiko wies sie an ihre Stellen. Und die Wachen wurden herein gerufen, und Witiko ordnete an, daß das Lager aufgehoben werde, und daß die Männer zum Zuge sich stellen.

Als dieses geschehen war, tönten die Hörner, der Zug ging durch die Menschen gegen die Brücke, er ging über die Brücke, er ging durch den Burgflecken, er ging an der Župenburg vorüber, und gelangte dann auf freies breites Feld. Auf dem Felde stand eine Macht von Kriegern, und hinter den Kriegern standen sehr viele Menschen. Der erste an den Kriegern war Lubomir. Er saß auf dem schwarzen Rosse. Über dem dunkeln Gewande hatte er ein glänzendes Waffenkleid und einen goldenen Gürtel mit grünen Steinen. Auf der schwarzen Haube hatte er einen grünen Stein und eine weiße gerade Feder. Er hielt das entblößte Schwert in der Hand empor. Hinter ihm war auf einem Rosse Wentislaw, der Župenrichter, neben diesem war Rastislaw, der Meier, daneben Widimir, der Schreiber, daneben Kodim, der Kämmerer, daneben Momir, der Zöllner, dann Diš, der Schenke, dann Hostiwil, der Marschalk und die andern Männer der Ämter. Sie hatten lichte Waffenkleider, weiße Federn auf den Hauben, und die emporragenden Schwerter in den Händen. Dann waren die Reiter in Waffen und im Schmucke. Dann standen die Fußgänger. Sie hatten Schwerter an den Seiten und Lanzen in den Händen. Witiko ritt mit [] Augustin, Urban, Mathias und noch vier Männern gegen Lubomir. Lubomir senkte vor Witiko das Schwert, und die Männer der Ämter senkten die Schwerter. Witiko senkte sein Schwert, und seine Männer senkten ihre Schwerter. Dann öffnete sich die Kriegsmacht Lubomirs, und zeigte eine Gasse. Witiko ritt in die Gasse ein, und seine Männer ritten in die Gasse, und seine Krieger zogen in dieselbe. Und sie zogen durch die Gasse hindurch. Die Krieger Lubomirs hielten ihre Waffen gesenkt, die Reiter Witikos trugen gesenkte Schwerter und die Fußgänger geneigte Lanzen oder Armbruste und Bogen. Keulen oder Schwerter oder Stangen oder Hämmer hatten sie mit Riemen an den Leibern hängen. Als die Männer Witikos und sein Troß durch die Gasse waren, hoben sich die Waffen empor, sowohl bei Witiko als bei Lubomir. Die Macht Lubomirs schloß sich hinter dem Zuge und geleitete ihn. Hinter der Macht gingen viele Menschen. Dann erhoben die Männer Lubomirs einen Ruf des Grußes, und alle Männer Witikos antworteten mit einem Rufe. Dann riefen auch die Menschen, die von Daudleb gekommen waren. Darauf blieb die Kriegsmacht Lubomirs stehen, der Zug Witikos ging weiter.

Er ging in der Richtung zwischen Mitternacht und Morgen dahin.

Die Krieger Lubomirs wendeten sich um, und zogen nach Daudleb zurück, und die Menschen von Daudleb gingen mit ihnen.

Die Krieger Witikos aber setzten ihren Weg fort.

Sie kamen am Mittage nach Lišau und am Abende nach Lomnic.

Am dritten Tage zogen sie mitternachtwärts nach Wessely, und dann in die Felder von Austi. Sie waren an diesem Tage in ein Land gekommen, in welchem kein Schnee mehr lag. In Austi waren die Scharen Ctibors, und es kam ein Zug Nemoys.

[] Am vierten Tage gingen die Krieger Witikos morgenwärts nach Chynow und gegen die Nacht auf die Felder vor Pilgram.

Sie hatten auf ihrem Zuge nicht Leute gesehen, welche ihr Vieh oder ihre Habe vor den Feinden flüchteten. Menschen kamen an den Weg, den sie gingen, und grüßten sie, und auf ihren Haltplätzen wurden sie wie in Daudleb geehrt und gepflegt, und wo Krieger waren, von ihnen mit Kriegsbrauch geachtet.

Auf dem Lande vor Pilgram war ein großes Lager. Die Männer Witikos sahen, weil die Dämmerung schon gekommen war, viele Feuer an vielen Stellen brennen. Auf dem Wege, den sie gekommen waren, stand mit einer kleinen Schar Reiter Hermann von Attes.

»Sei gegrüßt, Hermann!« rief Witiko.

»Sei gegrüßt, Witiko«, antwortete Hermann.

»Du hast deine Zusage erfüllt«, sprach Witiko.

»Ich habe sie erfüllt«, entgegnete Hermann, »lasse mir deine Leute folgen.«

Und Hermann von Attes ritt mit seinen Männern des Weges, und der Zug Witikos folgte. Sie kamen nach einer Zeit auf einen freien Platz, und Hermann sagte: »Diese Stelle ist dir zum Lagern zugewiesen.«

»Habe Dank«, sagte Witiko.

»Ruhet, und morgen werden wir ratschlagen, was weiter zu tun ist«, sprach Hermann.

Dann ritt er mit seinen Männern seitwärts, und verließ den Zug Witikos.

Die Männer Witikos errichteten nun ein Lager, wie es in der Dunkelheit möglich war.

Am andern Tage befestigten sie das Lager, und richteten es zum Verweilen ein.

Es hatten sich schon mehrere Züge von Herren und Županen in diesen Feldern gesammelt, und die Führer kamen zu den Waldleuten, und Witiko ging wieder zu den [] Führern. Sie sagten, an vielen Stellen sammeln sich Männer, und sie erwarten Boten von dem Herzoge, was weiter zu unternehmen sei; denn die Kundschaftet melden, daß die Feinde stark rüsten, und hier seien ihnen die Krieger des Herzoges näher als an den andern Sammelplätzen.

Nach mehreren Tagen kam Rowno mit den Seinigen, und es kam Osel und Diet. Am Tage darnach kam der von Ottau und von Hora. Und drei Tage nach diesen kam der Župan Lubomir mit seinen Župenleuten, mit seinen Söhnen und mit den Leuten seiner Söhne. Boten meldeten, daß Wyhon von Prachatic und der von Winterberg und die anderen Waldleute, die weiter nach Mitternacht wohnten, sich in Časlau versammelt haben.

Witiko sendete mit Männern Lubomirs Kundschafter gegen Mähren. Sie kamen zurück, und meldeten, daß Züge von allen Gegenden des abendlichen Landes Mähren in der Richtung gegen Znaim gehen, um zu Konrad zu gelangen, und die Leute erzählen, daß der Herzog Konrad mit einer Macht vorwärts gehe, um die Züge zu sich aufzunehmen.

Es kamen Boten von dem Herzoge Wladislaw, welche sagten, die Scharen ziehen sich von den Sammelplätzen zusammen, und das Heer werde gegen Pilgram hervor kommen.

Alle, welche vor Pilgram gelagert waren, befestigten sich immer mehr, und harrten. Witiko übte täglich seine Leute.

Es kamen nun neue und größere Züge auf die Lagerfelder, und am siebenzehnten Tage, nachdem Witiko angekommen war, ritt der Herzog Wladislaw mit den Seinigen auf diese Felder. Es waren seine Brüder bei ihm, es war der Bischof von Prag bei ihm, es waren die Abte bei ihm, Bolemil war wieder da, der alte Wšebor und Diwiš und fast alle, welche auf dem Berge Wysoka gekämpft hatten, und dort von dem Tode verschont worden waren. [] Die fehlten, standen nur noch auf andern Sammelplätzen. Die Scharen des Herzoges lagerten, und pflanzten ihre Zeichen auf, und vor dem Gezelte des Herzoges war das große seidene rosenrote Banner.

Welislaw, Odolen, Jurik, der Sohn Juriks, Beneda, Sezima, Zwest und andere junge Ritter kamen sogleich zu Witiko, ihn zu begrüßen.

Witiko ging wieder zu jedem, und begrüßte ihn.

Auf den fünften Tag nach der Ankunft des Herzogs war ein Rat in dem Gezelte des Herzoges angeordnet, zu dem alle Führer entboten waren.

Witiko ging in das Gezelt. Es war sehr lange, und man hatte in seiner Länge aus Brettern einen Tisch errichtet. Am oberen Ende des Tisches saß Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren. Er war, wie schon oft, in ein dunkelbraunes Gewand gekleidet, hatte eine braune Haube ohne Feder, trug ein dunkles Waffenhemd und an der Seite in einer dunkelbraunen steinlosen Scheide ein Schwert. Zu seinen Seiten saßen die Abkömmlinge Přemysls, die Fürsten der Kirche, die Lechen und Župane und die älteren Führer des Heeres. Die jungen Männer standen geschart gegen das untere Ende des Tisches, und es war man cher geringere Mann und Wladyk unter ihnen.

Als die Zeit des Rates gekommen war, erhob sich Wladislaw, und sprach: »Seid gegrüßt, ihr alle, die ihr die Säulen des Landes seid. Ich danke euch für das Land, daß ihr gekommen seid. Die wir noch vermissen, sind auf dem Wege, und der hochehrwürdige Bischof Zdik wird bei der nächsten Versammlung anwesend sein. Wir sind in Eile, gehen wir an das Werk. Erhebe dich, Gervasius!«

Gervasius stand von seinem Sitze auf. Der Herzog setzte sich nieder.

Von seinem Stuhle aus sprach er: »Rede die Worte, welche ich dir an Konrad, den Zweig Přemysls, den Herzog von Znaim, mitgegeben habe.«

[] Gervasius sprach: »Du hast gesagt: Konrad, lege die Waffen nieder, unterwarf dich dem Herzoge Wladislaw, dem Sohne Wladislaws, bitte um Verzeihung deiner Schuld, und du wirst ungeschädigt als ein rechter Sprosse des geheiligten Přemysl bestehen können.«

»Wer hat die Worte, welche du gesprochen hast, gehört?« fragte Wladislaw.

»Die Worte, welche ich gesprochen habe«, sagte Gervasius, »haben die Männer gehört, die du mir mitgegeben hast: Zwest, Wecel, Zdeslaw, Bohuslaw und Casta.«

»Die Männer mögen sprechen«, sagte Wladislaw.

»Ich habe die Worte gehört«, sprach Zwest.

»Ich habe die Worte gehört«, sprach Wecel.

»Ich habe die Worte gehört«, sprach Zdeslaw.

»Ich habe die Worte gehört«, sprach Bohuslaw.

»Ich habe die Worte gehört«, sprach Casta.

»Und welche Worte hat Konrad, der Herzog von Znaim, geantwortet?« fragte Wladislaw.

»Konrad, der Herzog von Znaim, hat geantwortet«, sagte Gervasius: »Ich bin von den hohen Männern der Länder Böhmen und Mähren als rechter Herzog gewählt worden, und muß meines Amtes walten, und will nicht erfahren, daß ich von Wladislaw getötet oder geblendet oder in einer Burg gefangen gehalten werde.«

»Und sprechen die andern Männer auch, daß Konrad, der Herzog von Znaim, die Worte gesagt hat?« fragte der Herzog Wladislaw.

»Er hat sie gesagt«, sprach Zwest.

»Er hat sie gesagt«, sprach Wecel.

»Er hat sie gesagt«, sprach Zdeslaw.

»Er hat sie gesagt«, sprach Bohuslaw.

»Er hat sie gesagt«, sprach Casta.

»Kanzler Bartholomäus, schreibe die Worte in das Pergament«, sagte Wladislaw.

[] Dann war eine Zeit Stille.

»Hast du die Worte geschrieben?« fragte Wladislaw.

»Ich habe sie geschrieben«, antwortete Bartholomäus.

»Erhabene Sprossen des Stammes Přemysl«, sagte nun Wladislaw, »hochehrwürdige Gebieter der Kirche, hohe Župane und Lechen der Länder, Führer des Heeres und Unterführer und Herren und Wladyken! Die Männer und Herren, die in meinem Rate in Prag sind, die Männer und Herren, die zu mir nach Prag gekommen sind, die Männer und Herren, welche die Boten gehört haben, die von mir in das ganze Land gesendet worden sind, haben erfahren, daß ich die Worte zu dem Herzoge Konrad gesagt habe, und daß ich die Antwort von dem Herzoge Konrad erhalten habe, als wir von Deutschland zur Befreiung Prags gekommen waren; daß ich die Worte zu dem Herzoge Konrad gesagt habe, und daß ich die Antwort von dem Herzoge Konrad erhalten habe, als sich die Heere seiner Anhänger zerstreut hatten; daß ich die Worte zu dem Herzoge Konrad gesagt habe, und daß ich die Antwort von dem Herzoge Konrad erhalten habe, als wir im Winter unsere Männer gerüstet und gesammelt haben; und ihr alle habet jetzt gehöret, daß ich die Worte zu dem Herzoge Konrad gesagt habe, und daß ich die Antwort von dem Herzoge Konrad erhalten habe, da wir gesammelt auf dem Wege nach Mähren sind. Die Sache steht nun fest. Wir sind nicht schuldig an dem Blute, das verloren gehen wird, und an dem Unheile, das in die Länder kommen wird. Ihr habt in den Ratschlagungen der früheren Zeit erklärt, daß wir für das Recht die Waffen erheben. Ist einer in der Versammlung, der einen Weg erkennt, auf dem das Blutvergießen und das Unheil vermieden werden kann?«

Es war ein Schweigen, als der Herzog seine Frage ausgesprochen hatte.

»Redet, Söhne Přemysls«, sagte der Herzog endlich.

[] Als sie schwiegen, sprach er: »Rede, Diepold.«

»Es mögen die Männer und die Herren reden, welche von dem Volke kommen, weil es an dem ist, daß die Nachkommen Přemysls gegen einander im Streite sind«, sagte Diepold.

»Rede, Heinrich«, sprach der Herzog.

»Ich rede, wie mein Bruder Diepold geredet hat«, entgegnete Heinrich.

»Sprecht, ihr Herren der Kirche, und sprecht, ihr Lechen und Wladyken der Länder, die ihr von dem Volke kommt«, sagte der Herzog.

»Hocherlauchter Herr und erhabener Herzog der Länder Böhmen und Mähren«, sprach Otto, der Bischof von Prag, »der allmächtige, der gütige, der barmherzige und gerechte Gott hat den Krieg in unsere Länder gesendet, daß wir büßen, was wir verschuldet haben, daß wir gereiniget werden, daß wir das Rechte verteidigen, und daß wir uns zur Besserung wenden. Wir müssen ihn dulden und führen, wie er ihn auferlegt hat, und wir dürfen uns gegen seinen Rat nicht auflehnen.«

»Was sprechen die Äbte?« fragte der Herzog.

»Die Äbte sprechen durch mich, wie der hochehrwürdige Bischof gesprochen hat«, sagte der Abt von Kladrau.

»Und der Priester Daniel?« fragte Wladislaw.

»Du hast die rechten Worte zu dem Herzoge gesendet, und es können keine andern gesendet werden«, sagte Daniel.

»Und Bolemil?« fragte der Herzog.

»Es ist, wie es ist, und wir müssen es zu Ende führen«, sagte Bolemil.

»Wir müssen es zu Ende führen«, sagte Diwiš.

»Zu Ende«, sagte Lubomir.

»Zu Ende«, »zu Ende«, riefen alle in der Versammlung.

»So sind wir geeinigt, und es geschehe, was geschehen muß«, sagte der Herzog. »Ihr seid sehr zahlreich gesammelt [] gekommen, wir haben uns an einander gefügt, ihr kennt die Ordnung, und, was später gekommen ist, wird noch gefügt werden. Lubomir, du bist wieder zwischen dem Župane Diwiš und dem Lechen Bolemil, wie bei der Verteidigung von Prag, und Jurik und Chotimir, ihr seid wie in Prag, die andern Župenkrieger und die Krieger, die noch zugeführt worden sind, erhalten die Ordnung des Wysoka. Witiko, tritt vor.«

Witiko ging von dem untern Ende des Tisches gegen den Herzog vorwärts, und blieb stehen.

»Du hast die Waldleute gebracht, Witiko«, sagte der Herzog, »sie haben dich zum Führer gewählt, und du bleibst ihr Führer. Mein Bote wird es ihnen verkünden. Lagere dich sogleich rechts von dem ehrwürdigen Lechen Bolemil, wie du auf dem Berge Wysoka gewesen bist, da die Schlechten vom Plaka die Flucht ergriffen hatten. Ich gebe dir ein rotes Banner, es soll über deinen andern Zeichen sein. Rechts von dir sind die von Rowna, Wettern, Tusch, Ottau, Hora, Attes, Prachatic, Winterberg und vom reichen Bergsteine. Diepold wird rechtseits von dem Herzogsbanner befehlen. Und so, ihr Herren und Führer, ziehen wir; und Gott, der Herr des Himmels, und die Heiligen in dem Himmelreiche schützen uns, und wir flehen zu Gott dem Herrn des Himmels und zu den Heiligen in dem Himmelreiche.«

»Zu Gott, dem Herrn des Himmels, und zu den Heiligen im Himmelreiche«, riefen die Männer der Versammlung.

»Seid bedankt, ihr Herren«, sagte Wladislaw, »und achtet der Zeichen, wenn sie tönen werden, daß wir vorwärts dringen.«

Er erhob sich von seinem Sitze, und die Männer um ihn erhoben sich von ihren Sitzen.

Da ging ein Krieger von denen, welche an dem Eingange des Zeltes standen, zu dem Herzoge, und sagte: »Hoher [] Herr! Der Leche Božebor harret, seit die Beratungen begonnen haben, vor dem Zelte, und bittet um Einlaß. Er ist mit vielen Männern gekommen. Sie sind außer dem Lager gehalten worden.«

»Er trete ein«, sagte der Herzog.

Der Krieger entfernte sich aus dem Zelte, und gleich darauf kam Božebor in dasselbe.

»Gehe zu mir, Božebor«, sagte der Herzog.

Božebor ging bis zu dem Herzoge, und blieb stehen.

»Was begehrest du?« fragte der Herzog.

Božebor löste sein Schwert von dem Gürtel, reichte es gegen den Herzog, und sprach: »Ich bringe dir mein Schwert, daß du es nehmest, hoher Herr, und mich strafest, so du mich einer Strafe würdig erachtest. Die mit mir gekommen sind, lasse an dem Kampfe für die Länder Anteil nehmen, und gib ihnen einen Führer, welcher ihnen gut ist.«

»Božebor«, sagte der Herzog, »ich habe in der Hofburg von Prag gesprochen: Es hat ein jeder die Freiheit, zu reden, wie sein Herz denkt, ich habe zu dir gesprochen: Handle nach deinem Sinne, bleibe, wo du willst, bis diese Sache aus ist, und dann komme zu mir, ich werde dir die Hand reichen. Du bist da, und ich reiche dir die Hand. Befestige dein Schwert wieder an deinem Gürtel, und führe deine Männer; denn du bist ihnen gut.«

Nach diesen Worten reichte er Božebor die Hand.

Božebor nahm sie, und sprach nicht.

Dann sagte der Herzog: »Führe deine Schar in das Lager, und die Ordnung werde eingeleitet wie auf dem Wysoka.«

Da rief Božebor: »Ich werde sie herein führen, es wird sein wie auf dem Wysoka, und mehr.«

»Gepriesen sei Wladislaw«, rief Předbor mit lauter Stimme.

»Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren«, riefen alle in der Versammlung.

[] »Wir sind alle Freunde«, sagte der Herzog, »und ich glaube, wir werden es bleiben.«

»Immer, immer, immer«, riefen die Männer.

»Und so trennen wir uns, und tue jeder, was er für nötig erachtet«, sagte der Herzog.

Und die Versammelten schickten sich an, das Zelt zu verlassen. Die älteren Männer gingen zuerst, und ihnen folgten die jüngeren.

Vor dem Gezelte grüßten sich viele, und sprachen noch mit einander. Mehrere gingen zu Božebor, und reichten ihm die Hand. Er befestigte das Schwert erst jetzt an seinem Gürtel, und ging auf den Weg, seine Männer zu holen. Einige geleiteten ihn.

Witiko gab Welislaw, Odolen, Sezima, Jurik, dem Sohne Juriks, Zwest, Ben, dem Sohne Bens, Zdeslaw und Beneda den Gruß, den sie brachten, zurück, und ging dann mit Rowno und Diet von Wettern und Osel und Hermann von Attes und Wyhon von Prachatic gegen die Stelle, auf welcher die Waldleute gelagert waren.

Als er dort angekommen war, verkündete er seinen Männern, was der Herzog verfügt hatte.

»Das muß sein«, rief der Schmied von Plan.

»Das haben wir gemacht«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Das ist recht«, »das ist gut«, riefen die Männer.

»Wir werden zeigen, wie der Wald ist«, rief Sifrid von Milnet, der goldblonde Jüngling.

Gleich darauf kam auch der Bote des Herzogs, welcher die Meldung machte, daß Witiko der Führer der Krieger aus dem Walde sei, welche sich unter ihn gestellt haben. Ein Herold des Herzogs brachte den Kriegern ein seidenes rosenrotes Banner.

Witiko sagte seinen Männern, sie sollen das Lager abbrechen, und nach dem Platze ziehen, welchen ihnen der Herzog angewiesen hatte. Die Männer brachen das Lager [] ab, und zogen nach dem Platze. Das rosenrote Banner wurde vor ihnen getragen. Auf dem Platze errichteten sie ein neues Lager. Rowno und die andern Leute aus dem großen Walde nahmen auch ihre neuen Stellen ein.

Witiko teilte nun seine Krieger nach den Zeichen ab, die sie hatten, und sagte, sie sollen unter jedem Zeichen einen Mann wählen, daß er in dem Zeichen befehle. Sie vollbrachten die Wahl. Er befestigte jetzt noch mehr die Anordnung der Abteilungen, und bestimmte die leichtere Bewegung der Reiter und Schützen. Vor seinem Zelte wurde die rote Fahne aufgerichtet.

An einem Tage zog der Herzog mit Männern der Kirche und Kriegsherren durch alle Lager. Sie kamen auch an die Stelle, an welcher hin die Krieger ausgebreitet waren, die den Weg von dem langen Walde, welcher der jungen Moldau entgegen ging, zu dieser Stadt der Versammlung gemacht hatten. Die Männer standen nach ihren Ordnungen. Der Herzog sah auf alle, und er sprach mit Witiko und mit Rowno und mit Osel, bei dem seine Knaben auf den Pferden waren, welche ihnen der Herzog geschenkt hatte, und mit Diet von Wettern und mit Hermann von Attes und mit Witislaw von Hora und mit Wolf von Tusch und mit Wernhard von Ottau und mit Wyhon von Prachatic und mit Wenzel von Winterberg und mit mehreren der untergeordneten Männer. Dann wendete er sich mit seinem Geleite, und zog wieder durch die Lager zurück.

Des zweiten Tages darauf wehete die Fahne der Versammlung auf dem Zelte des Herzogs. Die Führer gingen in das Zelt. Der Herzog sprach: »Es sind alle Sachen geordnet, welche geordnet werden mußten, und es sind die Scharen gekommen, welche kommen sollten. Es werden heute noch die Zeichen gegeben werden, daß in dem nächsten Frühlichte der Zug beginne. Wir müssen die Veste Znaim hinweg nehmen. Die Feinde ziehen uns entgegen; [] aber wir werden doch des Weges dahin gehen. Die Ordnungen werden wir erfüllen, wie wir sie beraten haben, und ich wünsche einem jeden Heil und Segen auf der Stelle, auf welcher er ist.«

»Heil und Segen«, riefen die Männer.

»Und wir werden Ordnung und Kriegszucht erfüllen«, sagte Bolemil.

»Wir werden sie erfüllen«, riefen die Männer.

»Und so sagen wir uns Lebewohl, bis wir uns wieder auf einem andern Platze versammeln«, sprach der Herzog.

»Lebe wohl«, riefen die Männer, und zerstreuten sich, und gingen zu ihren Leuten.

Nach einer Stunde tönten die Zeichen, daß mit dem Anbruche des folgenden Morgens der Zug in Bewegung kommen solle, und die Zeichen pflanzten sich durch alle Lager fort.

Und es begannen die Arbeiten zur Beseitigung alles dessen, was hindern könnte.

Und als das Licht nach der Frühlingsnacht wieder gegen die Erde dämmerte, standen die Tausende der Männer auf ihren Füßen oder saßen auf ihren Pferden, und die Ordnungen waren eingerichtet, daß die Züge sich entfalten konnten.

Witiko hatte sein dichteres Lederkleid angelegt, und saß auf dem eisengrauen Pferde. Er bildete die Stellung seiner Schar, ließ zu der Meldung der Zeichen die Hörner der Ziegenböcke bestehen, und zu dem Zuge die langen Pfeifen, wie sie auf dem Wege zu dem Berge Wysoka gewesen waren, und die Männer des Waldes gingen auf den Gefilden, die ihnen zugewiesen worden waren, dahin.

Weit ausgebreitet auf den Feldern und Wiesen und Weiden und in den Wäldern gingen auf allen Wegen und Pfaden die Züge Wladislaws dem Lande Mähren entgegen.

Auf dem Boden des Landes Mähren standen die meisten Banner der Feinde.

[] Witiko empfing die Nachrichten von Boten, die er ausgesendet hatte, und sendete wieder neue Boten aus, und eines Morgens sahen die Männer die weißen Zeichen in den dunkeln Gefilden des Frühlings. Und wie die Sonne höher an dem Himmelsbogen stieg, waren die Zeichen vor den Scharen Witikos.

Witiko ließ die Männer antreten, wie er sie gelehrt hatte.

Da kam ein Reiter von den Feinden mit einem Friedensfähnlein, und andere Reiter waren hinter ihm. Er verlangte zu dem Führer. Da er vor Witiko stand, sprach er: »Ich will mit dir allein sprechen.«

»Ich nicht mit dir«, antwortete Witiko, »rede vor allen.«

»Männer«, rief der Reiter, »der hocherlauchte Herzog Wratislaw, der uns führt, sagt mit dem Auftrage Konrads, des Herzogs von Böhmen und Mähren, daß er euch Ehren und Rechte und Befugnisse und Reichtümer geben wird, wenn ihr nach eurer Pflicht zu seinen Scharen steht. Er wird die Krieger Wladislaws zurückwerfen, daß sie des Weges gegen Znaim nicht gedenken können, und die widerstehen, wird er vertilgen.«

»Mann«, rief Witiko, »reite Augenblicks zurück. Wenn ein Mund bis auf die Zahl hundert hinauf gezählt hat, und dich eine Lanze oder ein Pfeil oder ein Bolzen noch erreicht, so wird er dich treffen.«

Der Mann zauderte. Es erhob sich keine Stimme. Dann rief er: »Euer Blut über euch.«

Dann ritt er von dannen, und die Seinigen schlossen sich an.

Witiko ließ Jünglinge, welche Pferde gut zu leiten verstanden, zu Bolemil reiten, der links von ihm in den Fluren war. Es stand ein kleiner Wald an der linken Seite Witikos. Die Jünglinge ritten durch den Wald. Witiko schickte Männer in den Wald, daß sie denselben inne hätten. Dann ließ er die Reiter auf einer offenen [] Fläche, die zwischen ihm und Rowno war, bereit sein. Die Schützen waren auf den Seiten.

Die Feinde gingen mit großem Geschrei vorwärts. Die Männer Witikos gaben keinen Laut von sich. Da tönten die Hörner der Ziegenböcke den einzelnen langen Ton des Streits. Die Männer senkten die Waldschäfte in eine waagrechte Lage, und gingen vor. Sie drückten wie auf dem Wysoka mit den schweren Stiefeln den Boden. Pfeile und Bolzen flogen gegen sie. Sie gingen vor. Der Stoß an den Feind geschah. Sie gingen langsamer vor. Schild und Schwert und Lanze und Speer und Hammer und Keule wurden gegen sie verwendet. Sie gingen vor. Das grüne und weiße und rote und blaue Zeichen, das Zeichen mit den Federn und Bändern, das weiße Banner der Männer von Plan mit der dunkelroten Waldrose, alle gingen gleichmäßig vor, und das große rosenrote Seidenbanner war bei ihnen. Die Scharen Rownos und der andern gingen vor. Die Reiter waren an den Feinden, und Sifrid von Milnet war auf dem weißen Rosse des alten Roder Peter bemerkbar. Die Schützen sendeten Pfeile und Bolzen, wie sie dieselben auf Luchse und Marder senden. Die Feinde erhoben ein größeres Geschrei als früher, die Männer des Waldes antworteten nicht, der lange Ton des Streites erscholl. Da erhob, als es stiller wurde, der Schmied von Plan die Stimme, und rief laut, daß alles übertönt war: »Wir siegen.«

»Wir siegen«, riefen die Männer mit lauten Stimmen.

Dann war es wieder still. Die Feinde gingen schneller zurück, die Krieger des Waldes gingen schneller vorwärts, und dann löseten sich die Ordnungen der Feinde, sie zerstreuten sich in Flucht, und es wurde ein freier Raum vor den Kriegern des Waldes. Diese fielen auf die Knie.

Einen Augenblick knieten sie.

Dann erhoben sie sich. Witiko ritt vor ihrer Reihe hinab, und grüßte sie ehrerbietig mit dem Schwerte.

[] Dann rief er: »Jetzt zur Verfolgung.«

Und die zwei Töne der Verfolgung erschollen aus den Hörnern.

Links von dem Walde konnte man Scharen Bolemils erkennen, und die Männer, die den Wald gehütet hatten, kamen nach vorwärts.

Die Krieger gingen zur Verfolgung, und alle die Reiter strebten den Feinden nach.

Als man endlich von der Verfolgung abgestanden war, als man Verwundete und Tote besorgt hatte, als die Zeit der Ruhe und Erquickung vorüber war, und als Witiko Boten an den Herzog abgesendet hatte, gingen die Männer in der Richtung gegen die Veste Znaim vorwärts.

Dritter Band

1

In Amt und Gut.

Als an dem Tage, an welchem die Scharen des Fürsten Wratislaw durch die Schäfte des Waldes zurückgedrängt worden waren, der Abend heran kam, erreichten die Männer des Waldes die Anhöhe, welche ihnen von dem Herzoge Wladislaw als Nachtlagerungsplatz bestimmt worden war.

Sie breiteten sich auf der Höhe aus, und suchten die Stellen, welche sich zur Nachtruhe eigneten.

Witiko ließ Sifrid von Milnet zu sich rufen, und sagte zu ihm: »Sifrid, bist du von dem Kampfe so ermattet, daß du in der heutigen Nacht nicht noch einen Dienst tun könntest, und ist dein Pferd noch im Stande, einen mäßigen Ritt von einigen Stunden zu ertragen?«

Sifrid antwortete: »Ich habe gesagt, daß meine Glieder sind wie die eines andern Mannes, und daß ich tun will, was ich kann: und da nun der andere Mann den Dienst täte, so tue ich ihn auch, und oft haben wir den ganzen Tag gearbeitet, und in der Nacht getanzt. Und was das Pferd anlangt, so habe ich dir ja erzählt, Witiko, daß ich die Pferde des alten Roder Peter warte, und ich warte sie sehr gut, und weiß, was sie ertragen, und habe mir das beste ausgesucht, da ich fort geritten bin.«

»Also wirst du reiten?« fragte Witiko.

»Ich werde reiten«, sagte Sifrid.

»Also, höre. Hast du dir alles gemerkt, was heute in dem Kampfe geschehen ist?« fragte Witiko.

[] »Ich habe es mir gemerkt«, antwortete Sifrid.

»Wie heißt der Führer der Scharen, die gegen uns gekommen sind?« fragte Witiko.

»Es ist Wratislaw, der Herzog von Brünn, ein nichtsnutziger Vetter unseres erleuchten Herzoges Wladislaw«, antwortete Sifrid.

»Gut, und wie viele Stunden sind wir seitwärts nach rechts in der Verfolgung gegangen, und wie viele wieder links zu unserem Wege, und wohin sind die meisten der Feinde geritten, und wie heißt der Berg, auf dem wir jetzt stehen?« sagte Witiko.

»Wir sind vielleicht drei Stunden gegen Sonnenuntergang hinter den Feinden her gewesen, und sind dann vier oder fünf Stunden wieder in der Richtung gegen Sonnenaufgang gezogen, und die Feinde sind zerstreut gegen Sonnenuntergang geritten, und der Berg, auf dem wir stehen, heißt Braniš«, antwortete Sifrid.

»Es ist, wie du sagst«, entgegnete Witiko, »reite nun zu dem Herzoge, und berichte ihm das alles genauer als meine ersten Boten konnten, und erzähle ihm, was du von dem Kampfe der Wahrheit nach weißt, sage, daß ich dich sende, und daß wir wenige Männer verloren haben. Ich werde dir noch vier Begleiter mitgeben. Stärket euch und die Pferde durch Nahrung und etwas Ruhe. Dann reitet zu Bolemil, Bolemil wird euch einen Boten zu dem nächsten Führer geben, dieser gibt euch wieder einen, und so jeder, bis ihr zu dem Herzoge kommt. Zu Bolemil werde ich auch noch einen andern Boten schicken.«

»Es wäre mir lieb, wenn ich selber meine Begleiter auslesen dürfte«, sagte Sifrid, »ich kenne Genossen, die den Ritt gut vollbringen werden.«

»So wähle sie«, entgegnete Witiko, »und wenn ihr bei dem Herzoge gewesen seid, dann reitet wieder an den Scharen rechts herüber, und sehet, daß ihr morgen wieder bei unserem Zuge seid.«

[] »Ich werde alles genau tun, wie du gesagt hast«, antwortete Sifrid, »und meine Genossen werden in jedem folgsam sein.«

»So gehe, und sei an der Sache«, sprach Witiko.

Sifrid ging.

Als dieses geschehen war, ließ Witiko die Obmänner der Abteilungen zu sich rufen. Und ehe diese dem Rufe des Hornes von ihren Stellen her folgen konnten, wurde das große rosenrote Banner vor Witiko aufgerichtet, und es wurde ein Gezelt für ihn zu Stande gebracht. Als die Obmänner vor dem Gezelte und vor dem rosenroten Banner erschienen waren, sprach Witiko zu ihnen: »Ehrenvolle Männer! Wir sind auf dem Boden der Feinde, und schon unter den Feinden, und es tut not, daß wir alle Vorsicht üben, welche der Krieg gebietet. Wir werden zu allen Zeichen gehen, um ihre Anstalten für die Nacht zu betrachten.«

»Wir werden dir folgen«, sagte einer der Männer.

Witiko ging nun mit den Führern rechts von seinem Gezelte zu dem weißen Banner mit der dunkelroten Waldrose, welches die Fußgänger von Plan in den Boden gesteckt hatten. Er sah den Lagerplatz der Männer an, und die Wachen, welche sie ausgestellt hatten. Dann ging er wieder weiter rechts zu dem grünen Banner der Männer von der Mugrauer Heide, und betrachtete ihr Lager und ihre Wachen. Dann ging er zu dem weißen Banner der Männer von dem schwarzen Bache, dann zu dem blauen Banner der Männer von der unteren Moldau, dann zu dem weißen Kreuze der Männer vom Rathschlage, dann zu der Stange, auf welche die Männer vom Eckschlage Geierfedern gebunden hatten, und überall betrachtete er die Lagerung und die Wachen. Dann ging er wieder zurück bis zu seinem Gezelte, und ging von demselben links zu dem weißen Banner mit der dunkelroten Waldrose, welches die Männer von dem Wangetschlage hatten, und dann weiter links zu dem rosenroten Banner der[] Männer von Friedberg, und dann zu dem roten Kreuze der Männer von der Steinleithe, und dann zu dem gelben Fähnlein der Männer von der Friedau, und dann zu der Stange mit dem grünen Kranze der Männer des neuen Kirchenschlages, und dann zu der Stange mit den himmelblauen Bändern der Männer der Waldmoldau, des Heurafels und der Stift, welche Bänder die vom schwarzen Bache unter ihrem weißen Banner abgelöst, und ihnen gegeben hatten. An allen diesen Stellen betrachtete Witiko auch die Lagerungen und die Wachen, und sah, daß die Sachen recht waren. Dann ging er zu den Reitern, und sah auf ihre und ihrer Pferde Nachtstellen und auf die Wachen. Und auch diese Dinge waren geordnet.

Als dieser Umgang vollendet war, entließ er die Führer.

Dann sammelte er ein Geleite, in welchem sich auch seine Befehlsträger Augustin, Urban und Mathias befanden, und ging mit diesem Geleite zu den Männern von Plan, und hieß die Männer sich ordnen, und blieb vor ihrem Banner stehen. Da die Männer geordnet waren, sprach er: »Stephan, sie haben dich zu ihrem Obmanne gewählt, du hast heute Zucht und Festigkeit gewahret, und die Männer haben gezeigt, daß sie auf dem Wysoka gewesen sind, und auf den Zinnen von Prag, und daß sie der Kriegsfelder immer mächtiger werden. Es gebührt ihnen Ehre und Dank. Und wenn die rote Rose in solcher Blüte wie heute bleibt, so wird sie ein Zeichen der hohen Achtung der Geschlechter werden. Haltet gute Nachtruhe, Männer, und gedenkt meiner, wie ich eurer.«

»Gute Nacht, Witiko«, rief der Schmied, »wir gedenken deiner.«

Dann ging Witiko zu den Männern der Mugrauer Heide, und sprach: »Wolfgang, du hast die Männer im Streite gut geführt, und sie haben die Führung gelohnt. Das grüne Banner ist hinter keinem geblieben. Habet Dank und gute Nacht, ihr lieben Leute.«

[] »Gute Nacht, Witiko«, riefen die Männer.

Dann ging er zu denen vom schwarzen Bache, und sagte: »Simon, dir und den Deinigen gebühret Lob und Dank, und wenn euer Banner immer so leuchtet, so wird es eine Sonne der Ehre. Genießet eine gute Nachtruhe, ihr geliebten Männer.«

»Gute Nachtruhe, Witiko«, riefen die Leute.

Und hierauf ging Witiko zu den Männern der unteren Moldau, und sagte: »Veit, du hast mit deinen Leuten eifrig gekämpft, und ihr verdienst Dank und Erkennung. Ruhet in der Nacht wohl aus von den Mühen des Tages.«

»Ruhe auch wohl, Witiko«, sagte Veit, »du bedarfst der Ruhe am meisten.«

»Sie wird kommen, wenn die Zeit ist«, antwortete Witiko.

Dann ging er zu den Männern vom Rathschlage, und sprach: »Gregor, sie haben recht an dir gewählt, du bist standhaft und stark mit ihnen gewesen. Habet alle einen großen Dank und eine gute Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, sagte Gregor, und »gute Nacht« riefen noch mehrere Männer.

Darnach ging er weiter zu denen vom Eckschlage, und sagte: »Michael, du bist mit den Deinigen streitbar gewesen wie der Vogel, von dem ihr euer Zeichen genommen habt. Und wenn auch nur eine Feder auf eurer Stange bleibt, so wird sie sein wie der Stab eines Herzogs, und die Fürsten und die Herren werden euch darum beneiden. Habet eine ruhige Nacht, ihr lieben festen Leute.«

»Habe eine gute Nacht, Witiko«, sagte Michael, »und gedenke unser.«

»Ich gedenke eurer«, sprach Witiko.

Nachdem er dieses gesprochen hatte, ging er wieder an allen Leuten zurück zu seinem Gezelte, und von demselben [] links zu den Männern aus dem Wangetschlage. Er sprach zu ihnen: »Johannes, wenn auch schon eine Zahl von Jahren über dein Haupt gegangen ist, so sind doch die Wangen desselben noch rot, wie weiß die Haare sein mögen, und die haben wohl getan, die dich zu ihrem Obmanne gewählt haben. Liebe Heimatgenossen, da ihr die rote Waldrose in euer weißes Banner gesetzt habt, weil ich eine rote Waldrose auf dem weißen Schilde in dem Streite des Wysoka getragen habe, und weil Huldrik gesagt hat, daß meine Vorfahren Rosen von Rom gebracht haben, so ist mir dieses ein liebes Zeichen, und ich habe das Zeichen der kleinen Schar gesehen, als wir von den Feinden angegriffen worden sind, und ich habe gesehen, wie das Zeichen ruhig gegen die Feinde ging, als wäre eure kleine Schar eine große. Nehmet dafür den Dank und die Ehre, und möge die Rose allen Gutes bringen, die in unserer Heimat wohnen.«

»Witiko«, sagte Johannes, »du wirst die Rose zu uns bringen, und durch dich und deine Nachkommen wird sie Gutes in dem ganzen Walde verbreiten.«

»Wenn Nachkommen auf mich folgen«, entgegnete Witiko, »und wenn sie die Heimatgenossen so lieben wie ich, so werden Nachkommen und Heimatgenossen in trauter Verbindung mit einander fort und fort in die Zeiten leben.«

»Sie werden in dieser Verbindung leben«, sagte Johannes, »sie werden.«

»Und so pflegt heute eines zufriedenen Schlummers«, sprach Witiko.

»Du auch«, antwortete Johannes.

Darnach ging Witiko zu den Leuten von Friedberg, und sagte: »Oswald, euer Banner hat die rosenrote Farbe der Herzogsbanner, und ist im Streite gewesen wie die Banner des Herzogs. Lob und Vergeltung wird kommen. Ruhet heiter nach der Arbeit.«

[] »Ruhe heiter, Witiko«, riefen mehrere Männer.

Dann ging er zu denen der Steinleithe, und sprach: »Liebhart, ihr seid die wenigsten gewesen; aber wie das Kreuz von den Höhen der Länder in die Ebenen herrschet, so ist euer Kreuz in den Feinden sichtbar gewesen. Habet Preis und Dank und eine friedliche Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, sagte Liebhart.

Dann ging Witiko zu den Männern der Friedau, und sagte: »Peter, ihr habt sehr wenig Hütten; aber ihr habt die Männer aus dem tiefen Walde heraus gezogen, und seid eine große Zahl geworden, und seid im Kampfe verläßlich gewesen wie die harten Stämme des Waldes. Habet eine gute erfrischende Nacht.«

»Du auch«, riefen mehrere Männer, »gute erfrischende Nacht.«

Dann ging er zu denen des Kirchenschlages, und sprach: »Dietrich, euer Kranz ist aus grünen Wollbändern gewunden, ihr habt ihn hoch gehalten, und wenn er so hoch in allen Streiten bleibt, so wird er nicht wie aus Sammet und Seide sein, sondern wie das Grün der köstlichsten Gewächse, die nie erbleichen und welken. Habet Dank und eine erquickende Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, sagte Dietrich.

Dann ging Witiko zu den Männern der Waldmoldau, des Heurafels und der Stift, und sagte: »Thomas, ihr seid die letzten an dem Saume des Landes gegen Baiern hin; aber ihr seid nicht die Letzten im Kampfe gewesen, und werdet es nie sein. Nehmet Lob, und stärkt eure Glieder in fröhlichem Schlummer.«

»Du auch in fröhlichem Schlummer«, riefen mehrere Männer.

Als Witiko bei allen diesen Scharen gewesen war, ging er zu dem Platze der Reiter. Er blieb vor der Lanze Philipps, des Steigers, stehen, die in dem Boden stak, und daran das weiße Fähnlein mit der dunkelroten Waldrose [] hing. Als sich die Männer nach seinem Wunsche vor ihm gesammelt hatten, sprach er: »Wenhart, du liebwerter alter Mann, der du in den Kriegen des Herzoges Swatopluk mit Bořiwoy gewesen bist, in den Kriegen Wladislaws, des Vaters unseres erlauchten Herzoges, mit Bořiwoy, der du in dem Kampfe auf dem Berge Wysoka gewesen bist, und der du gesagt hast, daß ihr in den Kriegen das Zusammenstehen gelernt habt, wie es richtig ist: dich haben die Reiter zu ihrem Führer gewählt, wenn du auch alt bist, wenn du auch von den wenigen kleinen Hütten der Friedau stammst, und wenn auch die größte Zahl der Reitenden aus Plan und der Umgebung von Plan ist. Und du hast es dargetan, daß die Wahl recht war. Auf dem Zuge ist die Ordnung und Zucht der Reiter immer besser geworden, und in dem Kampfe des heutigen Tages sind sie gewesen wie ein einzelner kriegerischer unbezwinglicher Mann. So der Jüngling mit seinem schlanken Leibe auf dem Rosse, so der Mann in seiner Stärke, so der Greis mit seinen weißen Haaren, wie mehrere unter euch reiten. Es ziemt sich, Lob und Ehre über die Schar zu sprechen. Und wenn kein fernerer Kampf schlechter wird als der heutige, so werden die Reiter des Waldes mit ihren kleinen Pferden, wie du auf einem schwarzgrauen reitest, Wenhart, und wie der Richter von der Mugrauer Heide auf einem braunen reitet, und wie der Richter von den Steinleithenhäusern auch auf einem braunen reitet, unter denjenigen sein, die in allen Teilen des Landes werden genannt werden.«

»Es wird kein Kampf schlechter sein«, rief ein Mann, der neben der Lanze Philipps, des Steigers, stand.

»Ich glaube es«, sagte Witiko, »und ich habe dich im Streite schon gesehen auf deinem struppigen ziegelfarbigen Pferde, du Rufer.«

Darauf fuhr er fort: »Und wenn es so ist, so wirst du [] mithelfen, Wenhart, daß die Drangsale des Krieges nicht über unser Waldland kommen, von denen du uns in dem Schenkhause der unteren Moldau erzählt hast.«

»Wenn Gott und die Heiligen nicht dagegen sind«, antwortete Wenhart, »so werden wir alle getreulich helfen, daß sie nicht kommen.«

»Wir werden helfen«, riefen mehrere Männer.

»Und du hast gewiß auch geholfen, Wenhart«, sagte Witiko, »daß aus dem großen schönen Walde, der von den Friedauer Hütten gerade hinan steigt, bis zu der Stelle des heiligen Apostels Thomas, und der links von den Friedauer Hütten gegen den Heurafel und gegen die Stift geht, und der rechts von den Friedauer Hütten sehr weit fortgeht über die untere Moldau, über die Glöckelberge, bis zu dem Hochfichte, so viele Männer zu euch gekommen sind, daß die kleine Zahl der Friedauer eine große geworden ist.«

»Da haben viele zusammen geholfen«, sagte Wenhart, »die als Jäger, als Holzknechte, als Köhler, als Pechsammler, als Kräutersucher, als Bienenväter in dem Walde sind. Und nicht bloß aus denjenigen Wäldern stammen sie, die du genannt hast, sie sind auch aus dem Schönwalde, aus dem Gesenke und aus dem Walde, der von dem heiligen Apostel Thomas gegen Baiern hinabsteigt, und aus der reichen Au gekommen. Florian, der alte Mann, der dich einmal von Baiern herein geführt hat, ist unter ihnen.«

»Das habe ich nicht gewußt«, sagte Witiko, »ich muß einmal zu ihm gehen. Und so hält der Wald zusammen, daß durch viele der Feind von ihm abgewendet werde, wie du gesagt hast, und daß die vielen gegen den Feind sind wie gegen die Wölfe. Wo ist denn der andere Wenhart, der vom Dürrwalde? Ich habe ihn unter den Fußgängern nicht gesehen.«

»Er ist auch nicht unter den Reitern«, sagte Maz Albrecht [] von Plan, »wie er nach dem Streite auf dem Berge Wysoka Männer aufgewiegelt hatte, daß sie nach Hause gingen, weil sie nichts mehr gewinnen könnten, so ist er jetzt gar nicht mitgegangen, weil ihm das Spiel zu teuer schien für gehofften Gewinn.«

»Er fahre wohl«, sprach Witiko. »Und nun, ihr Männer, gönnt euch und euern Tieren Erquickung und Ruhe. Ich sehe euch im Frühlichte wieder, und sage jetzt gute Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko, gute Nacht, gute Nacht«, riefen mehrere.

Witiko ging nun mit seinem Geleite zu seinem Gezelte.

Als er dort angekommen war, dämmerte das Land schon im tiefen Abende, und er sah links von sich weit zurück die Lichter an dem Platze, wo die Leute Bolemils lagern mußten, und weiter zurück sah er noch Lichter in sehr mattem Schimmer.

Vor seinem Gezelte harrten Boten von Rowno und von den andern Führern.

Witiko entließ sein Geleite, ließ die Boten in sein Gezelt kommen, hörte sie an, und fertigte sie dann ab.

Hierauf ging er wieder aus seinem Gezelte, und ging zu Rowno. Mit Rowno sprach er durch längere Zeit.

Dann ging er zu den andern, und sprach mit ihnen auch.

Dann ging er wieder zu seinem Gezelte zurück, und von demselben ging er, und sah, wie die Pferde gepflegt würden, und ordnete noch manches an.

Als dieses alles geschehen war, ging er in das Gezelt, setzte sich zu dem Tische, und aß von den Speisen, die ihm Jakob als heutiges Abendmahl brachte, und trank von dem Weine, der auf dem Tische stand.

Dann legte er sich zur Ruhe.

Er hörte die ordnungsmäßigen Rufe der Wachen in dem Lager.

Zu einer Zeit der Nacht erhob er sich, ging vor das Gezelt, und nahm von den Männern, welche sich an demselben [] befanden, drei, und ging mit ihnen durch das ganze Lager. Er fand alles in dem Stande, wie er es angeordnet hatte.

Dieses tat er nach Mitternacht noch einmal.

Im schwachen Morgenlichte stand er auf, und da die Leute ihr Morgenmahl verzehrt hatten, gab er den Befehl, daß die Zeichen zu der Aufstellung der Männer tönten. Die Zeichen tönten, und die Männer bewirkten ihre Sammlung und Stellung.

Als dieses vollbracht war, bestieg Witiko sein Pferd, ritt vor sie und sprach: »Männer und Kriegesbrüder, ich habe gestern das Recht der Ehre über den gewesenen Kampf vor jeder Abteilung ausgesprochen. Ich spreche es heute vor euch allen Versammelten gebührend aus. Ihr habt getan, was sich geziemt, und was in euern Herzen war. Den Lohn des Herzens habt ihr euch gegeben, den Lohn der Ehre und des Gutes werdet ihr erhalten. Ich habe gestern Boten an den erlauchten Herzog Wladislaw gesendet, welche ihm alles melden sollen. Und wenn ich wieder das Angesicht des hohen Herzoges sehe, und wenn Raum zum Sprechen ist, so werde ich ihm erzählen, wie sich der Kampf in jedem Stücke begeben hat, und er wird das Nötige verfügen. Nun ist es aber an uns, den Zug weiter fortzusetzen. Wir werden an den Zeichen der Abteilungen, die uns zunächst gelagert haben, Weisungen sehen. Der Zug muß in dem Lande der Feinde, wo überall ihre Scharen sein können, vorsichtiger geschehen als bisher. Enthaltet euch von lediglicher Grausamkeit, die Kinder dieses Landes sind wie die Kinder des Landes Böhmen, und der erhabene Herzog Wladislaw ist der Herzog des Landes Böhmen und des Landes Mähren. Achtet, wenn es nicht der Krieg bedarf, der Habe der Bewohner, wie es euch auch schmerzen würde, wenn Brüderscharen kämen, das Eurige dahin zu nehmen. Was die Feinde im Kampfe und nach dem Siege lassen [] müssen, dessen wird jeder seinen Teil erhalten. Was einer in dem Einzelkampfe dem Feinde nimmt, behalte er, und wahre sich's zum Denkmal, oder wende es zur Not der Seinen. Ich wiederhole nun als Bestellter des Herzoges den Dank für den gestrigen Kampf noch einmal, und jetzt gebt das Zeichen zur Zugsbereitschaft.«

Ein Fahnenzeichen wurde vor dem Gezelte Witikos gemacht, und sofort erscholl der Ton der Zugsbereitschaft aus Veit Gregors großem Horne, und die kleinen Hörner wiederholten ihn.

Die Männer löseten ihre Stellung auf, und suchten sich zum Zuge zu rüsten.

Die Arbeiter brachten die Gezeltstücke und die Lagerstücke zu den Säumern, mancher der Männer strebte noch, das eine oder das andere Beuteding, welches von dem gewesenen Kampfe herrührte, bei dem Gepäcke sicher zu bergen, und in kurzer Frist waren alle zu dem Zuge gerichtet.

Witiko hielt auf seinem Pferde vor ihnen. Da kamen noch Boten von Rowno und den andern. Witiko hörte sie und sendete sie wieder zurück. Es kamen auch Boten von Bolemil. Als sie abgefertigt waren, blickte er zu seiner Linken in die Gefilde, er blickte lange dorthin, wo noch Scharen des Herzogs sein mußten.

Hierauf befahl er, zu ziehen.

Der Ton des Zuges erscholl aus dem Horne und ward weiter gegeben.

Und unter den Klängen der langen Pfeifen schritten die Männer vorwärts, und mit Pfeifen und Heerpauken strebten die Reiter ihres Weges dahin. Der Troß folgte.

Nach drei Stunden war eine kurze Vormittagsruhe, und wieder nach drei Stunden kam die Ruhe des Mittages. Die Männer und die Frauen, welche mitgekommen waren, machten Feuer, und bereiteten Speisen, und man richtete die Getränke zurecht. Den Pferden wurde Nahrung und Trank gereicht.

[] Da sie noch ruheten, sahen sie großen Rauch vor sich in dem Lande emporsteigen.

Witiko sendete sogleich Kundschafter in der Richtung dahin.

Dann ließ er die Männer sich so lagern, daß sie schnell in Kampfbereitschaft sein konnten.

Ehe seine Boten aber einen großen Weg zurückgelegt hatten, kamen Wakul, der Sohn des Buš, und Ferin, der Sohn Ferins, die zu den Kundschaftern Witikos gehörten, und sagten, daß der Ort Jamnic brenne, und daß Männer des Herzogs, welche aus den Gebirgen gegen Polen stammen, als Vorhut seitwärts gestreift und das Feuer angezündet haben, und daß sie den Einwohnern jede Habe genommen haben, die man wegtragen konnte. Die Männer in dem Lager sahen jetzt auch noch an anderen Stellen Rauch aufsteigen, wo vielleicht Krieger des Herzoges waren.

Die Witiko ausgesendet hatte, kamen zurück, und sagten das nämliche, was Ferin und Wakul gesagt hatten.

Witiko ließ, da die festgesetzte Zeit zu der Mittagsruhe aus war, die Männer wieder zu dem Zuge sich sammeln.

Und der Zug ging in Ordnung, wie ihn Witiko eingerichtet hatte, weiter.

Auf den Fluren fand er jetzt keinen Menschen mehr, auch war beinahe kein Tier zu erblicken. Raben, Dohlen, Krähen und derlei Gevögel waren in der Nähe der Scharen, als zögen sie mit. Wo sie Häuser trafen, waren ihre Tore und Türen offen, und ihre Gelasse erbrochen. Selbst die Kirchentore waren eingeschlagen, und Geräte des Gottesdienstes aus den Heiligtümern entwendet. Das Gras der Wiesen und die emporstrebenden Wintersaaten waren verwüstet, und was man hatte erraffen können, war zu Pferdefutter und zu Futter der Ochsen verwendet, die bei dem Heere waren.

Am späten Nachmittage kamen die Männer Witikos [] nach dem Orte Jamnic. An vielen Stellen brannte das Feuer noch. Wo keines brannte, war es erstorben, weil alle brennbaren Stoffe verzehrt waren; denn zum Löschen waren keine Arme vorhanden gewesen. Die Mauern standen geschwärzt aufrecht, oder waren zum Teile gestürzt, durch die Fensterhöhlen sah man in leere Räume, und die Schornsteine ragten hoch aus dem Getrümmer empor. Es waren keine lebenden Geschöpfe zugegen.

Witiko ließ seine Leute teils durch die Brandstätte, teils um dieselbe gehen. Die Männer schauten mit sehr ernsten Gesichtszügen auf die Dinge, und die Weiber klagten laut, daß man alles weggenommen habe.

Von dieser Stelle bewegte sich der Zug Witikos weiter gegen rechts, und gelangte in Fluren, durch welche noch keine Krieger gezogen waren. Man hatte den ganzen Tag keinen Feind gesehen.

Als Nachtlagerplatz war die Stelle bestimmt, wo die Häuser von Petrein standen. Es waren auch zwei große Burgen in der Nähe. Die Männer Witikos ordneten den Lagerplatz, wie es in Feindesland eingeführt worden war. Als die Häuser und die Burgen durchsucht waren, sendete Witiko Abteilungen von Kriegern in dieselben, daß sie, was an Nahrungsmitteln, an Futter für die Tiere und an Zugesbedarf vorhanden wäre, nähmen, damit ein Teil heute noch gebraucht, ein anderer Teil für den weiteren Gebrauch mit dem Zuge fortgeschafft würde. Die Krieger brachten auf Wägen weniges Getreide, Mehl, Eier, Brod, einiges geräuchertes Schweinfleisch, Bier, Wein, Heu und Stroh. Sie sagten, daß die Häuser und Burgen offen stehen, und daß sie nur den Rest bringen, den die Fliehenden nicht mehr haben bewältigen können. Es habe keiner der Männer etwas für sich genommen, wie Witiko eingeschärft habe. Es sei auch fast nichts gewesen, was man hätte nehmen können. In der Nacht aber gingen Leute des Trosses doch noch in die Streife, und [] brachten Hühner und anderes Geflügel nebst Lappen für ihren Leib in das Lager.

Witiko ließ die Nachtruhe halten wie in der vergangenen Nacht. Er untersuchte wieder mehrere Male das Lager.

Am Himmel sah man, als es finster geworden war, Röten von großen Feuern.

Als sich der Morgenhimmel lichtete, stand Witiko vor seinem Gezelte, und schaute in die Gegend hinaus, so weit man schon irgend etwas erblicken konnte.

Nach einer Zeit sagte er zu dem Knechte Jakob: »Gehe zu denen aus der Friedau, und frage nach dem alten Florian, der im Walde an der reichen Au hauset, die im Mittage von der Waldstelle des heiligen Apostels Thomas liegt.«

»Ich kenne den Mann«, sagte Jakob, »Huldrik hat uns erzählt, daß er Euch durch den Wald aus Baiern herein geführt hat, zu jener Frist, da Ihr nicht in dem Wangetschlage gewesen seid.«

»Es ist dieser Mann«, sprach Witiko, »führe ihn zu mir.«

»Ich werde es tun«, sagte Jakob.

Darauf entfernte er sich, und kam in kurzer Zeit mit Florian zurück.

Witiko war noch vor dem Gezelte. Er sprach zu Florian: »Komme mit mir in meine Wohnung.«

Als sie in dem Gezelte waren, sagte Witiko: »Setze dich auf diesen Stuhl, Florian.«

Florian tat es. Witiko setzte sich auf einen andern Stuhl, und sprach: »Sei mir von meinem Herzen gegrüßt, Florian. Ich habe dich selber bei deinen Mitstreitern besuchen wollen; aber weil Boten und Nachrichten kommen können, mußte ich bei dem Gezelte bleiben.«

»Ich bin recht gerne zu dir gegangen, Witiko«, sagte Florian.

»Und du bist auch in deinem Alter noch in den Krieg gegangen«, sprach Witiko.

[] »Sie haben erzählt, wie du in der unteren Moldau gewesen bist«, antwortete Florian, »und gesagt hast, was von den Feinden und von einem Herren, der in die Wälder kommen wird, zu fürchten ist, und da habe ich gesagt: Wir im Mittage von dem heiligen Thomas haben auch wie die andern Waldleute nur den Herzog zum Herrn, und ich habe Witiko vor Jahren, da er schier noch ein Knabe war, durch unsern Wald und durch die Wälder an den Moldaufällen und durch die krumme Au bis in das ebene Land hinein geführt, und wenn manche Waldleute dem alten Wenhart von der Friedau folgen, so sollen wir auch nicht zurückbleiben, und mit den Friedauern sein, und manche sind gegangen, und ich bin mit gegangen.«

»Ich gedenke es dir noch mit Dankbarkeit«, sagte Witiko, »wie du im Einvernehmen mit deinem Sippen, dem Köhler Mathias, der unter dem breiten Berge wohnt, und in dessen Hütte ich geschlafen habe, mir gutes Geleite aus Baiern in das Land Böhmen gegeben hast. Es ist ein schöner Wald, in dem du wohnst, und auf dessen Schneide die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden ist.«

»Er ist der schönste weit und breit«, sprach Florian.

»Es mag wohl so sein«, antwortete Witiko, »und du hast Männer aus dem schönen Walde gebracht, und bist selber mit ihnen gekommen, der Sache des Herzoges zu helfen. Ich habe es gestern gehört, und habe Freude darüber gehabt, und wollte mit dir sprechen.«

»Und wir haben Freude darüber, daß du uns führst«, sagte Florian, »du bist nicht herrisch, und meinst es gut.«

»Jetzt nimm einen Morgenwein und ein Stückchen Morgenbrot mit mir«, sprach Witiko.

»Das werde ich gerne tun, wenn du es willst«, sagte Florian.

Witiko ließ aus seinem Vorrate etwas Wein bringen, dann Brod und zwei Schnitten kalten Bratens.

[] Er teilte das Gebrachte mit Florian.

Als sie gegessen und getrunken hatten, sagte Witiko: »Jetzt gehe zu den Männern von der Friedau, und bringe ihnen meinen Gruß, und sage ihnen, wir wollen recht getreulich zu einander halten, und wenn alles aus ist, an den Ufern der Waldmoldau von den Dingen sprechen.«

»Ja, das werden wir tun«, sagte Florian, »und wir werden sprechen.«

Witiko geleitete seinen Gast aus dem Gezelte, reichte ihm die Hand, verabschiedete sich, und der alte Mann schlug seinen Weg zu denen von der Friedau ein.

Der Tagesschein war nun völlig klar geworden, die Morgenarbeiten des Lagers waren im Gange, und Krieger aller Arten gingen bei Witiko in Feldtätigkeit ab und zu.

Als dieses geschah, kam Sifrid von Milnet mit seinen Gefährten gegen das Gezelt Witikos. Mit ihnen ritten mehrere Reisige des Herzogs. Zwei von den Reitern trugen jeder ein großes rotseidenes Banner.

»Seid ihr zurück«, rief Witiko, »und hast du mit dem Herzoge gesprochen, Sifrid?«

»Ja, mit dem hocherhabenen Herzoge und mit Bischöfen und mit alten Führern und mit dem Bruder des Herzoges, der Prag verteidigt hat, und mit dem andern Bruder, und noch mit andern, Welislaw grüßt dich, und ich bringe den Dank des Herzogs«, sagte Sifrid.

»Seid ihr in der Nacht geritten?« fragte Witiko.

»Nicht in der ganzen Nacht, aber gegen den Morgen lange«, sagte Sifrid.

»So erquicket euch, und sorget, daß die Tiere Pflege bekommen«, sprach Witiko. »Ihr könnt von den Speisen und Getränken, die ich schaffen werde, vor dem Zelte genießen, und rückwärts sind Stände für Pferde, und meine Knechte werden das Notwendige liefern. Die Botschaft von dem hohen Herzoge wirst du vor allen Männern verkündigen, Sifrid.«

[] »Soll ich sie dir nicht zuerst allein sagen?« fragte Sifrid.

»Nein, du sollst alles, was du von dem Herzoge und von andern weißt, vor allen sagen«, entgegnete Witiko.

»Wenn es dir so genehm ist, werde ich es tun«, antwortete Sifrid.

»So steigt von den Pferden, und verfahret, wie ich gesagt habe«, entgegnete Witiko.

Die Männer stiegen von den Pferden. Krieger, die vor dem Gezelte waren, standen ihnen bei, die Anordnungen Witikos auszuführen.

Witiko hieß seine Leute Speise und Trank für die Angekommenen herbei bringen, und seine Knechte das Notwendige für die Pferde in Bereitschaft setzen. Dann ließ er die Zeichen für die Aufstellung der Männer geben.

Als nicht nur Sifrid, und die mit ihm gekommen waren, sondern auch alle, die sich in dem Lager befanden, ihr Morgenmahl verzehrt, und sich dann aufgestellt hatten, führte Witiko Sifrid und die Reiter des Herzogs vor sie, und sprach »Männer, Krieger, Freunde, höret, und was jeder hört, sage er weiter seinen Nebenmännern, und die wieder weiter, daß alle wissen, was gesprochen worden ist. Sifrid von Milnet, den ich mit der Botschaft des gewesenen Kampfes zu dem erlauchten Herzoge geschickt habe, ist zurückgekehrt, und bringt die Antwort des Herzoges. Sifrid, rede.«

Sifrid stellte sich vor die Männer, und sprach: »Kampfesbrüder und Feldgesellen, unser Obmann Witiko hat zu mir gesagt: reite zu dem hohen Herzoge, und erzähle ihm alles, was du von dem Kampfe jetzt gesagt hast; denn er hat mich vorher gefragt, und was du der Wahrheit nach noch weißt, und sage, daß ich dich sende, und daß wir nur wenige Männer verloren haben. Ich ritt mit vier Freunden zu dem Herzoge. Ehe die Morgenzeichen gegeben waren, standen wir bei dem großen roten Banner vor seinem Gezelte. Und als ich gesagt hatte, was ich [] wolle, und als es ihm gemeldet worden war, ließ er Männer in sein Gezelt kommen, und ließ uns dann vor sie hinstellen. Es war sein Bruder da, der erlauchte Diepold, dann sein anderer Bruder, der erlauchte Heinrich, es war der Bischof von Prag da, es war der Bischof von Olmütz da, welcher erst gekommen war, es war der Župan Lubomir da, es war Diwiš da, es war der Abt von Kladrau da, und der Abt von Wilimow, und der Kanzler Gervasius, und ein Priester, den sie Daniel hießen, und es war der Župan, der Župan, ich habe die Namen vergessen, ein guter junger Mann, Welislaw, der ein Freund Witikos ist, hat sie mir alle gezeigt, da die Sache aus war, und hat gesagt, er lasse Witiko aus dem Gemütsgrunde grüßen. Und der hohe Herzog hat gesagt: Junger Bote, rede. Und ich habe dann geredet: die Feinde sind vor uns gekommen, und einer hat gesagt, wir werden großen Lohn bekommen, wenn wir zu dem unrechten Herzoge Konrad halten wollen, der Herzog Wratislaw von Brünn sende ihn, und der Herzog Wratislaw bürge für seine Worte, und wenn wir uns nicht fügen, werden wir alle vertilgt werden. Und unser Obmann Witiko hat den Boten fortgejagt, und hat uns zu dem Kampfe geführt, und hat angeordnet, wie alles geschehen müsse, und hat im Kampfe gerufen, und hat seine Rufe durch die Boten überall hin geschickt, und hat es sehr gut gemacht.«

»Erzähle, was du von den Männern gesagt hast, nicht von mir, ich habe dir nichts davon aufgetragen«, unterbrach ihn Witiko.

»Du hast gesagt: Erzähle, was du von dem Kampfe der Wahrheit nach weißt«, sprach Sifrid, »und das ist die Wahrheit.«

»Es ist die Wahrheit«, rief ein Mann, »Witiko hat gut geordnet.«

»Witiko hat gut geordnet«, riefen zahlreiche Stimmen.

»Männer«, rief Witiko, »laßt den Boten reden, unsere Zeit ist kurz. Rede weiter, Sifrid.«

[] Sifrid sprach weiter: »Witiko hat es sehr gut gemacht. Wir gingen, da die Hörner der Ziegenböcke erschallten, immer vorwärts, wie es sein muß. Der Herzog Wratislaw hat selber die Scharen gegen uns angeführt, die Reiter drängten auch vorwärts, und die Bogenschützen, und alle, wir hätten eher gewollt, daß der Boden, auf dem wir standen, mit uns in den Abgrund stürze, als daß wir den Feinden einen Grashalm gelassen hätten, und sie wankten, und sie wurden locker, und flohen auseinander. Und da vor uns ein Raum geworden war, fielen die Männer auf die Kniee, und dankten Gott. Und dann verfolgten wir die Feinde drei Stunden oder dergleichen rechts ab von der Richtung unseres Zuges, und sie zerstreuten sich immer weiter, und wir gingen dann fünf Stunden lang wieder gegen links, daß wir unseres Weges gewännen. Und keiner hat sich mehr weiter blicken lassen, der uns etwas angehabt hätte, und alle die Zeichen, welche die Abteilungen Witikos haben, sind unter der roten Fahne ganz gleich in dem Kampfe vorgegangen, und Rowno befehligte Waldleute im Kampfe an unserer rechten Seite, und sie gingen mit ihren kleinen Zeichen vor, wie wir mit dem großen, und Wyhon von Prachatic befehligte die anderen Waldleute rechts von Rowno, und diese gingen auch mit ihren kleinen Zeichen vor, wie wir und Rowno, und alle waren gleich. So ist die Sache gewesen. Wir haben wenige Männer verloren. Die Toten sind begraben worden, die Verwundeten haben sie in Pflege genommen, es wird schon für sie gesorgt sein, ich weiß nicht, wer sie sind, ich mußte am Abende mit meinen Freunden gleich fort reiten, um die Botschaft zu bringen, wie ich sie weiß, und so, wie ich sagte, weiß ich sie. Heute muß ich wieder zurück reiten, um den Zug Witikos zu treffen, wie er in der Anordnung weiter geht, die bestimmt worden ist. So habe ich zu dem hohen Herzoge geredet, und dann redete ich nicht mehr.

[] Der Herzog aber fragte mich, ob die Schar Wratislaws groß gewesen sei.

Ich sagte: Wir haben die Männer nicht gezählt; aber unsere Kriegsleute haben nach dem Kampfe gesprochen, daß ihre Zahl größer gewesen sei als die unsrige. Wir haben sie bloß in die Flucht gejagt.

Haben eure Männer gerufen, daß sie eher mit dem Boden in den Abgrund stürzen, als dem Feinde einen Grashalm lassen wollen? fragte der Herzog.

Nein, antwortete ich, ich habe mir gedacht, daß sie so denken wie ich.

Denke nur in jedem Kampfe so, sprach der Herzog.

Ich denke im Kampfe und auf dem Zuge immer so, antwortete ich, ich habe einmal zu Hause gesagt, daß wir eher die Wälder anzünden als sie dem Feinde lassen sollen; aber Witiko hat geantwortet, das wird nicht nötig sein.

Eure Wälder werden grünen, wenn die Feinde längst zu Boden geworfen sind, sagte der Herzog.

Bist du unter den Reitern Witikos, und stammst du aus dem Walde? fragte er mich dann wieder.

Ich bin der Sohn eines armen Weibes, antwortete ich, der mein Vater vor vielen Jahren gestorben ist, und warte die Pferde des alten Mannes Roder Peter, und weil er nicht mehr in den Krieg ziehen kann, so hat er mir ein weißes Pferd geliehen, und mit dem bin ich unter den Reitern Witikos, weil ich in Milnet im Walde nicht weit von Witiko wohne.

Und ihr Reiter habt euch gut gehalten? fragte der Herzog.

Die Feinde haben sehr schöne Pferde gehabt, antwortete ich, aber wir haben nicht nachgegeben, und haben ihnen vierzig oder fünfzig genommen.«

»Es sind siebenzig«, rief Maz Albrecht.

»Das habe ich nicht gewußt, sonst hätte ich es gesagt«, antwortete Sifrid.

[] »Unterbrecht den Boten nicht, rede weiter, Sifrid«, rief Witiko.

Und Sifrid redete weiter: »Der Herzog sprach: ›Sage den Männern aus dem Walde meinen großen Dank für ihren Kampf, sage ihnen den Dank der Lechen und Herren, die um mich sind. Wenn wir sie sehen, werden wir ihnen alle danken, und sie ehren, und den Lohn, der ihnen aus den Kriegseroberungen gebührt, werden sie erhalten. Sage Witiko meinen Dank und Rowno und Wyhon, ich gedenke ihrer. Und weil Rowno und Wyhon kleine Zeichen haben, werde ich ihnen und zwar einem jeden ein großes rotes Banner senden. Reiter von mir werden mit dir reiten, und die Banner bringen. Rowno und Wyhon sollen auf die Zeichen achten, wie sie auf ihre kleinen Zeichen geachtet haben. Für die Verwundeten und die Angehörigen der Toten werde ich dir ein Geld mitgeben, verteilt es redlich und ohne Zank. Jetzt erquickt euch, und zeigt es an, wenn ihr wieder weiter ziehen wollt. Merke dir meine Worte, daß du sie überbringst, wie ich gesagt habe.‹

›Ich merke sie mir, hoher Herr‹, sagte ich.

Dann stand der hocherlauchte Herzog auf, nahm seine Haube von dem Haupte, und sprach: ›So ehre ich die Leute aus dem Walde.‹

Und sein hocherlauchter Bruder Diepold stand auf, und sein Bruder Heinrich stand auf, und die hochehrwürdigen Bischöfe standen auf, und die Herren und Lechen standen auf, und sie nahmen die Hauben von den Häuptern, und riefen: ›So ehren wir die Leute aus dem Walde.‹

Mit mir drehete sich der Raum, als sie so riefen, und als ich vor ihnen stand. Dann gingen sie zu mir, und fast ein jeder sprach mit mir, ich weiß unsere Worte nicht mehr. Und ein junger Mann, der so lichte Haare hat wie ich, nahm mich bei der Hand, und sagte: ›Es wird schon recht werden, du junges Blut, erinnere dich meiner, ich heiße [] Welislaw, und bringe Witiko einen Gruß von mir aus dem Gemütsgrunde‹, und er nannte mir die Männer, die da waren, und dann gingen wir aus dem Gezelte, und wir bekamen Speise und Trank und unsere Pferde Futter, und dann kamen die Reiter des Herzogs zu uns, welche die zwei roten Fahnen hatten, und als wir sagten, wir wollen fortziehen, gab mir ein Mann einen Beutel mit Geld für die Verwundeten und für die Angehörigen der Toten, und die Schnüre des Beutels sind mit einem roten Wachspetschaft verklebt, und jeder von uns fünf Boten erhielt drei Goldstücke, und dann ritten wir fort, und die Reiter mit den zwei roten Bannern ritten mit uns. Die Banner sind da, und den Beutel habe ich zu übergeben, und ich gebe ihn unserem Obmanne Witiko.«

Sifrid zog einen rotledernen Beutel aus seinem Wamse, und reichte ihn Witiko.

Witiko rief: »Ich verwahre das Geschenk des hohen Herzoges, und werde das Siegel mit Rowno und Wyhon und den Männern des Rates öffnen, und der Rat wird die Verteilung vorschlagen.«

»Segen und Heil dem hohen Herzoge von Böhmen und Mähren«, rief der Schmied von Plan.

»Segen und Heil dem hohen Herzoge«, riefen fast alle Männer mit einem erschütternden Schalle der Stimmen.

»Wir sind dem hohen Herzoge Dank schuldig für seine Worte und sind ihm Dank schuldig für seine Geschenke«, rief Witiko, »wir werden den Dank auf dem Kriegsfelde bezeigen.«

»Auf dem Kriegsfelde«, riefen die Männer.

»Jetzt aber, Freunde und Genossen«, sagte Witiko, »müssen wir die Banner zu Rowno und Wyhon bringen. Tretet vor, Führer der Abteilungen. Indessen die andern noch alles in Ordnung richten, was nach der heutigen Lagerung not tut, gehen wir zu Rowno und Wyhon, und übergeben ihnen die Fahnen.«

[] Die Führer sammelten sich, und Witiko ging mit ihnen und mit Sifrid und seinen Begleitern und mit den Reisigen des Herzogs, davon zwei die Banner trugen, zuerst zu Rowno.

Als sie vor ihm angekommen waren, sprach Witiko: »Rowno, der erlauchte Herzog erkennt, was du im gewesenen Kampfe geleistet hast, und was die Deinigen geleistet haben. Er läßt dir durch den Boten, den ich zu ihm geschickt habe, seinen Dank sagen, und sendet euch ein großes rotseidenes Banner durch Männer seiner Schar, die vor dir stehen, daß du dieses Zeichens so achtest, wie du deiner Zeichen bisher geachtet hast. Empfange von dem Manne das Banner.«

Der Mann senkte die Fahne grüßend vor Rowno und seinen Kriegern, und gab sie Rowno. Dieser sagte kein Wort, und es standen Tränen in seinen Augen, dann küßte er den Zipfel der Fahne, und reichte sie einem seiner Krieger.

Hierauf ging er zu Witiko, und schloß ihn in die Arme.

Die Männer aber riefen: »Glück dem Herzoge.«

»Glück dem Herzoge«, riefen sie dreimal.

Dann verabschiedete sich Witiko von Rowno, und ging mit seinem Geleite zu Wyhon von Prachatic.

Demselben sagte er die Worte, die er zu Rowno gesagt hatte, und der Mann des Herzogs grüßte mit der Fahne, und gab sie Wyhon. Dieser schwenkte sie, und rief: »Im ganzen Kriege und in allen Kriegen, die noch kommen werden, soll sich unser Dank und unsere Erkennung des Herzoges erweisen.«

Die Männer Wyhons riefen: »Heil dem Herzoge, Heil dem Herzoge.«

Die Fahne wurde einem Manne in die Hand gegeben, und Wyhon bezeigte Witiko, und seinem Geleite und den Reisigen des Herzogs seinen Dank. Dann verabschiedeten sie sich, und Witiko ging mit allen wieder zu den Seinigen zurück.

[] Nach kurzer Zeit begaben sich die Reisigen des Herzoges auf den Rückweg. Witiko aber ordnete alles zu dem Weiterzuge, und in kleiner Frist setzten sich seine Scharen in Bewegung.

Am Abende dieses Tages, da das Nachtlager eingerichtet war, kamen Boten von Bolemil, welche bedeuteten, daß man an der Stelle angekommen sei, von der aus die Entscheidung gesucht werden würde. Die Boten gaben die Bewegungen an, die gemacht werden sollen, daß das Heer sich sammle.

Und am nächsten Tage und an dem folgenden Tage sammelte sich das Heer.

Als es gesammelt war, wurden die Führer zu dem Herzoge entboten, damit Rat gehalten werde.

Im Rate wurde beschlossen, was geschehen, und wie der Feind angegriffen werden soll.

Ehe die Männer des Rates auseinander gingen, wurde gemeldet, der Mährer Drslaw sei gekommen, und verlange mit dem Herzoge zu sprechen.

»Führt ihn herein«, sagte Wladislaw.

Drslaw wurde herein geführt.

»Sprich, Drslaw, was begehrest du?« fragte der Herzog.

»Ich will dir allein eine Enthüllung machen, hocherlauchter Herzog«, sagte Drslaw.

»Mache die Enthüllung, so du willst, vor allen diesen, oder gehe ohne Enthüllung deine Wege«, sagte der Herzog.

»Du befiehlst es so, hoher Herzog«, sagte Drslaw, »und ich gehorche. Mehrere von uns, die ich dir nennen werde, wenn du unser Vorhaben gut heißest, haben beschlossen, deiner Sache zu dienen, wenn du uns den Fortbesitz unserer Habe und unseres Gutes gewährleistest, und ihre Vermehrung nach deinem Sinne versprichst. Wir werden in der Schlacht die Reihen Konrads verlassen, und Unordnung stiften, werden, wenn es möglich ist, sogleich für dich kämpfen, und den Sieg in deine Hände bringen.«

[] »Was soll dem Manne geantwortet werden?« fragte der Herzog.

Alle schwiegen.

»Sprich, Otto, Bischof von Prag.«

»Er bringt Verrat«, sagte Otto.

»Er verrät den in dem Augenblicke, der ihm in dem Augenblicke vertraut«, sagte Zdik.

»Haben die Fürsten aus dem Stamme Přemysls noch viele solche Freunde?« fragte Diepold.

»Und was sagt Bolemil?« fragte der Herzog.

»Dem Manne antworte ich nicht«, entgegnete Bolemil.

»Hängt ihn an den nächsten Baum«, rief Welislaw.

»Es wird wohl des Rates nicht viel nötig sein«, sagte der Herzog. »Drslaw, wenn du aus Reue zu mir gekommen wärest im offenen Zurücktritte von Konrad, hätte ich dich mit Freuden aufgenommen, und die Gewährleistung und Vermehrung deiner Habe wäre dir sicher gewesen wie jedem meiner Krieger; aber du wolltest durch dein Beginnen eine weit größere Vermehrung erzielen, und hast dich geirrt. Wenn ich mit einem fremden Feinde in einem ordnungsgemäßen Kriege wäre, würde ich dich binden lassen, dich gebunden dem Feinde überliefern, und dein Ansinnen melden. Nun aber bin ich auf einem Zuge wider Räuber von Ländern und Gewalt, sie zu strafen, nicht Sitte und Gestalt eines Krieges zu üben. Gehe daher deiner Wege. Deine Habe ist dem Sieger verfallen, weil du bei den Empörern bist. Und wenn allen Empörern verziehen werden würde, so würde dir nicht verziehen werden, und deinen Helfern nicht, wenn sie mir bekannt werden. Und sie werden bekannt werden; denn Verräter verraten einander wieder. Ist der Mann mit einem Geleite gekommen?«

»Wir haben niemand bei ihm gesehen«, sagte der Anmelder, »die Vorwachen haben ihn gefangen gesendet.«

»So gebt ihm zwölf Männer, daß sie ihn ungefährdet an [] die Grenze des Lagers bringen. Welislaw, tue mir den Dienst, die zwölf Männer beizuordnen. Ich frage nun alle Herren und Lechen, ist einer der Meinung, daß mit dem Manne anders verfahren werde? Ist er dieser Meinung, so bitte ich ihn, daß er rede.«

Alle schwiegen.

»So sind wir einig«, sagte der Herzog, »Welislaw, sorge, wie ich gesagt habe.«

»Wenn du, hoher Herzog, auf diese Art gegen diejenigen handelst, die dir Gutes tun wollen, so ist es übel«, sagte Drslaw.

»Fort von hier«, sagte Wladislaw.

Welislaw ging aus dem Gezelte, kam mit zwölf Männern und einem Führer zurück, sie umringten Drslaw, Welislaw gab ihnen Weisung, und sie führten den Eingeschlossenen aus dem Gezelte.

»Hohe Herren«, sagte Wladislaw, »ich habe gedacht, daß wir mit froherem Mute aus der Versammlung gehen werden, als uns nun dieser Mann eingeflößt hat. Vergeßt es.«

»Man nimmt das Böse auf dem Wege, und verdammt es«, sagte der Bischof Otto, »und sucht es aus dem Gemüte zu bringen.«

»Wäre jedes Ärgernis so leicht zu überwinden, wie das von diesem Wichte«, sagte Zdik.

»Und wir werden unsere Sache rein zu Ende führen«, sagte Lubomir.

»Und so nehmet meinen Dank, ihr Männer und Freunde«, sagte der Herzog, »daß ihr mit Rat und Stimme bei mir gewesen seid. Ich glaube, wir haben, was not war, heute vollendet. Lasset es euch fürder nicht verdrießen, der Sache treulich beizustehen.«

»Nein, nein«, riefen mehrere Stimmen, »wir stehen bei.«

Der Herzog erhob sich, die Männer erhoben sich auch, und zerstreuten sich nach ihren Abteilungen.

Am Abende dieses Tages kamen noch Leute aus dem [] mittäglichen Walde. Sie sagten, daß sie den Weg nach Pilgram genommen hätten, weil man ihnen denselben gewiesen hat, im Walde seien noch Zusammenkünfte gewesen, und man habe an Witiko und Wenhart gedacht, und sie hätten sich zurecht gerichtet, und seien nachgegangen. Sie wollen jetzt mit Witiko reden.

Witiko trat vor sie, und sprach: »Seid gegrüßet, ihr Männer, was ist euer Begehren?«

»Wir möchten mit denen aus unserer Gegend an dem Kriege teilnehmen«, antwortete einer aus ihnen.

»Und weil du ein Führer bist, so möchten wir von dir geführt sein«, sprach ein anderer.

»Wie viele seid ihr?« fragte Witiko.

»Wir sind einhundertundfünf Männer«, antwortete der, welcher zuerst gesprochen hatte.

»Es kommen noch mehrere«, sagte ein alter Mann, »weil sie von der Sache reden, und weil eine Entscheidung sein muß.«

»Es ist gut, und es muß eine Entscheidung sein«, sagte Witiko, »und wir müssen zusammenhalten, die zusammen gehören. Ich kenne einige von euch, und manche werden mich kennen.«

»Wir kennen dich«, riefen viele Stimmen.

»Haben einige unter euch reiten gelernt?« fragte Witiko.

»Ich habe mich geübt«, rief ein Mann.

»Ich auch«, »ich auch«, »ich auch«, riefen andere.

»Das ist gut«, sagte Witiko, »wir haben Pferde. Ihr alle werdet unter die verteilt werden, welche den Krieg und seine Bewegungen schon kennen, daß ihr die Sache in der Art verrichten lernt, wie sie die verrichten, welche schon lange dabei sind. Aber, liebe Heimatgenossen, ich darf das nicht allein tun. Lagert euch an dieser Stelle, erquickt euch, ich werde sogleich zu dem hohen Herzoge reiten, werde ihm das Vorkommnis erzählen, und werde ihn bitten, daß er euch zu meinen Männern gebe.«

[] »Er wird es tun, weil wir zu dir gekommen sind«, sagte der alte Mann.

»Er wird es tun«, sprach Witiko.

Darauf verlangte er sein Pferd, Jakob brachte es, er bestieg es, und schlug den Weg in der Richtung nach dem Lager des Herzogs ein.

Als er dort angekommen, und zu Wladislaw geführt worden war, sagte dieser: »Du kömmst noch gegen die Nacht, Witiko, was bringst du?«

»Es sind einhundertundfünf Männer aus unserem Walde gekommen, und verlangen als Streiter mit meinen Leuten vereinigt zu werden. Weil ich ihre Art und Weise kenne, und weil ich die Hoffnung habe, daß ich sie wie die andern zu leiten vermögen werde, so bitte ich dich, hoher Herr, daß du die Vereinigung genehm halten wollest«, sagte Witiko.

»Werden sie brauchbar sein?« fragte der Herzog.

»Sie werden unter meine Männer verteilt werden, und dann werden sie tun wie die übrigen, und unsere Kraft vermehren.«

»So vereinige sie mit dir, Witiko«, sprach der Herzog. »Du weißt aus dem Rate, daß eure Abteilung wichtig werden kann. Links von dir ist Bolemil, und wird ausdauern. Ich habe Vertrauen auf Bolemil und dich. Wir andern werden mit unsern Streitern auslangen, und auch das Unsere tun.«

»Die Männer des Waldes haben den Willen wie die Besten«, sagte Witiko, »wenn nur meine Führung ausreichend ist.«

»Gebrauche deine Einsicht frei und unbeirrt, wie der Augenblick es fordert, du bist nur dir und mir Rechenschaft schuldig, das andere walte Gott«, sagte der Herzog.

»Oft sind unvorhergesehene Geschehnisse, welche unvorhergesehene Mittel erheischen«, sprach Witiko.

»Gebrauche die Mittel, wie du sie erkennst«, antwortete Wladislaw, »du wirst sie der Gelegenheit anpassen.«

[] »Möge der Herr im Himmel zu der rechten Zeit das Rechte in mein Haupt geben«, sagte Witiko.

»Wo das Rechte in dem Sinne ist, fließt es für den Bedarf hervor«, sprach der Herzog.

»Und so wie du mir vertraust, will ich der Zukunft vertrauen«, sagte Witiko.

»Vertraue ihr«, sprach der Herzog, »ich will noch eines zu dir sagen. Du hast den Kampf gegen Wratislaw sehr gut geführt, ich habe dir und den andern vor meinen Führern gedankt, und danke dir allein hier wieder herzlich. Berate mit Rowno und Wyhon genau euer Zusammenwirken in den Dingen, die uns bevorstehen, und handelt immer in Einigung nach der beschlossenen Richtung.«

»Rowno, Wyhon und ich haben aus unseren Waldleuten wegen ihres harten mühseligen sorgsamen Lebens taugliche Kundschafter«, sagte Witiko, »wir gebrauchen sie fleißig, und wie wir die Lage der Feinde wissen, darnach beraten wir, und nach dem Rate handeln wir dann treu zusammen.«

»So tut auch immerfort, und wenn der Erfolg nicht unmöglich ist, wird er kommen«, antwortete der Herzog.

»Ich strebe die Möglichkeiten durchzudenken«, sprach Witiko.

»Das hast du bei Pilsen erwiesen«, sagte der Herzog. »Ich spreche jetzt etwas zu dir, Witiko, darüber ich nie gesprochen habe. Ich rede nicht von dem, was geworden wäre, wenn ihr damals die Fürsten gefangen hättet, ob das arme Holaubkau verschont worden, und noch mehr, ob der jetzige Kampf unterblieben wäre. Welcher Mensch kann das ermessen: aber in großer Wahrscheinlichkeit kann ich sagen, daß durch deine Handlung die Schlacht vor Prag unterblieben ist, wenigstens war dein Wille dahin gerichtet, und daß wir dadurch der Hilfe der Fremden nicht not hatten. Den jetzigen Kampf werden wir [] allein ausfechten, und das Land wird auf sich allein stehen. Das weiß ich so hoch zu schätzen, wie jeder der Herren, wie jedes Landeskind, und wie der zornmütige Božebor.«

»Darf ich noch ein Merkmal der Sache sagen, auf das ich damals gedacht habe?« fragte Witiko.

»Sprich«, sagte der Herzog.

»Wenn die Fürsten gefangen vor dich gebracht worden wären, hättest du sie strafen müssen«, antwortete Witiko, »du hättest Wratislaw, du hättest Otto, du hättest den unwichtigen Wladislaw strafen müssen, der aber der Sohn des wichtigen Soběslaw ist, mit dem dein hochherziger Vater auf seinem Sterbebette die Arme in Versöhnung verschlungen hat. Wenn du auch mild bist, so hätte vieles kommen können, daß geschehen wäre, was dir später leid getan hätte. Sie sind auch in ihrer Verblendung noch Zweige des heiligen Baumes Přemysl. Jetzt bekämpfen wir sie. Wir werden ihre Scharen schlagen. Wahrscheinlich werden sie in fremde Länder fliehen. Eine Zeit wird vergehen, manches wird versöhnlicher angesehen werden, und dein milder Sinn kann freier walten.«

»Witiko«, sagte der Herzog, »reiche mir die Hand.«

Witiko reichte dem Herzoge die Hand, dieser faßte sie, und sagte: »So wie ich dir deine Hand drücke, so bin ich dein Freund, und werde es nach meiner Hoffnung auch bleiben. Sei mir zugetan in jede Zukunft, wenn ich es verdiene.«

»Hoher Herr«, antwortete Witiko, »ich bin zu dir gegangen, weil ich dich für den rechtmäßigen Herzog hielt, ich habe dir dann mit Freuden gedient, weil du ein guter Herzog bist, und ich habe Liebe für dich gewonnen, weil du ein rechter Mann bist.«

»Du erinnerst dich der Worte, die du bei Chynow gesagt hast«, erwiderte der Herzog, »und es freut mich. Ich habe dich damals erkannt, wie ich dich jetzt erkenne. [] Mögen deine Gedanken über mich nie andere werden.«

»Du wirst kein anderer mehr, und meine Gedanken werden keine anderen«, sagte Witiko.

»So dauere unser Bund, und es dauere der Bund der Guten allwärts«, sagte der Herzog.

»Und er werde ein immer größerer Bund«, sprach Witiko.

»Füge es Gott im Himmel«, antwortete der Herzog. »Wenn aber jetzt die Fürsten in meine Hände fallen, Witiko, was wird dann geschehen?«

»Dann wird der Bund größer werden«, sagte Witiko, »wer nicht gut ist, kann es werden, und ist gewonnen.«

»Reiche mir zum zweiten Male die Hand, Witiko«, sprach der Herzog, »und lebe wohl.«

Die Männer faßten sich noch einmal an den Händen, Witiko verneigte sich ehrerbietig, und verließ das Gezelt.

Unter denen, die sich vor dem Zelte befanden, waren Welislaw und Odolen. Sie traten zu Witiko, und Welislaw sprach: »Du hast neuerdings Zuwachs an Männern erhalten, Witiko.«

»Weißt du es schon?« fragte Witiko.

»Es wurde bekannt, da sie in das Lager zogen«, sagte Welislaw.

»Du hast jetzt schon eine größere Schar als ich und Welislaw«, sprach Odolen, »und wenn die Waldmänner so zu dir kommen, werden die Wölfe und Bären und Urstiere in dem Walde zu viel werden, insonderheit, wenn wir mit dem Scharlachreiter nicht bald dahin kommen, zu jagen, wie wir es versprochen haben.«

»Der Scharlachreiter muß jetzt anderes jagen als die Hirsche in jenen Wäldern«, sagte Witiko.

»Und kömmt er nicht dahin, so kommen wir einmal«, sagte Welislaw, »ich komme gewiß, und Witiko muß den Wirt machen.«

»In einem winzigen Häuschen, um das ihr Zelte bauen [] könnt«, antwortete Witiko, »und aus dem euch jede Gastlichkeit fließen wird, die das Häuschen vermag.«

»Das wissen wir«, sagte Welislaw, »und ich werde auch zu Rowno gehen, und zu Diet, und zu Osel, und zu Wyhon, und zu Hermann, und wie die Namen sind.«

»Und ich gehe auch ganz gewiß mit«, sprach Odolen, »und alle die Männer müssen dann auch zu uns kommen, und unsere Gastlichkeit genießen.«

»Das müssen sie tun«, sprach Welislaw.

»Wenn dieser Krieg zu Ende ist, und wir unter den Lebenden sind«, sagte Witiko.

»Ich lasse mein Leben diesen abtrünnigen Herzogen nicht«, sprach Odolen, »wir müssen ja noch in späteren Zeiten unsere ruhmreichen Banner und den Namen unsers Volkes in ferne Länder tragen, wie du bei Chynow gesagt hast, Witiko. Und etwa holen wir uns noch vorher Bräute aus dem Walde.«

»Frevle nicht, Odolen«, sagte Witiko, »wie die schönsten Blumen und süßesten Beeren im Walde blühen und reifen, so sind dort Mädchen, wie du nicht ahnst.«

»Und du hast dir eine solche Waldblume gewählt«, sagte Odolen, »und achtest nun der Gärten nicht.«

Witiko schwieg.

»Vielleicht sehen wir diese Blume«, sprach Welislaw, »und das soll ein weiterer Antrieb sein, in die Wildnis zu gehen.«

»Du hast ja eine Blume der Wildnis schon gesehen, und hast wieder nach ihr gesehen«, sagte Witiko.

»Das ist die dunkle Dimut«, sprach Welislaw, »aber spröde.«

»Wie das, was in dem Walde wächst«, sagte Witiko.

»Ihr Bruder wird uns wohl Gastrecht geben«, sprach Odolen.

»Ganz und vollkommen in seinem Turme«, antwortete Witiko.

[] »So soll es bald sein, mir wird das Stilliegen in diesem Lager schon lästig«, sagte Odolen, »ich wollte, wir gingen morgen gegen Konrad.«

»Der Herzog und die Herren werden die Zeit ermessen« sagte Witiko.

»Man muß auch wagen«, sprach Odolen.

»Wir wagen im rechten Augenblicke, und reden in der Versammlung mit«, sagte Witiko. »Jetzt aber, ihr Männer, seid gegrüßt, und verabschiedet, ich muß zu meinen Leuten, um ihre Einteilungen zu machen.«

»Ist dem Herzoge die Vermehrung genehm?« fragte Odolen.

»Er hat sie gebilligt, und die Männer, weil sie aus der Heimat meiner andern gekommen sind, unter mich gestellt«, sagte Witiko.

»Du wirst sie brauchen«, sagte Welislaw, »und kannst sie während der jetzigen Beratungen üben.«

»In welchen Beratungen die Herren mit den weißen Haaren und die Priester immer recht haben, wie jener Daniel«, sagte Odolen.

»Der wird noch viel werden«, sprach Witiko.

»Schlau ist er jetzt schon«, antwortete Odolen.

»Du wirst Recht haben, wenn du handelst, Odolen«, sagte Witiko, »und großes Recht, wie du schon gehabt hast.«

»Ja, wenn ich den Fluß austrinke, um zu den Feinden zu gelangen, wie der Scharlachreiter gesagt hat«, entgegnete Odolen.

»Oder hinüber schwimmst, wie du geantwortet hast«, sagte Witiko.

»Hier ist aber nichts zu schwimmen, wir sehen bereits Znaim, und könnten es schon haben«, erwiderte Odolen.

»Wir werden es um so sicherer haben, wenn Wladislaw seine Vorbereitungen gemacht hat«, sagte Witiko.

»So bereitet nur vor«, entgegnete Odolen.

[] »Jetzt gehabt euch wohl, ihr Männer«, sagte Witiko, »ich scheide.«

»Lebe wohl, Witiko, und sei tapfer im Streite«, sagte Welislaw.

»Oder im Rate, wenn wir uns nach vielen Tagen wieder dazu versammeln«, sagte Odolen.

Witiko bestieg sein Pferd, und ritt zu den Seinigen.

Als er dort angekommen war, und als man nach und nach die Wachfeuer angezündet hatte, verlangte er, daß sich diejenigen von den Angekommenen vor ihn stellten, welche sich im Reiten geübt hatten.

Da dieses geschehen war, sprach er zu ihnen: »Wir haben den Feinden sehr gute Pferde genommen. Mehrere hat der Herzog in sein Lager erhalten, mehrere sind noch da. Kommt morgen bei dem ersten Lichte vor mein Zelt, die Pferde werden auch da sein, und wir werden die Versuche machen.«

Die Männer versprachen es.

Dann redete er mit den andern, und fragte, welche nach ihrem Wohnorte zusammen gehören, oder welche am liebsten bei einander bleiben wollten.

Die Männer erzählten ihm, wo sie herstammen, wie sie sich zusammengefunden haben, und wie sie in das Lager gezogen seien.

Als er ihre Worte aufmerksam angehört hatte, und als sie nichts mehr zu sagen wußten, teilte er sie in so viele Teile, als er Führer hatte, und sagte einem jeden Teile, zu welchem Führer er gehöre.

Dann sprach er noch: »Ruhet heute an eurem Platze bei einander, und habt eine fröhliche Nacht. Der Herzog hat erlaubt, daß ihr bei uns bleibt. Seid eurer Ankunft willen gegrüßt, ich bin erfreut über euer Vertrauen zu mir, und die Männer, zu denen ihr kommt, werden auch erfreut sein. Beredet euch noch bis morgen unter einander, und wenn irgend einer eine Änderung in der Einteilung [] wünscht, so sage er mir den Wunsch. Und nun habt eine gute Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, riefen die Männer.

Witiko entfernte sich, und ging in sein Gezelt.

Von den Kriegern, die nicht eben in dem Lagerdienste waren, kamen nun viele zu den Angekommenen, sie zu begrüßen, und mit ihnen zu sprechen. Sie teilten ihnen von den Lebensmitteln mit, die sie hatten, und empfingen von ihnen auch hinwieder dergleichen.

Am frühesten Morgen des nächsten Tages stellten sich die, welche sich als Reiter gemeldet hatten, vor das Gezelt Witikos. Witiko ging zu ihnen, und die Pferde wurden herzugeführt. Hierauf mußte sich jeder im Reiten zeigen. Als diese Darstellungen vorüber waren, wählte Witiko diejenigen aus, die ihm tauglich erschienen, teilte ihnen Pferde zu, ließ ihnen auch noch an Waffen geben, was ihnen mangelte, und was man im Lager als Vorrat oder Beute hatte, und beauftragte dann Wenhart, sie und die andern, die schon auf Pferden gekommen waren, unter die Reiter einzuteilen.

Hierauf fragte er die übrigen der angekommenen Männer, ob sie sich über ihre Einteilung besprochen haben, und ob jemand einen Wunsch darlegen wolle.

Die Männer waren mit der Einteilung zufrieden, und nur einige wünschten einen Tausch oder eine Veränderung.

Witiko willfahrte ihnen.

Dann geschahen die Einteilungen.

Als der Tag weiter vorrückte, wurden die Übungen gemacht, wie sie an allen Tagen waren, seit das Lager bestand.

Am Nachmittage sprach Witiko mit mehreren Boten, und ritt dann mit Sifrid, Augustin, Urban und dreißig Männern aus dem Lager fort. Er blieb drei Stunden aus, und ritt dann wieder mit seinen Begleitern in das Lager herein.

[] Neun Tage blieb das Heer Wladislaws in dem errichteten Lager.

In diesen Tagen kamen noch immer Zuzüge, indem noch Krieger geworben wurden, und Männer, welche in entfernten Teilen des Landes gewesen waren, eintrafen. Auch wurden Kriegsbedürfnisse aller Art noch stets herbeigeschafft, insonderheit Wurfgeräte, welche für das Kriegsfeld tauglich waren, und solche, welche zu Belagerungen dienten. Wladislaw empfing und sandte Boten, und suchte sich genaue Kenntnis der Berge, Täler, Schluchten, Felder und Ebenen ringsherum zu verschaffen. So wie es nötig war, wurde der Rat der Führer berufen, es wurde der Stand der Dinge dargelegt, und es wurden die Mittel angezeigt, welche in Anwendung gebracht werden sollten.

Die Feinde suchten sich auch noch immer zu stärken, jeden Bedarf herbei zu schaffen, Stellungen zu gewinnen, und sich in den günstigsten Stand zur Entscheidung zu setzen. Wie es den Anschein hatte, strebten sie nicht, einen Angriff zu machen, sondern das Heer des Herzoges heran kommen zu lassen, oder es, wenn es nicht heran käme, durch Hinzögern in Mangel oder sonstige Übel zu bringen, die bei einer großen Menge von Menschen, die an eine Stelle gebannt sind, nicht ausbleiben.

Witiko übte indessen seine Leute, suchte alles in gutem Stande zu halten, und wenn im Rate Maßnahmen festgesetzt worden waren, beriet er sich wieder mit Rowno und Wyhon und den andern, wie sie durch ihren Anteil ausgeführt werden könnten. So wie er einmal mit Männern in die Gegend hinaus geritten war, so tat er es nun öfter, und schaute alle Teile der Umgebungen an.

So waren die Dinge dahin gediehen, daß es sich bald zeigen sollte, ob bei Wladislaw oder bei Konrad die Herrschaft über die Länder Böhmen und Mähren sein werde.

Es wurde in dem Rate Wladislaws festgestellt, daß man [] gegen die Feinde vorgehen solle. Und als dieses festgestellt, und die ganze Gestalt der Schlacht ausgemittelt war, wurde der Tag derselben bestimmt.

Am Morgen dieses Tages stand das Heer in Schlachtordnung, und zum Vorwärtszuge eingeteilt.

Die Feinde waren auch aufgestellt, und warteten des Angriffes.

Das Heer Wladislaws ging vor.

Und ehe die Sonne den vierten Teil ihres Bogens zurückgelegt hatte, war es an den Feinden. Wie auf dem Berge Wysoka die Mährer gegen Wladislaws Krieger eine Anhöhe empor gehen mußten, so mußten jetzt die Krieger Wladislaws gegen sanftere oder schroffere Höhen gehen, um die Feinde zur Entscheidung zu bringen.

Witiko war in seinem Ledergewande in der Mitte der Seinen. Ehe der Kampf beginnen sollte, hielt er einen Augenblick, und sprach zu ihnen: »Jetzt, meine lieben Freunde und Kampfesbrüder, ist uns eine wichtige Aufgabe gegeben worden. Sie ist im Rate den Führern mitgeteilt worden, die Führer haben sie den Unterführern, und diese euch gesagt. Wir werden sie vollbringen. Haltet nur jetzt alle Bewegungen fest, wie die Wurzeln eurer Bäume den Waldboden in ihrer Ruhe fest halten. Der kleinste Fehler könnte sehr übel sein, und wir müßten schamrot werden vor jedem Strauche unseres Waldes. Bittet Gott, und dann zum Kampfe für das Recht.«

Die Männer sagten kein Wort. Er stieg von dem Pferde, und kniete auf die Erde nieder, und alle Männer knieten nieder, und beteten einige Augenblicke.

Die Feinde standen eine Strecke von ihnen entfernt auf dem oberen Rande einer sacht hinauf gehenden Wiese, sahen dieses, regten sich aber nicht, und warteten auf den Kampf. An der rechten Seite der Waldleute war eine Schlucht neben der Wiese, und durch diese Schlucht war die Stellung der Feinde gesichert.

[] Die Männer des Waldes erhoben sich von ihrem Gebete, Witiko bestieg sein Pferd, und alle, Fußgänger und Reiter, setzten ihre Bewegung gegen die Feinde fort.

Die Scharen, welche gegen Witiko standen, hatten an ihrer rechten Seite eine flache Erhöhung. Vor derselben teilten sich nun die Feinde aus einander, und Wurfgeräte, fast wie man sie bei der Belagerung einer Stadt zu sehen gewohnt ist, wurden erkennbar. Und Steine, Eisen, Holz, und was geworfen werden konnte, wurde aus diesen Werken gegen die Angreifer geschleudert. Besonders wurden die Würfe gegen die Mitte, in welcher sich Wladislaw befand, gerichtet.

Als die Waldleute bei ihren Feinden angekommen waren, wurde ein Kampf. Zuerst war er mit Pfeilen und Lanzen, dann mit den Schäften und Speeren. Die Feinde standen fest. Da begannen die Waldleute rückwärts zu weichen. Wie einer in Vorsicht sich zurückzieht, gingen sie rücklings Schritt für Schritt, immer mit den Speeren wehrend, und so fest geschlossen, daß kein Mann und kein Schaft eindringen konnte. Auch links von den Waldleuten ging Bolemil zurück, und links von ihm die andern, und der Herzog, und alle. Die Feinde drängten nach. Als die Waldleute am unteren Rande der Wiese ankamen, von dem sie ausgegangen waren, stoben sie plötzlich gegen rechts in Flucht davon, gerade von der Seite des Schlachtfeldes hinweg. Ihre Feinde verfolgten sie nicht, weil Bolemil da war, sondern wendeten sich gegen diesen, und unterstützten die Scharen, die schon gegen ihn kämpften. Wladislaw ordnete Männer zu Bolemil, ihm zu helfen. Und an dieser Stelle wurde nun der dichteste Knäuel des Kampfes.

Die Waldleute gebrauchten die größte Schnelligkeit ihrer Füße, die sie in ihrer Heimat eingeübt hatten, und als sie zu der Schlucht an der Wiese kamen, beugten sie in dieselbe ein. Kein einziger der Fußgänger fehlte. Sie rannten [] in der Schlucht fort, sie kletterten, sie sprangen, sie brachten alles in Ausführung, was ihre Wälder oft zum Durchdringen fordern, und erschienen endlich am oberen Rande der Wiese. Die roten Banner weheten in den Lüften, das große Horn des Ziegenbockes und die kleinen Hörner, die in der Flucht geschwiegen hatten, dröhnten nun den Schlachtruf. Witiko, Rowno, Wyhon und alle ordneten schnell ihre Leute, schritten vor ihnen her, und führten sie hinter die großen Schleudergeräte. Die Männer, welche bei denselben waren, wurden angegriffen, viele getötet, die andern in die Flucht getrieben. Die Geräte wurden angezündet. Da sie brannten, stürmten die Männer in Schnelligkeit die Wiese hinab, denen in den Rücken, die gegen Bolemil kämpften. Die Hörner tönten unausgesetzt den Schlachtruf. Die Reiter des Waldes flogen nun auch von ihrem Fluchtfelde herzu, denen in die Seite, die gegen Bolemil kämpften. Witiko, Rowno, Wyhon, Diet, Osel und die andern bekamen ihre Pferde wieder, und die Führer leiteten den Kampf. Und wie die Moldau in den Felsen der Kienberge durch Gestein und Trümmer dahin tost, so tobten die Männer aus Rache, daß sie einen Augenblick geflohen waren, in den Feind, niederwerfend, zerspaltend, vertreibend. Und wie sie gegen die wilden Tiere ihres Waldes ausdauerten, so dauerten sie auch jetzt aus. Verwirrung entstand in den Feinden, und mehrte sich. Es konnte eine geordnete Schlacht nicht mehr bei ihnen statt haben, jeder wehrte sich, wo er stand, seines Lebens, oder suchte zu entrinnen. Bolemil gab aus seiner Sänfte Befehle, und sendete Männer nach Männern gegen den Feind. Die Unordnung verbreitete sich auch in seine weitern Scharen, und wo Wladislaw stand, und Zdik und Welislaw und Odolen und ferner hin, sah man die roten Banner vorrücken. Und an der äußersten Stelle links wehten die rotseidenen Fahnen schon hinter den Feinden, die auch dort umgangen worden [] waren. Und in kürzester Frist war der Streit entschieden. Die Mährer waren in verworrener und ungebändigter Flucht. Die Männer Wladislaws drangen nach, und bald war man vor den Zinnen Znaims. Wo ein Haus stand, wo eine Hütte stand, wo ein Dorf stand, wo was immer für Wohnungen und Güter der Menschen waren, gingen Feuersäulen empor, und selbst an fernen Stellen, wohin keine Schlacht und kein Krieger gekommen zu sein schien, verdüsterte wallender Rauch den Himmel. Verwüstung, Zerstörung, Vernichtung waltete zwischen Leuten, die sonst friedlich unter der gleichen obersten Herrschaft leben sollten. Die Trümmer des Heeres Konrads wurden von den Verfolgern noch mehr zertrümmert, und wie Staub zerstreut. Nur ein Teil rettete sich nach Znaim.

Als Schlacht und Verfolgung aus war, lagerte sich Wladislaw vor der Stadt. Die Krieger erhielten Ruhe und Erquickung. Dann schritt man zur Ordnung des Lagers. Und es kamen auch noch die Scharen, welche sich in der Verfolgung zu weit hatten hinreißen lassen. Die Verwundeten wurden herbei gebracht. Bei dem Danke des Herzoges an seine Männer, und bei dem Mahle, welches folgte, wurde kein einziger der hohen Führer vermißt.

Witiko ließ vor der Nacht noch seine Verwundeten zu sich bringen. Und in der Nacht ging er wie nach dem ersten Kampfe wieder zu allen seinen Abteilungen, und dankte ihnen.

Und eine tiefe Ruhe und eine Erholung kam in der Nacht über die Scharen des Herzogs.

Am frühen Morgen wurden zwei Krieger aus der Stadt zu dem Herzoge gebracht, welche mit ihm zu sprechen wünschten.

Wladislaw versammelte den Rat der Führer. Dann wurden die Männer vor den Rat gestellt.

[] »Was ist euer Begehren?« fragte der Herzog.

»Ich bin Unislaw«, sagte einer, »und mußte ein Fähnlein Konrads befehligen, mein Genosse ist Mladota, und hatte auch ein Fähnlein zu führen. Die Krieger, welche in Znaim sind, haben uns gewählt, zu dir zu gehen, hoher Herr, und dir zu sagen, daß wir dir die Stadt übergeben wollen, so du uns schonest. Der Herzog Konrad von Znaim ist nicht in der Stadt, und keiner der vornehmlicheren Führer ist in ihr. Wir wollen uns unterwerfen, und werden dir in der Zukunft treulich dienen.«

»Leget die Waffen auf dem Marktplatze der Stadt nieder, und kommet alle vor mein Lager«, sagte der Herzog, »es wird eures Leibes und Lebens geschont werden. Wenn aber Konrad oder einer der großen Führer in der Stadt gefunden würde, gehört er vor mein Gericht. Ihr könnt mir dienen, wie ihr Konrad gedient habt, und wie ihr, wenn ihr dem Gebiete von Znaim angehört, einem Herzoge von Znaim wieder dienen werdet, der gesetzt werden wird. Nur gegen den Herzog von Böhmen und Mähren dürft ihr in der Zukunft nicht mehr dienen, er könnte vielleicht nicht verzeihen, und ich würde zum zweiten Male nicht verzeihen. Jetzt geht, und kündet denen meine Worte, die euch gesandt haben. Ich glaube, Herren meines Rates, es ist nicht ungerecht, wie ich gesprochen habe.«

»Es ist nicht ungerecht«, riefen viele Stimmen.

»So geht, ihr Männer«, sprach der Herzog.

Die zwei Männer gingen. Nach einer Stunde kam ein langer Zug von Kriegern ohne Waffen aus der Stadt, und stellte sich vor dem Lager des Herzogs auf. Der Herzog trat vor sie, und Unislaw sagte: »Das sind die Krieger der Stadt Znaim.«

»Man wird euch ein Lager anweisen, und dort harret des weitern«, sprach der Herzog.

Nach den unbewaffneten Kriegern kam ein Zug von [] Menschen in verschiedenen Kleidern aus der Stadt, und verlangte zu Wladislaw.

Wladislaw ließ sie vor sich und die Seinen.

Sie knieten vor ihm nieder, falteten die Hände, und baten um Schonung.

»Stehet auf«, sagte der Herzog.

Sie standen aber nicht auf, und blieben mit gefalteten Händen knien.

»Stehet auf, sonst spreche ich nicht mit euch, und kehre euch den Rücken«, sagte der Herzog.

Die Leute erhoben sich.

»Ich erkenne an deinem Gewande, daß du ein Vorsteher bist«, sagte der Herzog zu einem, »rede, was ist eure Bitte?«

»Hocherlauchter Herr«, sprach der Angeredete, »ich bin der Kmete der armen Stadt Znaim. Die Stadt steht dir zu deinem hohen Einzuge offen. Wir sind alle nicht schuld an dem Abfalle deines untergebenen Herzoges Konrad, und flehen demütig und unterwürfig, du wollest uns das Unheil nicht entgelten lassen, das geschehen ist, und unser Leben nicht nehmen, und uns nicht mit Brand und Zerstörung heimsuchen. Unsere jungen Männer, die noch da sind, oder die kommen werden, sollen dir als Streiter dienen, und wir alle werden dir dienstbar sein.«

»Ich bin der Herzog der Länder Böhmen und Mähren«, antwortete Wladislaw, »und nehme den Leuten meiner Länder nicht mutwillig das Leben, und zerstöre nicht mutwillig die Güter der Länder. Ihr gebt eine Kriegesgabe aus der Stadt, und Leib und Gut des einzelnen wird geachtet, der nur ein Bewohner der Stadt ist. Wer ein hervorragendes Werkzeug des Verrates gewesen ist, wird vor ein mildes aber gerechtes Gericht gestellt werden, und eben so der, der ihn verbirgt. Sagt das denen, die in Znaim sind.«

»Wir verbergen niemanden«, sprach der Kmete, »und [] würden dir jeden, der uns als Hehler bekannt würde, übergeben. Die Rädelsführer sind entflohen. Gepriesen seiest du, milder, großmütiger, hocherlauchter Herr!«

»Gepriesen, und gesegnet, hoher Herr, wir beten für dich«, riefen die Flehenden durcheinander.

Und der Kmete neigte sich vor Wladislaw, und küßte den Zipfel seines Kleides. Und die andern warfen sich wieder auf die Knie, und suchten näher zu kommen, und griffen nach den Kleidern Wladislaws, sie zu küssen.

Er wehrte ihnen aber, und sprach: »Ich tue nur das Rechte, erhebet euch, und geht, und tröstet die Eurigen.«

Da die Leute aber in ihren Gebärden flehentlich fortfuhren, ließ er geschehen, was sie verlangten, und redete ihnen freundlicher zu, sich zu erheben.

Da standen sie auf.

Dann sprach er: »Du hast gesagt, Kmete, daß ihr mir dienstbar sein wollet.«

»In allem, hocherlauchter Herr, das du befehlen wirst«, antwortete der Kmete.

»So rüstet in eurer Stadt sogleich Gemächer, die Verwundeten in sie aufzunehmen, die meinigen und Konrads«, sagte der Herzog, »dann sendet Männer mit Tragbahren, Sänften, und was ihr habt, um meine Leute bei dem Hineinbringen der Verwundeten zu unterstützen. Sind Menschen aus dem Lande in eure Stadt gekommen?«

»Viele, hoher Herr, haben Zuflucht hinter unseren Zinnen gesucht«, antwortete der Kmete.

»So lasse verkünden, daß sie in ihre Wohnungen zurückkehren, und ihrer Verrichtungen pflegen«, sagte Wladislaw, »meine Krieger sind um mich versammelt, der Krieg ist in dem Herzogtume Znaim geendigt, und sie können unter meinem Frieden ruhig leben. Ich werde dir einen Herold mitgeben, der deine Worte bestätigt. Sie sollen das Land hegen, daß nicht Nöten und andere Übel dem Kriege folgen, sonst würde Verantwortung geleistet [] werden müssen. Dann sende so viele eigene und fremde Leute, als du nur vermagst, auf das Schlachtfeld zur Begrabung der Toten. Sie finden dort meine Männer, die ihnen helfen und Weisung geben werden. Hast du meine Worte verstanden?«

»Ich habe sie verstanden, hocherhabener Herr, und werde sie vollführen«, sagte der Kmete.

»So eilet nun, daß nicht eine unnütze Zeit vergehe«, sprach der Herzog.

»Wir danken dir, wir preisen dich, wir ehren dich, hoher Herzog«, rief der Kmete.

»Wir preisen dich, wir ehren dich«, riefen die Leute, und manche brachen in Schluchzen aus.

Dann winkte ihnen der Herzog, zu gehen. Sie neigten sich vielmal, wendeten sich, und schlugen den Weg in die Stadt ein.

Der Herzog ordnete nun alles an, das notwendig war, damit ein festes Lager würde, in welchem seine Krieger eine Zeit wohnen könnten.

Dann ließ er die Zeichen geben, daß das Heer in Ordnung aufgestellt werde.

Als dieses geschehen war, ritt er mit einem Geleite an allen seinen Männern und Führern hin, und dankte, und gab Versicherungen der Belohnung. Er sprach mit vielen der Führer und der anderen Leute. Er ritt langsam an den Kriegern des Waldes hin, die geschlossen da standen, und auf ihn blickten. Er dankte für ihren besonderen Dienst, und hielt sein Schwert zum Gruße gesenkt. Er sprach mit Witiko, mit Rowno, mit Wyhon, mit Osel, auch zu den Söhnen Osels sprach er, dann sprach er mit Diet, mit Werinhard, mit Wolf, mit Witislaw, mit Hermann, mit Wenzel, er sprach zu dem alten Wenhart, zu dem alten Florian, zu Johannes aus dem Wangetschlage, und noch zu mehreren Männern, meist zu solchen, welche weiße Haare auf dem Haupte hatten.

[] Als der Dank des Herzogs vorüber war, wurden die Krieger wieder in ihre Lagerplätze entlassen.

Der Herzog ging jetzt aber mit den Bischöfen zu den Verwundeten, und tröstete sie. Er fand bei ihnen schon manchen Tröster und selbst Pfleger aus der Priesterschaft und den hohen Führern.

Als er wieder in sein Gezelt gekommen war, ließ er die Zeichen zur Sammlung der Scharen ertönen, welche mit ihm in Znaim einziehen sollten.

Da die Sammlung vollendet war, begann der Zug. Eine Menge von Menschen war schon an dem Wege, und sie riefen dem Herzoge zu. Aber noch dichter waren sie in der Stadt. Vor dem Tore wurde Wladislaw von den Priestern, von den Vorstehern und von schön gekleideten Jungfrauen begrüßt. Dann ritt er in seinem einfachen braunen Gewande in die Stadt. Hinter ihm ritten Diepold und Heinrich, dann die Bischöfe, Bolemil wurde in seiner Sänfte von zwei Saumpferden getragen, die einer seiner Enkel leitete, und der alte Wšebor ritt neben Bolemil, und dann war Diwiš und Lubomir, dann waren die Äbte, und dann waren Preda und Chotimir. Die übrigen Führer ritten bei ihren Abteilungen. Vor dem Herzoge und seinem Geleite waren Kriegerscharen, und hinter ihm auch. Das Volk rief ihm zu, und sang Gesänge. Wladislaw ritt zur Kirche, stieg mit seinem Geleite von dem Pferde, und weil der Bann auf dem Lande war, taten sie vor der Kirche kniend ein Dankgebet. Dann ritt er in die Burg, und als die Führer ihn dahin geleitet hatten, wurden sie entlassen. Die in der Stadt blieben, erhielten ihre Wohnungen angewiesen. Die übrigen Scharen zogen wieder in das Lager.

Bald nach dem Einzuge Wladislaws wurden die Verwundeten in die Stadt gebracht.

Am Nachmittage dieses Tages ritt Witiko mit seinen Befehlsträgern, mit Wenhart und dreißig Reitern auf das [] Schlachtfeld zu den Männern, die er zur Begrabung ihrer Toten dahin geschickt hatte. Er fand sie am unteren Rande der Wiese.

»Seid gegrüßet, ihr Männer der Trauer«, sagte er.

»Es ist traurig, wenn man einen Angehörigen verliert«, sprach David, der Zimmerer, »sie werden weinen und wehklagen, wenn wir ihnen die Nachricht bringen, und wenn wir ihnen auch die Geschenke des Herzogs bringen, und es ist traurig für uns, daß wir einen Mann begraben müssen, den wir kennen, und den die erschlagen haben, die uns alles nehmen wollten, und die einen Herrn bringen wollten, der uns dann weiter nimmt, was wir wieder erworben.«

»Wir sollten ihnen noch mehr vergolten haben, als es geschehen ist«, rief der Schmied von Plan, »es ist schade, daß sie geschlagen sind, und daß sie davon sind, daß wir sie nicht noch einmal schlagen können.«

»Dann hätten wir wieder Tote, und müßten sie wieder rächen, und das ginge so fort«, antwortete Witiko.

»Ja, das ginge fort«, sagte der Schmied.

»Habt ihr wohl gemerkt, wen ihr begraben habt, daß wir alle aufzeichnen, und daß kein Irrtum entsteht, der einen vergeblichen Jammer hervorrufen würde?« fragte Witiko.

»Andreas hat einen Zettel«, sagte der Schmied, »und dann hat er jeden sogleich mit einem spitzigen Blei darauf geschrieben, wenn wir auf seinem Grabe gebetet hatten.«

»Habt ihr viele?« fragte Witiko.

»Nicht viele«, sagte Andreas, und zog seinen Zettel heraus.

Er las: »Melchior von der Stift. Er ward durch und durch gestochen. Wenzel aus den Auhäusern. Er hatte die Wunde im Halse. Kaspar von Reichenau. Ich weiß nicht mehr, David, war es der mit dem zerbrochenen Kopfe?«

[] »Es ist nicht nötig, daß du die Verwundung ansagst, lese nur die Namen«, sprach Witiko.

Andreas las weiter: »Michael von dem schwarzen Bache. Johannes aus den Heurafelwaldhäusern. Arnold von der unteren Moldau. Jobst von dem Rathschlage. Sebastian aus Friedberg. Ruprecht vom Kirchenschlage. Simon von Mugrau.«

»Es sind zwei, die so heißen«, sagte Witiko.

»Es ist der kleine«, antwortete Andreas. »Dann haben wir noch den alten Lenz von dem Schwenberggute. Er hat drei Wunden, und sein weißer Bart ist ganz blutig. Wir müssen die Grube erst zuwerfen, und beten.«

»Gebt ihr jedem eine Grube?« fragte Witiko.

»Wir geben jedem eine«, sagte Andreas, »wenn auch die Arbeit mehr ist, weil wir treulich an einander halten müssen, und weil sie es uns in der andern Welt danken werden. Es halfen uns fremde Leute, die aus der Stadt gekommen sind, und die Pfarrer in dem Walde werden den Segen beten, wenn wir nach Hause kommen.«

»Sie werden ihn beten«, sagte Witiko. »Habt ihr keinen mehr gefunden, der schwer verwundet ist?«

»Nein«, antwortete Andreas, »unsere Verwundeten haben wir sorgsam schon früher ausgesucht, und die von andern Scharen sind auch schon fortgebracht worden. Wir haben viele Verwundete.«

»So forschet nur fort nach den Toten«, sagte Witiko, »und schreibe sie sorgfältig auf. Hier hast du noch ein Stück Papier, schreibt sie zwei Male auf, und gebt an zwei verschiedene Männer die zwei Zettel, daß der andere übrig ist, wenn einer verloren würde.«

Er reichte nach diesen Worten ein Papier an Andreas.

»Wir werden tun, wie du sagst«, antwortete Andreas.

»Es ist trübselig, die Gruben mit den Heimatleuten in der Fremde auf dem öden Felde zu füllen.«

»Es ist ein christliches Werk, und es ist ein Trost für die daheim«, sagte Witiko.

[] »Wir tun es auch gerne«, sagte Andreas, »wie sie es uns getan hätten, wenn uns das Unheil widerfahren wäre.«

»Seinen Vater verteidigen, seine Mutter, seine Schwester, sein Weib, seine Kinder, seine Braut, die Greise und Greisinnen der Heimatgenossen, die Kranken und alle, die nicht mitziehen können, ist ein schönes und heiliges Werk, das nur immer ein Mann verrichten kann«, sagte Witiko, »und wenn er in dem Werke sein Leben lassen muß, so ist es ein noch heiligeres, und alle müssen sein Andenken ehren, für die er ausgezogen ist.«

»Wir ehren es auch, die wir doch mit ihm gezogen sind«, sagte Andreas.

»Wenn ihr in dem Walde gegen die Wölfe geht, da sie sich einmal zu sehr mehren«, sagte Witiko, »und wenn ein Mann durch diese Wölfe im Streite verunglückt, so tragt ihr es.«

»Wir tragen es, wenn es auch ein Unglück ist, weil es sein muß«, sagte Andreas, »und diese Menschen, die gegen uns und den Herzog sind, diese sind auch wie Wölfe, die sich vermehrt haben.«

»Wohl ist es so«, sprach Witiko, »nur daß den Wolf sein Hunger treibt; diese aber ihr Gelüste.«

»Und darum müssen wir gegen sie noch mehr gehen, als gegen die Wölfe«, sagte David, der Zimmerer.

»Wir gehen«, sprach Witiko, »und wir werden mit den andern Scharen und mit Gottes Hilfe alles vollenden.«

»Wir werden alles vollenden«, riefen mehrere Männer.

»Ich werde euch in eurer Arbeit ablösen lassen«, sagte Witiko.

»Wenn du Leute sendest«, sprach Andreas, »so können sie uns helfen; aber wir bleiben auch hier.«

»Tut, wie ihr übereinkommt«, sagte Witiko, »und gehabt euch wohl, lieben Männer.«

»Gehabe dich wohl«, riefen ihm die Männer zu.

Witiko ritt mit seinen Begleitern nun noch auf andere [] Stellen des Schlachtfeldes. Er sah, wie man überall beschäftiget war, die Toten, Freund und Feind, zu bestatten, und einen oder den andern, in welchem noch Leben war, er gehöre zu Konrad oder Wladislaw, zu laben, und zu versorgen. Er fand Rowno, der seinen Oheim Stan verloren hatte, er fand Diet, er fand Osel, er fand Wyhon und manche andere.

Dann ritt er wieder in das Lager der Seinigen, und sandte sogleich Männer, denen auf dem Schlachtfelde zu helfen.

Er ging jetzt zu den Verwundeten. Man hatte aus Balken, Brettern, und wessen man habhaft werden konnte, ein Nothaus zu bauen begonnen, und in demselben waren bereits die Verwundeten. Es war ein Arzt aus dem Lager des Herzogs gekommen; aber die Männer Witikos vertrauten mehr den Mitteln, die sie sonst anwendeten, wenn der Wald Wunden brachte.

Witiko sprach, da er unter ihnen war: »Meine lieben Freunde und Heimatleute, ich bin zuerst zu den Toten auf das Schlachtfeld gegangen, weil sie das höchste irdische Gut verloren haben, das Leben. Ich habe sie besucht, und habe innerlich ein kurzes Gebetlein gesagt. Wir werden alle, wenn es an der Zeit ist, auf ihre Grabstätte gehen, und zu ihrer Ruhe beten. Ich bin auch darum hinaus gegangen, ob nicht noch einer draußen ist, der an einer schweren Wunde leidet. Aber es ist keiner mehr. Dann bin ich zu euch gekommen, denen das zweite Gut dieser Welt unterbrochen worden ist, die Gesundheit. Gott wird sie euch allen wieder geben, wir bitten ihn darum, und wollen alles tun, was wir mit unseren Kräften vermögen, euch zu helfen. Man macht jetzt über euch ein Obdach; aber wenn ihr wollt, werden wir euch in gute feste Häuser der Stadt bringen.«

»Lasse mich bei unsern Leuten«, sagte Adam, der Linnenweber aus Plan, »ich stürbe in der Stadt.«

[] »Mich auch«, sagte Sebastian, der Schuster von Plan.

»Mich lasse auch da, Witiko«, sagte Tobias, der Hirt von Plan, »ich weiß schon, wie man mit Wunden tun muß, und habe meinen Sohn unterrichtet, und er wird zu Hause bei den Tieren Rat geben, wenn einem etwas zustößt.«

»Mich lasse auch da«, sagte Raimund von der Mugrauer Heide.

»Mich lasse auch da«, sagte ein anderer Mann.

»Mich auch«, sagte wieder einer.

»Männer«, antwortete Witiko, »wer nicht in die Stadt gebracht werden will, der kann an dieser Stelle bleiben, so lange das Lager dauert, und wir werden sorgsam für ihn sein. Und wer in ein Gemach der Stadt begehrt, der wird auf einer guten Tragbahre dahin gebracht werden. Saget nur denen, die euch warten, was ihr wollt, und sie werden eure Wünsche zu mir bringen.«

»So ist es recht«, »so ist es gut«, sagte einer und der andere der Verwundeten.

Und nun ging Witiko zu jedem, fragte ihn um seinen Zustand, und ließ sich erzählen wie er verwundet worden sei, und was man jetzt gegen seine Wunden an ihm getan habe. Dann tröstete er ihn, und redete daneben von der Zeit, in der er wieder fröhlich bei seinen Kampfesbrüdern sein, und von der Zeit, in der er wieder die grünen Bäume seines Waldes sehen werde.

Witiko blieb noch eine lange Zeit in dem Hause der Verwundeten.

Es waren viele von den Waldleuten da, einige waren gekommen, ihre Freunde zu besuchen, andere, welche Kenntnisse hatten, wie man bei Verwundungen verfahren müsse, waren als Pfleger da. Frauen aus dem Lager halfen in allen Dingen, und der Priester von Daudleb hatte sich als Krankenwärter eingerichtet.

Witiko ging von den Verwundeten zu seinen andern Leuten, [] um zu besorgen, was nach der Lage der Dinge zu besorgen war.

An dem nämlichen Tage ritt auch der Herzog Wladislaw noch mit einem Geleite auf das Schlachtfeld, und er kam dann zu den Verwundeten der Waldleute.

Als schon die Nacht eingebrochen war, kamen die Männer Witikos, die mit dem Begraben der Toten beschäftigst gewesen waren, in das Lager, sagten, sie seien fertig, und Andreas gab Witiko die beiden Zettel, auf denen die Namen der Begrabenen geschrieben waren.

Witiko dankte ihnen, und sagte, sie sollen ruhen, und sich nach der kläglichen Arbeit pflegen.

In dieser Nacht sendete Witiko auch noch einen Boten an seine Mutter nach Landshut fort.

Am andern Morgen fragte er den Priester von Daudleb, welche der Verwundeten sich zur Überbringung in die Stadt gemeldet hätten.

»Sie wollen alle hier bleiben«, sagte der Priester.

»So sollen sie hier bleiben«, antwortete Witiko, »ich werde selber zu dem Herzoge reiten, und ihn um die Vergünstigung bitten.«

»Die Menschen, welche in dem Walde geboren worden sind, und in dem Walde groß gewachsen sind«, sagte der Priester, »bekommen gerne Heimweh, wenn sie nicht mehr in dem Walde leben können, und die Kranken würden Heimweh bekommen, wenn sie von ihren Genossen, die hier sind, entfernt würden.«

»Ich weiß es, ich weiß es«, sagte Witiko.

»Und von dem Gemüte aus heilt man den Körper oft leichter als mit Salben und Mitteln«, sprach der Priester.

»Und in den Gemütern wollen wir alle sie trösten«, sagte Witiko.

»So wollen wir«, sprach der Priester.

Witiko ritt sogleich zu dem Herzoge, und berichtete ihm die Sache. Wladislaw gestattete, daß die Männer ihren [] Willen haben, und sandte sogleich guten Wein und Lebensmittel und Bettstücke und anderen Bedarf in das Haus der Verwundeten.

Witiko ritt wieder zu den Seinigen.

Ehe die Sonne den Mittag erreichte, zogen alle Männer des Waldes außer denen, die bei den Verwundeten bleiben mußten, mit Witiko auf das Schlachtfeld, knieten dort nieder, und beteten für ihre Begrabenen, und dann für die Begrabenen der andern. Zu Hause beteten die Pfleger der Verwundeten für sie, und es beteten die Verwundeten für sie.

Man sendete nun auch Boten in die Heimat, zu berichten, was vorgefallen war.

Das Lager vor der Stadt Znaim und die Hofhaltung in der Burg wurden immer fester eingerichtet. Wladislaw bestellte eine Verwaltung des Gebietes von Znaim. Er hielt Gericht, und hörte jeden, der von den Ländern Böhmen oder Mähren kam, und ein Anliegen vorbrachte. Die Kriegsbeute und die Kriegsgaben wurden aus dem Gebiete gesammelt, und die Güter der Feinde, welche bei Konrad gewesen waren, wurden zu dem herzoglichen Gute geschrieben. Männer strömten nun von allen Seiten herzu, und wollten Wladislaw dienen. Es wurden die Nötigen gewählt, und in das Heer eingeteilt. Von dem mittäglichen Walde kamen noch einhundertfünfunddreißig Männer, und wurden Witiko zugeteilt. Wladislaw hielt öfter mit seinen Führern Rat, was weiter zu beginnen sei, und oft vereinigte er sie bei den Übungen des Heeres oder bei einem fröhlichen Mahle.

So waren siebenunddreißig Tage nach der Schlacht vor Znaim vergangen, und die weiteren Zurüstungen waren vollendet; Wladislaw verlangte von den Führern, daß sie ihre Männer in Bereitschaft setzten, den Auszug zu beginnen.

Eines Tages wurde Witiko gemeldet, daß der Schuster [] von Plan, Sebastian, sehr traurig sei, und immer sage, er werde sterben.

Witiko ging zu dem Manne in das hölzerne Haus der Verwundeten, und sprach zu ihm: »Sebastian, sie haben mir gesagt, daß du bekümmert bist, aber deine Wunde heilt schon, und du wirst sehr bald wie früher unter uns sein.«

»Sie heilt«, antwortete Sebastian, »aber innerlich ist alles anders, und mir ist sehr wehe.«

»Das wird sich erhellen, wenn du unter der Sonne und in der freien Luft mit uns ziehest, und die Lieder und die Gespräche erschallen«, sagte Witiko.

»Ich werde hier sterben«, sagte Sebastian.

»Aber ehe du stirbst, wirst du draußen sein und gesund«, sagte Witiko.

»Ich habe sehr schöne Dinge aus rauhen Bälgen gemacht«, sprach Sebastian, »sie sind immer bei dem Gepäcke gewesen, und jetzt weiß ich nichts, und sie werden zu Grunde gegangen sein.«

»Ich will selber nach diesen Sachen sehen«, antwortete Witiko, »und werde sie dir zu dem Bette senden, und sie sollen dir jedes Stück zeigen.«

»Wenn sie zu finden sind«, sagte Sebastian.

»Von dem Gepäcke ist nichts verloren worden«, sprach Witiko, »wir haben nach der Schlacht alle Säumer hieher gebracht.«

»Wir haben groß gesiegt«, sagte Sebastian.

»Alles Land von Znaim ist unser«, antwortete Witiko, »und jetzt wird bald Brünn und das ganze Land Mähren unser sein.«

»Das ist recht gut, das ist recht gut«, sagte Sebastian, »und du bist sehr besorgt, Witiko.«

»Ich gehe sogleich zur Nachfrage um deine Balgdinge«, sprach Witiko, »und werde in einer Zeit wieder zu dir kommen, und deine Wunde wird wieder besser sein, und du wirst auch besser sein.«

[] »Ich werde bis dahin noch nicht sterben«, sagte Sebastian.

»Und später auch nicht«, sagte Witiko, »und jetzt gehabe dich wohl.«

»Gehabe dich wohl«, sprach Sebastian.

Witiko ging zu dem Troßlager, und fragte um die Balgwaren des Schusters Sebastian von Plan. Man suchte einen Sack unter den andern Sachen hervor, in dem sie waren. Witiko ließ den Sack zu Sebastian tragen.

Er erzählte nach einem Rate bei dem Herzoge das Vorkommnis, und die Lechen und Herren kauften von Sebastian alle Dinge, daß er mehr Geld erhielt, als er je gehofft hatte. Und er starb nicht und saß später in der Sonne vor dem hölzernen Hause, und zählte sein Geld. Den Sack schickte er zu künftigem Gebrauche nach Hause.

Als fünfzig Tage vergangen waren, seit das Lager vor Znaim bestand, wurde der Zug gegen die anderen Fürsten von Mähren angeordnet, die auch immer geworben, und sich gerüstet hatten. Das Heer Wladislaws war aber so stark geworden, daß trotz der Kraft der Feinde kein Krieg mehr war. Was jetzt erfolgte, war nur ein Fortdrängen der Feinde, ein Nehmen von Beute, ein Sammeln von Kriegsgaben, und eine Verwüstung und Zerstörung; der Herzog und die Führer suchten der Verwüstung zu wehren, aber die Verwüstung geschah. Und so gingen die Krieger wie eine Wolke über das ganze Land.

Nach zwei Monden war Mähren in der Gewalt des Herzogs Wladislaw. Die Fürsten und die vornehmlicheren Führer flohen in fremde Länder. Auf grüner Heide hielt Wladislaw den Dankgottesdienst.

Es wurde ein großes Lager der Krieger Wladislaws vor Brünn errichtet, und von diesem Lager aus wurden die Dinge des Landes geordnet.

Eines Tages ließ der Herzog einen großen Platz zu einem [] Feste schmücken, und sandte Boten aus, alle, die entfernt waren, zu laden.

Als der Tag des Festes gekommen war, sah man einen grünen Raum mit Schranken eingefaßt, welche mit kostbaren Tüchern behängt waren. Auf dem Raume sah man Bänke in einem halben Kreise, welche mit Sammet und Seide belegt waren. Vor den Bänken stand ein Tisch, auf dem Sammet war, und an dem Tische stand ein gezierter Stuhl. Weiter rückwärts waren viele Tische zu einem Mahle gerüstet. Von den Schranken weg stand in einer langen Reihe das Heer mit seinen Führern. Wladislaw, hinter dem ein Geleite war, kam von dem Lager, und ritt an der ganzen Reihe dahin, grüßte jede Abteilung, dankte für die Treue, und nahm Abschied von denen, die nach Hause gehen würden. Als er am Ende der Reihe war, ritt er wieder gegen die Mitte, entfernte sich eine Strecke von der Reihe, und grüßte mit dem Schwerte noch einmal gegen alle.

Es erhob sich ein Ruf des Jubels und der Freude, der in den Lüften zitterte.

Der Herzog ritt wieder gegen sein Lager.

Dann löste sich die Reihe des Heeres, und die Abteilungen zogen in ihre Plätze.

Die Führer aber gingen auf den grünen Raum in den Schranken, und setzten sich auf die Bänke. Unzählige Krieger und Volk umstanden die Schranken.

Da kam auch der Herzog, und setzte sich auf den Stuhl vor dem Tische. Als das Brausen der Stimmen sich gelegt hatte, stand er auf, lüftete seine Haube, und sprach: »Fürsten der Kirche, Söhne des Stammes Přemysl, Lechen, Herren, Wladyken und Obmänner. Unsere Sache ist vollendet. Das Reich Přemysls steht fest. Wir haben, als der Aufruhr niedergeworfen war, auf grüner Heide in feierlichem Gottesdienste dem Herrn im Himmelreiche für seine Hilfe gedankt, und haben täglich bei der Opferfeier [] bis heute gedankt, und werden fortwährend danken. So gebührt es gegen Gott. Dem Heere und den Führern habe ich gedankt, und habe heute zum Abschiede den Dank wiederholt. Und auch hier wiederhole ich euch den Dank, und sage: Kehret glücklich zu den Eurigen, und freuet euch der Tage, die da kommen werden. Denkt in Liebe an einander, wie ich in Liebe eurer gedenke. Suchet meinen Hof, so oft es euch gefällt, weilet dort oder in meinem Lager, so lange ihr wollt, besuchet einer den andern, und wenn ich zu einem komme, gebe er mir eine kleine Gastfreundschaft. Wer von heute an noch in diesem Lager bleiben will, ist in demselben geehrt, wer es verlassen will, dem senden wir einen freundlichen Segen auf seinen Weg. Wir haben Pergamente schreiben lassen, jedem von euch wird ein Pergament gegeben werden, auf welchem er lesen kann, was ihm an Ehre, Amt und Gut zugedacht ist. Er sei mit den Seinigen darüber zu Rate, und komme dann nach Prag zu meiner Kammer, und sage, welche Änderungen er in dem Pergamente wünsche, und wir werden seine Wünsche zu erfüllen trachten. Herren der Kirche, der Heilige Vater Innozenz wird in diesem Jahre noch den hochehrwürdigen Kardinal Guido mit voller Gewalt in die Länder Böhmen und Mähren schicken, daß er alle die kirchlichen Dinge ordne und richte. Es wird des Heiles und der Ehren eine Fülle sein, wenn er kömmt. In den Pergamenten ist verzeichnet, was den Kirchen und Abteien und allen Heiligtümern nach dem jetzigen Kriege zukommen soll. Diepold und Heinrich, Söhne des Stammes Přemysl, ich werde streben, euch zu lohnen. Bolemil, teurer greiser Krieger, du wirst dich noch des Landes freuen, das dir zuwächst, und deine Söhne und Enkel und Urenkel werden sich freuen. Lubomir, mögest du und mögen deine Söhne zufrieden gestellt sein. Und ihr auch, Diwiš, treuer Župan, Wšebor, Preda, Chotimir, alte Krieger, möget ihr euern [] Teil hinreichend finden. Und Nemoy, und Jurik, und Bartholomäus, und Ctibor, und Předbor, und Casta, und Wecel, mögen euch eure neuen Fluren in der Reihe von Jahren gefallen, die euch noch bevorstehen. Welislaw, treuer Genosse, du trittst die Županei von Wyšehrad an. Odolen, du Stürmer, pflege der Felder, Wiesen und Wälder, die in deinem Pergamente geschrieben sind, und jage auf ihnen. Witiko, lese mit Zufriedenheit, was dir von dem Walde des Herzoges an der jungen Moldau, und was dir dort an Untertanen und Abgaben zugewiesen ist, und sei ein milder Herr deiner Leute. Rowno, du bist erweitert, Diet von Wettern, du auch, ihr grenzet jetzt an Witiko, seid drei friedliche Nachbarn. Wyhon, du findest bei Prachatic dein neues Gut, und das der andern Männer des Mittages des Landes ist vermehrt. Osel, ich habe deiner aber auch deiner Söhne gedacht. Und Sezima und ihr andern jungen Leute, mehret, was euch wird, in künftigen Kriegen noch um vieles. Und möge keiner von allen, die hier sind, gekränkt sein, und möge er seine Wünsche darlegen, daß sie nach Kräften erfüllt werden. Morgen beginnen wir, in Freundschaft von der beweglichen Beute an Kleinodien, Waffen, Pferden, Kleidern, Prunk und Gold und andern Dingen zu teilen. Und morgen werden auch meine Männer die Gaben an alle Krieger, die bei uns sind, zu reichen anfangen. Und nun bringe ich euch noch einmal meinen Dank, und saget euern Angehörigen, wenn ihr heim kommt, liebe und gute Grüße von mir, und saget den Leuten in euern Ländern, daß ich jedem Wohltaten erweisen möchte, und ich bringe den Wunsch: es komme eine fröhliche und glückliche Zeit.«

»Fröhliche und glückliche Zeit«, erscholl es aus tausend Kehlen.

Und ehe noch einer der Herren auf den Bänken etwas sprechen konnte, rief das Volk vor den Schranken: »Heil, [] Heil Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren.«

»Heil Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren«, riefen die Männer auf den Bänken.

»Heil dem Kriegsherrn«, riefen die Streiter, welche sich an die Versammlung herzu gedrängt hatten.

Wladislaw ging nun zu denen, die sich auf dem grünen Platze befanden, und redete mit ihnen.

Dann war unter dem freien Himmel ein Mahl des Herzogs und der Herren, und es war ein Mahl aller Krieger, und an das Volk wurde Wein und es wurden Lebensmittel verteilt.

Boten gingen noch an diesem Tage in allen Richtungen ab, zu melden, was geschehen war. Auch in den Wald wurden Boten gesendet.

In einer Reihe von Tagen, die da folgten, wurde nun die Beute verteilt, und es wurden die Gaben an die Krieger gegeben.

Und dann empfing der Herzog die Besuche der Herren, die kamen, ihm zu danken und Abschied zu nehmen.

Und die Männer tauschten unter sich Besuche und Geschenke und Versicherungen der Liebe, und viele rüsteten sich zur Heimkehr. Der Herzog setzte noch ein Gericht ein, die Verwüster auszuforschen und zu bestrafen, er sendete von seinen Kriegern Abteilungen in Städte und Vesten, daß sie des Landes wachten, und bereitete seinen Zug nach Prag vor. Viele der Herren beschlossen, ihn zu geleiten. Weil das Land Mähren noch im Banne war, so rüstete sich auch der Bischof Zdik, mit ihm zu ziehen, um dann von Prag wieder nach Passau zu gehen.

Witiko und Rowno und Wyhon und die anderen aus dem Walde dankten dem Herzoge in seinem Gezelte für sich und ihre Krieger, und ordneten dann ihren Zug, um gemeinschaftlich nach dem Walde heim zu kehren.

Als Witiko mit den Seinigen nach Plan kam, waren die [] Jungfrauen schön gekleidet, fast alle andern waren auch in ihren festlichen Gewändern, viele Menschen waren von den umliegenden Gegenden gekommen, alle drängten sich, die Heimkehrenden zu sehen, und Witiko wurde mit Freudenrufen und mit Jubel empfangen.

Die Männer aber taten feierlich wie nach dem ersten Kriege, der Pfarrer segnete sie, Witiko dankte ihnen vor der Kirche, und verabschiedete sich. Die Männer von Plan gingen nun gleich zu den Ihrigen, die andern aber schlugen den Weg in ihre Heimat ein.

Witiko begab sich in das steinerne Häuschen.

2

Im hohen Walde.

Als Witiko von seinen Männern vor der Kirche im oberen Plane Abschied genommen hatte, und den Weg gegen das steinerne Häuschen einschlug, ritten alle Reiter von Plan mit ihm, viele der andern Krieger, welche die Ihrigen begrüßt hatten, kamen auch wieder herzu, und gingen mit ihm auf seinem Wege, und es gingen auf dem Wege Männer, Frauen, Jungfrauen und Kinder mit. Sie riefen ihm zu: »Witiko, sei gegrüßt«, »Witiko, bleibe bei uns«, »Witiko, du gehörst jetzt zu uns.«

Witiko ritt sehr langsam in der Mitte der Menschen, und blickte herum, und grüßte mit seinen Mienen gegen viele. Vor seinem Häuschen hielt er an, die Menschen füllten den Platz vor demselben, und um dasselbe, daß sie das Gras der Wiese zertraten. Martin stand aufrecht vor dem Tore, und Lucia weinte. Da Witiko von dem Pferde steigen wollte, ging Martin hinzu, den Steg des Sattels zu halten. Alte Männer wollten Witiko dienstlich sein. Er aber schwang sich wie sonst von seinem Tiere. Das Pferd wurde von seinen Knechten hinweg geführt. Dann sprach Witiko zu den Leuten: »Liebe Heimatgenossen, [] ich danke euch für euer Geleite, und für das Gute, das ihr mir wollet. Wir werden unter unsern grünen Bäumen in Frieden und Treue leben, wir werden zusammen halten, und das Brod und das Salz der Gastlichkeit teilen.«

»Gott segne Witiko, unsern Herrn, der von uns ist«, rief Peter Laurenz, der Schmied von Plan.

»Gott segne unsern Herrn, unsern Herrn«, riefen die Menschen durcheinander.

Frauen hoben ihre Kinder empor, daß sie Witiko sähen.

»Gott segne euch«, sagte Witiko, »und er segne mein Tun.«

»Er segne es«, riefen die Menschen.

»Und empfanget noch einmal meinen Dank«, sagte Witiko, »und gehabt euch wohl, geht zu den Eurigen, und seid mit ihnen in Freude, und seid ein Trost derer, die Schmerzen leiden. Der hocherlauchte Herzog Wladislaw hat seine Feinde besiegt, er wird uns Glück und Wohl in das Land bringen, und es wird nun lange Zeit kein Krieg und kein Streit mehr sein.«

»Heil und Glück, Witiko«, riefen die Menschen.

Witiko dankte grüßend mit seiner Hand, und ging in das Häuschen.

Er ging in die Stube, und legte sein Schwert und seine Haube auf den Tisch.

Martin stand vor ihm, und sagte: »Witiko, Witiko.«

»Sei gegrüßt, Martin«, sprach Witiko, »jetzt werden wir andere Dinge zu tun haben, als mit dem Schwerte.«

»Und diese Freude, die über uns gekommen ist«, sagte Martin. »Ihr müßt jetzt Dienstmannen haben und ein Geleite.«

»Du vielgetreuer Mann, du wirst mir beistehen«, sagte Witiko.

»Wenn ich es nur kann, ich ungefüger Mensch«, antwortete Martin.

»Du wirst das können, was ich dir auftrage«, sagte Witiko.

[] »Und die hocherhabene Mutter«, sprach Martin.

»Ich habe ihr von der Stadt Brünn aus Botschaft geschickt«, antwortete Witiko.

»Und Mathias, der Köhler, und sein Vater, und der hochehrwürdige Priester Benno und die Leute«, sagte Martin.

»Ich werde meine Mutter und Benno, wenn er will, nach Přic geleiten«, entgegnete Witiko, »und der anderen werde ich gedenk sein.«

»Und du mußt dir eine Burg bauen«, sagte Martin.

»Ich werde ein Haus errichten, darin wir alle wohnen können«, sprach Witiko.

»Wir haben Speise und Trank für dich vorbereitet«, sagte Martin.

»Ich werde noch zu den Pferden gehen, und dann werden wir mit einander das Mahl verzehren«, antwortete Witiko. »Bestelle mir indessen Männer, welche meinen Knechten helfen, die Säumer, die meine Habe tragen, vor das Haus zu bringen, sie abzuladen, und die Sachen herein zu schaffen.«

»Ich werde es tun«, sagte Martin.

Witiko ging zu den Pferden. Dann ging er wieder in die Stube. Martin kam mit zwei Männern. Witiko gab ihnen den Auftrag, zu den Häusern hinein zu gehen, sich die Saumtiere zeigen zu lassen, welche seine Sachen tragen, und bei ihnen zu harren, bis seine Knechte kämen.

Die Männer versprachen es.

Darauf mußte Lucia den Tisch für ihn, für Martin und sich selber und für die Knechte rüsten. Eine gedungene Magd war ihr behilflich. Sie verzehrten das Mahl, und tranken von dem Weine, der aufgesetzt worden war.

Als sie sich erquickt hatten, nahm Witiko sein Schwert um, setzte seine Haube auf, befahl den Knechten, nach den Säumern zu sehen, und seine Habe in Sicherheit zu bringen, und ging dann zu den Häusern von Plan hinein.

Auf dem Raume zwischen den Häusern waren viele [] Saumrosse, ein Teil der Dinge, die sie getragen hatten, war schon abgeladen, und lag herum, und Männer waren beschäftigt, das Ihrige auszulesen, und fort zu bringen. Andere Männer, welche nicht von Plan waren, suchten ihre Saumtiere hervor, um mit ihnen den Weg in ihre Heimat einzuschlagen. Viele Menschen und vornehmlich Weiber und Kinder standen herum, und bewunderten die Sachen.

Witiko ging in die Wohnungen, in denen er Gaben des Herzogs zu verteilen hatte, und in denen Leute um die Ihrigen trauerten. Er verteilte die Gaben in der Art, wie es in dem Rate der Führer der Waldkrieger beschlossen worden war, und tröstete die Wehklagenden, wie er konnte.

Dann ging er zu dem alten Pfarrer.

Der alte Pfarrer empfing ihn mit Ehrerbietung, und geleitete ihn in die Stube. Witiko begrüßte ihn, und der Pfarrer dankte des Grußes; dann sprachen sie von dem, was sich zugetragen hatte, und der alte Pfarrer fragte um vieles, und Witiko erzählte, um was er gefragt worden war.

Von dem Pfarrer ging Witiko auf den Kreuzberg, und sah auf die Schneide des dämmerigen Waldes hin, hinter welcher das Haus Heinrichs von Jugelbach lag. Dann sah er auf den breiten schweren Wald des heiligen Thomas.

Von dem Kreuzberge ging er wieder zu den Häusern hinab, sprach mit vielen Menschen, die auf der Gasse waren, und ging dann in sein steinernes Haus.

Am Abende dieses Tages kamen wie früher Männer zu ihm, kosteten sein Brod und Salz, und saßen dann mit ihm und Martin auf Bänken, die man vor dem Hause hergerichtet hatte, und redeten von dem, was geschehen war, und wie es jetzt in Plan sei, und wie es sein werde, und noch von andern Dingen. Als die Finsternis der [] Nacht kam, verabschiedeten sie sich, und gingen nach Hause.

Witiko legte sich auf sein gewöhnliches Lager zur Nachtruhe.

Am andern Morgen ließ er seine Dinge in vollständige Ordnung bringen, setzte sich dann an den großen Tisch, entfaltete sein Pergament, und las in demselben.

Ehe der Tag weit vorgerückt war, kamen mehrere Männer zu ihm. Es war der alte Pfarrer, es war Peter Laurenz, der Schmied, es war Stephan, der Wagenbauer, es war David, der Zimmerer, es war Paul Joachim, der Maurer, es war Elias, der Steinhauer, es war Zacharias, der Schenke, und es war Tom Johannes, der Fiedler.

Als die Männer zu ihm in die Stube gekommen waren, ließ er Bänke und Stühle stellen, daß sie sich niedersetzten. Als sie saßen, sprach er: »Seid gegrüßet, Männer, ich freue mich, daß ihr kommt. Habet ihr einen Wunsch, den ich erfüllen kann?«

Die Männer schwiegen, und sahen einander an.

Dann sagte der Pfarrer: »Wir hätten wohl eine Bitte.«

»So sprecht«, sagte Witiko.

»Wir haben davon geredet«, antwortete der Pfarrer, »und dann haben wir gestern und heute wieder geredet, und dann haben wir uns etliche zusammen getan, und haben gesagt: wir gehen zu ihm.«

»Ich will gerne einem Verlangen, das ihr habt, nachkommen, wenn ich kann«, entgegnete Witiko.

»Es ist so«, sagte der Pfarrer, »die Wege des Herrn im Himmel sind wunderbar. Dein Vater hatte ein Haus aus Stein in dem oberen Plane, und hatte Gründe bei dem Hause, und ist öfter in dem Hause gewesen. Und dann hat ihn der Herr im Himmel zu sich genommen, du bist auch in dem steinernen Hause gewesen, Witiko, und unsere Männer sind mit dir gezogen, und andere auch, die aus den Teilen des Waldes daher gekommen sind. [] Und als die Boten von dem Lande Mähren hier eingetroffen sind und gesagt hatten: Witiko ist der Herr des ganzen Waldes geworden, da sagte es wieder einer dem andern, es sagte es wieder einer dem andern, und wer es schon wußte, dem sagte man es noch einmal. Und die Mädchen haben schon früher den Kreuzberg den Berg Witikos genannt. Und die Leute sagten, weil er der Herr des Waldes ist, so wird er sich eine Burg in dem Walde bauen. Und wir haben davon geredet, und sind gekommen, dich zu bitten, hoher Herr, daß du die Burg bei uns bauest. Wir werden dir in allem behilflich sein, daß sie bald fertig und schön empor steht.«

»Wir haben die Burgen in manchen Ländern gesehen«, sagte der Schmied, »die Hofburg des hocherlauchten Herzoges Wladislaw auf dem Berge der Stadt Prag, die Burg des uralten Wyšehrad, die auf einem Felsen an der Moldau oberhalb des rechten Burgfleckens von Prag liegt, die Burg des Fürsten Konrad in Znaim, die Burg in Brünn, die Burg in Olmütz, die Burg des Župan Lubomir und die Burgen von allerlei Herren, und so schön wie die Hofburgen können wir deine Burg nicht bauen; aber wir werden sie sehr schön bauen, daß sie wie aus Eisen geschmiedet in dem Lande steht, und wie ein Amboß ist, der nicht zerschlagen werden kann.«

»Wir werden das Dach fügen, wie keines gefügt ist«, sagte David, der Zimmerer.

»Und kein Stein soll zierlicher sein, als wir sie vorbereiten werden«, sagte Elias, der Steinhauer.

»Und wir werden sie fügen, daß sie aus der Mauer schwerer zu brechen wären als aus dem Fels der Erde, als wären die Wände mit dem besten Weine gebaut worden«, sagte Paul Joachim, der Maurer.

»Und Tür und Tor und Treppe und Geländer und Fußböden wird aus dem stärksten Holze des Waldes gemacht«, sagte Stephan, der Wagenbauer.

[] »Und ein Rat muß sein, daß alles gut gemacht werde und recht und sehr schön, und es sind schon Männer, die einen solchen Rat geben«, sagte Tom Johannes, der Fiedler.

Dann sagte keiner mehr etwas.

Darauf sprach Witiko: »Lieben Männer, ich danke euch vom Herzen für eure Wohlmeinung, und daß ihr mich wollt als einen Genossen bei euch behalten. Ich werde immer euer Genosse bleiben, und werde immer einer der Männer von Plan sein, wie meine steinerne Hütte bei den eurigen steht. Ich werde mir in dem Gebiete des Waldes, das mir der gütige Herzog verliehen hat, ein Haus zur Sicherheit und Verteidigung bauen. Das ist zuerst zum Überlegen. Dann denke ich auch daran, was sonst den Sinn eines Menschen bei einem Hause erfreuen kann.«

»Das muß alles so sein«, sagte der Pfarrer, »und an dem Hause müssen die Bewohner eine Freude haben, und wenn das alles bei dem oberen Plane sein kann, so wirst du bei uns bleiben.«

»Ich werde erwägen, was meine Gedanken mir eingeben«, sagte Witiko.

»Und ich werde die Gegend fleißig betrachten und durchsuchen«, sprach Tom Johannes, der Fiedler.

»Und dann bitten wir dich noch, hoher Herr«, sagte der Pfarrer, »wir möchten ein Häuslein bauen, darin die Kinder Gott fürchten lernen, und Anweisung in nützlichen Dingen erhalten.«

»Wie ihr mir bei meinem Baue geholfen habt, werde ich euch bei diesem helfen und helfen lassen«, antwortete Witiko.

»Du wirst dir aber kein so grobes Haus bauen, wie Rowno den Turm hat, oder Osel die runden Mauern, oder Diet die Scheuern und Ställe«, sagte Peter Laurenz, der Schmied.

»So sprich nicht so«, sagte Tom Johannes, der Fiedler, »Witiko ist ein höherer Mann als Rowno und Osel und [] Diet, und das Schloß wird in dem Walde prangen, und es werden manche Männer mit reden, ehe es fertig wird.«

»Und wir werden bei dem Einzuge gegenwärtig sein, und Heil rufen«, sprach David, der Zimmerer.

»Ihr werdet bei mir sein, wie ihr in der Schlacht an meiner Seite waret«, sagte Witiko, »und werdet die Gastlichkeit meines neuen Hauses nicht verschmähen.«

»Und wenn einer in die Schlacht wollte, und nicht mehr konnte, weil sie ihm in einer andern die Glieder verdorben haben«, sagte Tom Johannes, der Fiedler.

»So wird er mit den verdorbenen Gliedern mir willkommen sein«, antwortete Witiko.

»So ist es schön und recht«, sagte Tom Johannes.

»Das ist sehr schön und recht«, sagte Stephan, der Wagenbauer.

»Und so machen wir es, wie wir beschlossen haben«, sagte der Schmied, »und sagen den andern, wie alles ist.«

»Gehabe dich wohl, hoher Herr«, sagte der Pfarrer, »wir gehen jetzt, und wissen, daß du uns zugetan bist.«

»Ja«, sagte Witiko, »ich bin allen im Walde zugetan, und habe die Krieger des Waldes geehrt.«

»Ja, du hast sie geehrt«, sprach der Schmied, »und so gehabe dich wohl.«

»Gehabt euch wohl«, entgegnete Witiko.

Die Männer erhoben sich, und verließen die Stube.

Witiko ging an diesem Tage in einige Häuser von Plan, und aß dort von ihrem Brote und Salze.

Und am Abende kamen wieder Männer zu ihm, und saßen mit ihm auf seiner Gasse.

Und so geschah es alle Tage.

In diesen Tagen bildete sich Witiko ein kleines Geleite von Männern, welche sich ihm hiezu anboten. Es waren Augustin, Urban und Mathias unter ihnen, welche im Kriege seine Befehlsträger gewesen waren. Er machte auch Vorbereitungen zu einem Waldesdankfeste.

[] Dann ritt er mit seinem Geleite an alle Stellen des Waldes, von denen Abteilungen während des Krieges in seinen Scharen gewesen waren, und dankte ihnen, und lud sie zu seinem Feste in den oberen Plan ein. Von diesen Stellen schlossen sich mehrere Männer seinem Geleite an. Darunter war Sifrid von Milnet. In Plan wurden für das Geleite Lagergezelte errichtet.

Auf der großen grünen Weide an den Ufern der Moldau wurde der Platz zu dem Feste gerüstet. Es wurden Schranken gezogen, es wurden aus Brettern und Latten Tische und Bänke gemacht, es wurde ein Altar gebaut, es wurden Gezelte aufgezogen, und Räume für neue Gezelte angewiesen, und es wurden Plätze zur Bereitung von Speisen tauglich gemacht.

An dem Tage vor dem Feste kamen sehr viele Menschen in den oberen Plan. Alle Abteilungen von Kriegern, wie sie gekommen waren, um an dem Zuge gegen Mähren Teil zu nehmen, zogen mit ihren Zeichen heran. Sie machten unter den Föhren, welche im Morgen von Plan standen, ein Lager. Aus allen Waldstellen, von denen sie gekommen waren, gingen auch andere Menschen nach Plan: Greise, Weiber, Jungfrauen, Kinder, um zu sehen, was da werden würde. Von der oberen Moldau kamen Leute herunter, und von Baiern kamen viele herein. Von den Männern, die in dem tiefen Walde sind, davon einige Pech brechen, andere Fallen stellen, um Pelztiere zu fangen, andere Teer brennen, andere Honig suchen, andere Wurzeln und Kräuter sammeln, um sie den Säumern zu verkaufen, ging mancher hinaus, um zu sehen, wie ein Herr des Waldes aussieht. Diese Leute lagerten auf den freien Feldern, und zündeten Feuer an, um sich ihre Speisen zu kochen.

Am frühen Morgen des Festtages hieß Witiko die Männer von Plan, welche mit ihm in dem Kriege gewesen waren, und alle die andern Scharen des Waldes vor der [] Kirche sich sammeln, wie damals, da sie nach Mähren gezogen waren. Als sie vor der Kirche standen, ritt Witiko in seinem Ledergewande zu ihnen. Und als er vor ihnen war, sprach er: »Männer, ich habe an euch die Bitte gerichtet, daß ihr heute zu mir kommt. Es ist an dem, daß wir auch in unserer Heimat Gott für seinen Beistand in dem Kriege danken, und daß wir, wie ich auf dem Schlachtfelde von Znaim gesagt habe, in der Heimat für unsere Verstorbenen beten. Folget mir auf den grünen Platz des Gottesdienstes.«

Er stellte sich an ihre Spitze, und die Krieger von Plan und die Krieger aus den anderen Waldstellen zogen mit ihren Zeichen und unter dem Schalle der langen Pfeifen hinter ihm auf die grüne Weide an dem Ufer der Moldau. Und sehr viele Menschen gingen mit ihnen. Die Krieger zogen auf den Platz, der mit Schranken umgeben war. Dort harrete der alte Pfarrer ihrer mit den Kirchenvätern und den Kirchenvorstehern. Als sie sich aufgestellt hatten, segnete er sie. Dann ging er zu dem Altare, und ward dort mit dem Gottesdienstgewande bekleidet. Die Krieger steckten die Stangen ihrer Zeichen in die Erde, und knieten alle auf den grünen Rasen nieder. Und die vielen Menschen, die außerhalb der Schranken waren, knieten alle nieder. Und der alte Pfarrer hielt vor dem Altare unter dem freien Himmel den feierlichen Gottesdienst. Als der Gottesdienst beendet war, sprach der Pfarrer der Kriegesgemeinde die Dankesworte an Gott den Allmächtigen für Errettung aus den Gefahren und Abwendung des Unheils vor, und die Krieger sprachen die Worte nach. Und alle Menschen, welche vor den Schranken knieten, sprachen die Worte nach. Dann sprach der Pfarrer die Gebetworte für die Verstorbenen vor, und die Krieger sprachen sie nach. Und die Menschen vor den Schranken sprachen sie nach. Dann segnete er wieder die Krieger, und segnete alle, die auf der grünen Weide waren. [] Dann war die heilige Handlung aus. Hie und da blieben noch Krieger knieen, und es knieten noch andere Menschen, um für sich Gebete zu sprechen. Da alle aufgestanden waren, hieß Witiko die Krieger sich in eine Reihe aufstellen. Da sie aufgestellt waren, ritt er an der ganzen Reihe hin, und wieder an der ganzen Reihe zurück, und grüßte vor dem Angesichte aller Menschen mit seinem Schwerte ehrerbietig die Krieger. Sie grüßten mit ihren Zeichen und mit Schwertern, Lanzen, und Bogen zurück. Dann stellte er sich mit seinem Pferde vor die Reihe, und rief: »Männer und Krieger, wir stehen wieder auf der Erde der Heimat. Wir sind ausgezogen, um eine Schar in dem Heere des hocherlauchten Herzoges Wladislaw zu sein, der die Reichen nicht durch Raub noch reicher werden, und die Armen bedrücken lassen will, wir sind ausgezogen, daß nicht ein Feind zu uns komme, und unsere Greise, unsere Weiber und Kinder schädige, und unsere Habe nehme, wir sind ausgezogen, daß nicht ein Herr kommt, der unsere Arbeit und unser Gut zu seinem Bedarfe und zu seiner Lust verwendet. Wie wir gedacht haben, so haben viele Scharen des Landes Böhmen gedacht, und sind zu dem Herzoge gegangen. Und es ist eine Macht geworden, durch welche die Feinde niedergeworfen worden sind. Unsere Greise und Weiber und Kinder sind gesichert, es ist kein fremder Herr zu euch gekommen, und der gekommen ist, der wird mit euch leben wie ihr, er wird schonen, was ihr tut, und habt. Ihr seid zu dem, was geschehen ist, kein kleiner Teil gewesen. Ihr habt die Schar des Herzoges Wratislaw besiegt, ihr habt in dem Kampfe bei Znaim durch euer Geschick und durch euern Mut den Sieg erringen geholfen. Freut euch dessen unter unsern grünen Bäumen, redet von euern Taten, und erzählet sie denen, die heran wachsen, daß sie einmal Gleiches tun. Verwendet das, was ihr im Kriege erworben habt, zu euerm Nutz [] und Frommen und zu Nutz und Frommen der Eurigen. Es wird jetzt eine Zeit der Ruhe kommen; denn von denen, die gegen den Herzog Wladislaw aufgestanden sind, sind die Reichen arm, die Mächtigen schwach geworden, und keiner kann sich mehr gegen ihn erheben. Wenn er manchem verzeiht, so wird der in der Zukunft treu sein, oder er wird zu wenig Genossen zu einem neuen Kriege finden. Und wenn der Herzog Wladislaw einmal in einer gerechten Sache unsere Waffen und unseren Namen in entferntere Länder tragen will, so wird vielleicht mancher aus euch mit mir zu ihm gehen, und sich im neuen Kampfe erinnern, wie er in dem alten gekämpft hat. Und vielleicht ist es auch einem oder dem andern aus dem schönen grünen Walde beschieden, wenn wieder ein Zug der Christen in das Heilige Land geht, mit zu ziehen, und an der Stätte zu kämpfen, wo der Heiland gelebt hat, und dort zu beten, wo er für uns gestorben ist. Und wie ich euch auf dem Schlachtfelde und im Lager gedankt habe, so danke ich euch auch hier in der Heimat für alles, was ihr getan habt, und daß ihr bereitwillig und folgsam gegen mich gewesen seid. Meine Führerschaft hört heute auf, wir leben wieder jeder einzelne als ein einzelner Mann; aber wir wollen in Liebe und Treue einander gedenken, die gekämpft haben, und in Liebe und Treue derer gedenken, die ihr Leben lassen mußten, und in Liebe und Treue und Unterstützung derer gedenken, die an ihren Gliedern ein dauerndes Übel erlitten haben. Und so gehabt euch wohl, und löset euch auf, die ihr zur Gemeinsamkeit bisher gefügt gewesen waret. Nur ein Mal wollen wir noch in Gemeinsamkeit sein, und zwar heute bei einem Mahle, und in Gemeinsamkeit der Lust, welche alle die genießen, die zu diesem Platze gekommen sind.«

Die Worte Witikos, als er sie sprach, sind von denen, die sie gehört hatten, teilweise an die nächsten gesagt worden, [] von diesen wieder an die nächsten, und es ist auch etwas davon zu den Leuten gedrungen, die vor den Schranken standen.

Als er geendet hatte, riefen die Männer: »Heil, Glück, Segen Witiko.«

»Heil, Glück, Segen Witiko«, riefen dann auch die andern, die auf der Weide versammelt waren.

Witiko steckte sein Schwert in die Scheide, ritt dann noch einmal an der Reihe der Krieger dahin, und reichte jedem Obmanne die Hand.

Dann stieg er von dem Pferde, und ließ es zu einem der Stände der Pferdeumzäunung führen, die man hergerichtet hatte.

Die Reiter stiegen auch von den Pferden, und stellten sie in die Umzäunung.

Die Scharen pflanzten ihre Zeichen in die Erde, lösten sich auf, blieben auf dem grünen Platze, traten hie und da zusammen, und sprachen mit einander.

Witiko war unter ihnen.

Nach einer Zeit wurde mit einem Horne das Zeichen gegeben, daß nun das Mahl beginne. Die Krieger und manche andere Männer aus Plan und aus Stellen des Waldes setzten sich an die Tische. An der rechten Seite Witikos saß der alte Pfarrer, an der linken der Richter von Plan. Die Speisen wurden von den Herdstellen, die errichtet waren, herbei gebracht, die Getränke wurden aus den Fässern geholt, und auf den Tisch gestellt. Es waren Braten von zahmen und wilden Tieren, es waren Fische und Kuchen da. In den Trinkgefäßen war Bier, Met und Wein. Für die Menschen, welche herzu gekommen waren, wurde auf dem Anger ein Rind gebraten, und jeder konnte sich ein Teil für seinen Hunger abschneiden, und er konnte sich ein Stück Brotes von dem Haufen der Laibe nehmen, der daneben lag. In Fässern war Bier und Met, und wer ein Gefäß hatte, oder wem [] eines, wie sie neben den Fässern waren, geliehen wurde, der konnte es sich für seinen Durst füllen lassen. Manche Menschen hatten selber Feuer angezündet, und bereiteten Speisen.

Nach dem Mahle waren verschiedene Spiele im Laufen, Springen, Klettern, Ringen und andern Dingen. Es erschollen Klänge aus Pfeifen, Zimbeln, Fiedeln und Hörnern, und die jungen Männer und die schön gekleideten Mädchen des Waldes begannen Tänze auf dem grünen Rasen, und mancher ältere Mann tanzte auch noch mit seiner Ehefrau oder mit einer andern. Lambert, der Zimbelschläger, stand mit seinem Schwerte gegürtet an der Zimbel, und sandte ihre Töne für die Tänzer über die grüne Weide. Tom Johannes, der Fiedler, ging von einem zum andern, und sagte, wie Töne und Klänge zu Tänzen beschaffen sein müssen. Zu den Klängen der Tänze mischten sich dann auch Gesänge. Lieder erschallten, von einzelnen gesungen oder im Wechselgesange, oder im Gesange von mehreren. Auch jenes Singen ohne Worte, wie es Witiko von Bertha und ihrer Singgespanin gehört hatte, erhob sich, und zog durch die Lüfte. Und wie die Söhne des Waldes stets das Jauchzen üben, um sich zu rufen, um sich zu necken, oder eine Lust durch die Zweige fliegen zu lassen, erklang unter den Tönen manch ein Jauchzen, und suchte sich besonders preiswürdig zu machen.

Als die Krieger von den Tischen aufgestanden waren, ging Witiko mit dem Pfarrer und mehreren Männern unter den Leuten herum, und sprach mit vielen. Er ging auch zu denen hinaus, die außerhalb der Schranken waren, um mit ihnen zu sprechen, und zu sehen, ob es an nichts gebreche, oder ob keiner eine Störung veranlasse.

Gegen den Abend ritt Witiko mit dem größten Teile der Krieger und Gäste nach Plan zurück. Andere blieben noch auf der Weide an der Moldau, und erlustigten sich bis in die Nacht hinein.

[] Am nächsten Tage zogen die Abteilungen der Krieger aus den ferneren Waldgegenden wieder in ihre Heimat, und viele Menschen, die gekommen waren, gingen fort. Andere blieben noch da, und erst nach mehreren Tagen waren alle, die nicht nach Plan gehörten, von dort hinweg gegangen.

Die Männer von Plan fingen nun an, das, was sie in dem Kriege erworben hatten, zu genießen. Zuerst gingen solche, welche nicht in dem Kriege gewesen waren, und dann Weiber und besonders Kinder in die Häuser, und ließen sich zeigen, was heim gebracht worden war. Mancher Mann und manche Frau trugen aus ihrem Hause selber das eine oder das andere Stück zu einem Nachbarn oder Freunde, um es vorzuweisen. Dann wurde verfertigt, was verfertigt werden konnte: Schleifen, Gewänder, Waffen, Hauszierden und anderes. Manche begannen, ihr Haus auszubessern oder zu erweitern, manche suchten ein Flecklein Grund zu kaufen, und manche pflegten länger in der Schenke zu sein, als sie sonst getan hatten.

Witiko sendete einen Teil seiner Habe durch Säumer nach Přic.

Die Zeichen, welche die Krieger im Kriege gehabt hatten, wurden nach Beratungen in einen Schrein in der Kirche gelegt.

Die Männer von Plan hoben nun auch an, das Haus zu bauen, in welchem die Kinder unterrichtet werden sollten. Witiko dingte drei Werkleute, welche für ihn in der Zeit des Baues arbeiten sollten, er ließ Zugtiere zu manchen Verrichtungen stellen, und schenkte das Holz für den Dachstuhl.

In dieser Zeit kamen Wentislaw, der Župenrichter, und Rastislaw, der Meier von Daudleb, mit mehreren Männern zu Witiko in den oberen Plan, und sagten, sie müßten nach dem hohen Befehle des erlauchten Herzoges Wladislaw und nach dem hohen Befehle des edlen Županes [] Lubomir Witiko im Walde die Grenzen dessen ausweisen, was in seinem Pergamente als Gabe an Land geschrieben stünde. Witiko möge sich Zeugen auslesen, und die Grenzen mit ihnen beschauen.

Witiko sagte: »Weil es so ist, daß ich Zeugen wählen muß, so werde ich sie wählen.«

Und er wählte die jungen Männer Augustin, Urban, Mathias und Maz Albrecht.

Und er und seine Zeugen und Wentislaw und Rastislaw und die Männer aus Daudleb gingen an der Grenze dessen hin, das Witikos Gebiet sein sollte. Sie schrieben, was sie fanden, auf Papiere, und als sie nach drei Tagen wieder nach Plan zurückgekommen waren, wurde noch alles auf zwei Handschriften gebracht. Eine legte Witiko zu dem Pergamente, und die andere nahmen die Männer nach Daudleb mit.

Als dieses geschehen war, rüstete Witiko ein Geleite zu einer Reise, und zog eines Morgens mit dem Geleite von dem oberen Plane fort. Sie zogen auf dem Wege, auf dem Witiko einmal mit dem Bischofe Zdik geritten war, durch den Wald in das Aigen. Von dort zogen sie mittagwärts durch Wälder und durch das Gericht Velden an die Donau. Sie waren an die Stelle derselben gekommen, von welcher man jenseits des Wassers die Häuser von Aschach liegen sah. Sie wurden auf Fähren über den Strom gebracht. In Aschach waren Männer, welche behauene Steine und allerlei Baudinge aus Schiffen brachten, und auf Wägen luden. Die Leute erzählten, das gehöre zu der Burg, welche der edle Herr, Heinrich von Jugelbach, auf der Höhe im Mittage von Aschach bauen lasse. Witiko fragte, ob Heinrich von Jugelbach bei dem Baue sei, und erhielt die Antwort, er sei in der Burg Jugelbach. Witiko ritt nun mit seinem Geleite gegen die Waldhöhe, welche von Aschach mittagwärts gegen die Stadt Eferdingen geht. Er ritt die Waldhöhe entlang. Als [] sie zu der Stelle kamen, oberhalb welcher der Bau errichtet wurde, ritten sie zu dem Werke empor. Es war eine Höhenzunge, welche sich von dem Berge hinweg streckte. Auf der Zunge wurde die Burg erbaut. Gerüste standen am Ende der Zunge empor, und an den Gerüsten wurden die Mauern hinan gearbeitet. Ein sehr mächtiger Turm strebte inmitten der Bauwerke schon höher in die Luft als alles andere, und Gemächer und Gänge und Säle und eine Kirche und andere Räume, die zu der Wirklichkeit einer Burg gehören, waren in Gliederungen schon sichtbar. Schaffner waren tätig, Werkleute mauerten und hämmerten, Zimmerer behauten Stämme, Zureicher trugen Kübel über Holztreppen empor, Steine wurden an Seilen in die Höhe gezogen, und auf Balkenwägen und auf Säumern wurden Dinge den Berg hinan geschafft.

»Diese Burg wird Schauenberg heißen«, sagte Witiko.

»Sie heißt schon so, seit der erste Stein gelegt worden ist«, sagte ein Schaffner, »der Stein ist geweihet worden, und in der Weihe hat die Burg den Namen erhalten. Steiget herauf, und sehet, wie man von dem Berge schauen kann.«

Witiko stieg von seinem Pferde, und auf ein Gerüste, und der Schaffner zeigte ihm, wie die Donau durch das schöne Land geht, da hinab, wo Wilheringen liegt und der Wald und die alte Burg Kürenberg, und wie jenseits der Donau die Berge hinan steigen, immer einer höher als der andere, bis sie das böhmische Land erreichen, wo sie am höchsten sind.

»Dort würde auch eine Burg schön stehen«, sagte der Schaffner, »und sie würde so weit in das Land schauen als der Schauenberg.«

»Sie würde sehr schön stehen«, antwortete Witiko, »und weiter schauen.«

Dann zeigte der Schaffner Witiko die Alpengebirge, die [] im Mittage weit entfernt gegen das Land Österreich und gegen das Land Ungarn dahin gehen.

»Und von hier bis zu den blauen Bergen ist ein gesegnetes Land«, sagte der Schaffner, »Höfe und Burgen liegen in ihm, und das Getreide und das Obst ist in Fülle, und Ortschaften und Städte sind da, und die Mutter Heinrichs von Jugelbach hat noch manches Eigen daselbst, und ihre Söhne Heinrich und Gebhart werden erben, und wer Bertha, das einzige Kind Heinrichs, in sein Haus führt, hat eine reiche Braut. Die Burg auf dem böhmischen Walde hätte kein so schönes Land um sich.«

»Es sind dort lauter Wälder«, sagte Witiko, »und sie liegen in einer großen Pracht dahin, und haben einen anderen Reichtum als Getreide.«

»Seid Ihr in jenem Lande bekannt?« fragte der Schaffner.

»Ich kenne das Land«, antwortete Witiko.

»Getreide ist ein schönes Ding«, sagte der Schaffner.

»Ein schönes Ding und ein Segen Gottes«, antwortete Witiko.

Nach diesen Worten stieg er über die Holztreppe von dem Gerüste wieder hinab, und ging zu seinem Pferde. Der Schaffner geleitete ihn.

»Reiset recht glücklich, und möget Ihr Eure Ziele erreichen, junger Herr«, sagte er.

Witiko bestieg sein Pferd, und antwortete: »Das walte Gott, und gehabt Euch wohl.«

»Gehabt Euch wohl«, sagte der Schaffner.

Witiko ritt mit seinem Geleite wieder den Berg hinab, und von da in die Stadt Eferdingen. Von der Stadt Eferdingen ritten sie in dem Lande Baiern immer gegen Sonnenuntergang fort, bis sie eines Tages in die Stadt Landshut kamen. In Landshut ließ Witiko sein Geleite in einer Herberge unterbringen, und übergab dem Geleite [] sein Pferd. Er aber ging von der Herberge wieder fort. Er ging durch die Gassen, bis er an den Rand der Stadt kam. An dem Rande der Stadt war an der Stelle, zu der Witiko gegangen war, nicht weit von der Mauer der Stadt ein kleiner Garten, und an dem Garten stand ein kleines Haus. Witiko ging zur Tür des Hauses, und pochte mit dem Klöppel auf sie. Die Tür wurde geöffnet, ein altes Mütterlein stand in ihr, und rief. »Heiliger Gott, Witiko.«

»Ich bin nun da«, sagte Witiko.

»Seit so vielen Jahren wieder«, antwortete das Mütterlein.

»Sei vielmals gegrüßt, Marhild«, sagte Witiko.

»Sei gegrüßt, Witiko«, sprach das Mütterlein.

»Sind alle gesund?« fragte Witiko.

»Alle sind gesund«, antwortete das Mütterlein, »gehe nur hinein.«

Witiko ging durch die Tür in einen Raum, der mit Steinen gepflastert war, und von diesem Raume in ein Gemach. Dasselbe hatte weiße Wände, grün gepolsterte Geräte, und vor den Fenstern weiße Vorhänge. In dem Gemache saßen zwei Frauen. Da Witiko eintrat, standen sie auf, und eine rief: »Witiko.«

»Mutter, sei zu tausendmal gegrüßt«, sagte Witiko.

»Sei gegrüßt, mein Sohn«, antwortete Wentila, die Mutter Witikos.

Sie reichte ihm die Hand, er küßte dieselbe, und sie küßte ihn auf die Stirne.

»Ich grüße dich auch, Witiko«, sagte die andere Frau, welche älter war als Wentila, und schneeweiße Haare hatte.

»Ich grüße dich, Base Hiltrut«, sagte Witiko, »jetzt bin ich bei euch.«

»So lege dein Schwert und deine Haube ab, und setze dich zu uns«, sagte die Base.

[] Witiko tat es, und setzte sich auf eines der grünen Gesiedel. Die Frauen setzten sich auch wieder nieder.

»Gesegnet sei deine Rückkehr in dieses Haus«, sagte Wentila.

»Es sind fünf Jahre vergangen, seit du von Passau hieher gekommen bist, Abschied zu nehmen, und seit du von dieser Schwelle fort geritten bist«, sagte die Base.

»In dieser Zeit sind allerlei Dinge geschehen, Hiltrut«, antwortete Witiko.

»Du hast mir wieder Botschaft gesendet, die mich freute«, sagte Wentila. »Jetzt ist der üble Streit im Lande Böhmen aus.«

»Die Macht Wladislaws ist gesichert«, sagte Witiko, »und der Streit ist aus.«

»So danken wir Gott zuerst, daß unser Vaterland wieder in Ruhe ist«, sprach Wentila, »und dann danken wir, daß du nur einmal eine geringe Verletzung erhalten hast, das ist eine Gnade von dem Herrn, und dann danken wir, daß er dich hat wirken lassen, wie du immer nach deinem besten Sinne wirst gewirkt haben, und endlich danken wir, daß du geehrt und belohnt worden bist, was eine Sache ist, die vor den Menschen gilt, und die dir zu Gute kömmt.«

»Wir haben Gott dem hohen Herrn für seinen Beistand in dem Unglücke unseres Vaterlandes gedankt auf dem Schlachtfelde, wir haben ihm feierlich auf grüner Heide gedankt, weil in Mähren noch der Bann ist, und keine Kirche offen steht, wir haben ihm in der Kirche des oberen Planes gedankt, und haben ihm bei Plan unter dem offenen Himmel gedankt«, sprach Witiko, »und ich habe ihm gedankt, daß er mich erhalten hat, ich habe ihm gedankt, daß er mir in meinem guten Willen geholfen hat, und ich habe ihm gedankt, was er dem gütigen Herzoge für mich eingegeben hat. Und so danke ich ihm noch, und werde ihm zu jeder Zeit danken. Und immer [] danke ich auch dabei, daß er mir eine so gute Mutter geschenkt hat.«

»Wir haben ihm auch gedankt, Witiko«, sagte die Mutter, »und danken ihm noch, und werden ihm wie du zu jeder Zeit danken. Und ich danke ihm auch, daß ich einen guten Sohn habe.«

»Witiko, Witiko«, sagte die Base, »du bist jetzt in deinen jungen Jahren ein Herr in dem Lande, und bist mit den anderen Herren in dem Rate des Herzogs.«

»Zum Rate muß ich mir erst das Wissen sammeln«, antwortete Witiko.

»Wer hätte das gedacht«, sagte die Base, »als du hier in deinem Kämmerlein mit dem frommen Benno die schweren Worte lerntest. Wir haben dir das Kämmerlein recht schön hergerichtet.«

»Unser Besitz ist immer klein gewesen«, sprach Wentila, »sie sagen, unsere Vorfahrer haben eine große Macht gehabt; aber wie es ist, in dem kleinen Besitze ist dein Vater, ist dein Großvater und sind alle vor ihnen gegen die Ihrigen gütig gewesen, du wirst es auch gegen deine neuen Untertanen sein.«

»Sie haben mir für das Vaterland und für die Heimat geholfen«, sagte Witiko, »und ich werde ihnen wieder helfen, wo ich kann.«

»Ich weiß es, ich weiß es«, sprach Wentila, »und mag auch, was du noch wünschest, in Erfüllung gehen.«

»Ich bitte Gott, daß es in Erfüllung geht«, sagte Witiko.

Als er diese Worte gesprochen hatte, wurde die Tür geöffnet, und ein Priester trat herein. Er hatte ein freundliches Angesicht, blaue Augen und weiße Haare.

»Erlauben mir die Frauen, zu dieser Zeit in ihr Gemach zu kommen«, sprach er, »Lutgart ist zu mir gegangen, und hat mir gesagt, daß Witiko gekommen ist, und da wollten meine Augen nicht länger warten, ihn zu schauen.«

[] Witiko stand auf, ging zu dem Manne, und sagte: »Sei mir in Ehrfurcht gegrüßt, Vater Benno.«

»Sei gegrüßt, mein Kind«, sprach der Priester, legte eine Hand auf den Scheitel Witikos, und küßte ihn auf die Stirne.

»Wir sind erfreut, daß Ihr zu dieser Stunde gekommen seid«, sagte Wentila, »Ihr habt ja immer gesprochen, daß Ihr zu uns gehöret, und so gehöret ihr auch jetzt zu uns, da er hier ist, und es ehret uns stets, wenn Ihr unser Gemach betretet.«

»Nehmet doch einen Sitz ein, hochehrwürdiger Vater«, sprach die Base.

»Bleibe an deiner Stelle neben deiner Mutter sitzen, mein Kind Witiko«, sagte der Priester, »ich werde mir einen Platz finden.«

Nach diesen Worten setzte er sich auf einen Stuhl, und Witiko setzte sich wieder zu seiner Mutter.

»Er ist jetzt zurückgekehrt, der uns vor fünf Jahren verlassen hat«, sagte Wentila.

»Er hat wohl schon in früherer Zeit dieses Häuschen verlassen, da er ein Dienstknabe des Bischofes von Passau geworden ist«, sagte die Base.

»Der Bischof ist ein milder Herr gewesen«, antwortete Wentila, »und hat ihm oft erlaubt zu uns und zu dem hochehrwürdigen Vater Benno zu gehen, der ihn zu ihm geführt hatte, und hat ihm erlaubt, oft lange Zeit bei uns zu bleiben, und mir ist er erst fort gewesen, da er in das Land Böhmen geritten war.«

»Ich habe ihn, da er empor wuchs, alle Tage hier gesehen«, entgegnete die Base, »und als er nach Passau gegangen war, ist mir das Häuschen zu groß geworden.«

»Es ist nun so, daß Knaben von der Mutter fort gehen, um sich ein Leben zu gründen«, sagte Benno.

»Ich konnte nichts mehr tun, als für ihn beten«, sprach die Base.

[] »Das hast du ja auch früher getan«, sagte Wentila.

»Wir haben für ihn gebetet«, sprach die Base, »wie wir für alle die Unsrigen beten, und für andere Leute und für die, auf welche niemand in einem Gebete denkt.«

»Und du hast auch in allen anderen Dingen auf ihn gedacht«, sagte Wentila, »schon da er geboren wurde, und du in Přic bei uns als Gast warest, und ich seiner wegen Krankheit nicht warten konnte, und dann, als mein lieber Ehegatte gestorben war, und wir als Gäste bei dir in Landshut lebten. Du hast in jeder Sache für ihn geschaltet.«

»Ich bin es schuldig gewesen, und dann, da er fort war, konnte ich es nicht mehr tun, und es ist mir die Zeit leer geblieben«, sagte die Base. »Er ist auch immer so gut in seinem Gemüte gewesen.«

»Ich bin für dich noch gut in meinem Gemüte, und werde es in der Zeit meines ganzen Lebens sein«, sprach Witiko.

»Ich glaube, du bist auch sonst gut in deinem Gemüte«, sagte Wentila.

»Ich meine einen guten Sinn gegen alle Menschen zu tragen«, antwortete Witiko.

»Und als er dann mit dem hochehrwürdigen Vater Benno lernen mußte, hättest du ihm gerne Honigscheiben gegeben, daß er sich nicht zu sehr kränke«, sagte Wentila.

»Hast du die lateinische Sprache nicht vergessen, Witiko?« fragte der Vater Benno.

»Wenn ich eine Schrift des Heiligen Vaters in der lateinischen Sprache sähe, würde ich sie wohl verstehen«, antwortete Witiko, »und dann hat uns ja der hochehrwürdige Bischof Regimar in Passau sehr zur lateinischen Sprache angehalten, und ich habe man ches in meinen Habschaften bei mir, das ich mit dir, hochehrwürdiger Vater Benno, gelernt habe.«

»Das Beste hat doch der fromme Vater Benno für Witiko getan«, sprach die Base, »er hat ihm Gottesfurcht [] und schöne Sprachen und gute Sitten und Kenntnisdinge und Lebensart und, was sich in der Welt zugetragen hat, in das Herz gepflanzt, und er hat ihn auch dorthin geführt, wo er den Waffenbrauch und das Reiten und das Schwimmen und das Laufen und andere Geschicklichkeiten lernen konnte. Es ist wohl recht lieblich gewesen, da der fromme Vater Benno mit euch von Přic gekommen war, da wir alle mit einander hier lebten, da wir zu manchen guten Leuten gingen, und am liebsten wieder bei einander zu Hause waren. Es wäre schön gewesen, wenn es so geblieben wäre.«

»Es wird jetzt wieder so sein«, antwortete Witiko, »ich bin gekommen, euch alle, wie ich zu meiner Mutter auf dem Kahlenberge gesagt habe, nach Přic zu geleiten, und wenn der hochehrwürdige Vater Benno auch mit uns geht, so werden wir dort noch näher bei einander leben als hier, da wir alle in dem Hofe von Přic wohnen werden.«

»Der fromme Vater Benno ist so oft von seiner Wohnung in unser Häuschen zu dir gekommen, daß ich meinte, er sei immer hier«, entgegnete die Base. »Und es wird auch in Přic nicht dauern.«

»Die Menschen trennen sich, und haben Schmerz«, sagte Benno, »und sie kommen wieder zusammen, und haben Freude.«

»Ich weiß, daß es so ist«, sprach die Base, »und gebe den Scheidenden Segenswünsche auf den Weg, und freue mich, wenn sie wieder kommen.«

»Der hochehrwürdige Vater Benno hat gesagt, Witiko«, sprach Wentila, »daß er mit uns nach Přic gehen wird.«

»Ich werde dahin gehen«, sagte Benno, »und werde die Menschen wieder sehen, die ich dort kenne, und werde auf dem Grab deines Vaters beten, Witiko.«

»Es ist mir eine große Freude, daß du nach Přic gehst, Vater Benno«, antwortete Witiko, »ich werde sorgen, daß die Reise leicht ist.«

[] »Witiko, mein Kind«, sagte Benno, »du hast uns Nachrichten von dir geschickt, und das ist gut gewesen, wir lebten wie mit dir. Du hast nun in der Zeit, in der du fort gewesen bist, Dinge der Welt gesehen, wie sie Schicksale der Menschen gründen und stürzen.«

»Hochehrwürdiger Vater«, antwortete Witiko, »du hast an mir so Großes und Gutes getan, daß du mich unterwiesest, belehrtest und anleitetest, daß ich es erst jetzt, da ich diese Dinge der Welt gesehen habe, recht erkenne und besser erkenne als früher, und daß ich dir es erst jetzt danke und besser danke als früher, und daß ich es immer noch besser erkennen und danken werde. Du hast mir von dem erzählt, was zwischen Menschen in früheren Zeiten geschehen ist, und du hast mich die Taten, wie sie gut und böse sind, und wie sie erfolgreich sind, schauen lassen. Ich habe daher in den Dingen, bei welchen ich jetzt war, manches gelernt, und werde bei anderen Dingen wieder manches lernen.«

»Daß ich dir meinen armen Unterricht zu Teil werden ließ, Witiko«, sagte Benno, »das ist so, wie der Gärtner eine Blume zieht, daß sie schön werden soll, und wie er sich an der Pflanze freut. Und ich bin mit deinem Vater in Freundschaft gewesen, ich liebte ihn, und er liebte mich, wie ein Bruder den andern liebt, und da er gestorben war, dachte ich immer an dich, Witiko. Und wenn du in menschlichen Dingen gelernt hast, und noch lernen wirst, so ist es wie bei uns allen, die wir lernen müssen, bis wir in das andere Leben kommen.«

»Bist du noch mit Emsigkeit daran, die Geschicke der Kaiser aufzuschreiben?« fragte Witiko.

»Als ich nach einer langen Krankheit die Besorgung der Kirche meiner Gläubigen aufgeben mußte«, sagte Benno, »habe ich angefangen, in meiner Stube aufzuschreiben, was den hocherhabenen Kaisern begegnet ist, da sie noch lebten, und ich fahre darin fort, und werde darin fortfahren, [] bis ich auf den Kaiser unserer Zeit komme, wenn mir Gott das Leben so lange fristet.«

»Da können viele lernen, denen die Worte bekannt werden«, sagte Witiko.

»Ich habe daraus gelernt«, antwortete Benno, »die Menschen lernen aber nicht gerne aus den Schicksalen anderer.«

»Silvester sagte, sie handeln nach ihrer Lust«, sprach Witiko.

»Davon ist das Unglück des Landes Böhmen ein Zeuge«, antwortete Benno, »sie üben Rache und ergötzen sich an der Grausamkeit der Rache, sie reißen Güter mit Gewalt an sich, und genießen die Güter mit Übermut. Dann kömmt ein anderer, und rächt sich an ihnen und nimmt die Güter wieder, oder ein starker Herzog wirft die Empörer nieder, zieht ihr Gut an sich, und stürzt sie in Ohnmacht. Und die nach ihnen kommen, üben wieder Rache, üben wieder Gewalt, und werden wieder gestürzt. So ist es oft gewesen, und so wird es wieder sein, wenn nicht ein fester Brauch errichtet wird, wie der Herzog nach dem Tode des frühern Herzoges folgen soll, und wenn nicht der heilige Glaube tief gegründet, und in schönen Ordnungen durch das ganze Land geleitet wird, daß er die Herzen erleuchtet. Möge der Segen des Himmels auf Guido, dem Gesandten des Heiligen Vaters, ruhen, der erwartet wird.«

»Viele erwarten ihn mit Ungeduld«, sagte Witiko.

»Mögen sie aber auch seinem Tun entgegen kommen«, sprach Benno. »Mein Kind, wenn du nicht anders als in deiner frühen Jugend bist, so wirst du gewiß nicht Hochmut, Raub und Unterdrückung üben. Und dir wird ein großes Gut entstehen, die Liebe der Deinen, und dazu wird der Himmel sich freuen. Aber auch deine Macht wird sich vermehren, wenn man gleich ihre Vermehrung nicht sieht. In jedem Baume deines Waldes wächst dir [] Reichtum empor, und in jedem Baume wächst deinen Untertanen Reichtum empor, an ihrem Reichtume wirst du reicher, und in ihrer Willigkeit wirkst du in das Schicksal unseres Landes. Du wirst auch die Gebote unseres Glaubens hegen, und ihn in seinen Dienern weiter unter die Deinigen verbreiten, und ein viel höherer Lohn des Herrn wird dich dereinst erwarten, als hienieden irdische Macht ist. Und wenn nach dir wieder Männer kommen, die so sind, so wird ein Geschlecht entstehen, schöner und herrlicher, als die Sage von deinen Vorfahrern dichtet.«

»Hochehrwürdiger Vater«, sagte Witiko, »da ich ein Kind war, und da ich empor wuchs, hast du so viel zu mir gesprochen, und hast vor mir gehandelt, meine ehrwürdige Mutter hat zu mir gesprochen, und hat vor mir gehandelt, meine ehrwürdige Base hat zu mir gesprochen, und hat vor mir gehandelt, ich habe die Handlungen des guten Bischofes Regimar gesehen, und ich habe jetzt viele Handlungen gesehen, von denen einige den deinigen ähnlich, andere ihnen entgegengesetzt waren. Ich werde immer so handeln, wie es in mir bei euch allen und bei dem guten Bischofe Regimar geworden ist, und wie es sich durch das, was ich jetzt gesehen habe, noch mehr gefestigt hat. Ich habe zu meiner Mutter auf dem Kahlenberge gesagt, ich möchte ihr Genüge tun, und dann dir, Benno, und dann Silvester, und dann noch einem Menschen, und was ich gesagt habe, werde ich halten.«

»Aus den Nachrichten, die Witiko gesendet hat«, sagte Wentila, »und aus den Nachrichten, die der fromme Vater Benno von Lechen und Herren erhalten hat, glauben wir, daß Witiko so ist, wie er gewesen ist, und er wird auch in der Zukunft so sein. Dieses glaubt auch der hochehrwürdige Benno, und die gute Base.«

»Witiko kann ja nicht anders sein als er ist«, sagte die Base.

[] »Ich habe dir auf dem Kahlenberge gesagt, Mutter«, antwortete Witiko, »daß der hochehrwürdige Silvester nicht alles lobt, was ich getan habe. Ich will mich nach seinen Worten richten, und werde klüger werden. Ich habe nach meinem guten Sinne gehandelt, und werde in der Zukunft nach gutem Sinne und immer besserer Einsicht handeln.«

»Handle so, und das andere richtet Gott«, erwiderte Benno. »Und weil du noch von einem Menschen gesprochen hast, dem du recht tun möchtest, mein Kind, so spreche ich auch von ihm. Es wird sich jetzt erfüllen, was du in deinen Gedanken trägst. Ehre deine Gefährtin, sie wird dich wieder ehren, und ihr werdet Freude haben bis in das höchste Alter.«

»Es ist der tiefste Wunsch meines Herzens, daß deine Weissagung erfüllt wird«, sagte Witiko.

»Sie wird es gewiß, Kind Witiko«, sagte die Base, »und meine Augen werden es schauen.«

»Nun, meine lieben Frauen«, sprach Benno, »ihr werdet noch manches mit Witiko reden wollen, ich verabschiede mich. Witiko, komme, so lange du in Landshut bist, zuweilen zu mir in meine Stube, und erlaube, daß ich auch öfter in dein Kämmerlein komme.«

»Ich werde kommen«, antwortete Witiko, »und werde erfreut sein, wenn du zu mir kömmst.«

»So gehabt euch alle wohl«, sagte Benno.

»Gehabt Euch wohl, hochehrwürdiger Herr«, sagten die Mutter und die Base.

»Gehabe dich wohl, Vater Benno«, sagte Witiko.

Und der Priester Benno erhob sich von seinem Sitze, und verließ das Gemach.

Wentila, Witiko und die Base sprachen noch lange und mancherlei mit einander.

Dann ging Witiko wieder in die Herberge, ordnete dort verschiedene Dinge an, und sah nach den Leuten und den Tieren.

[] Hierauf ging er in das kleine Häuschen zu der Mutter und der Base zurück. Sie hatten ein Abendessen gerichtet, verzehrten es mit einander, und Witiko legte sich dann in dem Kämmerlein seiner Kindheit auf ein Lager, das größer als damals bereitet worden war.

Er blieb eine Woche in Landshut, indessen sich die Frauen und Benno zur Reise rüsteten.

Er ging jeden Tag zu Benno, und Benno zu ihm.

Dann begaben sich alle auf den Weg nach Přic. Die Frauen und die Dienerinnen wurden von Saumrossen in Sänften getragen. Auch das alte Mütterlein Marhild wurde mitgenommen. Die Männer ritten. Die Habschaften trugen ebenfalls Saumtiere.

Als sie in Přic ankamen, waren viele Menschen versammelt, und grüßten sie mit Zurufen der Freude. Sie riefen die Namen, und wiederholten den Ruf öfter. Alle Leute des Hofes standen vor dem Tore, und grüßten die Herrin und den Herrn, und den hochehrwürdigen Vater Benno und die Base, und endlich auch die Männer des Geleites Witikos, und die Frauen des Geleites Wentilas.

Als die Männer von den Pferden gestiegen waren, und die Frauen aus den Sänften gehoben hatten, führte Witiko die Mutter in die Wohnung des Hofes, welche immer die ihrige gewesen war. Dann geleitete er die Base in die zwei Gemächer, in denen sie gehauset hatte, als sie gastlich in dem Hofe Přic beherbergt worden war. Dann geleitete er Benno in die Stube, in welcher er das Buch der Kaiser aufzuschreiben begonnen hatte. Hierauf ging er erst in seine Wohnung. Die Gemächer der Mutter waren noch in dem nämlichen Stande, in dem sie gewesen waren, als sie mit ihrem Gatten in denselben gewohnt hatte. Die zwei Gemächer der Base waren daneben, und waren auch in der früheren Gestalt. Und so war auch die Stube Bennos. Witiko hatte nur eine Stube und ein Kämmerlein. Für die Unterkunft des Geleites wurde durch Gemächer [] und in der ersten Nacht auch durch Gezelte gesorgt.

An dem Morgen nach der Ankunft gingen die Mutter, die Base, Benno und Witiko mit einem Gefolge in die Kirche, die auf einem Berge bei Přic stand. In der Kirche wurde der Gottesdienst gefeiert, und dann beteten sie auf den Gräbern des Vaters Witikos, seines Großvaters und seines Urgroßvaters. Die Gräber der anderen Vorfahrer wußte man nicht mehr.

Und nach dieser heiligen Handlung begannen sie das Leben in Přic.

Die Leute des Hofes, die Leute, die zu dem Gebiete des Hofes gehörten, und die Leute, die sonst in der Umgebung wohnten, kamen, und bezeugten Witiko Ehrerbietung und Huldigungen zu seiner Standeserhöhung.

Er besah die Angelegenheiten des Hofes, und besprach sich mit den Seinigen darüber.

Als die Blätter der Bäume abgefallen waren, ritt er an den Hof des Herzogs Wladislaw nach Prag. Er wurde von dem Herzoge mit Ehren empfangen, und wenn Rat war, zu demselben gezogen. Er saß bei den Herren und Lechen, und sprach, wenn von den Geschicken des Landes gesprochen, und über dieselben ein Entscheid eingeleitet wurde. Er durfte zu der Herzogin kommen, und wurde von ihr über sein Leben und das Leben der Seinigen befragt. Er ging zu den Herren und Lechen, die er kannte, und die in Prag waren, er ging zu Welislaw, der nach dem Tode des früheren Županes vom Wyšehrad jetzt als Župan auf dem Wyšehrad wohnte. Er ging auch zu dem hochehrwürdigen Bischofe Otto, und wurde von ihm in dem Gemache empfangen, in welchem er einmal mit dem gewählten Bischofe Silvester geredet hatte. Er ging zu dem Baue der Kirche des heiligen Veit, und betrachtete, wie weit er gediehen sei. Er ging zu dem Kloster des heiligen Georg, und sah, wie man es wieder errichtete, [] und er ging an manche Stellen der Stadt und der Burgflecken, um zu sehen, was man seit der Belagerung wieder erneuere und verschönere. Er ging auch mit seinem Pergamente in die Kammer des Herzoges, und sagte, daß er keinen Wunsch einer Änderung habe. Es wurde in einem zweiten Pergamente der genauere Bestand seines Gebietes aufgeschrieben, an die beiden Pergamente hingen viele Herren und Lechen ihre Siegel, und die Pergamente wurden ihm gegeben. Er bewahrte sie in einem festen ledernen Trühelchen bei den Sachen, die ihm wert waren. Er ging auch zu verschiedenen Männern, und beriet sich mit ihnen über Dinge, die er vor hatte.

Dann verabschiedete er sich von Prag, und ritt zu Silvester.

Von Silvester ritt er wieder nach Přic.

In Přic lebte er im Winter mit seiner Mutter, mit Benno, und mit der Base, und sie beratschlagten, was in dem Walde geschehen müsse, und was überhaupt in der Zukunft weiter zu tun sei.

Im Frühlinge ritt er mit seinem Geleite in den Wald gegen Mittag.

Er ritt in den Wangetschlag, und hieß seine Leute Gezelte vor dem Häuschen errichten.

Als er von dem Pferde gestiegen war, wurde er von Huldrik, der sein Haupt entblößt, und seinen Nacken gebeugt hatte, in die Stube geführt. Er legte seine Haube und sein Schwert ab, setzte sich an den Tisch, und sagte: »Sei mir sehr viele Male gegrüßt, du guter alter Huldrik.«

Huldrik fiel auf die Knie vor Witiko nieder, und rief: »Witiko, Witiko, ein Witiko wird kommen, und Witiko ist gekommen.«

»Stehe auf, Huldrik«, sagte Witiko, »ich kann sonst nicht mit dir reden.«

»Lasset mich nur Gott danken, daß meine Augen es schauen«, sagte Huldrik.

[] Dann rief er: »Ich danke dir, Gott, ich danke dir, Gott.«

Dann stand er auf, und schluchzte, daß sein ganzer Körper erzitterte.

Regina stand neben ihm, und weinte auch, wie Lucia in dem oberen Plane geweint hat. Der neue Knecht, der an Jakobs Stelle jetzt in dem Häuschen war, stand auch da, und die Tränen flossen ihm herab.

»So fasse dich, mein lieber alter Huldrik«, sagte Witiko, »ich habe es dir ja versprochen, daß ich nach dem mährischen Kriege kommen werde, als ich mit den Männern im vorvorigen Winter an deiner Leuchte saß.«

»Aber wie Ihr kommen werdet, habt Ihr nicht gesagt; ich aber habe gesagt, daß ich es erleben werde, und daß ich Euch den Bügel halten werde, wenn Ihr in Euer neues Schloß einzieht«, rief Huldrik, »und nun ist es da, Ihr seid der Herr im Walde, so weit meine Augen sehen und noch weiter, und Eure Macht wird noch wachsen, bis sie unendlich ist. Der reichste Herr des Stammes wird Milch und Honig an dem Buchentische essen, Ihr habt sie gegessen, und ich habe gesagt, daß es sehr schnell geht, und nun geht es schnell, und Ihr werdet der reichste Herr des Stammes.«

»Huldrik«, entgegnete Witiko, »und ich habe dir gesagt: Versuchen wir nicht Gott. Der gute Herzog Wladislaw hat mir Waldesland gegeben. Ich werde in demselben schalten, wie ich es für gut und recht halte, und wenn es sein kann, es vermehren, ich werde den Leuten Gutes tun, und dir und dem Wangetschlage gewiß nicht das wenigste.«

»Das ist der Anfang« sagte Huldrik, »alles muß einen Anfang haben, und der Anfang ist gewesen, wie Ihr zu Milch und Honig habt kommen müssen. Und wie jetzt Eure Leute Gezelte vor diesem Hause bauen, so werden Lager vor Euerem Schlosse hier sein, weit dahin, und Tausende von Zelten, und Rosse und Reiter, und Wagen [] und Männer mit Edelsteinen und Waffen, die gekommen sind, Euch zu huldigen, und es werden Hunderte und Tausende von Eiern verzehrt werden und Tausende von Fischen und Tausende von Hühnern und Tausende von Lämmern, und das Heu für die Pferde wird wie ein häusergroßer Schober lagern, und Ihr werdet wie ein König sein, der noch genug hat, und der einen Hofrichter und einen Schenken und einen Truchseß und einen Kämmerer besitzt.«

»Indessen sollen wir doch denen, die draußen Gezelte bauen, behilflich sein«, sagte Witiko, »und ihnen mit Rat und Weisung beistehen.«

»Ja, das sollen wir, und so ist es der Burggebrauch«, sagte Huldrik.

»So tun wir es«, entgegnete Witiko.

Witiko nahm seine Haube und sein Schwert, und sagte dann zu dem Knechte und zu der Magd: »Ich grüße euch freundlich, lasset euch nicht leid sein, was ihr für mich und die Meinigen Mühe habt.«

»Wir tun alles gerne, recht gerne«, sagte der Knecht.

Regina küßte den Ärmel von Witikos Kleide, und weinte fort.

Dann gingen Witiko und Huldrik hinaus zu den Männern, die draußen das Lager machten, und der Knecht folgte.

Es waren die Säumer mit Witikos Habe angekommen, und er ließ die Dinge in das Häuschen bringen.

Leute aus den Häusern von dem Wangetschlage gingen herzu, und betrachteten, was da geschah. Einige riefen Witiko Heil und Segen zu, und grüßten ihn. Er dankte, und redete mit mehreren. Viele halfen bei dem Lager.

Am Abende kam der alte Johannes, und es kamen manche, welche mit Witiko in dem Kriege gewesen waren, zu dem Häuschen. Sie saßen vor demselben auf Bänken, die man aus Brettern errichtet hatte, und sprachen von den Dingen, die gewesen sind, und die etwa sein werden.

[] Am nächsten Tage kaufte Witiko eine Wiese und ein Feld, welche zu dem Besitztume gut gelegen waren.

»Seht Ihr, wie es sich erfüllt«, sagte Huldrik, »aber es wird noch viel um das Schloß nötig sein.«

»Ich sage es dir, Huldrik«, antwortete Witiko, »du wirst mir den Bügel halten, wenn ich in mein Haus einziehe; aber wie noch alles wird, ist in Gottes Hand.«

»Es wird, es wird«, sagte Huldrik. »Und wenn es doch wäre, daß es nicht würde, dann, dann.«

»Was dann?« fragte Witiko.

»Dann müßte noch ein Witiko kommen, der das Schloß baut, in dem die goldenen Tische stehen werden, an denen man aus goldenen Schüsseln essen wird«, antwortete Huldrik. »Mein Vater hat es gesprochen, mein Großvater hat es gesprochen, und mein Urgroßvater, und es stammet von dem Himmel.«

»Die Dinge gehen oft auf eine andere Art in Erfüllung, als wir uns denken«, sprach Witiko.

»Sie erfüllen sich, wir denken oder nicht«, sagte Huldrik.

»So werden sich auch diese erfüllen«, sprach Witiko.

»Sie werden, sie werden, und Ihr werdet es sehen«, entgegnete Huldrik.

Witiko blieb zwei Tage in dem Wangetschlage. Dann ritt er nach Friedberg.

In Friedberg kaufte er das steinerne Haus mit dem starken runden steinernen Torbogen, in welchem er einmal mit seinem Führer Florian übernachtet hatte. Er machte die Einleitung, daß das Haus für ihn und sein Gefolge, so weit es möglich wäre, hergerichtet würde. Dann fragte er, ob Männer wären, die bei der Grabung eines Brunnens arbeiten und mauern könnten. Man nannte ihm die Männer. Er ließ sie rufen, und sagte ihnen, daß sie sich bereit hielten, wenn er sie brauche. Sie versprachen es.

Hierauf ritt er in den oberen Plan. Von dort sandte er Botschaft an den Župan Lubomir nach Daudleb. Lubomir [] sandte Botschaft zurück, daß nach fünf Tagen Wentislaw, der Župenrichter, zur Verkündung der Herrschaft Witikos kommen werde. Witiko sendete Boten aus, und ließ alle Richter aller Orte seiner Besitzung auf den Tag nach Plan entbieten.

Als der Tag gekommen war, wurde ein Tisch vor die Kirche von Plan gestellt. Und als Wentislaw und Witiko und die Richter und viele Menschen dem Gottesdienste beigewohnt hatten, traten Wentislaw und Witiko vor den Tisch. Der Pfarrer stellte ein Kreuz des Heilandes auf den Tisch, und ging dann an die Seite Witikos. Die Richter standen in einer Entfernung von dem Tische mit den Angesichtern gegen Wentislaw und Witiko. Weiter zurück und herum standen die andern Menschen. Wentislaw las nun den Befehl des hocherlauchten Herzoges Wladislaw, daß Witiko von Přic mit Gebieten des Waldes und allen Gebühren begabt worden sei. Er las aus dem Pergamente die Orte und das Gebiet und die Grenzen, und forderte die Richter zum Gelöbnisse der Untertänigkeit unter Witiko auf das Kreuz des Heilandes auf.

Die Richter gelobten die Untertänigkeit unter Witiko auf das Kreuz des Heilandes.

Dann rief der Schmied von Plan mit lauter Stimme: »Heil dem guten Witiko, den wir zu unserem Herrn erkoren haben.«

»Heil Witiko«, riefen die Menschen rings herum.

Und wieder riefen sie Heil, und wiederholten es mehrere Male.

»Witiko, der Obmann im Kriege, und der Obmann zu Hause«, rief David, der Zimmerer.

»Der Obmann im Kriege und der Obmann zu Hause«, riefen die Menschen.

»Wir haben es auf jenem Berge so gesagt, daß er uns führen müsse, ehe noch die Schlacht gewesen ist«, rief Zacharias, [] der Schenke, »und er hat es gut gemacht, und er ist wie wir, und wir sind wie er. Und es ist alles gut.«

»Und er hat die ganzen Waldleute, die auch nicht zu uns gehörten, geführt, als der grüne Feldherr erschlagen war«, rief Paul Joachim, der Maurer, »und es ist gut gewesen, wir haben ihn verstanden, und alles ist gut gewesen, und ist jetzt gut.«

»Die zu Hause wissen nicht, wie es im Kriege ist«, rief Stephan, der Wagenbauer, »aber wir, wir können es sagen, daß es nun gut ist.«

Tom Johannes, der Fiedler, sprang hervor, daß er zwischen den Leuten und den Herren stand, er streckte seine verstümmelte Hand empor und die andere auch, und machte mit den Mienen und den Händen Zeichen, daß er reden wolle. Als alle stille waren, rief er: »Ja, wir wissen es, die wir in dem Kriege gewesen sind, wir wissen es, wir wissen alles; aber alle wissen nicht, wie es sich gebührt, und wie es in der hohen Sitte bei dem Herzoge ist und bei den großen Lechen und bei den Herren und bei denen, die es verstehen, und wer es versteht, dem müssen sie folgen, und ich sage euch, da redet ihr alle, bevor der Herr geredet hat, als ob ihr vornehmer wäret, erst redet der Herr und dann der Untertan.«

»Du redest auch vor dem Herrn, und mehr als wir alle«, rief Zacharias, der Schenke.

Die Menschen lachten; aber sie schwiegen.

Da sprach Witiko: »Redet, es rede, wer da wolle.«

Sie redeten aber jetzt nichts mehr.

Da erhob Witiko seine Stimme, und rief: »Richter der Häuser und Orte meines Gebietes, ihr habt mir das Gelöbnis der Untertänigkeit für alle Menschen des Gebietes auf das Kreuz des Heilandes geleistet, ich nehme das Gelöbnis an, und leiste auf das Kreuz des Heilandes euch und allen Menschen des Gebietes das Gelöbnis der Treue eines Herren gegen seine Untertanen und der Erfüllung [] der Pflichten der Herrschaft entgegen. Ich beginne an dem heutigen Tage die Herrschaft, und sage: den zehnten Teil dessen, was ihr dem hocherlauchten Herzoge Wladislaw als Gebieter des Waldlandes gegeben habt, erlasse ich euch auf die Zeit meines Lebens. Das andere werdet ihr mir entrichten. Die Dienste für mich allein zu meinem Bedarfe und zu meinem Vergnügen werde ich nicht von euch erzwingen, meine Bauwerke, meine Wege, meine Stege und Brücken, meine Reisen, meine Jagden und meine Bewachung schöpfe ich aus meinem Eigentume. In den Diensten für das Gebiet und für den hocherlauchten Herzog werde ich euch nicht bedrücken, und werde euch, wenn die Notwendigkeit dazu kömmt, die Notwendigkeit darlegen. Den Guten werde ich gut sein, wie ein Genosse des Waldes dem Mitgenossen des Waldes ist. Die da fehlen, werde ich zu bessern suchen, und wenn Strafe sein muß, werde ich nach dem Erweise der Schuld milde aber sicher strafen. Wer Hilfe braucht, der komme zu mir, und ich werde nach meinen Kräften helfen. Die Tore meiner Wohnung werden offen stehen, daß keiner meiner Untertanen ausgeschlossen ist. Ich danke euch, daß ihr gekommen seid, gehet zu den Eurigen und verkündet, was ich gesagt habe.«

Als er diese Worte mit lauter Stimme gerufen hatte, entstand ein Schreien in dem Volke, daß kein einziger Ruf zu verstehen war; aber es war ein Schreien der Zustimmung und ein Schreien der Freude. Sie drängten sich herzu, daß kein Raum mehr zwischen ihnen und Witiko war, und es stieß einer den andern. Und in dem Schreien des Volkes hörte man das Aufweinen von Kindern und das Kreischen von Weibern, die gedrückt wurden. Die Richter aber streckten ihre Hände gegen Witiko, und er reichte jedem die seinige. Und als das Schreien sich gemildert, und als man einzelne Rufe vernommen hatte: »Heil Witiko«, »Segen Witiko«, »Das ist recht«, »Das [] ist gut«, und als nur mehr die Stimmen durcheinander redeten, nannte Witiko jeden Richter mit seinem Namen, und sagte ihm, daß er seine Insassen und seine Angehörigen grüßen möge.

Dann wurde das Kreuz des Heilandes in die Kirche getragen, Witiko und Wentislaw und der Pfarrer und der Richter von Plan bahnten sich einen Weg durch die Menschen, und gingen gegen das steinerne Häuschen Witikos. Alle Menschen, die vor der Kirche gewesen waren, gingen mit ihnen, und die zu Hause hatten bleiben müssen, standen jetzt auf der Gasse, und sahen dem Zuge nach, und immer dauerte das Rufen der Freude und das Jubeln. Witiko und seine Gefährten traten in das Häuschen, und verzehrten dort ein Mahl. Als das Mahl geendiget war, kamen junge Männer und Mädchen in ihrem Festtagputze auf die Gasse vor dem Häuschen, und sangen Lieder. Witiko und seine Gäste gingen zu ihnen hinaus, und hörten zu. Und als die Lieder zu Ende waren, dankte Witiko den Sängern und Sängerinnen herzlich, und es dankten die Gäste. Dann dankte Witiko auch den Menschen, die noch immer auf der Gasse versammelt waren, und sie zerstreuten sich nach und nach.

Am nächsten Tage ritt Wentislaw mit seinem Geleite wieder gegen Daudleb zurück.

Als die Morgenstunden dieses Tages vergangen waren, kamen der Pfarrer und der Richter von Plan mit mehreren Männern zu Witiko, und brachten ihm die Huldigung von Plan dar. Er reichte ihnen Brod und Salz, und dankte. Dann sprachen sie von verschiedenen Dingen. Witiko sagte, er werde von Männern wie Lubomir und Bolemil lernen, was in dem Walde zu tun sei, es liege ein Schatz in dem Walde, der gehoben werden könne. Wenn er die Mittel wisse, werde er jedem, der es wünscht, in seinem Gebaren behilflich sein. Die Männer dankten, und sagten, sie würden sich folgsam erweisen. Witiko lud [] sie ein, an den Abenden, so lange er da sei, zu ihm zu kommen. Die Männer versprachen es.

Und am Abende des Tages saß er mit vielen Männern vor dem Häuschen, und sie sprachen, bis die Zeit zum Nachhausegehen gekommen war.

Witiko ging auch an Abenden in andere Häuser, und saß dort bei den Männern, die sich versammelt hatten.

In diesen Tagen kamen noch Richter mit Männern aus Waldstellen nach Plan, um Witiko die Huldigungen darzubringen. Er sprach zu ihnen, wie er zu denen von Plan gesprochen hatte.

Hierauf ritt er nach Friedberg, und wohnte in dem steinernen Hause. Da kamen auch noch Richter mit Männern zur Huldigung, und es wurde gesprochen, was in Plan gesprochen worden war.

Eines Tages sandte Witiko Botschaft an den Brunnenmeister in Daudleb. Der Brunnenmeister kam nach einer Zeit zu ihm. Witiko ließ die Brunnenarbeiter, mit denen er bei seinem früheren Aufenthalte in Friedberg gesprochen hatte, kommen, und er ging dann mit allen durch den breiten Wald hinauf zur Stelle, auf welcher die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden war. Dort, sagte er, möchte er einen Brunnen graben lassen, wenn man gutes Trinkwasser finde. Der Brunnenmeister meinte, es werde reines Trinkwasser im Granitsteine gefunden werden. Und dann bestimmte er die Zeit, wann begonnen werden könnte, und machte die Vorbereitungen. An dem bezeichneten Tage begannen die Männer zu graben. In der Zeit, da sie gruben, ritt Witiko mit einem Geleite zu Lubomir, zu Rowno, zu Diet von Wettern, zu Osel und den anderen Herren, die in der Nähe seines Gebietes hausten. Diese Herren kamen dann auch mit Geleiten zu Witiko in das steinerne Haus nach Friedberg, und wurden von ihm bewirtet.

Es kam auch der Richter von Friedberg mit mehreren [] Männern zu ihm, und sie baten ihn um Unterstützung zur Erweiterung des kleinen hölzernen Kirchleins. Witiko sagte die Unterstützung zu, und bald wurden die Anstalten zu dem Baue gemacht.

An einem Tage kam auch Huldrik zu Witiko, und sagte, daß er eine Bitte habe.

»So bitte, Huldrik«, sagte Witiko, »es wird nichts Ungebührliches sein, und ich werde es erfüllen.«

»Es ist etwas Notwendiges«, sagte Huldrik.

»So sprich«, sagte Witiko.

»Ich bitte, erlaubet mir, daß ich auf dem steinernen Torbogen dieses Hauses, in dem Ihr wohnt, eine Rose mit fünf Blättern einmeißeln lassen darf«, sagte Huldrik.

»Liegt dir viel daran, daß dies geschehe?« fragte Witiko.

»Es ist ein Zeichen der Zeiten, und die Zeichen und die Zeiten werden wachsen«, antwortete Huldrik.

»So lasse die Rose meißeln«, sagte Witiko.

»Und die fünf Blätter werde ich ein wenig mit der roten Farbe bemalen lassen«, sprach Huldrik, »denn die Rose ist die rote Rose.«

»Mir sind die roten Waldrosen einmal ein Zeichen geworden«, sagte Witiko.

»Seht Ihr«, sprach Huldrik.

»So mache sie rot, aber nur ein wenig«, entgegnete Witiko.

»Nur so viel, daß die Rose die rote Rose ist«, sagte Huldrik.

»So tue es, und mache deine Vorbereitungen, wenn du einmal anfangen willst«, sprach Witiko.

»Es muß jetzt geschehen«, sagte Huldrik.

»Wer wird die Rose machen?« fragte Witiko.

»Elias, der Steinhauer von Plan«, antwortete Huldrik, »und er wird auch die rote Farbe bringen.«

»So sei es«, sagte Witiko.

[] Huldrik ging nun in den oberen Plan, und kam mit dem Steinhauer Elias zurück. Elias begann nun auf einem Gerüste an dem Torbogen zu meißeln, und meißelte fünf Tage, und Huldrik stand fünf Tage bei ihm. Dann wurde das Gerüste weggenommen, und man sah auf dem Scheitel des steinernen Torbogens eine fünfblättrige Rose mit schwacher roter Farbe.

»Erlaubet, hoher Herr«, sagte Huldrik zu Witiko, »daß ich den Werklohn für Elias aus dem Eigen des Hauses in dem Wangetschlage zahle, weil von dem Wangetschlage alles stammt.«

»So tue es«, sagte Witiko.

»Und habet Dank, daß Ihr das Werk erlaubt habt«, sprach Huldrik.

Dann zahlte er Elias den Arbeitslohn, zeigte den Leuten von Friedberg die rote Rose, und erklärte ihre Bedeutung, und ging wieder in den Wangetschlag zurück.

Und da Witiko in dem steinernen Hause in Friedberg wohnte, kamen öfter Menschen aus verschiedenen Stellen des Waldes, und brachten Geschenke zu ihm und zu seinem Geleite, das im Hause war, und zum Teile noch an der Moldau lagerte. Sie brachten Feldfrüchte, Geflügel, Fische, Tierfelle, ein Lamm, ein Zicklein, und ähnliche Dinge. Witiko nahm die Geschenke, und gab Gegengeschenke.

Nach einer Zeit kam ein Brunnenarbeiter zu Witiko, und sagte, daß sie auf Wasser gelangt seien.

»So ruhet drei Tage an dem Brunnen, und vergnüget euch«, sagte Witiko, »daß wir sehen, ob das Wasser sich kläre. Am vierten Tage werde ich mit Männern zu euch hinauf kommen, daß wir das Wasser beschauen und begrüßen.«

Witiko ließ nun den Pfarrer, den Richter, die Ältesten und die Kirchenvorsteher von Friedberg, dann den Richter und die Vorsteher von der Friedau, den Richter und [] die Vorsteher von der Stift und den Waldhäusern des Heurafels, vom Kirchenschlage, von der unteren Moldau, und von anderen nahen Stellen bitten, daß sie von heute am vierten Tage zu ihm kommen, und mit ihm zum Brunnen des heiligen Thomas gehen möchten. Wenn noch andere Menschen mitgehen wollen, so werde es ihm eine Freude sein.

Und die Männer, welche gerufen worden waren, kamen alle an dem vierten Tage zu Witiko, und er ging mit ihnen und mit Leuten seines Gefolges durch den großen Wald zu dem Brunnen empor. Viele andere Menschen gingen aus Neugierde mit.

Als sie zu dem Brunnen gekommen waren, und sich um ihn herum gestellt hatten, sagte Witiko zu dem Brunnenmeister von Daudleb: »Nun zeige uns das Wasser.«

Der Brunnenmeister nahm einen Eimer aus Ahornholz, und stieg mit demselben auf der Leiter in den Brunnen hinab. Er brachte den Eimer mit Wasser gefüllt herauf, stellte ihn auf einen Bock, und sagte: »Siehe das Wasser, hoher Herr.«

Witiko blickte in den Eimer, und sprach: »Ich sehe den Boden des Gefäßes und die Fäden des Holzes so klar wie durch die klare Luft.«

Und auch die andern schauten in den Eimer.

Dann sagte Witiko: »Urban, reiche den Becher.«

Urban nahm aus einem Lederfache, das er trug, einen silbernen Becher, und reichte denselben Witiko.

Der Brunnenmeister schenkte aus dem Eimer Wasser in den Becher.

Witiko sagte: »Das Silber blickt glänzend aus dem Wasser.«

Dann setzte er den Becher an den Mund, trank, und sagte: »Das Wasser ist lieblich wie die lieblichen Steinquellen unserer Wälder.«

Er reichte den Becher dem Pfarrer von Friedberg, und [] der Pfarrer trank. Und die anderen Männer, die Witiko geladen hatte, tranken aus dem silbernen Becher, der immer wieder gefüllt wurde.

Die Männer sagten: »Das Wasser ist wie das beste, das aus den Waldfelsen quillt.«

Der Becher wurde wieder in das Fach getan.

Hierauf sprach Witiko: »Männer, ihr sagt, daß das Wasser gut sei für menschliches Leben.«

»Sehr gut«, riefen die Männer.

»Und wird es in Fülle sein, und wird es dauern?« fragte Witiko den Brunnenmeister.

»Es wird in Fülle sein, und dauern«, sagte der Brunnenmeister, »es sind drei Quellen auf dieser Höhe, und eine davon haben wir in dem Brunnen gefangen; sie strömt unten nicht mehr hervor.«

»Und alle, die hier vorüber kamen, haben in den dürresten Jahren aus den Quellen getrunken«, sagte der alte Melchior von der Stift.

»Die Feldquellen versiegen, die Waldquellen nicht«, sagte der alte Wenhart von der Friedau.

Nach diesen Worten nahm Witiko seine Haube von dem Haupte, und sagte: »So danke ich Gott für die Erfüllung meines Sinnes, daß ich mir hier ein Haus bauen kann. Um den Brunnen werde ich mir in der Mitte des Waldes ein Haus bauen, in der Mitte derer, die jetzt zu mir gehören. Ich habe euch gebeten, mit mir zu dem Brunnen zu gehen, daß ihr Zeugen dessen seid, was geschehen soll. Sagt es den Eurigen. Du aber, Brunnenmeister, fertige den Brunnen aus, daß er ein Burgbrunnen wird. Ich werde die Einleitungen zu dem Baue fortführen, und werde euch bald bitten können, daß ihr der frommen Handlung beiwohnet, wenn zu diesem Baue die erste Erde mit der Schaufel aus dem Grunde gehoben wird. Jetzt erquicket euch mit einem Trunke Wein, und dann gehen wir wieder nach Friedberg.«

[] Er setzte seine Haube wieder auf, und ging mit den Gästen in die Brunnenbauhütte zu einem kleinen Mahle.

Die anderen Leute aber, die bei dem Brunnen gestanden waren, tranken jetzt auch von dem Wasser aus den Trinkgefäßen der Arbeiter, in welche es aus dem Eimer geschenkt wurde.

Als die Männer in der Brunnenhütte sich mit Wein und Speisen erquickt hatten, gingen alle wieder nach Friedberg hinunter.

Am anderen Tage sandte Witiko eine Botschaft nach Prag fort.

Dann ließ er verkünden, daß er ein Haus bauen werde, und daß sich Leute melden sollen, die um Lohn arbeiten wollen.

Die Menschen aber, die bei dem Thomasbrunnen gewesen waren, breiteten aus, was sie dort gehört hatten, und es kamen Leute herbei, welche freiwillige Arbeit anboten. Insbesondere kamen Männer aus Plan. Witiko nahm die Anerbietungen an, und sagte, daß die Arbeiterordnungen dann schon eingeleitet werden würden.

Nach einiger Zeit kam ein junger Mann aus Prag, und Witiko stellte ihn den Seinigen vor, und sagte: »Dieser Mann ist der Bauherr Eppo aus Prag, welcher mir versprochen hat, meine Burg zu bauen. Wer von Euch dem Werke zugewiesen ist, muß den Weisungen dieses Mannes folgen.«

Eppo ließ nun alle die Dinge richten und ordnen, die vor dem Beginne des Baues notwendig waren.

Als er sie beendiget hatte, sendete Witiko die Einladungen zu der Feier des Anfanges des Werkes aus.

Es kam nun der alte Župan Lubomir von Daudleb, es kam der alte Pfarrer von Plan, es kam Rowno, Diet von Wettern, Osel, Wyhon von Prachatic, Wolf von Tusch, Wernhard von Ottau, und die anderen Herren aus der Gegend des Waldes. Es kamen Herren aus dem Lande [] Baiern herauf. Es kamen die Richter aus dem Gebiete Witikos und noch andere Menschen aus dem Walde.

Als der Morgen des anberaumten Tages angebrochen war, ging der Zug von Friedberg durch den hohen Wald empor. Viele Menschen folgten, und andere gingen von allen Richtungen her zur Stelle des heiligen Apostels Thomas. Als der Zug an dieser Stelle angekommen war, sahen die Männer den Platz weit herum gelichtet, zwischen den grauen Gesteinen standen Bauhütten, es lagen Baudinge herum, Stäbe waren gesteckt, wo die Mauern werden sollten, und auf dem grünen Rasen war ein Altar errichtet. Aus Brettern war eine Reihe von Bänken und Tischen gemacht.

Die Männer des Zuges setzten sich auf die Bänke, und der Pfarrer von Plan feierte mit der Beihilfe des Pfarrers von Friedberg und der Kirchendiener vor dem Altare den Gottesdienst. Als dieser beendiget war, segnete der Pfarrer von Plan die Stelle, auf welcher die Burg stehen sollte. Dann nahm er die Schaufel, welche ihm gereicht wurde, und hob mit ihr ein Stückchen Rasen heraus, wo der Grund für die Mauern gegraben werden sollte. Dann nahm Lubomir die Schaufel, und hob ein Stückchen Erde heraus. Dann nahm sie Rowno, dann Wyhon von Prachatic, dann Diet von Wettern, und alle die Herren und Gäste, und jeder hob ein Stückchen Erde heraus. Der letzte, der es tat, war Witiko.

Hierauf stellte sich eine Reihe von Männern, die von Plan, von Friedberg und von anderen Orten gekommen waren, im Festtagsgewande mit Schaufeln auf.

Der Pfarrer von Plan aber sprach: »So wird ein neues Haus begonnen, der Himmel ist jetzt über ihm, der Himmel sei dann in ihm, und der Himmel weiche nicht von ihm.«

»Und er sei über dem ganzen Walde«, sagte der Pfarrer von Friedberg.

[] Darauf sprach Lubomir: »Witiko, du treuer freundlicher Sohn unseres Landes, wie du uns hier auf dem grünen Rasen versammelt hast, so versammle uns einmal in dem Hause. Lebe in dem Hause, und mögen noch viele in dem Hause leben, und ein Geschlecht hervorgehen, das groß und mächtig ist, wie einmal Geschlechter in unserem Lande gewesen sind, und wie sie noch sind. Und möge die Macht nie zur Frevelmacht werden, und die Zerstörung auf sich selber rufen, wie in unseren Tagen Mächte und Reichtümer hingeschwunden sind, die noch im Jahre zuvor selbst dem Herzoge Trotz geboten haben. Das Geschlecht halte den Schild über den Wald und über das Vaterland, daß im Walde seine Spuren dauern, wenn es längst entschwunden ist, und daß im Vaterlande seine Taten in Worten, in Gesängen und in Pergamenten erzählet werden.«

»Wie ich damals gesagt habe, als du zum ersten Male bei mir in meinem Turme gewesen bist«, rief der Wladyk Rowno: »Es ist nur immer einer gewesen, der der Stifter eines großen Geschlechtes geworden ist, so kann aus dem kleinen Anfange ein großer Fortgang werden. Und ich habe gesagt: die Wladyken müssen größer werden. Ich, der Wladyk, bin größer geworden, Diet ist größer geworden, Osel ist größer geworden, Hermann ist größer geworden, und alle im Walde sind größer geworden, und du bist jetzt auch ein Herr in dem Walde. Und ich habe gesagt: Wir dehnen unsere Besitzungen gegen den Wald, und wir haben sie gegen den Wald gedehnt, und du dehnest sie gegen den Wald. Wer hätte gedacht, daß du so bald die Burg deiner Herrschaft bauen wirst. Aus dem Walde kann Großes ausgehen, er hat die Kraft, und treibt sie hervor, aus jedem von uns kann das Große kommen.«

»Mein Ahnherr ist ein Pechsammler in dem Walde gewesen«, sagte Lubomir.

[] »Und Ihr seid ein mächtiger Župan und Kriegsanführer«, antwortete Rowno, »was kann aus jedem werden? Wir müssen zusammenhalten und in freundlicher Nachbarschaft leben. Du bist jetzt einer wie wir, Witiko, und wir sind wie du.«

»In freundlicher und guter Nachbarschaft«, rief Osel.

»In guter treuer Nachbarschaft«, sagte Diet.

»Wir werden zusammen stehen, wie wir zusammen gestanden sind, und werden nicht streiten«, sagte Wernhard von Ottau.

»Ja, in guter Nachbarschaft«, riefen mehrere.

Dann sprach Witiko: »Hochwürdige Priester, hoher Župan und ehrwürdige Männer. Ich danke euch für eure Wünsche. Möge der Himmel in dem Hause sein, wie der hochwürdige Pfarrer gesagt hat; darin liegt alles. Was sonst geschieht, füge Gott. Ich werde bestrebt sein, das Gute zu tun, alles andere, sagt Silvester, ist darin enthalten. Ich werde ein treuer Nachbar sein, und niemand schädigen. Und so reiche ich meine Hand darauf.«

Er reichte die Hand hin, und einer nach dem andern faßte sie.

Nun brachte Eppo, der junge Baumeister aus Prag, ein Pergament herbei, faltete es aus einander, und zeigte es. Auf ihm war die Burg abgebildet, wie sie sein würde, wenn sie fertig wäre. Die Männer gaben einer dem andern das Pergament, und jeder betrachtete es, und jeder lobte es.

Dann wurde es wieder in sein Fach gelegt.

Hierauf sprach der Meister der Maurer den Maurerspruch. Dann sprach der Meister der Zimmerer den Zimmererspruch, und dann senkten die Männer, die in ihren Festgewändern mit den Schaufeln dagestanden waren, die Schaufeln, stießen sie in die Erde, und es begann das Schaufeln des Festes. Und das Festschaufeln tiefte einen Graben aus, wie ihn das wirkliche Schaufeln getieft [] hätte. Dann gab der Baumeister das Zeichen, daß die Arbeit zu Ende sei, und es wurde an den Tischen, auf den Bänken, auf dem grünen Rasen, wie es sich fügte, ein Mahl verzehrt. Die Menschen, welche als Zuschauer da waren, bekamen Speise und Trank, so weit die Dinge nur reichen mochten.

Nach dem Mahle ging der Zug wieder nach Friedberg hinunter.

Noch an dem Tage und an dem folgenden traten die fremden Gäste den Heimweg an.

Es begann nun auf dem Berge des heiligen Thomas der Bau der Burg. Eppo teilte die Werkmänner, die er gedungen hatte, und die Männer, die freiwillig herzu gekommen waren, zur Arbeit ein. Die Gräben wurden als Grund der Mauer getieft, und die Bäume wurden erhöht, an denen die Gerüste werden sollten. Und wie bei dem Baue der Burg Schauenberg wurden in allen dienlichen Richtungen die Baugegenstände herbei geschafft. Die zahlreichen Männer und Weiber, die bei dem Werke beschäftiget waren, hielten Ordnung, und wie die Ameisen sonst bestrebt sind, in dem Walde ihre Wohnung zu fördern, so trachteten jetzt die vielen Menschen in dem Walde eine menschliche Wohnung zu errichten.

Witiko wohnte indes in dem steinernen Hause in Friedberg.

Eines Tages aber ritt er in seinem Ledergewande, nur von Raimund begleitet, von dem Hause fort. Er ritt in die Herberge der unteren Moldau, und von dort auf dem Saumwege des großen Waldes zu den Häusern von Aigen hinaus. In Aigen wurde das Mittagmahl verzehrt, die Pferde rasteten, und bekamen Nahrung. Von Aigen ritten die zwei Männer im Walde auf dem Saumwege den Wassern der Mihel entgegen. Und am Nachmittag kamen sie in das Waldhaus Heinrichs von Jugelbach. Das Tor wurde ihnen geöffnet, sie ritten in den Hof, Witiko wurde von [] Heinrich begrüßt, und die Pferde wurden versorgt. Witiko sprach: »Jugelbach, Erlaubt, daß ich zuerst in Euer Gemach gehe.«

Heinrich führte ihn dahin.

Als sie in dem Gemache waren, sagte Heinrich Jugelbach: »Seid mir gegrüßt, Witiko. Ich habe eine Freude darüber, daß Ihr zu dieser Frist gekommen seid.«

»Ich habe Eurer Worte gedacht«, antwortete Witiko, »und habe meiner Worte gedacht.«

»Und Ihr habt nach den Worten gehandelt«, sagte Heinrich, »reicht mir die Hand.«

Witiko reichte ihm die Hand. Heinrich faßte sie, und sprach: »Eure Hand ist die Hand eines Mannes, und meine Hand ist auch die eines Mannes.«

Witiko sagte: »Ihr habt mich in Euerm Gemache begrüßt, und ich habe Euch begrüßt, führet mich nun zu der hohen Frau Wiulfhilt.«

»So gehen wir«, sprach Heinrich.

Sie gingen in das Gemach Wiulfhilts.

Da sie eingetreten waren, stand Wiulfhilt von ihrem Sitze auf, ging Witiko entgegen, reichte ihm die Hand, und sprach: »Seid mir von Herzen gegrüßt, Witiko, Ihr habt uns wieder in unserem Waldhause aufgesucht.«

Witiko beugte sich auf die dargebotene Hand nieder, und küßte sie, dann richtete er sich auf, und sprach: »Ich begrüße Euch in Ehrerbietung, hohe Frau. Ich habe der Reife der Zeit geharrt, in der ich wieder zu euch kommen darf. Ich glaube, daß die Reife eingetreten ist, und da habe ich einen Mann gesendet, der erkunden soll, ob ihr in dem Waldhause wohnet. Der Mann hat mir die Nachricht zurück gebracht, daß ihr in dem Hause wohnet, und so bin ich zu demselben geritten. Und weil ich nun vor Euch stehe, hoher Herr, und vor Euch, erhabne Frau, so erlaubet, daß ich vor allen Dingen zuerst von dem rede, was zu reden ich gekommen bin.«

[] »Nehmen wir Sitze«, sagte Heinrich.

Sie setzten sich.

»Sprecht, Witiko«, sagte Heinrich.

»Weil ihr gütig höret, so rede ich«, sprach Witiko. »Ihr, hoher Herr, habt einmal zu mir gesagt: ihr seid als Gast in meinem Hause immer willkommen, und Ihr, erhabene Frau, habt gesagt: Kommt als Gast bald wieder in unser Haus. Ich bin aber als Gast nie mehr gekommen, weil ich in anderen Ehren kommen wollte, oder gar nicht mehr. Ihr, Herr Heinrich von Jugelbach, habt vor zwei Jahren in Euerem Gemache zu mir gesagt: Ihr habt in der Schlacht die rote Waldrose auf dem weißen Schilde getragen, sorget, daß die Rose in die Geschicke Eurer Länder hinein blühet, und dann kommt. Ihr, Herr Heinrich von Jugelbach, habt vor zwei Jahren in dem Gemache Eurer hohen Gattin gesagt: Ihr habt Euch bei den Leuten Vertrauen erworben, die in dem Walde wohnen. Im Walde stehen noch viele Dinge bevor, beachtet sie, Witiko. So habt Ihr gesagt. Ihr, erhabene Frau Wiulfhilt von Dornberg, Gattin des Herrn Heinrich von Jugelbach, habt vor zwei Jahren in dem Speisegemache zu mir gesagt: Der Wille meines Gemahles ist der meinige. So habt Ihr gesagt. Und so bin ich hier. Ich bin in jener Zeit, da ich von euch fortgeritten bin, mit Zdik, dem Bischofe von Olmütz, zu Regimbert von Peilstein und Hagenau, dem Bischofe von Passau, nach Passau geritten, wohin ich Zdik geleitete. Ich bin bei dem hochehrwürdigen Bischofe von Passau so lange als Gast geblieben, so lange ich nach Geziemung bleiben mußte. Dann bin ich auf einem Donauschiffe von Passau bis zur Stadt Wien gefahren, und bin auf den Kahlenberg in die Burg des erlauchten Markgrafen von Österreich, Heinrich, geritten, in welcher Burg meine Mutter bei Agnes, der hocherhabenen Mutter des Markgrafen, als Gast war. Ich habe meine Mutter besucht, welche ich lange nicht gesehen [] habe. Ich bin so lange bei meiner Mutter geblieben, als es die Gebühr erfordert hat. Ich bin in jener Zeit auch bei dem erlauchten Markgrafen gewesen, und habe mit ihm gesprochen. Von Wien bin ich nach Plan in den Wald geritten, und bin in dem Walde geblieben. Im Frühlinge mußte der Krieg des hocherlauchten Herzoges von Böhmen und Mähren, Wladislaw, gegen die Empörer in Mähren beginnen. Die Männer des Waldes haben in großer Zahl beschlossen, in den Krieg zu gehen. Sie hatten Vertrauen zu mir, und die, welche von den Häusern der oberen Moldau bis zu den Häusern der Stift und der Kienberge wohnen, haben mich zu ihrem Führer gewählt, daß wir einen Teil der Scharen des Herzoges Wladislaw bilden. Ich führte sie zu dem Herzoge, und der hat mir den Befehl über sie gegeben. Die Männer des Waldes haben allein einen Kampf gegen die Scharen Wratislaws, des Herzoges von Brünn, bestanden, und haben die Scharen des Herzoges in die Flucht geschlagen. Sie sind in der Schlacht bei Znaim gewesen, und sind dort wie starke und tüchtige Leute des Waldes bestanden. Sie haben die Züge gegen Brünn und Olmütz und durch das ganze Land mitgemacht. Als die Feinde niedergeworfen, und das Land Mähren in der Gewalt des Herzogs war, belohnte er sie, und sie zogen in ihre Heimat. Mir gab er ein Pergament, darauf ein Strich Waldlandes verzeichnet ist, das er mir mit Gebühren und Untertanpflichten erteilte. Ich bin dadurch einer der Herren geworden, wie sie in unserem Lande über Untertanen sind, und bin als ein solcher Herr zu dem Rate des Herzoges berufen. Ich habe diesem Rate in Prag auch schon beigewohnt. Das Pergament habe ich in seiner Tasche auf meinem Pferde mitgebracht, und werde es euch zeigen. Nach dem Kriege in Mähren bin ich zu meiner Mutter nach Landshut geritten, und habe sie und den ehrwürdigen Priester Benno, der ein Freund meines Vaters war, und mein gütiger, [] wohlwollender Lehrer und Erzieher ist, und unsere Base Hiltrut, in deren Häuschen meine Mutter als Gast war, in unseren Hof nach Přic geleitet. Dann bin ich nach Prag zu unserem Herzoge gegangen, und in die Kammer des Herzoges. Dort haben sie mein Pergament in die vollständige Ordnung gebracht. In Prag habe ich den jungen kundigen Baumeister Eppo erforscht, und habe mit ihm den Bau eines Hauses verabredet. Im Winter war ich in Přic bei meiner Mutter, bei Benno, Hiltrut und meinen Leuten. Im Frühlinge bin ich nach Friedberg geritten, dessen Häuser auf einem Hügel an der Moldau stehen. Von Friedberg geht im Mittage ein breiter und langgedehnter Wald empor, der eine hohe Schneide hat, und er geht von der Schneide wieder breit und weit hinunter, bis wo die Mihel fließt. Auf seiner Schneide stand einmal eine Säule des heiligen Apostels Thomas, darum er jetzt der Thomaswald heißt. Auf der Stelle der Waldschneide, wo die Säule des heiligen Apostels gestanden war, baue ich mir jetzt eine Burg, welche das Witikohaus heißen soll, wie ihr auf der Steinzunge der Berge zwischen Aschach und Eferdingen eine Burg baut, die Schauenberg heißen wird. Der Baumeister Eppo hat eine Abbildung der Burg gemacht, wie sie sein wird, wenn sie fertig geworden ist. Ich habe die Abbildung in ihrem Fache mit mir genommen, und werde sie euch zeigen. Als das Bauen der Burg begonnen war, und fortschritt, bin ich zu euch geritten, und nun bin ich da, und frage euch: Darf ich den Gedanken fassen, daß ich der sicheren Ehren teilhaftig werden kann, unter welchen ich dann öfter in eurer Burg erscheinen werde?«

Als Witiko seine Rede geendet hatte, sprach Heinrich von Jugelbach: »Wir haben gewußt, daß Ihr kommen werdet, Witiko, und haben gewußt, was Ihr reden werdet, und wir: ich, meine Gattin, Wiulfhilt von Dornberg, mein Vater, Werinhart von Jugelbach, meine Mutter, [] Benedicta von Aschach, mein Bruder, Gebhart von Jugelbach, und noch Männer, die in unserem Vertrauen sind, haben beraten, was Euch geantwortet werden soll. Seid in meinem Hause herzlich gegrüßt, Witiko. Ich muß aber doch den Anfang der Antwort ein wenig anders machen, als ich und Wiulfhilt nach der Anhörung des Rates der Unsrigen beschlossen haben. Ihr habt Eure Erlebnisse nicht genau erzählt, oder die Männer in dem Walde haben nicht genau geredet, oder die, welche die Erzählungen der Männer des Waldes brachten, sind in ihren Nachrichten nicht genau gewesen. Nicht die Leute des Waldes haben für sich sofort beschlossen, zu dem Herzoge Wladislaw in den bevorstehenden Krieg zu ziehen. Ihr habt den Zug vorbereitet, Witiko. Ihr habt zu den Leuten gesprochen, ihr habt ihnen gesagt, wie die Dinge sind, und habt ihren Willen den Dingen zugelenkt. Ihr habt Waffen vorbereitet und Gewänder und Zurüstungen und Übungen, und seid selbst der Lehrer in den Übungen gewesen. Ihr habt durch Euch die Liebe der Leute erworben, und sie sind in großer Zahl Eurer Einsicht zugefallen. Es sind im Winter Leute über den Wald heraus gekommen bis zu uns an den Inn, und haben von diesen Dingen erzählt, und Leute, die von uns im Kaufe und Tausche in dem Walde gewesen sind, haben davon erzählen gehört, und in unserem Lande ist davon erzählt worden. Und weil das gerecht ist, wozu Ihr die Menschen angeleitet habt, so haben wir eine Freude über die Erzählung gehabt. Ihr seid mit den Männern zu Wladislaw gezogen, und Ihr habt durch Eure Führung Wratislaw geschlagen, und Ihr habt im Kriegsrate des Herzoges angeboten, durch die Schlucht vor Znaim den Feind zu umgehen, weil es die Waldleute können. Ihr habt die Schlucht bewältiget, und ein Teil jenes Sieges ist Euer. Ihr seid in den andern Zügen umsichtig gewesen, und habt überall für Eure Leute durch Ordnung, Nahrung, [] Pflege und Erfüllung jedes Bedarfes gesorgt, und habt Mäßigung bewiesen. Nicht jedem Führer hat der Herzog Waldland gegeben. Ich habe gesagt, in dem Walde stehen noch viele Dinge bevor, und Ihr, Witiko, habt ein Werkzeug gefunden, die Dinge hervor zu rufen, die Zuneigung der Leute, und Ihr habt die Art, die Dinge zu rufen, und die Klugheit, und jetzt auch die Macht. Ihr werdet sie rufen, Ihr wißt jetzt selber noch nicht, wie weit. Das hat mir mein Freund Lubomir gesagt, das hat mir mein Freund Ctibor gesagt, das hat mir mein Freund Nemoy gesagt, das hat mir mein Freund Rowno gesagt, das hat mir mein Freund Hermann gesagt, und das hat ein Mann gesagt, der nicht mein Freund ist, der aber die Dinge kennt, Strich von Plaka, der fürchtet, daß Ihr durch Benützung des Waldes ihm Schaden zufügt. So, Witiko, muß ich in meiner Antwort sprechen, und Euch der Ungenauheit in Eurer Erzählung bezüchtigen, und so, Witiko, hat die Rose in die Geschicke Eures Landes hinein geblüht, und sie wird ferner hinein ranken und Wurzeln fassen. Ich weiß Friedberg sehr gut, und kenne die Stelle der Säule des heiligen Apostels Thomas. Sie ist für eine Burg so gut, daß ihr wenige gleich sind. Das Pergament dürft Ihr mir nicht zeigen; aber die Abbildung der Burg zeigt mir. Und so sage ich Euch, Witiko, Ihr dürft, wie Ihr die Worte gesprochen habt, den Gedanken fassen, daß Ihr der höheren Ehren teilhaftig werdet, unter denen Ihr öfter in meiner Burg sein sollet. Meine Gattin hat mit mir den gleichen Willen.«

»Ich habe ihn«, sagte Wiulfhilt, »wie es beschlossen worden ist, und ich habe ihn noch früher gehabt als die andern, weil ich Euch mit meinen inneren Augen früher kannte, als Euch die andern mit ihren äußeren Augen kennen lernten.«

»Hoher Herr«, antwortete Witiko, »hocherhabene Frau, ich danke mit Ehrerbietung der Antwort, die ihr mir gegeben [] habt. Euch, hocherhabne Frau, danke ich noch, daß Ihr mit Euern inneren Augen Gutes an mir gesehen habt, und Euch, hoher Herr, danke ich noch, daß Ihr gut von mir geredet habt. Ihr habt zu gut geredet. Die Dauer und Kraft der Waldleute hat gewirkt und die Güte des Herzogs.«

»Und beide haben gerne für Euch gewirkt«, sagte Heinrich, »erhaltet Euch beide.«

»Ich will darnach streben«, sagte Witiko. »Und nun, hoher Herr und erhabene Frau, erlaubet, daß ich auch das zweite rede, weshalb ich gekommen bin.«

»Sprecht«, sagte Heinrich.

»Eure hochedle Tochter Bertha«, sprach Witiko, »hat zu mir bei dem großen Steine an dem Waldessaume gesagt: Baue dir ein Haus, Witiko, und wenn dann noch keine Makel an dir ist, so folge ich dir, und harre bei dir bis zum Tode. Gestattet, hoher Herr und hocherhabene Frau, daß ich Bertha sage, ich baue mir nun ein Haus, und daß ich sie frage, ob eine Makel an mir ist.«

»Sagt ihr, und fragt sie«, antwortete Heinrich.

»Und wenn sie sagt, es sei keine große Makel an mir, darf ich sie dann fragen, ob sie mir folgen wolle?« sprach Witiko.

»Ihr dürft sie fragen«, entgegnete Heinrich.

»Und wenn sie sagt, sie folge mir, darf ich dann feierlich kommen, um sie zu werben, daß sie mein Eheweib werde?« sprach Witiko.

»Ihr dürft kommen, und vor allen den Unsern werben«, antwortete Heinrich, »und so gehet zu Bertha.«

»Gehet, Witiko, sie harret Eurer«, sagte Wiulfhilt.

»Geleite Witiko zu ihr«, sagte Heinrich.

»So folget mir, Witiko«, sprach Wiulfhilt.

»Ich folge Euch, hocherhabene Frau«, sagte Witiko.

Sie standen auf. Heinrich reichte Witiko die Hand, Wiulfhilt ging bei der Tür hinaus, und Witiko folgte ihr.

[] Sie führte ihn über den Gang in das Gemach Berthas.

Bertha saß in dem Gemache an einem Tische. Von ihrem Haupte hingen zwei Zöpfe nieder, an den Armen war weißes Linnen, der Brustlatz war rot, und von ihm fiel der stark faltige schwarze Rock hinab.

Sie stand auf, da ihre Mutter mit Witiko in das Zimmer kam.

»Bertha«, sagte die Mutter, »Witiko hat deinen Vater und mich gefragt, ob er mit dir sprechen dürfe, und wir haben ihm geantwortet, er darf mit dir sprechen. Willst du ihn hören, und auch mit ihm sprechen?«

»Ich will ihn hören, und mit ihm sprechen, Mutter«, sagte Bertha.

»So sprecht, und ich gehe zu dem Vater«, sagte Wiulfhilt.

Sie verließ nach diesen Worten das Gemach.

Witiko stand in seinem Ledergewande vor Bertha, und sah sie an. Bertha sah ihn an.

»Was willst du zu mir sprechen, Witiko?« fragte sie.

»Du hast an dem schönen großen Steine neben dem Waldsaume vor zwei Jahren zu mir gesagt, Bertha«, antwortete Witiko: »Baue dir ein Haus, Witiko, und wenn dann noch keine Makel an dir ist, so folge ich dir, und harre bei dir bis zum Tode. Nun baue ich mir ein Haus, und bin gekommen, dich zu fragen, ob eine Makel an mir ist?«

»Es ist keine Makel an dir, Witiko«, antwortete Bertha.

»So wirst du mir in das Haus folgen?« fragte Witiko.

»Ich werde dir in das Haus folgen«, entgegnete Bertha.

»Und wirst dort harren bis zu dem Tode?« fragte Witiko.

»Ich werde harren bis zu dem Tode«, antwortete Bertha.

»So ist gesprochen, was zuerst gesprochen werden sollte«, sagte Witiko. »Bertha, Bertha, sei mir tausendmal gegrüßt.«

»Sei tausend und tausend Mal gegrüßt, Witiko«, antwortete Bertha.

[] Und sie reichten sich die Hände, hielten sich an denselben, und schauten sich in das Angesicht.

»Bertha«, sprach Witiko, »du hast gesagt: Ich will, daß dir keiner gleich ist, so weit die Augen blicken, es mögen unten die Bäume des Waldes emporstehen, oder die goldenen Felder der Ähren, oder der grüne Sammet der Wiesen dahin gehen. Nun aber sind mir viele gleich, es sind sehr viele über mir, wirst du mich in hoher Achtung halten können, Bertha?«

»Witiko«, antwortete Bertha, »als ich jene Worte gesagt hatte, gabst du mir die Erwiderung: Ich will zu dem Höchsten streben.«

»Ich wollte es, und will es noch«, sagte Witiko, »und ich habe auch gesagt, daß ich das Ganze tun will, was ich kann.«

»Nun, das Streben ist der Anfang«, sagte Bertha, »und den Anfang hast du gemacht, Witiko. Ich habe an jenem Steine auch gesagt: Wenn ich dir folge und bei dir harre, dann rede zu den Männern deines Landes, bringe sie zu dem Großen, und tue selber das Große. Ich kann also nicht wollen, daß dir jetzt schon keiner gleich ist; aber die Jahre werden es nach den Jahren bringen, und einmal werde ich sagen: Witiko, jetzt ist dir keiner gleich.«

»Und die Jahre werden nach den Jahren vergehen, und du wirst es nicht sagen können«, antwortete Witiko.

»Dann werde ich noch weiter harren«, sprach Bertha.

»Und wenn du immer harrest«, sagte Witiko.

»So weiß ich dich auf dem Wege«, antwortete Bertha. »Witiko, ich habe gesagt: Wenn du ein niederer Mann würdest, so würde ich als dein Weib von dir gehen, dahin du mir nicht folgen könntest.«

»Ich werde niemals ein niederer Mann«, sagte Witiko, »und so, Bertha, in diesen Gefühlen wirst du mein Weib.«

»So werde ich dein Weib«, entgegnete Bertha.

[] »Und so ist nun erfüllet, was erfüllt werden sollte, gehen wir jetzt zu den Eltern«, sprach Witiko.

»Gehen wir«, sagte Bertha.

»Ich bitte dich noch um etwas«, sprach Witiko.

»Sage es«, entgegnete Bertha.

»Gehe mit mir heute an diesem Tage, wenn es deinem Vater und deiner Mutter genehm ist«, sprach Witiko, »zu der Stelle, auf welcher ich dich zum ersten Male gesehen habe, da du mit Rosen bekränzt da standest, und gehe mit mir zu den Steinen, auf welchen wir an jenem Tage gesessen waren.«

»Ich werde sehr gerne mit dir gehen, Witiko«, sagte Bertha, »und wir werden den Vater und die Mutter darum bitten.«

»So gehen wir nun«, sprach Witiko.

Und sie gingen über den Gang zurück in das Gemach Wiulfhilts. In demselben war noch Heinrich bei seiner Gattin. Witiko und Bertha traten vor die Eltern. Wiulfhilt stand auf, und küßte Bertha auf die Stirne. Heinrich nahm Witikos Hand in die seine, und legte sie dann in die Hand Wiulfhilts.

»Lasse die Kinder an unserer Seite sitzen, Wiulfhilt«, sagte er.

»Setzet euch zu uns«, sprach Wiulfhilt.

Heinrich und Wiulfhilt setzten sich auf ihre Stühle, und Witiko und Bertha setzten sich auf Stühle daneben.

»So sind Eure Wünsche gesichert«, sprach Heinrich, »und die Vollendung wird folgen. Und da Ihr nun, Witiko, wie Eure Worte gelautet haben, der höheren Ehren bei uns teilhaftig geworden seid, so werdet Ihr auch die minderen nicht verschmähen, und eine Weile unser Gast sein.«

»Ich werde es mit Freude sein«, antwortete Witiko, »und werde auch diese Ehre ehren.«

»Und uns wird es eine Freude sein, Euch länger zu sehen als sonst«, sagte Wiulfhilt.

»Wir können dann auch über viele Dinge sprechen, die [] sich ereignet haben, und Ihr könnt mir manches erzählen, Witiko«, sprach Heinrich. »Auch könnt Ihr Bertha besser kennen lernen, und Bertha Euch.«

»Ich kenne Witiko schon, mein Vater«, sagte Bertha.

»Und ich kenne Bertha«, sagte Witiko.

»Und wenn ihr eines das andere kennet«, sprach Heinrich, »so wird die Gegenwart euch doch erheben.«

»Ja«, sagte Bertha.

»Ja«, sagte Witiko.

»Und unser Haus und unser Wald und unsere andern Liegenschaften können Euch zu mancher Betrachtung dienen«, sagte Heinrich.

»Und ich kann für die Zeit, die mir zunächst liegt, etwas lernen«, sprach Witiko.

»Ihr könnt für Eure Handlungen, die Ihr jetzt tut, bald die Einsichten gewinnen«, sagte Heinrich.

»Und Ihr werdet mir mit Eurem Rate gewiß beistehen«, sprach Witiko.

»Wenn Ihr ihn bedürft, und wenn er etwas nützt, werde ich ihn gerne geben«, antwortete Heinrich.

»Ich werde ihn bedürfen, und er wird nützen«, sagte Witiko.

»Jetzt aber«, sprach Heinrich, »ist es die erste Pflicht des Wirtes, den Gast zu pflegen. Ihr seid von dem Pferde gestiegen, und seid gleich in mein Gemach geführt worden. Es ist billig, daß ich Euch in Eure Wohnung geleite, daß Ihr Euch stärkt, vorerst einrichtet, und dann sagt, was Ihr weiter bedürfet.«

»Es ist eine Bitte ganz anderer Art, welche ich stellen möchte«, sprach Witiko.

»So redet«, sagte Heinrich.

»Gebet Eure Genehmhaltung«, sprach Witiko, »daß Bertha und ich an diesem heutigen Tage die Stelle besuchen, an welcher ich Bertha zum ersten Male gesehen habe. Bertha bittet das Gleiche.«

[] »Ich bitte das Gleiche, Vater«, sagte Bertha.

»So besuchet die Stelle«, antwortete Heinrich, »wenn die Mutter meiner Meinung ist.«

»Lasse die Kinder gehen«, sagte Wiulfhilt.

»Ich danke«, sprach Witiko, »wir werden wieder in das Gemach zurückkommen.«

»Ich danke, Vater und Mutter«, sagte Bertha.

Nach diesen Worten standen Witiko und Bertha auf, verabschiedeten sich von den Eltern, und verließen das Gemach. Sie gingen durch die Tür des Hauses auf den Sandplatz hinaus, und von dem Sandplatze auf dem Wiesenpfade gegen Mittag dahin, wie sie vor sechs Jahren auf demselben Pfade gegen Mitternacht dem Hause zugegangen waren. Sie sprachen beide kein Wort. Als sie zu der Betstelle des roten Häuschens gekommen waren, knieten beide neben einander nieder, und beteten. Dann gingen sie stumm weiter. Sie kamen an den Saum der Schlucht, in welcher das Wasser rauschte, wie es vor sechs Jahren gerauscht hatte. Sie gingen am Rande der Schlucht in der Richtung des rinnenden Wassers dahin. Der Wald nahm sie auf. Sie verließen dann das Wasser, und gingen links zwischen den Stämmen weiter.

Da sagte Witiko: »Bertha, Bertha, vor sechs Jahren sind wir auf diesem Wege herauf zu deinem Vater und zu deiner Mutter gegangen, zu denen du mich, den Fremdling, geführt hast. Wer von uns beiden hätte damals gedacht, daß wir einmal diesen Weg gehen werden, wie wir ihn heute gehen?«

»Das habe ich nicht gedacht«, sagte Bertha, »aber das war mir, daß wir oft mit einander gehen werden.«

»Und mir war«, entgegnete Witiko, »daß ich oft mit dir gehen möchte. Hast du mich also gerne in das Haus deiner Eltern geführt?«

»Ich wäre sonst nicht an der Waldstelle mit den Rosen auf meinem Haupte stehen geblieben, als du dich nähertest«, [] sagte Bertha, »sondern wäre in den Wald geflohen wie Trude geflohen ist.«

»Also bist du meinetwillen an der Stelle stehen geblieben?« fragte Witiko.

»Ich wollte dich sehen«, sagte Bertha, »und als ich dich gesehen hatte, warst du mir lieb.«

»Und als ich dicht gesehen hatte, warst du mir auch lieb«, sprach Witiko. »Wir waren zwei Kinder.«

»Ja, aber ich habe schöne Ritter und Knaben vor dir gesehen, und keiner war mir lieb«, antwortete Bertha.

»Und ich habe schöne Jungfrauen und Mädchen vor dir gesehen, und keine war mir lieb«, sagte Witiko.

»Siehst du?« sprach Bertha.

»Und weil ich dir lieb war, hast du mit mir geredet?« fragte Witiko.

»Weil du mir lieb warst, habe ich mit dir geredet«, antwortete Bertha.

»Und weil ich dir lieb war, bist du mit mir zu den Sitzsteinen an den Ahornen gegangen?« fragte Witiko.

»Weil du mir lieb warst, bin ich mit dir zu den Sitzsteinen an den Ahornen gegangen«, antwortete Bertha.

»Und bist neben mir auf den Steinen gesessen«, sagte Witiko.

»Und bin neben dir auf den Steinen gesessen«, sprach Bertha.

»Und mir bist du so lieb gewesen«, sagte Witiko, »daß ich immer bei dir hätte sitzen, und immer mit dir hätte reden mögen. Du bist heute wie damals gekleidet, Bertha.«

»Es ist das nämliche Gewand, welches ich an jenem Sonntage an gehabt hatte«, antwortete Bertha, »nur das schwarze Röcklein ist mir ein wenig kürzer geworden.«

»Mir ist alles wie in jener Zeit«, sagte Witiko.

»Ich habe jetzt das Kleid nie mehr getragen; aber ich habe mir es aufbewahrt«, sprach Bertha, »und da du [] heute kamest, und da ich wußte, um was du mich fragen würdest, habe ich es angezogen. Du bist auch in einem Gewande wie damals.«

»Es ist das nämliche«, sagte Witiko, »ich trage es oft, aber nicht immer, und habe es genommen, weil ich dich heute um das fragen wollte, um was ich dich gefragt habe. Und warum bin ich dir denn damals lieb gewesen, Bertha?«

»Du bist mir lieb gewesen, weil du mir lieb gewesen bist«, antwortete Bertha.

»Ich bin dir ja ganz fremd gewesen«, sprach Witiko.

»Du warst mir nicht fremd; als ich dich sah, habe ich dich lange gekannt«, antwortete Bertha.

»Und ich habe dich ja immer gekannt, da du mit den Rosen an dem Waldsaume standest«, sagte Witiko.

»Ich habe es gewußt«, entgegnete Bertha.

»Deine Mutter, Bertha, hat gesagt«, sprach Witiko, »sie habe mich mit ihren inneren Augen schon früher gekannt, als mich die anderen mit ihren äußeren Augen kennen lernten. Hast du auch solche innere Augen, Bertha?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Bertha, »aber ich habe dich nicht früher als die andern kennen gelernt, sondern habe dich gleich gekannt.«

»Ich habe dich auch gleich gekannt, und weiß nicht wie«, sagte Witiko. »Und doch bin ich, da ich an dem Steine deinen Mund geküßt hatte, nicht mehr gekommen bis heute.«

»Du durftest nicht kommen, Witiko«, antwortete Bertha, »daß du mich erschleichest, sondern, weil du mich an dem Steine geküßt hattest, mußtest du kommen, mich zu fordern, und du bist gekommen.«

»Und wenn ich heute nicht gekommen wäre«, sprach Witiko.

»So wärest du später gekommen«, sagte Bertha.

»Und wenn ich gar nicht gekommen wäre«, sprach Witiko.

[] »Das ist nicht möglich«, sagte Bertha, »weil du gekommen bist.«

»Ja, es ist nicht möglich«, antwortete Witiko. »Wenn aber deine Eltern stets nein gesagt hätten.«

»Das tun sie nicht, weil sie uns kennen«, sprach Bertha, »und wenn sie es getan hätten, so wäre ich durch mein Leben geblieben wie unsere Base, die Nonne.«

»Und ich hätte in meinem Gebiete, und im Lande ohne Weib geschaltet«, sagte Witiko.

»Hier ist die Stelle«, sprach Bertha.

»Hier bist du mit den Rosen gestanden«, sprach Witiko.

»Und dort bist du gestanden, da die Sonne auf die Steine geschienen hat, und bist dann gegen mich her gegangen«, sagte Bertha.

»Ich bin erschrocken, da ich die Waldrosen auf deinem Haupte gesehen hatte«, sprach Witiko, »weil bei uns oft auf die Rosen gedacht wird.«

»Und ich mußte an diesem Tage die Rosen nehmen, und wir müssen die Rosen ehren«, sagte Bertha.

»Wir müssen sie ehren«, antwortete Witiko, »und sie werden mir immer ein Sinnbild bleiben.«

»Hier ist Trude gestanden«, sagte Bertha.

»Werde ich sie sehen, wenn ich in euerem Hause bin?« fragte Witiko.

»Du wirst sie sehen«, antwortete Bertha, »sie ist sehr schön geworden.«

»Und dieser Platz, auf dem wir stehen, soll uns sehr lieb bleiben«, sagte Witiko.

»Er soll uns lieb bleiben fort und fort«, entgegnete Bertha.

»Nun gehen wir zu den Steinen«, sprach Witiko.

»So gehen wir«, sagte Bertha.

Sie wandelten an dem Saume des Waldes dahin, bis sie zu den Steinen gelangten, von denen Witiko damals auf die singenden Mädchen geschaut hatte.

[] Da sie bei den Steinen angekommen waren, sagte Witiko: »Bertha, setze dich nieder.«

»Ich bin auf diesem gesessen«, sagte Bertha.

»So setze dich wieder auf ihn«, sprach Witiko.

Sie tat es.

»Und ich bin neben dir auf diesem gesessen«, sagte Witiko, »er ist niederer, und ich setze mich wieder auf ihn.«

Er tat es.

»Siehst du, Bertha«, sagte er, »unsere Angesichter sind nun wieder in gleicher Höhe, wie damals, da ich dich angeblickt hatte, und da du mich angeblickt hattest.«

»Bist du größer geworden, Witiko?« fragte Bertha.

»Es muß ein wenig sein«, antwortete Witiko, »da ich dir hier wieder gleich bin, und da du gesagt hast, daß dir dein Röcklein kürzer geworden ist. Mein Lederkleid dehnt sich.«

»Und so wie damals ragt dein Schwert in die niedreren Steine«, sagte Bertha, »und in den nämlichen Gewändern sitzen wir hier wie vor sechs Jahren.«

»Nur die Bäume, die jenseits der hellen Wiese stehen, an deren Rande wir sitzen«, sprach Witiko, »glänzen nun im Sonnenscheine, da sie damals im Schatten waren, und die Blätter der Ahorne über uns sind dunkel, die damals geschimmert hatten.«

»Ich habe dir gesagt«, sprach Bertha, »daß es im Herbste hier am Vormittage mild ist, im Sommer sehr heiß, daß aber am Nachmittage Schatten ist. Der Schatten ist lieblich, lege deine Haube wieder in das Gras wie damals, Witiko.«

Er nahm die Lederhaube von seinem Haupte, und legte sie in das Gras, und die blonden Haare rollten auf seinen Nacken herab.

Und seine blauen Augen schauten in ihr Angesicht, und ihre braunen in das seine.

»Wie wird denn die Burg heißen, die du baust?« fragte Bertha.

[] »Witikohaus«, antwortete Witiko. »Aber, Bertha, du hast einmal gesagt: Ich weiß nicht, ob ich in Böhmen wohnen möchte; und die Burg wird in Böhmen stehen.«

»Und die Mutter hat gesagt«, antwortete Bertha: »wir Frauen, die wir abhängig sind, wissen nie, wo wir wohnen werden, und wo wir dann mit den Unsrigen wohnen, wird es uns auch gefallen.«

»Und wird es dir so gefallen?« fragte Witiko.

»So wird es mir gefallen«, antwortete Bertha.

»Dein Vater hat gesagt, Bertha«, sprach Witiko: »Die alten Böhmen haben ihre Burgen und die Verbalkungen ihrer Župen stets in der Ebene gebaut, wo Sümpfe waren, oder zwei Wässer zusammen gingen, so daß nur auf einer Seite ein Eingang war. Ich baue meine Burg nicht so.«

»Das wäre häßlich«, sagte Bertha.

»Ich habe damals deinem Vater geantwortet«, sprach Witiko: »Wo ein steiler Fels gegen Wasser vorgeht, daß er rückwärts nur mit einer schmalen Zunge am Lande hängt, wird eine gute Wohnung sein. Und dein Vater baut jetzt die Burg Schauenberg auf einer solchen Zunge, nur daß kein Wasser vor dem Felsen ist.«

»Kennst du den Schauenberg?« fragte Bertha.

»Ich bin auf einem Gerüste der Burg gestanden, die gebaut wird, als ich nach Landshut ritt«, antwortete Witiko. »Ich habe aber, da ich zum ersten Male bei euch war, auch gesagt: Ein großer Wald, der einem zahlreichen Feindeshaufen den Zugang wehrt, und ihm Nahrung versagt, könnte auch als Schutz dienen. Und so baue ich mir die Burg.«

»Sieht man von ihr so herum, wie von der Burg Schauenberg?« fragte Bertha.

»Noch viel weiter«, antwortete Witiko. »Bertha, du wirst auf dem Söller der Burg stehen wie auf dem Fels der drei Sessel, und wirst das ganze Alpengebirge sehen, so weit Augen zu reichen vermögen, da, wo das Land Baiern im [] Mittage an diese Gebirge stößt, und weiter gegen Morgen hin, wo das Land gegen Mittag an die Gebirge stößt, das der Markgraf von Österreich beherrscht, bis zu dem Lande Ungarn, in das sich die Berge senken. Du wirst die Gaue des Landes Baiern sehen, wo die Mihel fließt, wo die Donau strömt, wo die Enns und die Traun ist, du wirst Gaue des Landes Österreich sehen, und Wiesen und Felder und Wälder in allen Gauen, und lichte Stellen, die Burgen sind oder Kirchen oder Ortschaften. Und wenn du mitternachtwärts schauest, so siehst du die Moldau unten in den Forsten, und du siehst die Flecke in dem großen Walde, wo Wiesen und Felder und Wohnungen sind, und siehest dahin bis zu den letzten Säumen der Bäume.«

»Der Vater lobt die Stelle«, sagte Bertha, »er ist oft dort gewesen, und ist in der letzten Zeit wieder in dem Lande Böhmen gewesen.«

»Und unterhalb deiner Augen von der Burg hinab«, sagte Witiko, »ragen, wie du an dem großen Steine gesagt hast, die Wipfel des Waldes empor; aber es gehen nicht die goldenen Felder der Ähren dahin oder der grüne Sammet der Wiesen, wie an dem Fuße des Felsens, auf welchem die Burg Schauenberg steht.«

»Ist der Wald, in dem die Burg stehen wird, groß?« fragte Bertha.

»Er ist ein Wald in den Wäldern«, antwortete Witiko. »Wenn du von dem Friedbergwalde, wo die Häuser von Friedberg an der Moldau liegen, durch ihn zur Burg hinan gehst, so ist das der kürzeste Weg, und du brauchst länger als eine Stunde zu ihm. Von der Burg gegen Mittag hinab bis zur Mihel gingest du leicht in zwei oder drei Stunden, und gegen Abend, und wo der Wald sich biegt, gegen Mitternacht, brauchtest du viele Tagereisen, und gegen Morgen wenigere, oder auch viele.«

»Und wo ist dein Gebiet?« fragte Bertha.

[] »Du wirst von der Burg den Kreuzberg sehen, von dem gegen Mittag der obere Plan liegt«, antwortete Witiko. »Von Plan der Moldau entgegen kömmt man zu dem Saume des Berges, darauf euer schwarzer See ist. Von diesem Saume über den oberen Plan hin nach Friedberg, und weiter an der Moldau hinab, bis wo sie durch die Schlucht der Kienberge geflossen ist, und mitternachtwärts gegen den Fels des Rosenberges und gegen die krumme Au geht, sind die Häuser und die Menschen zerstreut, die mir pflichtig sind. Andere sind dazwischen, die zu Rowno gehören oder zu Diet oder zum Herzog. Die Stücke Waldlandes, die mir der Herzog gegeben hat, sind um Plan, um die untere Moldau, und um Friedberg. Die Bäume, die du von der Burg bis gegen die Mihel siehst, und von der andern Seite bis an die Moldau vor Friedberg, sind unsere Bäume.«

»Ist eine Kirche bei der Burg?« fragte Bertha.

»Es ist die kleine Burgkirche in der Burg«, entgegnete Witiko, »in Friedberg ist eine hölzerne Kirche, die jetzt größer gebaut wird, und wenn mich Gott segnet, beginne ich noch den Bau einer steinernen Kirche des heiligen Apostels Thomas in der Nähe meines Hauses.«

»Und in diesem Hause wirst du sein, Witiko«, sagte Bertha, »du wirst Männer und Freunde haben, du wirst des Waldes pflegen, du wirst in die Geschicke des Landes handeln, und in den Rat des Herzoges gehen.«

»Und in diesem Hause wirst du sein, Bertha«, sagte Witiko, »du wirst Frauen haben, du wirst der Heimat pflegen, du wirst in die Geschicke des Landes blühen, und zu Hofe nach Prag gehen.«

»Und in diesem Hause werde ich sagen: Witiko, jetzt ist dir keiner gleich«, antwortete Bertha.

»Und ich werde in dem Hause sagen: Bertha, dir ist keine gleich, und sage es jetzt schon«, sprach Witiko.

[] »Nun aber gehen wir zu den Eltern«, antwortete Bertha, »Witiko, nimm deine Haube wieder, und komme.«

Witiko nahm seine Haube, und setzte sie auf.

Dann erhoben sie sich, er nahm Bertha bei der Hand, und sie gingen am Saume des Waldes hin, und gingen auf dem nämlichen Wege in das Haus, auf welchem ihn Bertha vor sechs Jahren in dasselbe geführt hatte.

Als sie in das Gemach kamen, von welchem sie ausgegangen waren, sahen sie den Vater und die Mutter noch bei einander sitzen.

Sie grüßten die Eltern, die Eltern grüßten sie.

»Nun, habt ihr die Stelle besucht?« fragte Heinrich.

»Wir haben sie besucht«, antwortete Witiko.

»Wir sind auch auf den Steinen an der Sperwiese gesessen«, sagte Bertha.

»Habt ihr an dem Häuschen der heiligen Mutter ein kurzes Gebet gesprochen?« fragte Wiulfhilt.

»Wie wir vor sechs Jahren bei dem Häuschen gebetet haben«, antwortete Bertha, »so haben wir heute auch gebetet.«

»Vergiß den Himmel nicht, mein Kind, und der Himmel wird deiner nicht vergessen«, sagte Wiulfhilt, »und bei Witiko wird es auch so sein.«

»Witiko hat vor sechs Jahren am Sonntage in dem Walde gebetet«, sagte Bertha.

»Und dann habe ich mein Glück gefunden«, sprach Witiko. »Gott hat mir stets mehr gegeben, als ich verdient habe. Hoher Herr und hocherhabene Frau, ist es euch genehm, die Abbildung der Burg zu sehen, die ich baue, so lasse ich sie bringen?«

»Zeigt sie uns«, antwortete Heinrich, »laßt aber das Begabungspergament bei Seite.«

»Wie es Euer Wille ist«, sagte Witiko.

Heinrich rief durch einen Schlag auf eine Glocke einen Diener herbei. Witiko sagte ihm, er möchte sich von seinem [] Knechte Raimund die braune Ledertasche geben lassen, und sie bringen.

Der Diener brachte die Tasche.

Witiko öffnete ihr Schloß, und zog ein Pergament heraus, und legte es vor Heinrich und Wiulfhilt auf den Tisch. Das Pergament war schneeweiß, und auf dem weißen Grunde war das Bild einer Burg und eines Waldes an ihren Seiten in Farben.

»Wie schön«, sagte Heinrich.

»Das ist ein Bild, der Aufbewahrung wert«, sprach Wiulfhilt.

»Es wird auch aufbewahrt«, antwortete Witiko. »Diese Fenster sehen nach Mittag, diese nach Morgen, die auf den Rückseiten, welche auf dem Bilde nicht erscheinen, sehen nach Mitternacht und Abend, und innerhalb aller dieser Fenster sind rings die Gemächer des Burgherrn und der Burgfrau. Über diesen sind andere Gemächer, und unter ihnen ist die Burgkirche, der Saal, und andere Gelasse. Hier sind die Vorbauten mit Wohnungen, und zwischen dem Vorbaue und dem Hauptbaue ist der Burghof. Hier sind Ställe und Vorratsräume, und hier schließt sich die Verteidigungsmauer. In den andern Blättern sehet ihr die innere Ausdehnung und Einteilung.«

Witiko zog noch mehrere Blätter aus der Ledertasche, auf welchen Zeichnungen mit Linien waren.

Heinrich betrachtete die Blätter sehr genau, dann sagte er: »So wie ich jetzt meine, ist die Burg gut erdacht und überlegt. Hat sie der Baumeister Eppo erfunden?«

»Ich habe ihm den Platz beschrieben, auf dem die Burg stehen soll«, antwortete Witiko, »und habe ihm gesagt, wie ich mir die Burg denke. Dann hat er auf Blättern zu zeichnen angefangen, wir haben daran abgeändert, bis die Sache so wurde, wie sie ist. Dann hat er die Abbildungen verfertigt, und mir die Nachbilder auf Pergament gemacht.«

[] »Und er baut jetzt die Burg«, sagte Heinrich.

»Er baut sie«, antwortete Witiko.

»So sei der Segen Gottes über ihm«, sprach Heinrich.

»Er möge es sein«, sagte Witiko.

Dann reichte er das Pergament mit dem Farbenbilde an Bertha.

Bertha betrachtete es, gab es dann wieder zurück, und sagte: »Witiko, es ist ein schönes Bild und ein schönes Haus.«

»Und die drinnen wohnen werden, sollen glücklich sein«, sprach Witiko.

Dann ordnete er die Blätter wieder in die Ledertasche, schloß die Tasche, und schickte sie in sein Gemach.

Es waren hierauf noch verschiedene Gespräche zwischen Heinrich, Wiulfhilt, Bertha und Witiko.

Dann verabschiedete sich Witiko, und ging in sein Gemach.

Das Abendessen war in dem Waldhause wie in früheren Zeiten.

Des andern Morgens ging Witiko zu dem Köhler Mathias.

Der Köhler und sein Weib erhoben einen Freudenruf, als sie Witiko erblickten.

»Witiko, Witiko«, rief die Frau, »jetzt ist alles gut, jetzt hat Gott mein Gebet erhört, wir wissen es, und wissen schon alles, es ist alles gut.«

Und sie reinigte mit einem Tuche die Bank, auf welche sich Witiko setzen sollte.

»Der Himmel hat Euch gesegnet, seit Ihr an jenem Sonntage von uns fort geritten seid, und wir freuen uns des Segens«, sagte Mathias.

»Ich weiß es«, sagte Witiko, »ich habe eurer oft gedacht, und werde eurer noch denken.«

»Wollt Ihr eine Milch, sie ist die beste in dem Walde«, sprach die Frau.

[] »Gib mir später eine Milch, Margaretha«, sagte Witiko, »jetzt aber nenne und bringe mir einen Mann, Mathias, der sicher eine Botschaft zu meiner Mutter in unsern Hof Přic trägt.«

»Ich weiß schon«, sagte Mathias, »das muß Eure Mutter schnell erfahren, und weil meine Meiler rauchen, muß der alte Peter gehen, er geht in seinem Ledergewande in einem und unausgesetzt fort, bis er dort ist, und dann geht er wieder zurück.«

»Und bürgst du für ihn?« fragte Witiko.

»Ich bürge für ihn«, antwortete Mathias.

»So hole ihn«, sprach Witiko.

Mathias ging fort, und kam nach einer Zeit mit Peter zurück, und sagte: »Er wird nach Přic gehen.«

»Bist du des Weges kundig?« fragte Witiko den Mann.

»Wie der Diele meiner Stube«, antwortete der Mann.

»So trage den Brief, der in diesem Tuche ist, nach Přic«, sagte Witiko, »gib ihn Wentila, meiner Mutter, und bringe mir die Antwort am achten Tage nach Friedberg. Hier hast du Lohn für den Hinweg, in Friedberg erhältst du ihn für den Rückweg. Rüste dich, daß du bald fort gehen kannst. Spute dich, raste, wo du es bedarfst, und genieße deiner Nahrung.«

»Ich raste nicht viel«, sagte der Mann, »und habe meine Nahrung bei mir.«

Witiko gab ihm den Brief und etwas an Gelde. Peter nahm beides, und ging fort.

Witiko blieb noch eine Weile bei den Köhlerleuten, und trank etwas von der Milch, welche ihm Margaretha nun reichte. Die Kinder kamen von dem Walde, und Witiko beschenkte sie. Die Köhlerleute sprachen von den Dingen, die geschehen waren, und Margaretha sagte, sie habe Witiko geweissagt, da er einmal von ihnen Abschied genommen habe; denn sie habe die Worte gesagt: Erlebet recht große Dinge.

[] »Sie sind so groß nicht geworden«, sagte Witiko.

Nach einer Zeit verabschiedete er sich, und ging wieder in das Waldhaus Heinrichs von Jugelbach zurück.

Er lebte nun als Gast in dem Hause mit Heinrich, Wiulfhilt und Bertha. Heinrich zeigte ihm genau alle Zubehör des Hauses, und sie sprachen von der Gebarung mit Feld, Wiese, Wald und Viehstand. Einmal waren alle und drei Dienstmannen Heinrichs, die gekommen waren, auf dem Fels der drei Sessel, und ein anderes Mal waren sie bei dem schwarzen See, und wieder andere Male an verschiedenen Stellen des großen Waldes. An einem Vormittage saßen Witiko und Bertha auch auf den Steinen der Sperwiese, da die Sonne auf dieselben schien.

Am sechsten Tage, da Witiko in dem Hause Heinrichs war, ging er des Nachmittages allein im Walde auf dem Wege, der zu den Sesseln führt. Da sprang über grünbemooste Steine zwischen den Stämmen Wolf zu ihm, blieb stehen, sah ihn an, und sprach: »Ihr habt mir schon im Hauzenberge Vergunst zum Reden gegeben, gebt sie mir heute auch.«

»Die hast du immer, Wolf«, sagte Witiko, »ich habe mit dir in dem Speisesaale geredet, und du mit mir, und du hast alle Tage mit mir reden können.«

»Aber geheim und allein«, sagte Wolf.

»So rede geheim und allein«, sprach Witiko.

»Es muß so sein«, antwortete Wolf. »Ich bitte Euch, nehmet mich in Eure Dienste.«

»Willst du deinen Herrn, Heinrich von Jugelbach, verlassen?« fragte Witiko.

»Ich will ihn nicht verlassen«, antwortete Wolf, »sondern recht bei ihm bleiben, nämlich bei Bertha, seiner Tochter. Ihr werdet sie heiraten, und da werden Frauen mit ihr zu Euch gehen, ihr zu dienen, ich weiß nicht, ob auch Männer mitgehen, die ihre und Eure Diener sind; aber es soll einer mitgehen, und ich ginge mit.«

[] »Bist du Bertha so zugetan?« fragte Witiko.

»Freilich, und ich muß ihr ja in vielem helfen«, sagte Wolf, »sie ist hochgeistig wie ihr Vater, und hilft sich in manchem nicht, was sie will. Es wäre eine wahre Schandtat gewesen, wenn Ihr sie nicht geheiratet hättet. Und seit Ihr mit den zwei andern da gewesen seid, seid Ihr wieder gar nicht gekommen, was nicht recht ist.«

»Bertha sagt, es ist recht gewesen«, sprach Witiko.

»Sie sagt es; aber ich sage, es ist gar nicht recht gewesen«, antwortete Wolf, »da seid Ihr aber doch gekommen, und alles ist gut geworden, ich weiß es schon, alles ist mir gelungen.«

»Dir ist es gelungen«, sagte Witiko.

»Da Ihr einmal bei uns gewesen seid, und da ich mit Euch auf dem Sesselfels und auf dem Hohenstein und bei dem schwarzen See gewesen bin«, sprach Wolf, »und da Ihr fort geritten waret, und da Ihr so lange in dem oberen Plane wartet, da bin ich manches Mal in den Wacholderbüschen gelegen, wenn Ihr von dem Kreuzberge auf unseren Wald geschaut habt. Ich bin in dem Walde gelegen, wenn Ihr geritten seid, ich bin in den Kornhalmen gewesen, wenn Ihr mit den Männern auf Euren Gassenbänken gesessen seid. Ich bin in manchem Hause gewesen und in mancher Ortschaft, und habe ihnen einen Topf gebunden oder Reifen geschnitten, und da habe ich gehört, was sie von Euch sagen.«

»Du bist also mein Späher gewesen«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete Wolf, »Bertha hat kein Wörtlein gesagt; aber wenn ich ihr von Euch erzählte, daß ich Euch gesehen habe, und was Ihr getan habt, blickte sie sehr freundlich. Es sind nur jetzt keine Rosen; aber da Ihr damals fort geritten waret, trug sie immer Rosen auf dem Haupte, seit Ihr sie mit den schlechten roten Rosen gesehen habt. Und bei Eurem Feste auf dem Pferdeanger bei dem oberen Plane bin ich auch gewesen.«

[] »Bist du bewirtet worden?« fragte Witiko.

»Ich habe Eures Bieres und Eures Bratens hinlänglich bekommen«, sagte Wolf, »und ich habe auch unserem Herrn erzählt, was Ihr getan habt, wie die Leute davon reden, und was ich selber gesehen habe, und ich bin auf den Grund gekommen, daß Ihr treu sein werdet.«

»Und du möchtest in meiner Burg leben?« fragte Witiko.

»Ja«, entgegnete Wolf, »sie wird sehr schön, ich habe sie schon bauen gesehen, und bin neulich hinein gerannt.«

»Wenn Heinrich von Jugelbach, und wenn seine Ehegemahlin Wiulfhilt von Dornberg nicht dagegen sind«, sprach Witiko, »und wenn Bertha es will, so magst du in meine Burg kommen.«

»Seht, ich habe es gewußt, daß Ihr gut seid«, entgegnete Wolf, »es wird ihnen schon genehm sein, und ich werde Euch Tag und Nacht dienen, und wir werden oft zu Herrn Heinrich und Frau Wiulfhilt kommen. Und Bertha wird mir die Befehle erteilen. Habt Ihr das schöne Pferd noch?«

»Ich habe es noch«, sagte Witiko, »aber es altert schon.«

»Gute Pferde halten lange in die Zeit«, sprach Wolf. »Unser Herr nimmt die guten von hier immer mit nach Jugelbach, und läßt die da, welche langhaarig sind. Eure Reiter auf dem Anger haben auch kleine langhaarige Pferde gehabt.«

»Diese Pferde waren in dem Kriege sehr brauchbar«, sagte Witiko.

»Ich weiß es, weil sie Waldpferde sind, und genügsam und arbeitsam, und weil sie gut klettern können«, sprach Wolf, »das Pferd, auf dem Ihr gekommen seid, ist fein.«

»Mir hat es der Herzog Wladislaw gegeben«, antwortete Witiko.

»Bei uns ist kein Krieg«, sagte Wolf, »und wenn ich bei Euch bin, werde ich mit Euch in den Krieg gehen, und mir Geschenke und Pferde erwerben.«

[] »Wenn du im Kriege tüchtig bist, wird es dir nicht fehlen«, sagte Witiko.

»Ich werde tüchtig sein«, antwortete Wolf.

»Und nun, Wolf, hast du noch andere Dinge an mich?« fragte Witiko; »denn sonst muß ich mich von dir verabschieden.«

»Nein, verabschiedet Euch nur, und ich danke Euch für alles, und alles wird recht werden, und gehabt Euch wohl, hoher Herr«, sagte Wolf.

»Gehabe dich wohl«, sagte Witiko.

Und Wolf sprang wieder über die Steine zwischen den Stämmen davon, wie er gekommen war. Witiko aber ging seines Weges weiter.

Am siebenten Tage verabschiedete er sich von dem Waldhause Heinrichs von Jugelbach, und ritt nach Friedberg zurück.

Zwei Tage darauf brachte ihm der alte Peter den Brief seiner Mutter.

Witiko lohnte den alten Peter, und dieser begab sich auf den Heimweg.

Nun ließ er Zeichen in Bäume seines Waldes schlagen, daß sie gefällt würden, wenn es an der Zeit wäre. Dann begann er an einer Stelle reuten zu lassen, und machte den Anfang, einen hölzernen Hof für Rinder zu bauen, und dann ritt er zu seiner Mutter nach Přic, und blieb eine Woche dort. Hierauf begab er sich wieder nach Friedberg zu dem Baue seiner Burg.

Der Bau ging schnell fort, weil immer viele Menschen daran arbeiteten, und immer neue freiwillig herzu kamen.

Und ehe die Blätter der Birken gelb wurden und die Blätter der Buchen rot, ragte der Bau mit den Gerüsten wie ein großer viereckiger Turm von dem Saume des Waldes empor, daß er weither gesehen werden konnte. Man vermochte ihn von den Berggipfeln des Landes im Mittage [] bis von den Höhen an den Donauufern aus zu erblicken, man vermochte ihn von den Gipfeln der Wälder an der Moldau, und von dem Tale der Moldau oberhalb Plan bis Friedberg hinunter zu erblicken, und die Mädchen von Plan stiegen auf den Kreuzberg, um den Bau Witikos recht deutlich erschauen zu können.

3

Es kamen tausend Scharen.

Als sich wieder der Herbst annäherte, ritt Witiko mit einem Geleite von Friedberg gegen Prag. Er sah auf seinem Wege manche Herren mit ihrem Gefolge des nämlichen Weges ziehen, und er sah andere Menschen dahin wandern.

Da er in Prag angelangt war, zog er mit seinen Männern in eine Herberge des rechten Burgfleckens. Es waren sehr viele Menschen in Prag, insonderheit von den hohen und niederen Herren mit ihren Mannen.

Witiko ging an dem Tage nach seiner Ankunft zu dem Herzoge. Bei dem Herzoge waren Herren, die zu dem Gruße des Herzoges gekommen waren. Witiko brachte auch seinen ehrerbietigen Gruß dar, und der Gruß wurde von dem Herzoge freundlich erwidert. Der Herzog und die Herren sprachen von den mannigfaltigen Dingen, die sich in dem Lande vollendeten. Manche Herren gingen fort, andere kamen wieder. Witiko verabschiedete sich auch, und ging zu der Herzogin. Bei ihr waren hervorragende Männer, ihren ehrfurchtvollen Ankunftsgruß darzubringen. Witiko tat es ebenfalls, und er wurde von der Herzogin lieb reich empfangen. Dann verabschiedete er sich, und ging wieder in seine Herberge.

In der folgenden Zeit besuchte er mehrere Herren, Männer und Freunde, mit denen er in dem ersten und in dem zweiten Kriege gewesen war.

[] Auf den vierten Tag nach seiner Ankunft war eine Versammlung bei dem Herzoge anberaumt.

Witiko ging in dieselbe.

In dem großen Saale des Herzoghofes saß auf einem erhöheten Stuhle Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren. Dann saß auf einem gleichfalls erhöheten Stuhle Guido, der Gesandte des Heiligen Vaters Innozenz. Dann saßen auf Stühlen Otto, der Bischof von Prag, Daniel, der Dompropst von Prag, Silvester, der ehemalige erwählte Bischof von Prag, Gezo, der Abt von Strahow, Peter, der Abt von Břewnow, dann die Äbte von Kladrau und Wilimow, und andere Äbte, Pröpste und Priester. Dann saßen auf Stühlen Diepold und Heinrich, die Brüder des Herzogs, Bolemil, der alte Leche, Wšebor, der alte Leche, Lubomir, Diwiš, Preda, Božebor, und alle, welche in der Schlacht bei Znaim gewesen waren, und noch viele, die Witiko nicht kannte.

Da sich alle geordnet hatten, rief Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren: »Saget ihnen, die in dieser Versammlung sprechen wollen, daß sie kommen.«

Ein Mann öffnete die Flügel einer Tür, und nach kurzer Zeit kamen in reichen Gewändern durch die Tür Konrad, der Herzog von Znaim, Wratislaw, der Herzog von Brünn, Otto, der Herzog von Olmütz, dann Leopold und Spitihněw, die Söhne Bořiwoys, und Wladislaw, der Sohn des verstorbenen Herzoges Soběslaw.

»Setzet euch auf eure Stühle«, sagte der Herzog.

Die, welche herein gekommen waren, setzten sich auf Stühle, welche da standen, und von der Versammlung durch einen Raum des Saales getrennt waren.

Dann sprach Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren: »Konrad, welcher du Herzog von Znaim gewesen bist, Wratislaw, welcher du Herzog von Brünn gewesen bist, Otto, welcher du Herzog von Olmütz gewesen bist, Leopold und Spitihněw, Söhne meines Oheims [] Bořiwoy, und Wladislaw, Sohn meines Oheimes Soběslaw, ihr seid auf meine Kunde nach Prag gekommen, die Beschwerde zu führen, weshalb ihr die Waffen gegen mich ergriffen habet. Weil ihr eure Beschwerden durch die Waffen führen wolltet, mußte euer Aufstand niedergeworfen werden. Führet nun eure Beschwerden mit Worten. Sind die Beschwerden gerecht, so werde ich sie abstellen, und euch Genugtuung geben. Sind sie ungerecht, so kann der, welcher es will, nach Gebühr um Verzeihung bitten, der es aber nicht will, kann in das fremde Land zurückkehren, aus dem er nach Prag gekommen ist. Es wird keiner geschädigt werden, wie ich es versprochen habe. Konrad, wenn es dir genehm ist, rede.«

Konrad schwieg eine kurze Frist, dann sprach er: »Wladislaw, Sohn des ruhmreichen Herzoges Wladislaw, Neffe des letzten verstorbenen ruhmreichen Herzoges Soběslaw, der du jetzt den Stuhl der Herzoge von Böhmen und Mähren in deiner Gewalt hast, höre mich. Du bist von den hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren auf dem Tage in der Burg Wyšehrad zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt worden, und bist nach dem Tode des ruhmreichen Herzoges Soběslaw auf den Fürstenstuhl gesetzt worden. Die Sprossen aus dem Stamme Přemysl sind nicht bei der Wahl gewesen. Dann aber sind auch die reichsten und mächtigsten und vornehmsten Lechen, welche dich wählen geholfen haben, zu mir gekommen, und haben gesagt, du erfüllest die Erwartungen nicht, welche sie zu Recht von dir als Herzog tragen mußten. Sie machten eine neue Wahl, und erkoren mich zum Herzoge von Böhmen und Mähren. Die Sprossen des Stammes Přemysl stimmten bei, nur deine zwei Brüder nicht. Ich meinte, daß es meine Pflicht für die Länder fordere, und nahm die Wahl an. Du widerstrebtest, als ich nach Prag gehen, und mich auf den Fürstenstuhl setzen wollte, und es entstand der schwere [] Krieg, welcher sehr viel Unheil brachte, und du behieltest nach dem Kriege die Macht. Das ist meine Rede.«

Der Herzog Wladislaw antwortete: »Konrad, du bringst keine Beschwerde vor; denn wenn ein Herzog durch die Ladung aller hohen und niederen Herren der Länder zu einer Wahl von denen, die der Ladung gefolgt sind, als Herzog gewählt wird, und wenn dann von einer Zahl von Herren wieder ein Herzog gewählt wird, indes eine andere Zahl widerstrebt, und der frühere Herzog müßte dem späteren weichen, so könnte von verschiedenen Zahlen von Herren eine Reihe von Herzogen gewählt werden, die einander verdrängen, und das Herzogtum wäre kein Herzogtum, sondern ein Wettspiel. Wenn du aber keine Beschwerde gebracht hast, so hast du nur gesagt, daß du im Aufruhr gewesen bist. Wratislaw, wenn es dir genehm ist, rede.«

Wratislaw sprach: »Es ist mir genehm. Du bist einst nur der Neffe des Herzoges Soběslaw gewesen, ein Zweig des Stammes Přemysl wie wir. Du warst unser Genosse und warst der Genosse der jungen Söhne der mächtigen Lechen der Länder. Du bist mit uns nach den Vergnügungen gezogen, nach denen wir und sie gezogen sind. Du hast unsern Rat in allem befolgt, und hast gesagt: Wenn ich Herzog wäre, würden wir diese Sache anders machen, jene würden wir wieder anders machen, dieses würden wir tun, dieses würden wir lassen. Du hast uns Mitwirkung eingeräumt. Und hast du sie uns, den Jungen, eingeräumt, so hast du sie um so mehr den Räten des Herzogstuhles und den alten weisen Lechen eingeräumt. In diesem Sinne bist du zum Herzoge gewählt worden. Du aber hast dann als Herzog gehandelt, wie du allein wolltest. Du hast unsere Anliegen, die Anliegen der Söhne Přemysls, nicht gehört, du hast die Anliegen der alten Räte und Lechen und der mächtigsten Herren nicht gehört, du hast uns unterdrückt, und du hast die Rede und [] die Mitwirkung der Herren bei der Verwaltung der Länder, welche alle Herzoge seit den ältesten Zeiten geehrt haben, in die Luft gestreut. Darum wärest du kein Herzog mehr, sondern ein Eroberer, und wir haben uns unseren Herzog gewählt, und haben die Waffen erhoben, um unsere Rechte zu wahren. Du hast im Kriege deine Gewalt behalten und vermehrt. Willst du, wie du sagst, den Beschwerden abhelfen, und Genugtuung leisten, so kannst du wieder ein Herzog werden, und wir werden dir dienen, so sie dich wählen. Diese Worte habe ich geredet.«

Darauf sagte Wladislaw: »Ich werde dir später antworten, Wratislaw. Otto, sprich.«

Otto sagte: »Ich rede wie Wratislaw geredet hat.«

Dann sagte Wladislaw: »Leopold, sprich.«

Leopold antwortete: »Ich rede wie Wratislaw.«

Dann sagte Wladislaw: »Spitihněw, sprich.«

Spitihněw entgegnete: »Ich rede genau so wie Wratislaw.«

Dann sagte Wladislaw: »Wladislaw, Sohn Soběslaws, sprich.«

Wladislaw antwortete: »Du sagst mit Recht: Sohn Soběslaws; darin liegt meine Klage. Ich rede zuerst, wie Wratislaw geredet hat, und dann rede ich, wie ich rede. In der Rede Wratislaws sage ich: Du hast uns unterdrückt und hintangesetzt. In meiner Rede sage ich: Du hast mir den Herzogstuhl geraubt. Die hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren haben auf dem Tage in Sadska meinem erhabenen Vater Soběslaw angelobt, daß ich nach seinem Tode Herzog sein soll, und sie haben mich als den Nachfolger Soběslaws mit ihrem Eide anerkannt. Dann haben sie, als mein Vater erkrankt war, ihren Eid gebrochen, und haben dich auf dem Wyšehrad zum Herzoge erkoren. Die Wahl ist nichtig gewesen. Und als mein Vater gestorben war, haben sie dich auf den [] Herzogstuhl gesetzt, und die heilige Feier ist nichtig gewesen. Ich bin der Herzog gewesen, du aber hast die Macht gehabt, und hast sie noch. Das ist meine Rede.«

»Habt ihr gesprochen?« fragte der Herzog Wladislaw.

Es antwortete keiner.

»Ist einer unter euch, der zu dem, was geredet wor den ist, noch etwas hinzu fügen will?« fragte der Herzog Wladislaw wieder.

Es antwortete keiner von den Männern.

»So rede ich, wie folgt«, sprach der Herzog. »Es ist wahr, was du gesagt hast, Wratislaw, daß ich in der Jugend euer Genosse gewesen bin, und ich bin der Genosse der jungen Söhne der hohen und mächtigen Herren gewesen, und es hat sich auch mancher zu uns gefunden, der von keinem hohen oder mächtigen Herren der Länder stammte. Ich wollte ein guter Genosse sein, und weil ich es wollte, ließ ich euch schalten. Es ist wahr, daß ich euern Rat befolgt habe. Ihr rietet Dinge des Vergnügens an, und weil in den Dingen ein Vergnügen lag, so gingen wir nach ihnen. Es ist wahr, daß ich gesagt habe: Wenn ich Herzog wäre, so würden wir dieses oder jenes tun. Aber es ist nicht wahr, daß ich euch die Mitwirkung versagt habe, als ich Herzog geworden war, es ist nicht wahr, daß ich die Anliegen nicht gehört habe, es ist nicht wahr, daß ich euch unterdrückt habe, es ist nicht wahr, daß ich die Rede und die Mitwirkung der Herren bei der Verwaltung der Länder in die Luft gestreut habe. Es sind zu allen wichtigen Dingen der Länder die Versammlungen des Rates berufen worden, und es ist in dem Rate beschlossen worden, und es ist nach dem Beschlusse gehandelt worden. Viele der Männer unserer Länder, die in diesem Saale sitzen, sind in dem Rate gesessen. Viele sind in dem Rate gesessen, die jetzt in der Verbannung irren, mithin zu euch gestanden sind, und manche sind in dem Rate gesessen, die auf dem blutigen Felde der [] Waffen den Tod gefunden haben. Und wenn ich an dem heutigen Tage einen Rat halte, und euch zu sprechen erlaube, und euch antworte, da alle eure Macht und die Macht eurer Anhänger meine Macht ist, um wie viel mehr werde ich früher des Rates der Meinigen gepflogen haben. Und das habe ich in größerem Maße getan als ehemalige Herzoge, von denen du gesprochen hast, Wratislaw, und unter welchen Swatopluk mit dem Hauche seines Mundes ein ganzes Geschlecht vertilgt hat. Ihr seid aber zu dem Rate nicht gekommen. Ihr habet nicht Vorschläge an mich geschickt, die das Wohl des Landes betrafen. Ihr habet Forderungen gestellt, die eure Macht und euren Reichtum vermehren sollten, und wenn die Forderungen nicht bewilliget werden konnten, so ist auch der Grund dazu gesagt worden. Auch solche, die in dem Rate saßen, haben Forderungen außer dem Rate gemacht, denen keine Statt gegeben werden konnte. Sie wollten nicht Mitwirker des Herzoges sein, sie wollten selber der Herzog sein. Der Herzog aber ist der Vater des Landes, und darf nicht einem Manne, wie hoch er sei, Macht und Gut zu seiner Lust verleihen, und darf nicht seine Herzogsmacht in fremde Hände legen.«

»Du hast mir meinen Hof zu Chynow genommen«, rief Wratislaw.

Der Herzog antwortete: »Wratislaw, bringe nicht einzelne Dinge in deine Worte; über die einzelnen Dinge richten die Höfe, zu denen sie gehören. Du hast deinen Hof zu Chynow in dem Streite um ihn durch den Spruch des Gerichtshofes verloren.«

»Du bist der Gerichtshof gewesen«, rief Wratislaw.

»Das beantworte ich nicht«, sagte der Herzog, »oder ich müßte über dich ein Gericht halten lassen, was dem sicheren Geleite zuwider wäre, das ich euch versprochen habe.«

»Und wenn du nicht Macht und Gut in die Hände der [] Fürsten der Länder und in die Hände der hohen Diener der Länder legen wolltest«, rief Wratislaw, »so hast du sie in die Hände geringerer Leute gelegt. Den niederen Mann Odolen, dessen Vater nichts ist, und den Knaben Witiko, dessen Herkunft man nicht kennt, welche beide aber bei Pilsen die hohen Sprossen des Stammes Přemysl gedemütigt haben, hast du zu Macht und Gut und Ehren erhöht, daß sie den alten treuen Lechen des Landes ein Widerstreit sind. Odolen wird übermütig werden, und den edeln Söhnen des Landes Ärgernis geben, und Witiko wird ein Leche werden, das Waldland, das unter der sanften Hand der Herzoge war, als seinen Hof betrachten, der ihm Nahrung gibt, und wird es drücken und berauben.«

»Odolen, rede«, sagte der Herzog.

»Ich rede nicht«, antwortete Odolen.

»Witiko, rede«, sagte der Herzog.

Witiko sprach: »Ich rede, weil ich allein bei Pilsen eigenmächtig gehandelt habe, und ich rede aus Achtung vor der Abstammung von dem hochehrwürdigen Přemysl. Wratislaw, ich habe euch bei Pilsen durch einen Fehler gegen die Oberhoheit des erlauchten Herzoges die Freiheit, die ihr vor der Überzahl unserer Männer schon verloren hattet, gegeben, um Blutvergießen im Kriege und anderes Unheil zu vermeiden. Der hohe Herzog hat mir den Fehler in Gnade verziehen. Welchen Sinn die Fürsten, die ich befreit habe, fortan gegen mich tragen werden, das habe ich damals nicht bedacht. Ob ich das Waldland bedrücken werde oder nicht, wird in der Zeit bekannt werden. Die Männer des Waldes sind durch keine andere Macht mit mir in den Krieg gegangen als durch mein Wort und ihren guten Willen gegen mich. So wird es bleiben, und sie werden eine Sache nicht verlassen, wenn ein Unglück kömmt, wie sie von dem Berge Wysoka, auf dem wir euch nicht besiegen konnten, nach Prag zur Verteidigung [] des Herzogstuhles gegangen sind. Wer durch Zwang folgt, verläßt im Unglücke den Zwinger, wie Tausende von Männern nach der Schlacht bei Znaim von den Mährern abgefallen sind.«

»Wladislaw, du hast dem Manne zu reden erlaubt, nicht ich«, sagte Wratislaw, »ich spreche daher nur weiter zu dir. Du hast den Jüngling Welislaw als Župan auf den heiligen Wyšehrad gesetzt, wohin ein edler gereifter Sohn des Landes gehörte.«

»Welislaw, rede«, sagte der Herzog.

Welislaw antwortete: »Wie Odolen nicht geredet hat, so rede ich auch nicht.«

»Ich aber spreche zu dir, Wratislaw«, sagte der Herzog. »Wie in allen früheren Zeiten die Herzoge die, welche im Kriege, im Rate und in anderen Angelegenheiten und Fährlichkeiten des Landes Dienste getan haben, belohnt haben, so habe ich die, welche in den schweren Jahren, die jetzt vergangen sind, ihre Taten in Blut und Gut dargebracht haben, belohnt. Es sind die Hohen und die Niederen belohnt worden. Es ist gesetzt worden, daß Beschwerden in der Sache der Belohnungen in die Kammer des Herzoges kommen dürfen, und daß den Beschwerden abgeholfen werden würde, so es möglich ist. Es sind nur wenige Einwendungen gekommen, und diese sind gehoben worden, weil auch die Belohnungen früher in dem Rate beschlossen worden sind. Du hast wieder von einzelnen Dingen gesprochen, Wratislaw. Alle einzelnen Dinge sind den Männern, die in diesem Saale sitzen, bekannt. Die Forderungen, welche die Fürsten gestellt haben, sind den Männern bekannt, und es ist vor die ser Versammlung alles, was in euern Sachen aufgeschrieben worden ist, kund gemacht worden. Du hast Beschwerden gegen den Herzog, weil er der Herzog ist, nicht gemacht. So frage darum ich: Habe ich unschuldiges Blut vergossen? Habe ich einen Pfennig aus dem Lande gepreßt? [] Habe ich meinem Gerichtshofe die Urteile befohlen? Habe ich das Landesgut verschleudert? Habe ich der Trägheit gepflogen? Habe ich die Diener der Kirche und des Landes geschmälert, und gekränkt?«

Alle schwiegen auf diese Worte des Herzoges.

Dann sprach der Herzog Wladislaw wieder: »Weil wir die Söhne des Stammes Přemysl, welche in den Waffen gegen uns gestanden sind, eingeladen haben, zu kommen, und ihre Klage zu sprechen, und weil sie gekommen sind, und gesprochen haben: so sagen nun die hohen und die niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren, welche in diesem Saale versammelt sind, ihre Meinung über das, was gesprochen worden ist. Otto, hochehrwürdiger Bischof von Prag, rede.«

Otto, der Bischof von Prag, erhob sich von seinem Sitze, und sprach: »Wladislaw, erlauchter Herzog der Länder Böhmen und Mähren, du hast einen andern Weg nach den Herzogskämpfen der Landeskinder gegen die Landeskinder zu wandeln beschlossen, als manche Herzoge vor dir getan haben. Die Herzoge haben ihre Sippen, welche gegen sie die Waffen erhoben hatten, um die Nachfolge zu stören, nach der Besiegung gestraft. Sie mußten oft an der Freiheit und oft an ihrem Leibe büßen. Du wolltest deinen Sippen, wenn sie eine hinreichende Beschwerde haben, Recht widerfahren lassen, und hast deine Herren der Kirche und des Landes berufen, sie zu hören. Du hast deine Sippen berufen, und hast ihnen zugesichert, daß sie unbeschädigt kommen und wieder gehen dürfen. Sie sind gekommen, und haben gesprochen. Und weil ihre Beschwerden nicht hinreichend sind, so erkenne ich, daß sie gefehlt haben, und daß sie dich in der gebührenden Art um Verzeihung bitten sollen. Du, hoher Herr, wirst ihnen gnädig sein.«

Nach diesen Worten setzte sich der Bischof wieder nieder.

[] Der Herzog Wladislaw sprach: »Diepold, rede.«

Diepold stand auf, und sprach: »Du bist der Herzog der beiden Länder und der Wladyk unseres Stammes. Einige deiner Sippen haben die Waffen gegen dich gekehrt, weil sie ihren Willen gegen den deinigen setzen wollten. Und hätten sie sonst was immer für Beschwerden, denen man gerecht werden müßte, so ist es doch an dem, daß sie ihres Aufruhres willen dich um Verzeihung bitten müssen. Du wirst mild sein und nicht Rache üben.«

Er setzte sich wieder nieder.

Der Herzog sprach: »Heinrich, rede.«

Heinrich sprach: »Sie haben gegen dich, den Herzog und Wladyk, Krieg geführt, und müssen dieser Tat wegen um Verzeihung bitten. Du wirst sie ihnen aber auch gewiß gewähren.«

Dann sprach der Herzog: »Silvester, ich habe dich bitten lassen, zu kommen, sage uns jetzt deine Meinung.«

Silvester stand auf. Sein weißer Bart floß auf das Kleid seines Klosters hernieder, und seine blauen Augen blickten auf die mährischen Fürsten, die auf ihren Stühlen saßen. Einen Augenblick sagte er nichts. Dann aber sprach er: »Hocherlauchter Herr, als dich die Versammlung der hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren auf dem Wyšehrad zum Herzoge gewählt hatten, bin ich der Meinung gewesen, daß die Wahl nicht giltig ist, und daß du der Herzog nicht bist, weil in unseren Ländern überall kein Recht vorhanden ist, den Herzog zu wählen, und weil die hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren für den Tod des Herzoges Soběslaw schon seinen Sohn Wladislaw als seinen Nachfolger mit ihrem Eide anerkannt hatten. Als aber Wladislaw, der Sohn Soběslaws, sein Recht aufgegeben und sich unter Konrad von Znaim gestellt hatte, bist du in der Art der Herzog geworden, wie es alle vor dir seit der Aufhebung des Altererblichkeitsgesetzes geworden [] sind, durch die Tatsache und die Macht. Und es mußte so sein, weil sonst so lange kein Herzog möglich wäre, als bis ein Nachfolgegesetz gemacht wird. Alle Guten sind zu dir gegangen, und mein Sinn ist auch bei dir gewesen. Darum meine ich, daß der Krieg deiner Sippen gegen dich, als ihren Herzog, Aufruhr gewesen ist, und daß er Auflehnung gegen dich, als ihren Wladyk, gewesen ist. Sie müssen daher in der Demut, die in dem Lande gebräuchlich ist, um Verzeihung bitten. Wer deine Handlungen beobachtet hat, weiß, was du tun wirst. Ich danke dir, hocherlauchter Herr, daß du mich gerufen hast, meine Meinung in dieser großen Sache vor dieser hohen Versammlung zu sagen.«

Nach diesen Worten setzte sich Silvester wieder auf seinen Sitz nieder.

Hierauf sagte der Herzog: »Daniel, Propst von Prag, rede.«

Daniel sprach: »Meine Rede ist kurz. Der Aufruhr deiner Sippen gegen dich, den Herzog und Wladyk, ist da gewesen, und die Sippen sollen in gebräuchlicher Art die Verzeihung erflehen.«

Dann sagte der Herzog: »Gezo, Abt von Strahow, rede.«

Gezo, der Abt von Strahow, aber sprach: »Ich rede, wie Daniel, der Propst von Prag, geredet hat.«

Und wie Gezo sprachen auch die andern Äbte und Priester.

»Und was sprichst du, Bolemil?« fragte der Herzog.

»Ich spreche«, antwortete Bolemil, »machet ein Herzogs-Nachfolgegesetz, und macht Einrichtungen, daß es gehalten werden muß. Jetzt aber ist es das Recht und der Gang der Dinge wie immer, daß deine Sippen deine Verzeihung erflehen.«

»Und was spricht Diwiš?« fragte der Herzog.

Diwiš antwortete: »Ich spreche wie Bolemil.«

»Und was spricht Lubomir?« fragte der Herzog.

[] Lubomir antwortete: »Ich spreche, daß deine Sippen, welche hier vor uns sitzen, freventlich gegen dich im Aufruhre gewesen sind, weil in den Schriften und in ihren Worten kein Anlaß enthalten ist, der sie dazu gezwungen hat. Sie müssen dich daher um Verzeihung anflehen. Du aber, hoher Herr, sei mild, und gewähre sie ihnen.«

Und so wie die Männer, welche von dem Herzoge gerufen worden waren, gesprochen hatten, so sprachen alle hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren, welche in dem Saale versammelt waren. Sie sagten, die Fürsten müssen um Verzeihung bitten. So sagte jeder, und kein einziger sagte das Gegenteil.

Als alle Männer ihr Urteil deutlich ausgesprochen hatten, sagte der Herzog: »Ihr habt gehört, Abkömmlinge des Stammes Přemysl, die ihr im Kriege gegen mich gewesen seid, was die Herren hier gesagt haben. Ich füge nichts bei. Mit dir aber, Wladislaw, spreche ich noch. Du hast den schwersten Vorwurf gegen mich erhoben, des Raubes des Herzogstuhles. Dein Vater hat den Vorgang, durch den ich Herzog wurde, begonnen. Er hat auf dem Tage in Sadska die Herren der Länder Böhmen und Mähren veranlasset, daß sie schwuren, dich als Herzog zu erkennen, wenn er gestorben sein würde. Er hat so fast das Recht, den Herzog zu ernennen, in die Hände der Herren gelegt. Und die Herren haben dieses Recht gebraucht, und haben mich zum Herzoge gewählt. Sie haben vor der Wahl gesagt, sie hätten dich mit ihrem Eide als Nachfolger anerkannt im offenbaren Sinne, daß dein Vater noch so lange lebe, bis du gereift, und zur Herrschaft unterrichtet bist. Als aber dein Vater todkrank wurde, ehe sich der Sinn des Eides erfüllen konnte, war der Eid erloschen. Die Herren wählten statt eines Jünglinges, der noch nicht herrschen konnte, einen Mann, von dem sie vermuteten, er werde es können. Ich zauderte vor der Wahl; aber sie sagten, es sei die Pflicht meines Herzens, [] daß ich die Herrschaft nehme, und ich nahm sie. Die mich wählten, um in dem Lande schalten zu können, sind im Irrtume gewesen. Und wenn ich damals selbst unrechtmäßig Herzog gewesen wäre, so ist dein Recht erloschen, Wladislaw, als du dich Konrad unterworfen hattest, den die, welche an meiner Stelle nicht herrschen konnten, zum Herzoge gewählt haben. Und ist dein Recht erloschen, so ist das meinige auferstanden. So sind die Dinge, Wladislaw, und so hat dein Vater ahnend vor dem Sterben gesagt: ›Unterwirf dich Wladislaw, Načerat wird gegen ihn nicht siegen.‹«

»Du hast die Macht, und deine Anhänger sagen, du hast das Recht«, antwortete Wladislaw.

»Ich habe zu dir gesprochen«, sagte der Herzog.

Dann rief Wratislaw: »Du hast von Schriften geredet, in denen von Beschwerden zu lesen ist, und welche du den Herren, die hier versammelt sind, vorgelegt hast. Wer weiß es, welche Papiere du gezeigt hast.«

Der Herzog Wladislaw antwortete: »Wenn ich hätte ungebührlich handeln wollen, Wratislaw, hätte ich euch nicht hieher berufen, sondern euch bloß verfolgt.«

»Und wenn ich zu Grunde gehen und in die Erde versinken sollte«, rief jetzt Wratislaw mit lauter Stimme, »so werde ich nicht um Verzeihung bitten.«

»Du hast gesprochen«, sagte der Herzog, »was reden die andern?«

»Ich werde nicht um Verzeihung bitten«, sagte Konrad.

»Ich werde auch nie deine Verzeihung anflehen«, sagte Otto.

»Mir kömmt eine Bitte um Verzeihung nicht zu«, sagte Leopold.

»Mir auch nicht«, sprach Spitihněw.

»Und da ich zu meinem Vater nicht gesagt habe: Ich unterwerfe mich Wladislaw, so unterwerfe ich mich auch jetzt nicht«, sagte Wladislaw, der Sohn des vorigen Herzoges Soběslaw.

[] »Ihr habt gesprochen«, sagte der Herzog Wladislaw, »und was ihr tun werdet, ist eure Sache. Die nicht um Verzeihung bitten, haben noch einen Monat Frist, und dann können sie ungeschädigt dorthin gehen, woher sie gekommen sind.«

Nach diesen Worten schwieg der Herzog eine kleine Zeit, dann wendete er sich gegen Guido, den Abgesandten des Heiligen Vaters, und sprach: »Guido, hocherhabener Kardinal, hochehrwürdiger Abgesandter des Heiligen Vaters Innozenz, die Söhne dieses Landes haben jetzt eine Sache dieses Landes abgehandelt. Weil Ihr in das Land gekommen seid, zu schlichten, und zu richten, ist es Euch genehm, einige Worte zu reden?«

Guido antwortete: »Hocherlauchter Herzog, ich werde im Berufe meiner Sendung meine schwachen Worte verkündigen. Konrad, Wratislaw, Otto, die ihr Macht in dem Lande Mähren gehabt habet, ihr habt diese Macht gegen die hocherhabene Kirche und gegen den rechtmäßigen Herzog gewendet. Es sind Ärgernisse in die Seelen und Blutvergießen in die Leiber gekommen. Zur Milderung dient es euch, daß ihr vielleicht nicht wußtet, wie groß die Sünde ist, die ihr begangen habt; aber so groß ist sie, daß der hochehrwürdige Bischof von Mähren, Zdik, den Bann über das ganze Land Mähren in Kraft seiner Apostelswürde aussprechen mußte. Ihr habt aber die Größe eurer Sünde nicht erkannt, oder seid halsstarrig geblieben. So groß ist die Sünde, daß der Heilige Vater den Bann nicht nur bestätigte, sondern ihn verschärfte. Und ihr seid dennoch in der Sünde geblieben. In das dritte Jahr liegt die Traurigkeit des Bannes auf dem unglücklichen Lande. Alle Seelen, die nach den Labnissen des Glaubens schmachteten, alle Seelen, die in Wirrsale gestürzt wurden, alle Seelen, die irrten, und alle Seelen, die durch den Bann verloren gingen, schreien zu Gott dem Allmächtigen um Sühnung gegen die, welche den [] Bann verschuldet haben. So groß ist die Sünde, daß der Heilige Vater in seiner Erbarmnis eine Sendung in das Land zur Ermahnung, zur Ordnung, zur Schlichtung, zur Sühnung beschlossen, und daß er mich geringes Werkzeug dazu auserkoren hat, der ich aus geistlichem Gehorsame gekommen bin. Ehe ich kam, hat Gottes Langmut euch schon einen Teil eurer Schuld büßen lassen. Ihr seid in dem Kriege gegen euern rechtmäßigen Herzog besiegt worden, habt eure Macht und eure Bezüge verloren, und seid in dem fremden Lande in der Verbannung, oder wie Flüchtlinge auf der heimatlichen Erde. Und doch habt ihr nicht erkannt, was durch euch geschehen ist. Viele Mühsal und viele Worte sind dann um eurer Erbitterung willen, um eurer Rachsucht willen, um eurer Herrschgierde willen angewendet worden, und sind vergeblich gewesen. Jahre sind darüber hingegangen. Endlich hat sich Gottes Güte eurer erbarmt, und hat euer Herz erweicht. Ihr und das Volk habt geschworen, daß ihr der Kirche und euerm Bischofe die völlige Genugtuung geben wollet. Ich bin darauf mit meinem Geleite zu Regimbert, dem hochehrwürdigen Bischofe von Passau, gegangen, bei welchem euer Bischof Zdik gewesen ist. Euer Bischof ist mit mir und mit meinem Geleite nach Prag gezogen. Ihr wisset, er ist hier. Er wollte nicht unter euern Richtern sein, darum ist er nicht in diesem Saale. Aber vor dieser hohen und ehrwürdigen Versammlung der mächtigsten und besten Söhne der Länder Böhmen und Mähren, der höchsten Priester und der höchsten Herren müsset ihr euern Schwur verkündigen, und vor dem Angesichte des hochehrwürdigen Bischofes Zdik müßt ihr ihn verkündigen, wenn er der tiefe, der ernste, der heilige Schwur ist.«

»Ich habe nie einen Schwur gebrochen«, rief Wratislaw.

»Ich auch nicht«, rief Konrad.

Und so riefen auch die andern.

[] »Weil es so ist«, sagte der Kardinal Guido, »so werdet ihr es der Versammlung und dem Bischofe sagen, daß ihr auf das Kreuz des Heilandes geschworen habt, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten. Und ich bitte dich, Konrad, rede.«

Konrad stand auf, und sprach: »Weil Ihr bittet, hocherhabener Kardinal, so sage ich: Ich habe auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten.«

Dann sprach Guido: »Ich bitte dich, Wratislaw, rede.«

Wratislaw stand auf, und sprach: »Wenn Ihr nicht eine Bitte getan hättet, hocherhabener Kardinal, hätte ich nicht geredet, so aber sage ich: Ich habe auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten.«

Dann sprach Guido: »Ich bitte dich, Otto, rede nun auch du.«

Otto stand auf, und sprach: »Aus dem Grunde Eurer Bitte, hocherhabener Kardinal, sage ich: Ich habe auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten.«

»Ihr habt nun vor dieser hohen Versammlung gesprochen«, sagte der Kardinal Guido, »es ist nun übrig, daß ihr auch in der Versammlung vor dem hochehrwürdigen Bischofe sprecht, und ich bitte euch darum.«

»Weil ich schon geschworen habe, so bin ich der Mann, daß ich es sage«, sprach Wratislaw.

»Ich rede auch so«, sprach Konrad.

»Und meine Worte sind die nämlichen«, sprach Otto.

Nachdem die Fürsten von Mähren diese Worte gesprochen hatten, wurden die Flügel einer Tür geöffnet, und im Geleite mehrerer Priester ging Zdik, der Bischof von Olmütz, in seinem bischöflichen Gewande und mit dem goldenen Kreuze in den Saal. Er setzte sich auf einen Stuhl, der neben Otto, dem Bischofe von Prag, für ihn in Bereitschaft stand.

[] Als dieses geschehen war, sprach Guido, der Kardinal: »Zdik, hochehrwürdiger Bischof von Olmütz, Bischof des Landes Mähren, die Sprossen des hohen Stammes Přemysl, welche gegen die Kirche in Mähren und gegen dich gefehlt haben, sind des Fehls geständig und reuig, und haben auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dir die völlige Genugtuung zu leisten. Ist es nicht so? Ich bitte dich, Konrad, rede.«

»Es ist so«, sagte Konrad.

»Ich bitte dich, Wratislaw, sprich«, sagte Guido.

»Es ist so«, sprach Wratislaw.

»Ich bitte dich, Otto, rede«, sagte Guido.

»Es ist so«, sagte Otto.

Dann sprach Guido, der Kardinal: »Leopold, Spitihněw, Wladislaw, ihr seid nicht mit einem großen Länderbesitze in Mähren seßhaft gewesen, und habt der Kirche und dem hochehrwürdigen Bischofe nicht Einkünfte, Pfründen und Güter entzogen; aber ihr habt sonst gegen die Kirche und gegen den hochehrwürdigen Bischof gefehlt, und habt auf das Kreuz des Heilandes den Schwur abgelegt, jede christliche Genugtuung, die nötig ist, der Kirche und dem Bischofe zu leisten. Ich bitte euch, saget dem hochehrwürdigen Bischofe vor dieser hohen Versammlung, daß ihr so geschworen habt.«

»Ich habe so geschworen«, sagte Leopold.

»Ich habe so geschworen«, sagte Spitihněw.

»Ich habe so geschworen«, sagte Wladislaw.

Darauf sprach Guido: »Und was ihr alle geschworen habt, wird geschehen. Der hochehrwürdige Bischof wird in das Land Mähren zurückkehren, ich werde in seinem Geleite sein, und die Genugtuung wird vollzogen werden.«

Nach diesen Worten stand Zdik, der Bischof von Olmütz, auf, und sprach: »Ich werde in Ehrerbietung, hocherhabener Kardinal, wenn Ihr wieder mein Kirchenland besuchen [] wollet, ein Diener in Euerm Gefolge sein. Und wenn die Genugtuung geschehen ist, Söhne des Stammes Přemysls, so soll das Vergangene vergessen sein, ich werde mit denen, die im Lande sind, in christlicher Demut leben, und die nicht in dem Lande sind, werde ich segnen, und werde für sie beten.«

Er setzte sich dann wieder auf seinen Stuhl nieder.

Darauf sprach Guido, der Kardinal: »Und nun höret mich weiter, Sprossen des Geschlechtes Přemysl. Ich rede jetzt als Christ, ich rede als Priester, ich rede als Abgesandter des Stuhles der Menschheit, und ich rede mit der Zunge der Barmherzigkeit des Heiligen Vaters. Und was ich sage, gilt, welchem Lande ich immer angehöre, und welchem Lande ihr angehöret. Wenn ihr durch Reue, Buße und Genugtuung euch mit der Kirche und dem Bischofe von Mähren ausgesöhnt habt, so ist eure Sünde noch nicht getilgt. Ihr habt auch gegen euren rechtmäßigen Herrn, den Herzog von Böhmen und Mähren, gefehlt, da ihr mit den Waffen gegen ihn gestanden seid, da ihr das Blut der Seinen vergossen habt, und da ihr ihn gezwungen habt, das Blut der Eurigen zu vergießen. Ihr habt eine schwere Sünde gegen den heiligen Glauben begangen, der sagt, daß ihr der Obrigkeit gehorchen sollet, und der sagt, daß ihr nicht töten sollet. Ihr habet die Sünde der hoffärtigen Engel begangen, ihr habet die Sünde Kains begangen. Und wie heilig und wie groß der Glaube ist, gegen den ihr gesündiget habt, soll ich euch das sagen? Haben es nicht die weisesten Männer aller Länder, haben es nicht die Männer, die wie eine Sonne unter den Völkern leuchteten, haben es nicht die Männer, welche von der ganzen Menschheit verehrt wurden, gezeigt? Haben sie nicht mit ihrem Leben nach dem Glauben gerungen, durch den der Mensch zu Gott gelangt, und ohne den er nichts ist? Ich rede nicht von den Apostelmännern Cyrillus und Methodius und ihren unsäglichen [] und unablässigen Bemühungen, mit denen sie bestrebt waren, dem Lande Mähren den Glauben zu geben, ich rede nicht von den tausend Martyrern, die in allen Teilen der Welt zu allen Zeiten für den Glauben gestorben sind, ich rede von den Heiligen des Landes Böhmen und von Männern des Landes Böhmen. Der heilige Wenzel, Herzog von Böhmen, baute die Kirche des heiligen Veit, und legte in sie einen Arm des heiligen Veit nieder, er gründete andere Kirchen, er tat demütig Dienste bei den gottesdienstlichen Handlungen, er betete in härenem Gewande, er fastete, und gab Almosen, und starb den Tod des Martyrers für den Glauben. Der heilige Adalbert ging in geringen Gewändern, und aß und trank nur zur Notdurft, und verwendete seinen Reichtum für den Glauben, er lebte nach den Vorschriften des Glaubens, und gab den Armen einen Teil seiner Einkünfte. An jedem Feiertage gab er den Bettlern große Almosen, an jedem Tage hatte er zwölf Arme bei sich, denen er in Erinnerung an die zwölf Apostel Speise und Trank reichte. Er ging in Mühsal in fremde Länder, den Glauben zu predigen, und litt dort den Tod für den Glauben. Und wie hoch haben die Menschen den heiligen Adalbert geehrt. Da der Fürst Břetislaw vor mehr als hundert Jahren von dem Kriege gegen Polen mit seinem Heere zurückkehrte, und die Nachricht sich erhob, daß er den Leichnam des heiligen Adalbert aus der Stadt Gnesen, dem Sitze der polnischen Fürsten, bringe, zog die ganze Priesterschaft von Prag und alles Volk dem Heere entgegen, daß das breite Feld am Bache Rokytnice die Menge der Menschen nicht faßte. Dann trugen der Herzog Břetislaw und der Bischof von Prag auf ihren Schultern den Schrein, in welchem der Leichnam des heiligen Adalbert war. Nach ihnen kamen die Äbte, und trugen die irdischen Überreste der fünf heiligen Einsiedler, die zur Zeit des polnischen Boleslaw den Martyrertod erlitten hatten. Dann[] trugen Erzpriester der Kirche von Prag den Leichnam Radims, des Bruders des heiligen Adalbert, welcher der erste Erzbischof von Gnesen gewesen war. Dann kamen die Kleinode, die zu Adalberts Grab gehört hatten, das hinter dem Altare der Kirche zu Gnesen gewesen war. Zwölf Priester trugen das goldene Kreuz, das der polnische Boleslaw hatte machen lassen, dreimal so schwer als er selber. Dann wurden drei goldene Tafeln getragen, die den Altar in Gnesen umgeben hatten, davon die größte dreihundert Pfund wog, und mit edlen Steinen besetzt war. Dann kam das Heer, und es kamen alle Menschen. Zuletzt gingen hundert Wägen, welche die Beute führten, und es gingen die Gefangenen. Sie gingen zuletzt, weil sie nicht zu der Verherrlichung Adalberts gehörten. Prag hat nie einen solchen Tag gesehen. Ich spreche weiter von andern Männern. Der Bischof Izzo besuchte eifrig die Gefangenen und Kranken, und speisete täglich vierzig Arme, denen er den Tisch segnete, und denen er die Speisen und Getränke austeilte. Der Herzog Spitihněw wohnte in der Fastenzeit in dem Priesterhause zu Prag, in ein Priestergewand gekleidet. Er schwieg von der ersten Abendstunde bis zu der ersten Morgenstunde, er brachte den Vormittag in geistlichen Dingen, beim Gottesdienste, in Almosengeben, in Wachen und Beten zu, und erst nach dem Mittagmahle übte er die weltlichen Geschäfte. Der Bischof Jaromir ging in der Fastenzeit in jeder Nacht in grobe Leinwand gekleidet in die Kirche, und betete dort auf dem Pflaster. Und in jeder Nacht teilte er vor den Psalmen und nach den Psalmen, und nach der Frühmesse, die noch in der Nacht war, vierzig Laibe Brod und vierzig Heringe aus, und bei der Morgendämmerung wusch er zwölf Pilgern die Füße, und gab jedem einen Denar, und am Mittage aß er mit vierzig Armen. Und zu jeder andern Zeit des ganzen Jahres wurden täglich vierzig Arme in dem bischöflichen[] Hause gespeiset, und zweimal im Jahre gekleidet. Der Herzog Soběslaw und seine Gattin Adelheid stifteten und hielten noch bei der Zeit ihres Lebens ihr Totenjahresgedächtnis. Es wurde eine Woche von Allerheiligen an mit Gottesdienst, Beten, Fasten, Almosen von dem Herzoge und der Herzogin und den Priestern und Nonnen Prags gefeiert, und am letzten Tage hielt der Herzog mit den Priestern ein festliches Mahl in dem Priesterhause des Wyšehrad. Soll ich euch noch sagen, was die erlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren für den Glauben und die Kirche gestiftet und getan haben? Ihr wisset dieses alles ohnehin. So hoch haben solche Männer den Glauben geachtet. Du, Wratislaw, wirst in dieser Welt nicht zu Grunde gehen, und wirst nicht in die Erde versinken, wenn du für die Sünde gegen den Herzog nicht Buße tust; aber du wirst in jener Welt ewig verdammt sein. Und wie die Freude kein Auge gesehen, und kein Ohr gehöret, und wie sie in keines Menschen Herz gekommen ist, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben: so hat die Strafe kein Auge gesehen, kein Ohr gehöret, und sie ist in keines Menschen Herz gekommen, welche die trifft, die seine Gebote verachten. Und von allem Fehler muß man sich reinigen, zur Zerknirschung, zur Reue, zur Buße, zur Genugtuung muß man kommen, wenn man zu dem Vater in dem Himmel eingehen will. Der Heiland hat gesagt: Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Der Heiland hat gesagt: Wer in das Himmelreich eingehen will, nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach. Der Heiland hat gesagt: Wenn ihr nicht unschuldig werdet wie diese Kleinen, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Nicht nur um Verzeihung mußt du wegen der Sünde gegen den Herzog bitten, Wratislaw, du mußt Reue fühlen, du mußt Buße üben, du mußt Genugtuung leisten, und mußt alles das Gott opfern in der Liebe zu [] Gott. So habe ich zu dir gesprochen, so habe ich zu denen gesprochen, die gegen den Herzog gesündiget haben. Bedenket es, und denkt an den Glauben.«

Nach diesen Worten schwiegen alle in der Versammlung, und es schwiegen die Abkömmlinge Přemysls, an welche die Worte gerichtet gewesen waren.

Nach einer Zeit sprach der Herzog: »Hocherhabener Kardinal, Ihr habt geredet in den Sachen des heilgen Glaubens, und für den heiligen Glauben. Wir haben gehöret. Und wie wir Euch danken für alles, was Ihr schon in unseren Ländern geredet und getan habt, und wie wir auch danken werden für das, was Ihr noch reden und tun werdet: so danken wir Euch für diese Worte.«

Otto, der Bischof von Prag, stand auf, und sprach: »Wir danken demütig und ehrerbietig dem hocherhabenen Kardinale, dem Abgesandten des Heiligen Vaters.«

Und alle Männer in der Versammlung erhoben sich, und sagten: »Wir danken demütig und ehrerbietig dem hocherhabenen Kardinale, dem Abgesandten des Heiligen Vaters.«

Der Herzog sprach hierauf: »Und nun rede ich zu euch, ihr hohen Herren der Kirche, Priester der Kirche, Sprossen Přemysls, hohe und niedere Herren der Länder Böhmen und Mähren. Weil wir zu Ende geführt haben, weshalb wir in diesem Saale versammelt waren, so danke ich euch, und verabschiede euch. Und wenn kleinere Rattage sind, so werden wir in dieser Zahl, und noch um Tausende vermehrt zusammen kommen, wenn die Kirche des heiligen Veit eingeweiht wird, die hergestellt ist, und in der der Gottesdienst beginnt. Und so gehabt euch wohl.«

Die Versammelten blieben noch sitzen.

Dann stand Guido, der Kardinal, auf, und sagte zu dem Herzoge Wladislaw: »Sei gesegnet, Sohn der Kirche.«

Wladislaw stand auf, und entblößte sein Haupt.

[] Dann sprach Guido, der Kardinal, zu den Versammelten: »Seid gesegnet, Söhne unseres Glaubens.«

Die Versammelten standen alle auf, und entblößten ihre Häupter.

Dann sagten der Herzog und der Kardinal einander die Abschiedsgrüße, und jeder von ihnen ging mit seinem Gefolge bei einer andern Tür hinaus.

Die Männer, welche versammelt gewesen waren, zerstreuten sich jetzt auch von ihren Sitzen, und verließen den Saal.

Die mährischen Fürsten gingen auch bei einer Tür hinaus.

Von dem Tage an waren nun viele Versammlungen der hohen Herren der Kirche, zu denen auch Räte und Hofherren des Herzoges und Lechen und Herren des Landes geladen wurden. Es war an dem, daß kein Priester fortan mehr in der Ehe leben sollte, und der eine Gattin hatte, sollte sich von ihr trennen, oder seine Würde verlassen. Dann sollten die beiden Bischoftümer Böhmen und Mähren in einzelne ständige Pfarreien eingeteilt werden, und jeder Priester sollte die Weihe nur für eine voraus besagte Pfarre erhalten. Die heidnischen heiligen Haine und Bäume, Feste auf den Gräbern, Wahrsagerei und Zauberei sollten aufhören, und es sollten die christlichen Sonntäge und Feiertäge und Festtäge gehalten werden. Guido beriet mit den Kirchenherren die Mittel dazu. Es kamen nun aus vielen Gegenden Pfarrer und Priester, und selbst solche, die nur unvollkommene Weihen erhalten hatten, und der Kardinal Guido sprach mit einem jeden von ihnen. Er ließ auch manche berufen.

Zu dem Rate über das mittägliche Waldland wurde auch Witiko, und es wurden die anderen Herren und Männer des Waldes geladen. Als Witiko gefragt wurde, wie es in dem Walde sei, sprach er: »Hocherhabner Herr Kardinal, erlauchter Herzog, hohe Herren der Kirche, und Herren [] des Landes. Was ich sage, habe ich selber erfahren, und es hat mir ein frommer Priester, Benno von Přic, der mein gütiger Lehrer und Erzieher war, davon erzählt. In dem Walde an der jungen Moldau ist das Christentum viel früher gewesen als in den andern Teilen des Landes. Gotterfüllte Einsiedler haben hin und hin in dem Walde gelebt, und haben die Andacht des Glaubens geübt. Ihr Glöcklein und die Sage von ihnen rief Menschen herbei, und diese beteten mit, und wurden in dem Glauben belehrt, und breiteten ihn aus. Und aus mancher Siedelei ist eine Kirche geworden. Bei jeder Kirche und bei jedem Kirchlein, wenn es auch nur von Holz ist, besteht ein ständiger Pfarrer. Und da die ersten Priester die Siedler gewesen sind, so hat nach ihrem Brauche keiner, der auf sie gefolgt ist, ein Weib genommen. In der sehr alten Zeit aber, da noch das Heidentum in all den Ländern um uns gewaltet hat, da ist der Wald an der jungen Moldau so groß und so unwirtlich gewesen, daß keine Menschen in ihm gewohnt haben. Es sind also dort wenige Heiden gewesen, und wenige Gewohnheiten aus dem Heidentume übrig geblieben. Die Pfarrer streben, sie auszurotten, da sie dieselben verbieten, und mit kirchlichen Strafen belegen, und da sie die Kinder belehren, daß mit den alten Leuten die Gewohnheiten aussterben. Und wir alle sollten, wie wir es verstehen, mit den Pfarrern dazu wirken. Und die Herren im Walde tun es auch, und ich werde es tun. Die Kirchen sind noch sehr weit von einander entfernt; es werden aber neue, wo Menschen an einer Stelle sich mehren, und ich werde im Walde bei meinem Hause eine Kirche errichten, sobald ich es tun kann.«

Was Witiko gesagt hatte, sagten auch Rowno und Diet und Hermann und die andern. Und der Župan Lubomir sprach auch so, der einen Teil des Waldes beherrschte.

Und nach den Sachen des Glaubens sollten auch noch [] Dinge über die Besitztümer der Kirche oder Streitigkeiten darüber geschlichtet werden, insonderheit der alte Streit zwischen den Bischöfen von Prag und Olmütz über Podiwin.

Guido hatte manche Zusammenkünfte mit den mährischen Fürsten.

Öfter war auch Rat bei dem Herzoge.

Als vierzehn Tage seit der großen Versammlung vergangen waren, geschah die Einweihung der Kirche des heiligen Veit.

Der Herzog Wladislaw kam an dem Festtage mit dem Gefolge aller seiner Hofherren und der Lechen und Führer und Herren der Länder Böhmen und Mähren vor die Kirche. Die Herzogin kam mit ihren Frauen. Guido kam mit seinem Geleite. Es kamen Otto, der Bischof von Prag, Zdik, der Bischof von Olmütz, und Daniel, der Propst, und die Erzpriester und Priester von Prag und die Äbte der Klöster, und die Nonnen, und die Pröpste und Priester und Pfarrer aus vielen Teilen der Länder, und selbst aus der Fremde. Es kam ein Teil der Krieger Wladislaws, und es kam unzähliges Volk. Mehr als tausend Scharen von Menschen sind von allen Seiten der Länder Böhmen und Mähren zu dem Feste der heiligen Kirche Böhmens gekommen. Die Herbergen hatten sie nicht gefaßt, und sie lagerten unter dem freien Himmel.

Auf einem Platze abseits der Kirche, der mit unbehauenen Schranken umgeben war, knieeten mit entblößtem Haupte, mit bloßen Armen, mit nackten Füßen und in Gewänder von grober Leinwand gekleidet, Konrad, Wratislaw, Otto, Leopold, Spitihněw und Wladislaw, die Sprossen aus dem Stamme Přemysls.

Die Weihe der äußeren Teile der Kirche wurde begonnen.

Alle, die vor ihr waren, knieeten in Andacht auf die Erde nieder. Es knieete der Herzog mit den Seinigen, die Herzogin [] mit den Frauen, alle Priester, die nicht bei der heiligen Handlung mitwirkten, und alle anderen. Es war der ganze Berg mit knienden Menschen voll.

Unter den Frauen der Herzogin knieete Dimut, und betete. Sie war in ein schwarzes Gewand gekleidet, und ihre Augen waren gegen die Erde gewendet.

Da die Heiligung vor der Kirche vollendet war, wurden ihre Tore geöffnet, und die Priester und der Herzog und die Herzogin und die Hofherren und die Herren der Länder und Krieger und Volk gingen in dieselbe.

Die mährischen Fürsten blieben auf ihrem Platze knien, da sie nicht in die Kirche gehen durften, weil sie in dem Banne waren.

In der Kirche wurde die Weihe ihrer inneren Teile begonnen, und dann war ein feierlicher Gottesdienst. Nie waren so viele und so hohe Kirchenherren bei einem Feste zugegen. Die Kirche war mit Menschen erfüllt. Und die Menschen vor der Kirche knieeten dicht an einander, und weit über den Berg knieten sie, und manche warfen sich auf die Erde, und beteten und weinten.

Als die Feier in der Kirche vollendet war, ging der Zug des Herzogs, der Herzogin, des Hofes, der kirchlichen Herren und der Herren der Länder wieder aus der Kirche.

Da der Zug an den mährischen Fürsten vorüber ging, lagen diese mit ihren Angesichtern auf der Erde. Manche Menschen, die vorüber gingen, weinten.

Die Herzogin Gertrud sagte zu ihren Frauen: »Das sind Sprossen des ersten Geschlechtes des Landes.«

Dimut antwortete darauf: »Gott ist allmächtig und herrlich. Er hat mir die Worte eingegeben, die ich im Kampfe gesagt habe: Unsere Heiligtümer sind nicht verloren, wir werden sie wieder aufbauen, und sie werden schöner sein als früher, und hilfreich und gnadenreich. Und die an ihnen gefrevelt haben, werden mit zerrauften Haaren [] und mit entblößtem Armen auf der Erde liegen, und den Himmel um Barmherzigkeit anflehen. Und so ist es in Erfüllung gegangen.«

Der Herzog, die Männer der Kirche und des Landes, die Krieger und andere gingen an den Fürsten vorüber.

Dann verfloß eine Stunde.

Nach derselben saß der Herzog Wladislaw in dem Schmucke des herzoglichen Gewandes mit Kleinodien und Gold und Edelsteinen geziert auf dem Herzogstuhle vor der Hofburg. Der Kardinal Guido saß auf einem Throne, der für ihn errichtet worden war. Die Bischöfe, Äbte, Erzpriester, Pröpste und Priester und die Hofherren und die Lechen der Länder und die Führer des Heeres und Wladyken und Herren der Župen standen um den Herzogstuhl und um den Thron, und hinter ihnen rings um sie war Volk, daß ein Mensch an den andern festgedrückt war. Die Herzogin saß in ihrem Schmucke mit ihren Frauen auf dem Söller, und auf anderen Söllern waren andere hohe Frauen mit ihren Gefolgen.

Es wurde nun mit Mühe in der Menge der Menschen eine Gasse gemacht, und durch diese Gasse gingen die mährischen Fürsten vor den Herzogstuhl. An den Seiten jedes Fürsten gingen zwei Männer, und hielten zwei Schwerter über dem bloßen Haupte des Fürsten gekreuzt. Als die Fürsten auf den freien Raum vor dem Herzogstuhle gekommen waren, knieeten sie in den Sand nieder, und hoben die Hände der nackten Arme aus der groben Leinwand empor. Die gekreuzten Schwerter wurden über ihren Häuptern gehalten.

Die Menschen waren alle still.

Da rief Konrad die Worte: »Ich, Konrad, der Sohn Liutolds, aus dem Stamme Přemysl, bereue die Sünde, welche ich durch den Kampf gegen den rechtmäßigen Herzog von Böhmen und Mähren, Wladislaw, begangen habe, ich tue Buße, will Genugtuung leisten, und bitte [] den hocherlauchten Herzog und Herren des Stammes, daß er mir verzeihe, wie mir Gott verzeihen möge.«

Dann rief Wratislaw: »Ich, Wratislaw, der Sohn Ulrichs, aus dem Stamme Přemysl, bereue die Sünde, welche ich durch den Kampf gegen den rechtmäßigen Herzog von Böhmen und Mähren, Wladislaw, begangen habe, ich tue Buße, will Genugtuung leisten, und bitte den hocherlauchten Herzog und Herren des Stammes, daß er mir verzeihe, wie mir Gott verzeihen möge.«

Und Otto, und Leopold, und Spitihněw und Wladislaw riefen nach einander die nämlichen Worte.

Als sie geendigt hatten, schwieg der Herzog eine kleine Zeit, und das Volk sah auf ihn.

Da öffnete er den Mund, und rief: »Entfernet die Schwerter.«

Die Schwerter wurden entfernt.

Dann rief der Herzog: »Stehet auf.«

Die Fürsten erhoben sich, und standen aus dem Sande auf.

Dann rief der Herzog: »Empfindet die Reue, tut Buße, und leistet Genugtuung vor Gott dem Richter, und er wird euch durch den Mund der Kirche verzeihen. Ich verzeihe euch, und verlange keine andere Genugtuung als künftig Treue gegen mich. Konrad, ich setze dich in dein Besitztum Znaim mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Wratislaw, ich setze dich in dein Besitztum Brünn mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Otto, ich setze dich in dein Besitztum Olmütz mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Leopold, Spitihněw und Wladislaw, ich setze euch in alle eure Bezüge und Gebühren wieder ein, wie sie vor dem Kriege gewesen sind, und will sie vermehren. Jetzt gehet in eure Herbergen, kommt dann wieder, und teilet heute mein Brod mit mir an meinem Tische.«

[] Und wie es stille gewesen war, daß man die Worte aus dem Munde des Herzoges wie eine Glocke in klarer Luft vernommen hatte, so wurde jetzt ein Schrei, der durch die Wolken des Himmels drang. Nach dem Schrei kamen die Worte: »Heil, Segen, Glück, Freude Wladislaw, dem guten Herzoge.«

»Wladislaw, dem guten Herzoge«, tönte es immer fort, und »Glück«, »Segen«, »Heil« tönte es fort.

Frauen und Mädchen aus dem Volke lösten Schleifen oder Blumen aus ihren Gewändern, ließen sie durch Männer vorwärts geben, und vor den Herzogstuhl zu den Füßen des Herzoges werfen. Männer nahmen nun Federn oder Bänder oder anderen Schmuck von ihren Hauben und ließen sie auch vor die Füße des Herzoges legen.

Der Herzog winkte mit der Hand, und dankte mit der Hand.

Dann erst konnten die Fürsten reden.

Konrad sprach: »Ich hoffe, daß mir Gott verzeihen wird, ich danke dir, hocherlauchter Herzog, für deine Verzeihung, und ich werde dir treu sein, so lange ich lebe.«

Wratislaw rief: »Gott wird mir vergeben, wie mir der hohe Herzog vergeben hat, dem ich treu sein werde durch mein ganzes Leben.«

Und solche Worte riefen die übrigen Fürsten einer nach dem andern.

Dann tönte wieder ein Rufen des Volkes.

Dann sagte Wladislaw: »Seid treu, und wir gedenken alle in der Zukunft des heutigen Tages.«

Die Fürsten wendeten sich zum Gehen. Das Volk machte ihnen eine Gasse. Sie gingen in dieselbe, die Gasse schloß sich hinter ihnen wieder, und sie waren nicht mehr zu sehen.

Der Herzog stieg von dem Herzogstuhle, so stieg auch Guido von dem Throne, und beide und alle hohen und [] niederen Herren der Kirche und der Länder gingen der Hofburg zu. Da der Zug sich gegen die Burg bewegte, stimmte das Volk das Landeslied an, und der Gesang dauerte noch fort, da der Zug schon in die Burg eingegangen war.

Die Menschen zerstreuten sich. Viele gingen in die Kirche des heiligen Veit, die Kirche leerte sich nicht; wenn einige gingen, kamen wieder andere. Aus der Hofburg kam ein Mann, die Schleifen, die Bänder, die Sträuße, die Zierden, die man vor den Herzogstuhl geworfen hatte, zu sammeln, und in die Burg zu tragen.

Als der Mittag gekommen war, wurde ein Mahl in dem Herzoghofe gehalten. Die Zahl der Gäste war so groß, daß in dem Saale und in vielen Gemächern die Tische standen. Die Herren der Kirche waren in ihrer höchsten Zierde bei dem Mahle. Der Herzog und die hohen und niederen Herren der Länder hatten ihren größten Schmuck, und die Frauen und Jungfrauen prangten in den auserlesensten Gewändern und Kleinodien. Die Fürsten von Mähren saßen in Sammet und Seide, in Gold und Edelsteinen in der Nähe des Herzoges auf Ehrenplätzen. Posaunen und Flöten und Pfeifen erschallten zuweilen von den inneren Söllern, und zuweilen tönten von außen herein Gesänge.

Als das Mahl geendiget war, versammelten sich die Gäste in verschiedenen Abteilungen und sprachen mit einander, oder sie wandelten redend in verschiedenen Richtungen in den Gemächern.

Wratislaw kam mit dem Herzoge gegen Witiko, reichte ihm die Hand, und sagte: »Witiko, daß du uns verächtlich entrinnen ließest, hat mich mehr gekränkt als die tollen Worte des wilden Odolen. Rede nicht, du hast klug und rechtlich gehandelt. Wir haben Konrad geraten, die Belagerung aufzugeben. Wenn du ein Leche wirst, wie ich sagte, so wünsche ich dir alles Glück, du wirst ein hochgesinnter.«

[] »Witiko«, sprach der Herzog, »der Bund ist größer geworden, wie du in dem Lager in meinem Zelte damals zu mir geredet hast. Und dir, Wratislaw, sage ich, daß er mir an jenem Abende gestanden hat, daß er auch die Söhne Přemysls vor Rache und Unbill habe sichern wollen.«

»Ich wußte es«, sagte Wratislaw, »und wenn uns Demütigung wurde, so haben wir die Demütigung gesucht. Wir konnten auf Feinde treffen, die anders gewesen wären. Wenn du nach Brünn kommst, so stehen dir die Tore der Burg offen, und es wird sie ehren, wenn du eingehst.«

»Und wenn wir alle, die jetzt vereint sind, in deine Nadelwälder jagen kommen, wie wir bei Chynow versprochen haben«, sagte der Herzog, »so wirst du uns Herberge und Bewirtung geben.«

»Ich kann auch ein Stücklein Brod und ein Plätzchen in dem Hause geben, das ich durch deine Gnade habe, hocherlauchter Herzog Wladislaw«, antwortete Witiko. »Und was ich getan habe, erlauchter Herzog Wratislaw, das habe ich getan, weil es so in meinen Sinn geflogen ist. Wenn ich nach Brünn komme, werde ich nicht versäumen, dir meinen Ehrfurchtsgruß zu bringen.«

»Alle Menschen handeln, wie es in ihren Sinn fliegt«, sagte der Herzog, »aber die Sinne sind verschieden. Wir werden einmal mit Absicht nach Brünn gehen, und dann gehst du mit, Witiko; aber nimm ein anderes Tier, als das nur im Schritt geht.«

»Einmal ist es schneller gewesen«, sagte Witiko.

»Von dem reden wir jetzt nicht mehr«, sagte der Herzog.

Da sie noch sprachen, kamen auch Otto und Wladislaw herzu, und sprachen mit. Sie wendeten sich dann gegen Witiko, und dankten ihm, wie er bei Pilsen gegen sie gewesen ist, und Wladislaw dankte ihm, daß er ihn gegen Odolen geschützt habe.

[] Der Herzog und die Fürsten trennten sich nach diesem Gespräche von Witiko.

Nach einer Zeit kam Zdik, der Bischof von Olmütz, zu Witiko und sagte: »Edler Waldherr, du suchest ja deine Freunde nicht, sie suchen dich. Erinnerst du dich noch, wie Regimbert, der Bischof von Passau, gesagt hat: Die Wilden werden Lämmer werden? Seine Worte sind in Erfüllung gegangen. Aber es ist ein starker Hirte gewesen, vor dem sie Lämmer geworden sind. Guido hat mehrere Jahre mit Mühsal gearbeitet. Die Söhne Přemysls haben heute einen Sieg errungen, der der größte ist, den sie erringen können, und den ein Mensch erringen kann. Das Volk und alles Land hat gesehen, daß ein Herr in dem Himmel ist, und die Erde Staub, in den er den Sünder wirft. Und das Volk und alles Land hat gesehen, daß ein Herr in dem Himmel ist, der den Sünder, wenn er Buße getan hat, erhebt; er hat ihm durch die Kirche verkündigt, daß ihm verziehen ist, und er hat das Herz des Herzogs Wladislaw erweicht, daß er das Unrecht vergessen mußte.«

»Die Fürsten werden jetzt wohl treu sein«, sagte Witiko.

»Sie werden treu sein«, antwortete Zdik. »Sie haben bereut, und haben den Brauch der Kirche und des Landes auf sich genommen. Und wenn sie ihre Reue vergessen sollten, so ist die Macht des Herzoges Wladislaw jetzt schon zu groß, und sie wird noch größer werden, als daß sie etwas gegen sie ersinnen könnten.«

»Der Herzog Wladislaw hat jetzt den freien Weg vor sich«, sagte Witiko.

»Das Unglück, welches der hochehrwürdige Bischof Silvester geahnt hat«, erwiderte Zdik, »und von welchem der edle Leche Bolemil gesprochen hat, ist eingetroffen, und ist überwunden worden. Jetzt wird das Gute kommen, welches die voraus gesehen haben, die deshalb die Wahl Wladislaws gefördert haben.«

[] »Er übt Gerechtigkeit, und ist gut«, sagte Witiko.

»Wir wissen alle noch nicht, was werden wird«, sagte Zdik; »aber es wird etwas werden. Er wird den Glauben schützen, er wird die Bösen niederhalten, wird sorgen, daß alle ihren Bedarf stillen können, und wird unser Ansehen mit dem Ansehen anderer Länder verknüpfen.«

»Er wird unser Ansehen in ferne Reiche tragen«, sprach Witiko.

»Auch das kann geschehen«, antwortete Zdik, »und möge ihm dann Treue und Freudigkeit der Seinen zur Seite stehen.«

»Er ruft die Treue und Freudigkeit hervor«, sagte Witiko, »und sie werden ihm in der Zeit nicht fehlen.«

»So ist es«, entgegnete Zdik. »Witiko, der hocherhabene und milde Kardinal Guido ist in Passau gewesen, und der hochehrwürdige Bischof Regimbert und ich haben ihm von dir erzählt. Er hat gesagt, daß ich dich heute zu ihm führen soll. Folge mir.«

»Ich folge Euch«, sagte Witiko.

Zdik führte Witiko an vielen Menschen vorüber in ein Gemach. In demselben saß der Kardinal auf einem Stuhle, und viele Menschen waren um ihn: die Herren der Kirche, Priester und andere. Witiko mußte warten, weil mehrere da waren, mit denen der Kardinal reden sollte. Als diese Reden geendiget waren, führte Zdik Witiko an der Hand dem Kardinale näher. Der Kardinal sah es, und winkte sie mit der Hand hinzu. Da sie vor ihm standen, sagte Zdik: »Hocherhabener Kardinal, dieser Mann ist Witiko, erlaubet, daß er Euch die Ehrfurcht bezeugt.«

Der Kardinal reichte Witiko das Kreuz.

Witiko küßte es.

Dann sagte der Kardinal: »Mein junger Sohn, du hast der Kirche in der Bedrängnis gedienet, und du hast im Streite die Friedfertigkeit angestrebt.«

[] »Hocherhabener kirchlicher Fürst«, sagte Witiko, »ich suchte zu tun, wie es die Dinge fordern, und wie die Gewohnheit will, die mir in der Kindheit eingepflanzt worden ist.«

»Und der Glaube, mein Sohn, den der gute Priester Benno in dein Herz gesenkt hat«, sagte der Kardinal. »Du hast an dem Sonntage im Walde, da nirgends eine Kirche war, den Tag gefeiert, dein Tier hat geruht, und du hast in der Einsamkeit der Bäume gebetet. Und wenn du zu tun strebst, was die Dinge fordern, so wäre gut, wenn alle wüßten, was die Dinge fordern, und wenn alle täten, was die Dinge fordern; denn dann täten sie den Willen Gottes.«

»Oft weiß ich nicht, was die Dinge fordern«, sprach Witiko.

»Dann folge dem Gewissen, und du folgst den Dingen«, sagte der Kardinal. »Der Herzog hat dich für deine Dienste belohnt, Witiko, und ich hege den Wunsch, daß dir der Segen immer gewärtig sei, der zu dem Guten kömmt. Ich habe zu den Namen der jungen Leute dieser Länder, die ich mir merken will, auch deinen Namen geschrieben. Ich werde die jungen Namen dem Heiligen Vater als das Gute bringen, das nachwächst. Und wenn du das Heil hast, nach Rom zu kommen, so will ich dich vor das Angesicht des Heiligen Vaters führen.«

»Wenn mir zu Teil wird, daß ich die Stadt der ewigen Dauer sehen soll«, sagte Witiko, »und wenn ich es erlebe, vor den Heiligen Vater gestellt zu werden, möge ich dann dessen auch würdig sein.«

»Du wirst es, wenn du dich nicht änderst«, sagte der Kardinal, und reichte Witiko das Kreuz zum Kusse.

Witiko küßte das Kreuz, und entfernte sich mit Zdik. Mehrere Menschen gingen zu dem Kardinale.

Zdik sagte zu Witiko: »Der hocherhabene Kardinal geht jetzt nach Mähren, den Bann aufzuheben. Dann geht er [] wieder nach Böhmen, weil vieles werden muß. Er will dann den Priester Benno zu sich rufen lassen.«

»Das wird Benno sehr freuen«, sagte Witiko, »er ist aus Demut nicht zu dem Kardinale gegangen.«

»Der hocherhabene Kardinal weiß es«, sprach Zdik.

»Benno ist jetzt in unserem Hofe Přic«, sagte Witiko.

»Es ist uns bekannt«, antwortete Zdik. »Wenn du dein Haus gebaut hast, und wenn eine Zeit ist, nach Mähren zu kommen, so komme nach Olmütz, daß ich dir die Gastfreundschaft vergelte, die du an mir geübt hast, und in die du mich bei andern eingeführt hast.«

»Ich werde Euch meine Ehrerbietung und meinen Dank für Eure Freundlichkeit darbringen, sobald ich es werde tun können«, sagte Witiko.

»Und so gehabe dich wohl, mein edler Waldherr«, sprach Zdik, »und gedenke meiner.«

»Ich danke Euch für das Gute, das Ihr mir heute getan habt, ich denke stets Eurer, und gehabt Euch wohl«, antwortete Witiko.

Sie trennten sich.

Witiko wollte nun Silvester aufsuchen.

Er ging durch die Menschen dahin.

Er sah Rowno in dem Festgewande eines Waldwladyken, mit dem Waldschmucke und dem goldenen Gürtel.

Er sah auch Wolf von Tusch und Wernhard von Ottau in sehr schönen Gewändern.

Der alte Bolemil saß auf einem kostbaren Gesiedel. Er hatte ein wallendes Kleid von braunem Sammet an seinem Leibe, und das Kleid wurde von einem goldenen Gürtel mit grünen Steinen umspannt, und der weiße Bart floß auf den braunen Sammet nieder. Um ihn saßen mehrere alte Männer, und es standen mehrere junge neben ihm, und hörten auf seine Worte, und sprachen zu ihm.

Witiko kam zu Welislaw und Dimut, welche mit einander aus einem Gemache gegen andere Gemächer gingen. [] Welislaw hatte ein blaues Sammetgewand mit einem silbernen Gürtel, auf dem rote Steine zu Rosen gefaßt waren. Auf dem blonden Haupte hatte er eine weiße Sammethaube mit einer kurzen geraden weißen Feder, die auch aus einer roten Steinrose emporstand. Dimut hatte ein dunkelblaues Sammetgewand mit einem Gürtel, gewebt aus Gold und Silber, hellblauen Steinen, und ihr Haarnetz hatte das Gewebe und die Steine des Gürtels.

Welislaw sagte zu Dimut: »Und wie du heute, sehr schöner Krieger, keine Waffen an dir hast, sondern in dem prächtigen Frauenkleide mit den großen Edelsteinen einhergehst, die nur nicht so glänzen wie die zwei Edelsteine deiner Augen, so bedarfst du auch jenes Pfeiles nicht mehr, den du von unsern Feinden gefangen hast, die jetzt unsere Freunde sind.«

»Sehr schöner Župan vom Wyšehrad«, entgegnete Dimut, »der du nur dieses Spielzeug an deiner Seite trägst, und in dem prächtigen Männerkleide mit den roten Rosen einhergehst, die du von unserm Freunde Witiko genommen hast, und der du auch zwei blaue Edelsteine als Augen in deinem Angesichte trägst, du bedarfst der Pfeile nicht.«

»Ich bedarf ihrer, um dort zu verwunden, wodurch nichts anderes verwundet werden kann«, sagte Welislaw.

»Du bist der zweite Župan des Landes, und kannst dir Pfeile genug schneiden lassen«, antwortete Dimut.

»Diese gehen nur in die Herzen der bärtigen Krieger«, entgegnete Welislaw, »wenn ich deinen Pfeil hätte, wäre die Wunde schon da.«

»Er ist in dem Turme zu Rowna bei dem roten Banner, welches der Herzog meinem Bruder gegeben hat«, sagte Dimut.

»Und wenn du von deinem Bruder fort ziehst, wird der Pfeil bei dem roten Banner zu Rowna bleiben?« fragte Welislaw.

[] »Und wenn ich von meinem Bruder fortziehen so weiß ich nicht, was mit dem Pfeile geschieht«, antwortete Dimut.

Witiko grüßte die beiden, sprach einige Worte mit ihnen, und ging dann seines Weges weiter.

Er sah an einem Fenster Odolen und Sezima stehen. Odolen hatte ein grünes Sammetgewand mit einem silbernen Gürtel, und auf seinen schwarzen Haaren hatte er eine weiße Haube mit einer schwarzen Feder. Sezima war in Blau und Gold gekleidet. Witiko ging zu ihnen, und fragte, ob sie nicht wüßten, wo er den Bischof Silvester finden könne.

Odolen antwortete: »Der ist bei denen, die jetzt in unserem Lande die römische Sprache reden.«

Witiko verabschiedete sich, und ging gegen das Gemach, in welchem der Kardinal Guido war. Er sah den Kardinal auf einem Stuhle sitzen, und an seiner rechten Seite saß der ehemalige Bischof Silvester und an der linken der Propst Daniel. Er sprach mit beiden. Weiter entfernt saßen die Bischöfe Otto und Zdik, und dann saßen oder standen noch andere Herren der Kirche und Priester und verschiedene Menschen.

Witiko entfernte sich wieder von der Tür des Gemaches, und ging eines anderen Weges zurück, als den er gekommen war. Er sah jetzt auch die Herzogin unter Frauen und Jungfrauen sitzen, und sah manche Herren und Frauen neben einander wandeln, und mit einander sprechen.

Er kam auch zu Lubomir. Derselbe saß auf einem Stuhle. Er hatte ein schwarzsammetenes Gewand, und auf dem Gürtel waren viele edle Steine in schimmernden Farben. Die schwarze Haube mit der weißen Feder hielt er in der Hand, und seine weißen Haare und sein weißer Bart leuchteten aus dem schwarzen Gewande. Es saßen mehrere alte Männer bei ihm, und junge standen daneben.

[] »Witiko«, sagte er, »du gehest allein in diesen Gemächern, und sinnest nach andern Dingen.«

»Ich habe mit einigen Herren gesprochen«, sagte Witiko, »und suchte nun den hochehrwürdigen Bischof Silvester.«

»Mit dem hat der hocherlauchte Kardinal zu reden«, antwortete Lubomir, »er hat ihn und den Propst Daniel zu sich rufen lassen.«

»Ich habe gesehen, wie er mit ihnen sprach«, sagte Witiko.

»Meine Hauswirtin freuet sich schon«, sprach Lubomir, »wenn du einmal in deinem festen Stande bist, und auf eine längere Zeit zu uns kommen kannst, wie du es versprochen hast. Jetzt werden friedliche Zeiten kommen, und wir können von dem reden, was wir in unserem Lande, in unserer Gegend und unter unseren Leuten, und was wir in unserem Hause tun wollen. Boleslawa kann dir auch noch manches sagen, was dir zu gute kommen könnte.«

»Wenn der Frühling in das Land zieht, und unser Wald neu grünt«, antwortete Witiko, »werde ich in dem festen Stande sein, wie Ihr sagt. Und dann werde ich zu einer Zeit um freundliche Gastlichkeit in Daudleb bitten, und ich werde Euch auch bitten, daß Ihr mit den Eurigen nicht verschmähet, eine ehrerbietig gebotene Gastlichkeit in meinem Hause anzunehmen.«

»Ich bin bei dem Beginne deines Hauses gewesen«, sagte Lubomir, »und es geziemt sich, daß ich es auch betrachte, wenn es fertig ist.«

»Ihr dürft nicht allein kommen«, sprach Witiko.

»Wir werden in dein Haus kommen«, sagte Lubomir, »und werden öfter kommen, und werden kommen, wenn die junge Burgfrau in demselben schaltet.«

Witiko antwortete nicht.

Lubomir sprach: »Wenn wir gemach in die andere Welt [] gehen, die wir weiße Haare haben, so müssen die, deren Scheitel noch dunkel ist, in dem Lande sein, und nach ihnen wieder dunkle Scheitel. Du bist ein guter Mann, Witiko, und die nach dir kommen, werden wieder gute Männer sein.«

»Das sind Dinge der Zukunft«, sprach Witiko.

»Und die Zukunft wird sich erfüllen«, antwortete Lubomir. »Eines ist nicht mehr weit zukünftig, ich wünsche dir recht viel Glück und Heil.«

»Das liegt in Gottes Hand«, sagte Witiko, »und mögen die Friedensjahre, die wir erwarten, voll Segen sein.«

»Und mögen wir den Segen bringen helfen«, sprach Lubomir. »Witiko, komme doch, so lange wir in Prag sind, noch zu mir.«

»Ich werde Euch noch in dem Hause Eures Stammes aufsuchen, wie ich Euch aufgesucht habe«, antwortete Witiko.

»Tue das«, sagte Lubomir.

Nach diesen Worten verabschiedete sich Witiko, und wandelte wieder weiter.

Er traf noch mehrere seiner Freunde, und sprach mit ihnen.

Endlich wurde das Zeichen gegeben, daß das Fest zu Ende sei, und Witiko ritt mit einigen seiner Männer, die ihn draußen erwartet hatten, in seine Herberge.

Die Feier der Kirche des heiligen Veit dauerte noch acht Tage. Der Herzog und die Herzogin, der Kardinal Guido und alle Herren der Kirche und die Herren des Landes waren täglich bei dem Gottesdienste. Die mährischen Fürsten beteten vor der Kirche. Viele Menschen kamen noch von allen Gegenden, und die zuerst keinen Platz in der Kirche gefunden hatten, suchten ihn später zu gewinnen. Nach dem Gottesdienste segnete der Kardinal die Gläubigen, und er segnete sie auf seinem Heimwege. Von dem mittäglichen Walde kamen auch Züge nach [] Prag, um des Heiles dieser Tage teilhaftig zu werden, und jeder Zug hatte ein kirchliches Banner. Sie lagerten sich zwischen dem Wyšehrad und dem rechten Burgflecken. Manche gingen zu Witiko, und Witiko ging zu ihnen, und er erteilte ihnen Rat und, wo es nötig war, Gaben. Und als sie ihre Gebete verrichtet hatten, und als sie alles, was ihnen zu sehen würdig schien, in Prag betrachtet hatten, traten sie wieder den Heimweg an.

Der Kardinal Guido besuchte alle Kirchen und heiligen Orte, und er hielt in dieser Zeit auch Versammlungen, wie er sie vor ihr gehalten hatte.

Als die Feier der Kirche des heiligen Veit zu Ende gegangen war, verabschiedeten sich Konrad, Wratislaw und Otto in einer Versammlung von dem Herzoge, und gingen mit ihren Geleiten in ihre Länder nach Mähren. Viele Herren der Länder Böhmen und Mähren begleiteten sie. Leopold, Spitihněw und Wladislaw blieben in Prag.

Fünf Tage darnach traten Guido und Zdik ihren Zug nach Mähren an. Ein großes Geleite von Priestern und Herren war bei ihnen.

Witiko blieb in Prag.

Es waren noch Versammlungen bei dem Herzoge, und Witiko war bei den Versammlungen. Und er besuchte Bolemil und Lubomir und Diwiš und Preda und Chotimir und Wšebor, und er besuchte seine jungen Freunde, und seine jungen Freunde besuchten ihn.

In dieser Zeit strebte er auch, zu Männern zu kommen, welche nach Dingen des Waldes begehrten, damit er ein Einkommen in den Wald leite. Er nannte ihnen das Holz zu Kunstwerken, zu Geräten, zum Bauen und zum Brennen, er nannte ihnen die Kohlen, er nannte ihnen, was die Höfe liefern, deren Tiere die Waldkräuter genießen, er nannte die Felle der wilden Tiere, er nannte die Jagdtiere, die Früchte und Pflanzen des Waldes, die in entfernte [] Gegenden gesendet werden können, den Honig der Waldbienen, das Pech, den Teer, die Rinden, die Steine und anderes, er nannte ihnen, was die Menschen aus den Dingen des Waldes verfertigen, und machte Verabredungen.

Er brachte auch vieles in Ordnung, was er für sein neues Haus bedurfte.

Und als es schon gegen den Winter ging, verabschiedete er sich bei dem Herzoge, und ritt mit den Seinigen nach Friedberg zurück.

Nach einer Zeit sagte ihm der Bauherr Eppo, daß das Witikohaus fertig sei. Die Gerüste waren weggenommen, und die Burg stand sichtbar gegen den grünen Wald. Auf der Spitze des höchsten Daches war der Wipfel eines Tannenbäumchens mit Bändern. Witiko ging in den Hof. Der Brunnen war mit schönen Steinen umfaßt, hatte ein schönes Dach, und um die zierliche Spindel war die Kette geschlungen, an der die Eimer hingen. Witiko ging in das Innere. Alle Räume waren bereit, ihre Ausrüstung zu empfangen.

Nun wurden Wägen und Säumer tätig, alles, was nötig war, in die Burg zu bringen, und Eppo arbeitete mit Männern und Werkleuten eifrig, sie wohnlich zu machen.

Witiko besuchte im Winter verschiedene Stellen des Waldes. Er war öfter in dem oberen Plane, er war in dem Häuschen im Wangetschlage, er war bei den Köhlern, in den Meierhöfen und an anderen Orten. Eines Tages ritt er nach Přic, und von dort zu Silvester, und von Silvester wieder nach Friedberg.

Als der Frühling in das Land zog, und der Wald grünte, wie Witiko zu Lubomir gesagt hatte, war das Witikohaus in festem Stande.

Witiko sammelte ein Geleite, und zog mit demselben nach Přic. Von Přic kam er mit diesem Geleite und mit [] einem neuen und mit seiner Mutter und mit seiner Base und mit Benno nach Friedberg zurück.

In Friedberg ordnete er sich und die Seinigen, um eines Tages in die neue Burg zu ziehen.

Als der Tag gekommen war, legte er das Gewand an, welches er in der Schlacht auf dem Berge Wysoka getragen hatte, und nahm den weißen Schild mit der roten Waldrose. Dann sammelte er seine Dienstmannen aus Plan, Friedberg und Přic und alle seine anderen Männer. Seine Mutter und seine Base und ihre Frauen saßen in Sänften. Benno bestieg ein Pferd. Witiko setzte sich auf das alte eisengraue Pferd, auf dem er von Passau nach Böhmen geritten war, und so begann er mit den Seinigen den Zug. Es waren viele Menschen gekommen, daß in Friedberg ein Gedränge war, daß der Zug nur langsam gegen den Steg der Moldau kommen konnte. Und auch im Freien waren Menschen. Der Zug gelangte nach einer und einer halben Stunde durch den breiten Wald hinan vor die Burg. Auf dem grünen Anger vor derselben war ein Altar, und an dem Altare stand der greise Pfarrer von Plan und der Pfarrer von Friedberg, und neben ihnen stand Huldrik in einem Festgewande, wie ein Burgdiener, es standen alle Männer von Plan da, welche mit Witiko in dem Kriege gewesen waren, und auch andere Männer von Plan standen abgesondert da, es standen aus verschiedenen Teilen des Waldes, die im Kriege gewesen waren, und andere da, es standen in schönen Kleidern Jungfrauen von Plan und von Friedberg und vom Wangetschlag und von der untern Moldau und vom schwarzen Bache und von anderen Gegenden da, und hielten Festgewinde in den Händen, und weiter zurück standen Männer und Weiber und Kinder aus dem Walde, aus Fluren, die an den Wald grenzten, aus dem Lande der Mihel, das schon in Baiern ist, und aus entfernteren Strichen von Baiern.

Die Menschen blickten auf Witiko, als er heran ritt.

[] Er ritt mit den Seinigen vor den Altar. Der Pfarrer von Plan machte ihnen das Zeichen des Segens entgegen. Darauf stiegen sie von den Pferden, und die Frauen wurden aus den Sänften gehoben. Sie knieten nun alle vor dem Altare nieder, und das ganze Volk kniete in das grüne Gras. Der Pfarrer von Plan hielt nun mit Hilfe des Pfarrers von Friedberg den Gottesdienst vor dem Altare. Als der Gottesdienst geendigt war, segnete der Pfarrer Witiko und die Seinigen wieder, und segnete das ganze Volk. Dann stieg Witiko auf sein Pferd, die Frauen wurden in die Sänften gehoben, und die Männer Witikos bestiegen ihre Pferde. Der Pfarrer von Plan aber schritt von dem Altare gegen die Burg. Ihm folgte Witiko, dann folgten die Sänften, dann folgten Witikos Männer. Die Jungfrauen säumten jetzt mit ihren Festgewinden den Weg.

Vor dem Tore der Burg stand der Pfarrer stille, und der Zug stand stille. Der Pfarrer segnete nun mit dem heiligen Wasser gegen das hohe Dach empor, er segnete gegen die Mauern, und er segnete gegen das Tor. Dann trat er seitwärts. Das Tor wurde geöffnet. Witiko hielt noch einen Augenblick stille. Dann machte er mit seiner rechten Hand das Zeichen des Kreuzes auf seine Stirne, auf seinen Mund, und auf seine Brust. Dann ritt er langsam unter das Tor. In dieser Zeit trat Huldrik zu ihm, und hielt ihm den Steg des Sattels. Als er unter dem Tore war, tat das Volk einen Glücksruf, der wie ein Gebrause gegen den Himmel ging.

Von dem Torbogen ritt Witiko in den Hof. Seine Mutter, die Base, und alle Frauen folgten ihm, und Benno und die Pfarrer von Plan und Friedberg folgten ihm, es folgten seine Männer, und es folgten die Jungfrauen und die Krieger, und es folgten so viele Menschen, als Platz finden konnten. Im Hofe stiegen die Frauen aus den Sänften und die Männer von den Pferden. Witiko führte seine [] Mutter die Treppe hinan in die kleine Burgkirche. Die andern gingen hinter ihnen. In der Burgkirche wurde Benno mit dem kirchlichen Gewande bekleidet, und gab den Segen. Dann sprachen alle ein stilles Gebet. Dann ging Witiko mit seiner Mutter und seinem Gefolge in den Saal. Dort blieb er stehen, neigte sich auf die Hand der Mutter, und küßte dieselbe, die Mutter aber schlang beide Arme um seinen Nacken, und küßte ihn auf die Stirne. Dann geleitete er sie zu einem kostbaren Sitze. Sie ließ sich auf denselben nieder. Er setzte sich auch auf einen Sitz, und die Pfarrer, und Benno und andere setzten sich auf Sitze. Nun brachte Huldrik Brod und Salz, und reichte es jedem, der in dem Saale war, und jeder kostete davon.

Als dieses geschehen war, stand Witiko auf, und sprach: »Männer, die ihr zu mir gehört, und Freunde, die ihr gekommen seid, ich danke euch. Eppo und Mathias und Urban, und die ihnen dienen, werden euch weisen, wie alles eingerichtet werden soll.«

Dann führte er seine Mutter mit ihren Frauen in ihre Wohnung. Sie hatte Tränen in ihren Augen.

Hierauf führte er die Base Hiltrut in ihre Wohnung. Sie konnte vor Weinen nicht sprechen.

Dann geleitete er Benno in seine Wohnung.

Dann ging er in sein Gemach. In demselben befestigte er den Schild mit der roten Rose unter dem Bilde des Heilandes.

Dann ging er in den Saal, und von demselben auf den Söller hinaus. Unten waren zwanzig Männer beschäftigt, den Leuten Brod und Salz zu reichen. Sie nahmen alle davon. Und als sie Witiko sahen, riefen sie ihm zu. Er dankte ihnen mit Winken seiner Hand.

Viele Werkleute waren beschäftigt, aus rohen Brettern Tische und Bänke zu errichten. Aus den Schatten des Waldes wurden Fässer herbei gerollt, in denen Getränke [] waren, und es wurden viele Feuer angezündet, und an ihnen Speisen bereitet.

Und als die Zeit des Mahles gekommen war, hielt Witiko mit allen, die auf den Bänken an den Tischen saßen, die auf den Steinen oder im Grase saßen, oder die standen, das Mahl, und was da war, wurde unter alle verteilt.

Als das Mahl beendiget war, und die Menschen durcheinander gingen, war Huldrik unter ihnen, und sagte: »Die Weissagungen gehen in Erfüllung. Jetzt hat Witiko den Anfang gemacht, und dann wird er die goldene Burg bauen, die einmal auf der Erde gestanden ist, und die jetzt nirgends auf der Erde steht, und meine Nachkommen werden es sehen.«

»Du hast ja kein Weib«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Wenn es die Weissagungen sprechen, so werde ich ein Weib und Nachkommen haben«, sagte Huldrik.

»Und wenn es die Weissagungen sprechen, so werde ich noch mit dem Winkelhaken meiner Hand auf der Geige des Herzoges die lieblichsten Töne spielen«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Wenn es die Weissagungen sprechen, so wirst du sie spielen«, sagte Huldrik.

»Witiko hat es geweissagt«, entgegnete Tom Johannes.

»Wenn Witiko weissagen kann, so wirst du spielen«, sagte Huldrik.

»So werden wir erleben, wie das wird«, sprach Tom Johannes.

»Wir werden es erleben«, antwortete Huldrik.

Zu Witiko aber kamen, da er noch an dem Tische saß, mehrere Jungfrauen. Sie gaben ihm einen Kranz aus Blumen und Blättern des Waldes, und gaben ihm einen Strauß aus solchen Blumen. Eine reichte ihm die fünfblättrige dunkelrote Waldrose.

»Die Rosen blühen ja noch nicht«, sagte Witiko.

[] »Sie blühen noch nicht«, antwortete die Jungfrau, »wir haben sie aus Sammet und Seide gemacht.«

»Sie ist sehr schön gemacht«, sagte Witiko.

»Wenn das Einzugsfest zur Rosenzeit gewesen wäre, so hätten wir dir eine wirkliche Rose als dein Zeichen gegeben«, sprach das Mädchen, »wir haben nun diese gemacht, weil die Rose sehr lange blühen, und Glück bringen soll.«

»Diese Rose wird lange dauern«, sagte Witiko, »wenn auch ihre Farben schwinden. Ich werde mir sie aufbewahren, und werde deiner gedenk sein, Margareth, wenn du auch einmal ein Fest feierst.«

Das Mädchen antwortete nichts.

Witiko betrachtete die Waldrose, und er betrachtete die Blumen der Kränze und Sträuße. Dann gab er alles seiner Mutter zum Beschauen. Diese sah den Kranz, die Sträuße und die Waldrose an, lobte die zierliche Arbeit, und lobte, daß die Waldblumen gewählt und so an einander gereiht worden waren. Dann gab sie die Geschenke wieder an Witiko zurück. Witiko dankte den Jungfrauen, und reichte die Gaben an Jakob, daß er sie in die Burg trage. Die Jungfrauen brachten ihren Abschiedsgruß, und entfernten sich von dem Tische Witikos.

Der Schmied von Plan, und David, der Zimmerer, und Paul Joachim, der Maurer, und Elias, der Steinhauer, traten nun herzu, und brachten die Sprüche aus, welche bei dem Einzuge in ein neues Haus im Brauche waren, und Witiko und die anderen Männer gaben die Antworten, welche auf die Sprüche gehörten.

Dann standen alle von den Tischen auf.

Witiko ging unter die Leute, und sprach mit vielen Männern, mit Frauen, mit Jünglingen, mit Jungfrauen und selbst mit Kindern.

Die Mutter Witikos ging auch unter die Menge der Menschen, und sprach mit ihnen. Viele, besonders Frauen und Jungfrauen, drängten sich zu der Frau.

[] Die Base Hiltrut sprach mit jedem, zu dem sie kam, und erzählte von Witikos Kindheit.

Die drei Priester, der Pfarrer von Plan, der Pfarrer von Friedberg und Benno, wandelten auf dem grünen Anger in Gesprächen herum, und redeten mit den Leuten, die auf sie zugingen, und gingen selber auf Leute zu.

Als der Nachmittag vorrückte, begannen die Menschen, sich zu zerstreuen.

Am Abende verabschiedete sich Witiko, und ging mit seiner Mutter und mit der Base und mit Benno und mit den Frauen und mit denjenigen, die zu seinem Dienste gehörten, in die Burg.

Als die Sonne untergegangen war, ertönte ein schöner Gesang aus dem Walde. Er war ein Gesang von Jungfrauen, dann kam ein Gesang von Jünglingen, dann kam ein Wechselgesang von beiden, und dann ein Zusammengesang von ihnen. Und so verschränkten sich und löseten sich die Gesänge immer anders. Witiko und die Frauen und Benno gingen auf den Söller hinaus, der gegen den Wald gekehrt war. Unten standen die Menschen dicht gedrängt gegen den Wald, um den Gesängen zu lauschen. Die Sänger und die Sängerinnen konnte man nicht sehen.

Als es finster geworden war, erglühete an dem fernen Gipfel des Hochfichtes ein Feuer wie ein Waldbrand.

Witiko wendete seine Augen dahin, und Wentila auch.

Aber dann glühte auf dem Gipfel des Bufferberges im Morgen von Friedberg ein gleiches Feuer empor. Es glühte eines auf dem Markwalde, eines auf dem Kienberge, eines auf dem Schwarzwalde, drei glühten auf den Wäldern, die hinter dem Kreuzberge bei Plan emporstanden, und man konnte eines auf dem Kreuzberge erkennen. In den Auen und auf den Weiden und Angern und Feldern und in den tiefen Waldstrichen, die an der Moldau dahin gingen, brannten viele kleinere Feuer.

Witiko ging nun mit den Seinigen von dem Söller in die [] Burg, und sah aus derselben gegen die Morgenseite. Da brannten in dem Walde rechts von der Moldau Feuer bis gegen die Wasserfälle der Kienberge hinab. Im Mittage brannten auf den kleineren Büheln, die sich absenkten, Feuer, und im Abende waren Feuer in dem Walde bis zum Hochfichte, und eines war weit zurück auf der Senkung des Seewaldes zu erblicken.

Die Feuer brannten fort, und die Gesänge dauerten fort.

Witiko ließ nun in allen Gemächern der Burg Lichter anzünden, daß sie in diesem Scheine weithin gesehen werden konnte.

Nach einer Zeit schwieg der Gesang, und als ein Weile Stille gewesen war, ertönten plötzlich die Pfeifen und die Hörner, die Witiko in dem Kriege gehabt hatte, und es erschollen die Weisen, die auf den Zügen und in der Schlacht auf dem Wysoka und in der Schlacht vor Znaim erschollen waren.

Witiko hieß zwei Knechte Fackeln anzünden, und ging mit ihnen auf den Waldsöller. Dort nahm er seine Haube von dem Haupte, und schwenkte sie in dem Fackellichte dreimal zum Gruße.

Es ertönte von den Pfeifen und Hörnern ein freudiger Gegengruß.

Dann rief das Volk einen lange dauernden Ruf des Grußes empor.

Dann tönten die Pfeifen und Hörner wieder Kriegsweisen.

Dann erschollen die Gesänge der Jungfrauen.

Witiko ging wieder in die Burg.

Und die Gesänge der Jungfrauen und der Jünglinge und ihr Zusammengesang und das Tönen der Pfeifen und Hörner wechselte mit einander ab, und machte endlich eine Verschlingung.

Die Feuer brannten ringsumher fort.

Und als mit Zwischenräumen der Gesang der Jungfrauen [] und der Jünglinge und der Klang der Pfeifen und Hörner eine Zeit gedauert hatte, erhob plötzlich eine Männerstimme unter den Menschen die Töne eines Waldgesanges, den alle Menschen in dem Walde kannten, und der das Lob des Waldes enthielt, und eine zweite Stimme gesellte sich hinzu, und ein dritte, und alsbald sangen alle Menschen, die versammelt waren, den Waldgesang. Und als er geendiget war, erhob eine Pfeife seine Töne wieder. Und die Menschen begannen den Gesang wieder, und stärker, als das erste Mal, und die Pfeifen und Hörner mischten sich darunter, und gingen in der Verbindung der Töne mit. Und als der Gesang zum zweiten Male aus war, tönte von den Pfeifen und Hörnern die Weise der Schlacht vor Znaim. Und dann tönten jene Rufe, die getönt hatten, als man den Feinden auf dem Berge vor Znaim in den Rücken gebrochen war. Und auf diese Rufe folgte ein großer Ruf der Freude von den versammelten Menschen. Dann war eine Weile eine Stille. Dann sangen die Jungfrauen einen sehr sanften Nachtgesang.

Hierauf war kein Gesang mehr und kein Tönen von Pfeifen und Hörnern. Von den Feuern umher waren einige erloschen, andere brannten schwächer.

Wentila erhob sich von ihrem Sitze in der Stube, in welcher alle versammelt waren, reichte Witiko die Hand, und sagte: »Ich suche meine Schlummerstätte. Ruhe in der ersten Nacht hier so sanft, mein Sohn, wie der Schlummergesang der Jungfrauen angedeutet hat.«

Witiko antwortete: »Geliebte Mutter, das Dach unseres Hauses sei zum ersten Male lieb und hold über deinem Haupte.«

Dann verabschiedeten sie sich, und Wentila ließ sich von Marhild und zwei anderen Frauen in ihr Gemach geleiten.

Die Base sagte: »Witiko, wie mußt du gut sein, weil sie [] dich so lieben, und wie muß es damals in dein Herz gegangen sein, als die schrecklichen Töne der wilden Hörner, die heute hier erschallten, dort er schollen sind, wo die Menschen einander gemordet haben.«

»Das ist dort anders als hier«, sagte Witiko. »Lasse es dir hier wohl sein in der ersten Nacht, und möge es dir sehr lange, und wenn du willst, für immer hier wohl sein.«

»Fast so wohl wie in dem kleinen Häuschen in Landshut, weil wir alle beisammen sind«, sagte die Base.

Dann ließ sie sich in ihr Gemach geleiten.

»Witiko, mein Kind«, sagte Benno, »das ist ein wichtiger Tag gewesen; es beginnt nun eine neue Wirksamkeit. Du hast den Tag ohne Prunk begehen wollen, und die Menschen haben den Prunk ihres Herzens gebracht. Das ist gut. Es wird noch ein zweiter schöner Tag zur Freude deines Gemütes kommen. Beschließe den heutigen Tag mit einem Gebete, und beginne den Schlummer mit der Hoffnung auf jenen zweiten Tag.«

»Gott hat mir so viel Gutes für meine Mutter und für meine Freunde gegeben«, sagte Witiko, »daß ich es nur durch einen dankbaren Wandel gegen Gott werde abtragen können.«

»Du wirst es«, sagte Benno, »gehabe dich wohl.«

»Gehabe dich wohl«, sagte Witiko.

Die Männer reichten sich die Hände.

Dann ging Benno mit Jakob, der ihm eine Lampe trug, in sein Gemach.

Witiko befahl nun, daß die Knechte die Lichter in der Burg auslöschen.

Da dieses geschehen, und ihm die Nachricht davon gebracht worden war, sagte er: »Dienstmannen, Kuto und Beda, weil es der Gebrauch so will, so geleitet mich in meine Stube. Es ist nur dieses Mal, ich werde es dann nie fordern.«

»Wir tun unsers Dienstes jedes Mal«, sagte Beda.

[] »Wie es die Gepflogenheit fordert«, sprach Kuto.

Die zwei Männer geleiteten Witiko in sein Gemach. Raimund trug eine silberne Lampe. Vier Männer des Gefolges gingen hinter ihnen.

In dem Gemache wurden die Abschiedssprüche gesprochen. Die Männer entfernten sich, und Witiko und Raimund blieben allein. Witiko ließ sich durch die Hilfe Raimunds zum Teile entkleiden, dann sendete er ihn in seine Kammer, die vor dem Schlafgemache war.

Als Witiko nun allein in dem Zimmer weilte, kniete er vor dem Bilde des Heilandes nieder, und verrichtete ein Gebet.

Dann entkleidete er sich vollends, und legte sich zum ersten Male auf das Schlummerbette seiner Burg.

Als der Morgen des anderen Tages angebrochen war, sah Witiko, daß auf dem Anger vor der Burg Menschen über die Nacht geblieben waren. Teils hatten sie Feuer angezündet, um sich zu erwärmen, teils hatten sie, in ihre Gewänder gehüllt, den Frühlingsrasen als Schlummerstätte benützt. In manchen Teilen der näheren und entfernteren Wälder sah er noch Rauch von den Feuern aufsteigen, welche in der Nacht gebrannt hatten. Er befahl Raimund, daß er Huldrik, wenn er noch schlafe, wecke, und ihm sage, er möge Sorge tragen, daß die Leute vor der Burg etwas zu essen und zu trinken bekämen.

Raimund ging fort, und kam wieder, und sagte, Huldrik sei schon unter den Leuten, und habe für sie gesorgt.

Als die Sonne aus dem Walde emporgestiegen war, ging Witiko in die Burgstube, und die Seinigen und Leute des Gefolges kamen auch dahin.

Dann wohnten alle, welche in der Nacht in der Burg gewesen waren, dem Morgengottesdienste bei, welchen Benno zum ersten Male feierte.

Hierauf wurde das Frühmahl gemeinschaftlich in dem Saale verzehrt.

[] Witiko ordnete nun an, daß jene Dienstmannen und Leute des Gefolges, welche nicht in die Burg gehörten, sondern irgend wo anders ihre Wohnung und ihre Beschäftigung hatten, acht Tage als Gäste in der Burg bleiben sollten. Dann ließ er alle vor sich kommen, denen er einen zeitlichen Dienst in der Burg aufgetragen hatte, und erklärte ihnen den Dienst, und sagte, diese Dinge werden alle später mit Giltigkeit geordnet werden.

Und ehe die Sonne noch hoch gestiegen war, kamen Menschen, und brachten nach dem Brauche, wenn einer in ein neues Haus zieht, Gaben.

Die Gaben sollten zum Bedarfe und zur Zierde des Hauses sein, oder in Werkzeugen zu allerlei Dingen, zur Fischerei, zum Vogelfange, zur Jagd, und selbst zum Kriege bestehen. Der alte Florian brachte ein Salzfaß, welches er aus einem Stücke weißen Ahorns geschnitten hatte, Wenhart aus der Friedau brachte zwei zierliche Fässer für Wein, der Richter aus der Stift brachte Holzteller, von dem kleinsten bis zu dem größten, wie sie in dem Walde gemacht wurden, und seine Gattin brachte eine Sammlung Holzdeckel, um sie auf Milchtöpfe oder andere Gefäße zu legen, Johannes aus dem Wangetschlage brachte Eimer und Zuber, der Richter von Friedberg brachte einen Betschemel, aus dicken Stämmen des Wacholders geschnitzt, und ein himmelblaues Tuch, auf welches die Jungfrauen von Friedberg rote Waldrosen gestickt hatten, Liebhart aus der Steinleithe brachte alle Gattungen Kien aus allen Harzhölzern des Waldes, die Männer aus dem Kirchenschlage brachten sechs kunstreich aus Eschen geschnittene Speere, Gregor vom Rathschlage brachte vier Fischnetze, Thomas von der Waldmoldau brachte zwölf Besen, deren Stiele die zwölf feinsten Hölzer des Waldes waren, deren Bund er mit schimmernden Farbreisern geflochten hatte, und deren Zweige alle Farben zeigten, welche die Ruten im Walde haben, die alte Susanna [] aus der unteren Moldau brachte zwanzig Eier, und sagte, sie habe nicht mehr.

Die, welche weiter entfernt wohnten, kamen später.

Gegen Abend kamen die von dem oberen Plane, und brachten ein kreisrundes Gitter, das fein aus Eisen geschmiedet war, und einen Boden aus Buchenholz hatte, daß man Töpfe mit Blumen hinein stellen konnte. Und dann brachten sie noch vier junge ganz weiße Milchkühe. Tom Johannes brachte sechs Bogensehnen, die er selber aus Darmsaiten von Geigen gedreht hatte, Stephan, der Wagenbauer, brachte die sechs Bogen aus rotem Eibenholze dazu, und Peter Laurenz, der Schmied, sechs Bündel Pfeile, deren Spitzen er selber geschmiedet hatte. Sebastian brachte Marderverbrämungen und Marderfelle und anderes Pelzwerk des Waldes. Christ Severin brachte ein Stück feinen Tuches.

Den ganzen Tag kamen Leute, und in mehreren folgenden Tagen auch. Sie brachten noch Linnen und Wollstoffe und Felle und Leder und Nahrungsmittel und Tiere. Witiko sprach mit allen, und dankte ihnen. Wentila sprach auch mit den Leuten, und besonders mit den Frauen. Die Männer Witikos waren beschäftiget, die Gaben an ihre Orte zu bringen, besonders die lebenden Tiere.

In der folgenden Zeit kamen die Gaben von Lubomir, von Diet, von Rowno, von Osel und anderen Nachbarn des Waldes, sie bestanden in Schmuck, in Waffen, in Gewändern, in Tieren.

Darauf begann Witiko seine Gegengaben zu versenden.

Dann ritt er zu den Nachbarn, um sie zu besuchen, und nahm sie in seiner Burg auf, wenn sie zu dem Gegenbesuche kamen, und bewirtete sie.

Da dieses geschehen war, ordnete er den Dienst der Burg. Huldrik wurde der Schaffner, um für Fremde und alles, dessen sie bedurften, zu sorgen. Martin hatte die Aufsicht [] über die Nutztiere. Und so wurde über die Gemächer, über die Gewänder, über die Waffen, über die Küche, über den Keller, und über alles andere jemand gesetzt.

Der Bauherr Eppo blieb eine Zeit als Gast, weil man seines Rates noch vielfach bedurfte. Dann trat er seinen Weg nach Prag an.

Die Base blieb bei Wentila in dem Walde, weil sie Witiko bat, und Benno blieb bei Witiko, und feierte den Gottesdienst in der Burgkirche.

Da die Dinge in der Burg geordnet waren, ritt Witiko auf seinem alten grauen Pferde, welches den Wald zu überwinden verstand, an alle Stellen, an denen er Arbeiten hatte, und untersuchte den Fortgang der Dinge.

In dem Walde an der untern Moldau legte er eine Köhlerei an, und Mathias, der Köhler vom breiten Berge, war der Schaffner derselben, und von den Meilern gingen wie sonst an dem breiten Berge im Lichte die goldigen oder im Schatten die blauen Säulen des Rauches in die Lüfte. Für Mathias war ein hölzernes Wohnhaus, und ein steinernes für ihn und die Arbeiter ward begonnen.

Am Abende kamen zuweilen, wie einst in dem steinernen Häuschen in Plan oder in dem Häuschen im Wangetschlage, Männer zu Witiko in die Burg, und er gab ihnen Brod und Salz, und sie nahmen es, sprachen mit ihm über verschiedene Dinge, und er reichte ihnen dann Speise und Trank, und sie gingen in der Nachtdämmerung durch den Wald nach Friedberg., oder in die Friedau, oder in die Steinleithe, oder in die Heurafelhäuser, oder an der Mittagseite gegen die Häuser der reichen Au. Wenn die Männer von einer größeren Entfernung gekommen waren, so beherbergte er sie in der Burg.

Es kamen nun auch Leute um Rat, es kamen Leute um Hilfe, und Witiko gewährte beides, wenn er es konnte.

Indessen waren Wentila und die Base und die Frauen beschäftigt, [] Stoffe, Gewänder, Kleinodien und der gleichen Dinge zu dem Brautwerbungszuge Witikos zu rüsten.

Als zwei Monden vergangen waren, seit Witiko in seine Burg eingezogen war, sandte er Beda, seinen Dienstmann, mit einem Geleite in die Burg Schauenberg zu Heinrich von Schauenberg, um Anfrage zu halten, ob es Heinrich von Schauenberg und Wiulfhilt von Dornberg, seiner Gemahlin, genehm sei, Witikos Werbungszug zu empfangen, und welchen Tag sie dafür bestimmten.

Beda kam zurück und sagte, es sei Heinrich von Schauenberg, und Wiulfhilt von Dornberg, seiner Gemahlin, genehm, Witikos Werbungszug zu empfangen, und sie bestimmen den zwanzigsten Tag nach dem Tage der Anfrage dazu.

Witiko bildete nun sein Geleite zu dem Werbungszuge, und gab ihm Gewänder, Schmuck und Waffen.

Am Morgen des dritten Tages vor dem Werbungstage feierte Benno in der kleinen Burgkirche des Witikohauses einen Gottesdienst, dann sprach Wentila einen Segen über Witiko, die Base kniete in der Kirche vor dem Heilande, und betete für Witiko, und Witiko und Benno setzten sich auf Pferde, und dreißig Männer setzten sich auf Pferde, und sieben andere Männer setzten sich auch auf Pferde, die mit Saumpferden verbunden waren, welche Belastungen trugen. Und der Zug dieser Männer ging durch das Tor des Witikohauses hinaus. Sie waren alle in Waffenröcken.

Der Zug ging durch den Wald in das Aigen und von dem Aigen an diesem Tage noch in das Gericht Velden. Des andern Tages ging er über die Höhen an die Donau hinab, wurde mit Fähren über das Wasser gebracht, und ging noch in die Stadt Eferdingen. In Eferdingen ging er in Herbergen, und blieb über die Nacht.

Als am nächsten Morgen das Geleite Witikos sich vor seiner Herberge aufstellte, versammelten sich sehr viele [] Menschen bei demselben, standen da, und betrachteten die fremden Männer. Die fremden Männer waren in sehr kostbaren Gewändern, an denen Silber und Gold und edle Steine glänzten. Sie hatten runde Hauben, an jeder Haube war ein Stein, und von dem Steine ragte eine gerade weiße Feder empor. Die Pferde hatten rote mit Silber gezierte Zäume und rote Decken. Zwei Edelknechte hielten zwei Pferde, die noch keine Reiter hatten. Das eine war ein feines Pferd von goldbrauner Farbe, es hatte blaßgrüne Zäume von Sammet und Gold und roten Steinen, und eine gleiche blaßgrüne Decke. Die Stege des Sattels waren von Silber. Das andere Pferd war dunkelgrau, hatte weiße Zäume mit Gold und eine gleiche Decke, und silberne Sattelstege. Hinter allen den Männern und Pferden standen noch Saumpferde, die mit allerlei Gepäcke beladen waren, und neben ihnen standen Reiter, die sie zu leiten hatten.

Als die Menschen eine Zeit gewartet hatten, kamen die zwei Reiter, die zu den zwei schön geschmückten Pferden gehörten. Witiko hatte ein blaßgrünes Ritterkleid von Sammet, Gold und edlen Steinen. Auf dem Haupte hatte er eine gleiche Haube, und an ihr war aus roten Steinen eine dunkle Waldrose, und aus der Rose ragte eine kurze weiße Feder empor. Er hatte blonde Locken, blaue Augen, sanfte Wangen und einen goldschimmernden Bart. Benno trug ein dunkles Priestergewand, und darauf ein kleines goldenes Kreuz. Er hatte weiße Haare, blaue Augen und einen weißen Bart. Die zwei Reiter bestiegen ihre Pferde, die Edelknechte auch die ihrigen, und es begann der Zug.

Er ging durch eine Straße der Stadt, durch das Tor der Stadtmauer und in das freie Land hinaus in der Richtung gegen die Burg Schauenberg. Viele Leute standen an dem Wege, und die auf den Feldern arbeiteten, kamen herzu, und betrachteten den Zug. Die schimmernden Männer [] ritten durch schöne Wiesen und Felder und unter vielen Obstbäumen dahin. Als sie an die Stelle gekommen waren, an welcher der Seitenweg gegen die Burg Schauenberg ging, ritten sie den Seitenweg hinan.

Der Türmer gab ein Zeichen mit seinem Horne, und einer von Witikos Leuten erwiderte das Zeichen. Als sie an die erste Zugbrücke gekommen waren, legte sich die Zugbrücke nieder, und die Männer ritten über sie. Sie ritten auf einem Wege zwischen Bäumen und Bauwerken dahin. Dann tönte das zweite Zeichen, und wurde erwidert, und die zweite Zugbrücke legte sich nieder, und die Männer ritten über sie. Und es tönte das dritte Zeichen, wurde erwidert, und die dritte Zugbrücke senkte sich, und die Männer ritten in den Burghof. An der rechten Seite des Hofes stand ein sehr hoher, starker, viereckiger Turm empor. Der Turm hatte ein großes Tor mit einem eisernen Fallgitter. Hinter dem Gitter ging eine Treppe hinan. Vor dem Gitter standen drei Männer in ritterlichen Kleidern. Einer näherte sich dem Zuge, und sprach: »Ich bin Liutolt, ein edler Dienstmann und Truchseß des Herren von Schauenberg, der Mann neben mir ist Berthold von Stal, ein edler Dienstmann des Herren von Schauenberg, und der Mann neben uns ist Hartnit, ein edler Dienstmann des Herren von Schauenberg. Wir Männer fragen euch, wer ihr seid, daß wir euch begrüßen.«

Auf diese Worte ritt Beda vor, und rief: »Ich bin Beda, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und der neben mir ist Kuto, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und der neben uns ist Peter, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und wir Männer sagen euch: Witiko vom Witikohause ist gekommen, mit dem Herren Heinrich von Schauenberg in wichtigen Dingen zu sprechen.«

»Wir grüßen für den Herren Heinrich von Schauenberg [] den Herrn Witiko vom Witikohause, und bitten euch, steiget von den Pferden«, rief Liutolt.

Witiko und seine Männer stiegen von den Pferden, und Knechte der Burg kamen herbei, die Pferde weg zu führen.

»Gehet ein zu dem Herren Heinrich von Schauenberg«, sagte Liutolt.

Das Fallgitter hinter den drei Männern Heinrichs von Schauenberg stieg empor, die Männer wichen seitwärts, und wiesen auf die Treppe als auf den Eingang.

Witiko ging mit Benno die Treppe hinan, und Liutolt ging als Führer hinter ihnen. Dann kamen die Männer des Gefolges Witikos mit den zwei Männern Heinrichs von Schauenberg. Liutolt geleitete Witiko und die Seinen am oberen Ende der Treppe aus dem Turme auf einen offenen Säulengang hinaus, und auf dem Gange fort um eine Ecke des Hofes zu zwei großen Türen mit steinernen Spitzbögen. An der Tür rechts standen Reisige und ein Pförtner. Der Pförtner öffnete die Flügel der Tür, und Witiko und seine Leute traten durch dieselbe in einen sehr großen Saal.

In dem Saale saß auf einem schönen Stuhle Heinrich von Schauenberg in rotsammetenem Rittergewande ohne Verzierungen. Neben ihm saß Wiulfhilt von Dornberg, seine Gemahlin, in einem dunkelbraunsammetenen Gewande ohne Schmuck. Dann saßen noch Männer und Frauen, und zur linken Hand standen an der Wand dahin Dienstmannen und Leute aus dem Gefolge Heinrichs von Schauenberg.

»Wer ist gekommen?« rief ein Mann in schönen Gewändern.

»Witiko vom Witikohause«, antwortete Beda.

»So empfange er den Sitz«, rief der Mann.

Witiko und Benno setzten sich auf Stühle, welche zur rechten Hand Heinrichs von Schauenberg an der Wand [] standen. Die Männer Witikos stellten sich längs der Wand auf, den Männern Heinrichs von Schauenberg gegenüber.

»Was bringt Witiko vom Witikohause?« rief der Mann in dem schönen Gewande.

»Er bringt eine heilige Werbung«, sagte Beda.

Nach diesen Worten stand der Burgpfarrer Heinrichs von Schauenberg auf, und sagte: »Welche heilige Werbung bringt Witiko vom Witikohause?«

Benno stand auf, und sagte: »Witiko vom Witikohause bringt die heilige Werbung der Ehe.«

»So sage er die Werbung der Ehe«, rief der Mann.

Hierauf stand Witiko von seinem Sitze auf, trat einen Schritt vor, wendete sich gegen Heinrich und Wiulfhilt, und sprach: »Hoher Herr, Heinrich von Schauenberg, erhabene Frau, Wiulfhilt von Dornberg, ich, Witiko vom Witikohause, ein Herr im mittäglichen Böhmen unter dem erlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren, Wladislaw, werbe in Gutem und Treuem um eure Tochter, das tugendreiche Fräulein Bertha, daß sie mir in freiem Willen als Ehegemahlin folge, und daß ich sie ehre und liebe und ihr treu bin, so lange ich lebe. Ich bitte euch um eine Antwort auf meine Werbung.«

Heinrich von Schauenberg stand auf, und sprach: »Witiko vom Witikohause, Herr im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw, ich, Heinrich von Schauenberg, gebe dir in Gutem und Treuem meine Tochter Bertha, daß sie dir in freiem Willen als Ehegemahlin folge, daß du sie ehrest und liebest, und ihr treu bist, so lange du lebst, und daß sie dich ehret und liebt und dir treu ist, so lange sie lebt. Hier ist Wiulfhilt von Dornberg, meine Gemahlin, hier ist Werinhart von Jugelbach, mein Vater, hier ist Benedicta von Aschach, meine Mutter, hier ist Gebhart von Stauf, mein Bruder. Sie sagen, daß die Ehre der Werbung gepflogen ist, und [] daß Bertha in deinem Stamme ist, wie in unserem Stamme.«

Wiulfhilt stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Werinhart stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Und Benedicta stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Und Gebhart von Stauf stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Nun sprach Heinrich von Schauenberg. »So sage Bertha, daß sie in freiem Willen der Werbung folge, oder daß sie in freiem Willen die Werbung nicht annehme.«

Drei Frauen erhoben sich von ihren Sitzen, und gingen aus dem Saale.

Alle, die aufgestanden waren, blieben stehen.

Die Frauen kamen wieder zurück, und mit ihnen kam Bertha. Sie hatte ein Gewand von braunem Sammet ohne Schmuck. Hinter ihr gingen vier Jungfrauen.

Sie ging mit den Frauen und Jungfrauen bis zu ihrem Vater, und stellte sich an seine linke Seite.

Heinrich von Schauenberg sprach: »Bertha von Schauenberg, Tochter Heinrichs und Wiulfhilts, hier steht Witiko vom Witikohause, ein Herr im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw, und wirbt in Gutem und Treuem, daß du ihm in freiem Willen als Ehegemahlin folgest, und ihn ehrest und liebst und ihm treu bist, so lange du lebst, und daß er dich ehret und liebt und dir treu ist, so lange er lebt. Gib ihm eine Antwort.«

Bertha sprach: »Ich, Bertha von Schauenberg, die Tochter Heinrichs und Wiulfhilts, werde in freiem Willen [] Witiko vom Witikohause, dem Herrn im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw als Ehegemahlin folgen, daß ich ihn ehre und liebe und ihm treu bin, so lange ich lebe.«

»So ist die Werbung geschlossen«, sagte Heinrich von Schauenberg. »Wir reichen uns zur Urkunde zuerst die Hand, und werden das Pergament ausfertigen, und unsere Siegel daran befestigen, und werden die Herren Freunde und Unsrigen bitten, daß sie ihre Siegel zu den unsrigen hängen.«

Nach diesen Worten gingen Heinrich und Witiko einander entgegen, und reichten sich die Hände.

Dann trat Witiko vor Wiulfhilt, und Wiulfhilt und Witiko reichten sich die Hände.

Und es reichten sich Werinhart und Witiko, und Benedicta und Witiko, und Gebhart und Witiko die Hände.

Und zuletzt reichten sich Witiko und Bertha die Hände.

Dann gingen alle zu ihren Sitzen, und setzten sich auf dieselben. Bertha saß mit ihren Jungfrauen an der linken Seite ihrer Mutter.

Als dieses geschehen war, gingen alle Männer Witikos und alle Männer Heinrichs von Schauenberg einander entgegen, sie kamen in der Mitte des Saales zusammen, und reichten sich die Hände. Dann trennten sie sich wieder, und gingen an die Wände zurück.

Hierauf rief Heinrich von Schauenberg: »Und so lade ich dich, Witiko vom Witikohause, in diese Burg zu Gaste, und so lade ich alle deine Männer in die Gastlichkeit der Burg.«

Witiko antwortete: »Ich nehme auf die Frist von vier Tagen die Gastlichkeit an, und dann ziehe ich mit den Meinigen heim, zu ordnen, was sich geziemet.«

»So folget mir, und erquicket euch«, sagte Heinrich von Schauenberg.

Es bildete sich nun ein Zug. An der Spitze gingen Heinrich [] und Witiko. Dann folgten Werinhart und Benedicta, dann Wiulfhilt und Gebhart, dann Bertha und die Frauen, dann gingen die Priester und dann die andern.

Sie gingen in einen Saal, in welchem Speisen und Getränke waren. Die Speisen und Getränke wurden zur Erquickung gereicht.

Dann wurde Witiko in sein Gemach geleitet, und die Seinigen erhielten Wohnungen.

Und am dritten Tage nach diesem Tage kamen Herren mit Gefolge in die Burg. Es kamen Erchambert von Marbach, Odescalch von Meisaha, die Brüder Otto und Walchun von Machland, Eppo von Windberg, Hartwik von Hagenau, Uthalrik von Willeringe, Otto von Rote, Marquard von Wesen, Chunrat von Heichenbach, Heinrich von Tannenbach, und Calhochus von Valchenstein. Es kamen noch die Dienstmänner Herwig von Uberacha, Adelhart von Hutte und Dietmar vom Randshofe. Allen diesen, und Dienstmannen von ihnen und Dienstmannen Heinrichs und Werinharts und Gebharts wurde das Pergament vorgelegt, und sie hingen ihre Siegel zu den Siegeln Heinrichs, Werinharts und Gebharts.

Nun wurden an dem Tage Geschenke ausgetauscht. Witiko gab Bertha einen Kranz aus Gold und edlen Steinen mit dunkelroten Waldrosen. Bertha gab Witiko fünf dunkelrote Waldrosen aus edlen Steinen so zusammen gefügt, daß man einen Gürtel damit schließen konnte. Heinrich gab Witiko ein Waffengewand aus kunstvollen Ringen und edlen Steinen, und Witiko gab ihm ein erlesenes Schwert mit kostbaren Steinen. Von Wiulfhilt bekam Witiko einen Goldgürtel mit Kleinodien, und er gab ihr ein Sammetgewand mit Gold. Den Angehörigen Heinrichs und seinen Männern gab Witiko weiße Stoffe aus sehr feiner Schafwolle, wie sie in Prag gemacht wurden, dann die schönsten Pelzwerke, die in dem Walde gefunden werden konnten, dann Waffen, Jagdgeräte und [] Pferdeverzierungen. Er empfing von ihnen auch Stoffe, Waffen, Kleinodien, Gewänder, und Geräte. Die Geleite Heinrichs und Witikos tauschten Geschenke, und die fremden Gäste empfingen und erteilten Gaben.

Dann war ein großes Festmahl in dem Saale, und nach dem Festmahle waren Spiele und ritterliche Übungen. Abends wurden bunte Zelte an dem Berghange hin errichtet, darin Männer aus den Gefolgen übernachten konnten.

Am nächsten Tage wurde vereinbart, daß nach dreißig Tagen die Vermählung sein solle, und die Gäste begannen sich zu zerstreuen.

Witiko ordnete in seinem Reisegewande seinen Zug. Heinrich und Werinhart und Gebhart geleiteten ihn mit Gefolgen bis an die Donau, und ein erlesener Zug von Männern Heinrichs und Werinharts und Gebharts ging mit ihm bis in das Witikohaus.

Von dem Tage an rüstete Witiko nun alles, was er für die Feste in dem Walde als notwendig erachtete. Er sandte auch Boten in vielen Richtungen aus, die Gäste zu laden.

Vier Tage vor dem Vermählungstage wurden Witiko, seine Mutter, seine Base, Benno, die Frauen der Mutter und der Base und die Dienstmannen und die Geleite Witikos durch einen feierlichen Zug von Männern Heinrichs, den Liutolt führte, in das Schloß Schauenberg abgeholt. Der Zug ging am ersten Tage nach Velden, am zweiten in die Burg Schauenberg.

In die Burg kamen nun auch die Männer, welche bei der Verlobung Zeugenschaft geleistet hatten, und es kam noch eine große Zahl anderer Männer und Frauen und Jungfrauen.

Am festgesetzten Tage wurde die Vermählung in der Schloßkirche gefeiert. Es vollzog sie der Burgpfarrer des Schlosses Schauenberg, und der Pfarrer der Stadt Eferdingen. Der Pfarrer von Aschach und Benno waren an seiner [] Seite. Witiko hatte ein weißes Sammetgewand mit Gold, und er trug den goldenen Gürtel Wiulfhilts, und daran als Schloß die Waldrosen Berthas. Bertha hatte ein weißes Gewand aus Seide und Gold, und sie trug den Kranz der Waldrosen Witikos. Von ihrem Haupte ging ein Schleier bis zu der Erde nieder.

Nach der Vermählung gingen alle in den großen Saal, und von dem Saale gingen Heinrich, Wiulfhilt, Wentila, Witiko und Bertha in ein Gemach.

Heinrich reichte Witiko die Hand.

Wiulfhilt sprach: »Ich habe einmal gesagt: Gott kann alles fügen, und kann uns Freuden bereiten, die wir gar nicht vermutet haben, und mein Gatte hat geantwortet: So füge er es. Ich glaube, daß er es gefügt hat. Witiko wird in Festigkeit und Treuem an unserem Kinde halten.«

»Mutter, wie Ihr saget, wird es sein mein ganzes Leben lang«, sprach Witiko.

Bertha ging zu ihrer Mutter, und schlang beide Arme um ihren Nacken. Und die Mutter küßte ihre Tochter.

Dann schloß Wentila die neue Tochter an ihr Herz.

In dieser Zeit kam ein Bote, und sagte, es sei ein Ritter in einem weiten Gewande mit goldenem Gürtel, und es seien mit ihm Männer in weiten Gewändern und silbernen Gürteln gekommen, und verlangen sogleich Gehör.

»Lasset sie in den Saal führen«, sprach Heinrich.

Und da die Männer im Saale Heinrichs standen, sagte der Ritter: »Ich bin Kriwosud, der Marschalk des hochehrwürdigen Bischofes von Olmütz, Zdik. Der hochehrwürdige Bischof sendet mich an Euch, Herr Heinrich von Schauenberg, und an Eure hohe Frau Gemahlin und an den Bräutigam und an die Braut mit Briefen und mit Kästchen.«

»Ehe Ihr Eure Botschaft vollendet«, sprach Heinrich, »sagt, ob Euch eine Frist zur Heimkehr gesetzt ist.«

[] »Uns ist eine solche Frist nicht gesetzt«, antwortete der Marschalk.

»So bleibt mit den Eurigen bei uns als Gast des Festes, und dann, so lange es Euch beliebt«, sagte Heinrich.

»Ich bleibe mit den Meinigen als Gast des Festes«, sagte der Marschalk.

»Und lasset mich nun meine Gemahlin und Witiko und Bertha rufen«, sprach Heinrich, »weil Ihr auch an sie Botschaft bringt.«

Und Heinrich sendete um Wiulfhilt, Witiko und Bertha, und diese kamen.

Dann übergab Kriwosud die Briefe. Sie waren von dem Bischofe selber geschrieben.

In dem Briefe an Heinrich standen Worte des Dankes, daß er ihn einmal nicht erkannt hatte, da er ihn doch erkannt hatte, und die Bitte, daß er eine Erinnerungsgabe des Beschützten nicht verschmähe.

An Wiulfhilt und Bertha war die Bitte gerichtet, daß sie eine freundliche Gabe freundlich annehmen mögen.

In dem Briefe an Witiko waren die Worte: ›Ich habe zu dir in Passau gesagt, Witiko: Du hast treue Christenpflicht an mir geübt; möge sie dir im Walde gelohnt werden, von dem Hause Heinrichs von Jugelbach bis an die Waldstelle, in der du wohnen wirst. Möge Wladislaw die Stelle zieren, und möge ich etwas hinzu tun können. Gott hat dich belohnt von dem Hause Heinrichs von Jugelbach aus, wie ich es geahnet habe, bis an die Waldstelle, in der du nun wohnest. Wladislaw hat deine Waldstelle geziert, ich habe nichts dazu zu tun vermocht, weil Wladislaw alles getan hat. Vielleicht kann ich einmal eine Zierde bringen, die dich freut. Nimm von meinem Boten an, was er dir überreicht, und halte es für ein Denkmal deiner Vermählungszeit.‹

Nachdem die Briefe gelesen waren, brachten vier Männer die vier Kästchen herbei, und die Kästchen wurden geöffnet. [] In dem Kästchen Heinrichs lag ein Schwert. Die Scheide war aus weißem Sammet mit roten Steinen. Der Griff war aus Gold, und die Klinge hatte goldne Zieraten.

In dem Kästchen Wiulfhilts war roter Sammet und weißes Hermelin.

In dem Kästchen Berthas war ein Halskleinod von Gold und kostbaren Steinen.

In dem Kästchen Witikos war ein Waffenkleid mit kunstreichen Ringen, und die Säume waren Gold und edle Steine.

Die Gaben wurden empfangen, der Dank wurde gesprochen, und Kriwosud wurde gebeten, die Briefe, die man fertigen würde, zurück zu bringen.

Die Feste nach der Vermählung dauerten sieben Tage. Und wer kam, wurde bewirtet, und wenn er es bedurfte, beschenkt.

Dann begannen die Gäste Abschied zu nehmen, und es wurde in der Burg der Zug in das Witikohaus gerüstet.

Da kam einmal ein Mann zu Witiko, und sagte: »Erlaubet mir, hochedler Herr, daß ich die Burg betrachte, die Ihr auf dem hohen Walde erbaut habt, wie Ihr die Burg Schauenberg, da sie gebaut wurde, betrachtet habt. Ich habe Euch Euer Glück geweissagt.«

»Du bist der Schaffner, der mir den Bau der Burg Schauenberg gezeigt hat«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete der Mann, »und ich habe gesagt: Reiset glücklich, und möget Ihr Eure Ziele erreichen, junger Herr. Und Ihr habt das Ziel erreicht. Wer hätte damals gedacht, daß Ihr der Ehegemahl unserer Bertha sein werdet. Ihr werdet jetzt oft zu uns kommen, und einige von uns werden zu Euch kommen, vielleicht sehe ich da die Burg.«

»So komme einmal mit der Genehmigung deines Herrn als Gast zu mir, und ich werde dir die Umsicht aus der Burg meines Waldes zeigen, wie du mir die Umsicht der Burg dieses Berges gezeigt hast.«

[] »Ich werde kommen, hochedler Herr«, sagte der Mann, »und gehabt Euch wohl.«

»Gehabe dich wohl«, sagte Witiko.

Am neunten Tage nach der Vermählung wurde eine Reihe Saumtiere mit Gut und Habe gegen das Witikohaus gesendet.

Am eilften Tage ging der Zug von der Burg Schauenberg fort. Es waren Heinrich, Werinhart und Gebhart mit ihren Geleiten, es waren Wiulfhilt und Bertha mit ihren Frauen und Jungfrauen, es war der Burgpfarrer von Schauenberg, es war Witiko mit seinen Männern, es waren Wentila und Hiltrut mit ihren Frauen, und es war Benno. Dann war Kriwosud, weil ihn Witiko geladen hatte, und es waren Herren und Ritter mit ihren Gefolgen, die Gäste des Witikohauses waren, und sich zu dem Zuge gesellt hatten. Unter den Jungfrauen, die bei Bertha bleiben sollten, war Trude, und unter den Dienern Wolf.

Es kamen wieder Menschen herzu, den Zug zu betrachten.

In Aschach waren die Schiffe Heinrichs. Sie waren bemalt, waren mit schönen Stoffen belegt, und trugen farbige Wimpel. In den Schiffen fuhr der Zug über die Donau.

Dann ging er die Höhen hinan, und ging auf den Höhen und in den Wäldern dem Witikohause zu.

Am Nachmittage des nächsten Tages näherte er sich demselben.

In ihm waren schon Herren und Ritter als Gäste. Diese ritten in dem schönsten Schmucke durch den Wald herunter, um den Zug hinan zu geleiten.

Als er gegen die Burg kam, sahen die Männer und Frauen desselben sehr viele Gezelte unter den hohen Tannen und Buchen des Waldes und auf dem grünen Rasen vor der Burg stehen. Die Menschen aus dem Walde und aus den [] Gegenden neben dem Walde waren herzu gekommen, und brachten Jubelrufe und Glückrufe und Segenrufe aus. Und Pfeifen und Hörner und Zimbeln und Geigen erschallten, und Gesänge mischten sich hinein. Vor dem Tore der Burg war ein Bogen aus Blumen, und Jungfrauen brachten der Burgherrin Blumen, und streuten Blumen auf ihren Weg. Dann standen alle Richter Witikos, und einige sagten die Hochzeitsprüche, die in den Wäldern galten. Dann standen Huldrik und Martin und alle Leute Witikos. Von den Fenstern hingen schöne Tücher herab, und zwischen den Fenstern waren Blumengewinde. Der Zug und die geschmückten Gäste, die ihm entgegen geritten waren, gingen durch das Tor ein.

Und bis zu dem Abende kamen noch immer Gäste. Es waren dann in der Burg der alte Lubomir, Ctibor und Nemoy, es waren Rowno, Diet, Osel, Wyhon, Hermann, Witislaw und alle Herren des Waldes, die mit Witiko in dem Kriege gewesen waren, es waren Welislaw, Odolen, Wecel, Casta, Zwest, Jurik, Sezima, Zdeslaw, dann Moyslaw und Radosta, die Söhne Lubomirs, und dann die Sippen Rownos, es waren der alte Ritter vom Kürenberge, der alte Heinrich von Oftering, Uthalrik von Willeringe, Otto von Rore, Marquard von Wesen, es waren Thiemo von der Aue, der junge Heinrich von Oftering, der junge Ritter vom Kürenberge, Marchard von Hintberg, Gebhart von Abbadesdorf, Ebergus von Aland, Werinhard von Brun, Juborth von Tribanswinchel, Viricus von Gaden, und der junge Hartung von Ruhenegk, und es waren Wolfgang von Ortau, Rudolph von Bergheim, Hans vom Wörthe, Werinhart von Hochheim und Heinrich von Rineck bei dem Zuge. Mit den Männern waren Frauen und Jungfrauen, und es waren Dienstmannen und Gefolge gekommen. Aus dem Walde waren die Pfarrer von Friedberg und Plan da, es waren die Richter da, und es waren die da, welche in dem Kriege [] Obmänner gewesen waren, und wer sonst hatte kommen wollen, war als Gast aufgenommen worden. Viele wurden in der Burg beherbergt, viele waren in den Gezelten, und von dem Volke war ein Teil in der warmen Nacht unter den Bäumen des Waldes, ein Teil war auf dem freien Rasen zwischen den grauen Gesteinen.

Am Morgen des nächsten Tages wurde ein feierlicher Gottesdienst unter dem offenen Himmel des Waldes abgehalten. Dann saßen Witiko und Bertha unter Tannen auf schönen Gesiedeln, und die Gäste, Herren und Frauen, und die Richter und die Obmänner und andere Untertanen Witikos und noch andere Leute aus dem Walde, Männer und Frauen, kamen hinzu, und brachten Glückwünsche dar, oder sagten Sprüche, oder reichten Blumen und Kränze. Dann wurden die Gäste zu einander geführt, wurden einander genannt, und sie schlossen Genossenschaft und Bekanntschaft. Dann war ein Mahl, und nach dem Mahle war ein großer Zug in prunkenden Gewändern durch allerlei Richtungen des Waldes, und durch an dere Richtungen wieder zurück.

Am folgenden Tage waren Spiele. Es war in dem Tale, in welchem die Moldau floß, ein Anger mit Schranken eingefaßt, und es war Sand auf den Anger geschüttet, daß er ein Turnierplatz wurde. Witiko und seine Gäste, und die zu Witiko und den Gästen gehörten, zogen von der Burg durch den Wald zu der Moldau hinab. Und es waren die ritterlichen Festkämpfe, die in Deutschland und die in Österreich und die in Böhmen im Gebrauche waren. Frauen verteilten von den Söllern die Preise.

Auf den vielen freien Plätzen, die sich in dem Walde an der Moldau befanden, waren die Spiele und Erheiterungen der Bewohner des Waldes. Sie hatten ihre Wettkämpfe im Bogenschießen, im Schießen mit der Armbrust, im Werfen von Lanzen oder Steinen, im Laufen, im Springen, im Klettern und im Ringen. Dann waren [] Spiele mit Reifen, mit Bällen, mit Stangen und mit Seilen. Dann waren Tänze und Gesänge, es waren Neckübungen in Rede und Antwort, und mancher kam als Pilger oder Jäger oder Kohlenbrenner oder Pechsammler, und suchte sich in seinen Reden und Schaustellungen darzutun.

Witiko und viele Herren und Frauen gingen auf die Plätze, und sahen, was da geschah.

Witiko und Bertha und Wentila und Wiulfhilt und Lubomir und Boleslaw und Welislaw und Dimut und Odolen und Rowno kamen nach und nach gegen den dichteren Wald, und wo man von den Menschen nichts mehr vernehmen konnte. Da hörten sie eine Geige tönen, und die Töne der Geige waren sehr lieblich. Sie gingen der Stelle zu, und kamen auf einen lichteren Platz, auf welchem Föhren in Zwischenräumen standen. Unter den Föhren waren Menschen, und unter einer Föhre saß auf einem Baumstrunke Tom Johannes, und spielte auf der Geige. Die Menschen hörten ihm zu. Sie machten Raum, da Witiko kam, und er ging mit denen, die bei ihm waren, bis zu Tom Johannes. Der Fiedler fuhr in seinem Spiele fort, und alle hörten zu. Als er geendet hatte, sprach Witiko: »Ich habe dir gesagt, Tom Johannes, daß deine Geige noch in dem grünen Walde singen wird, und sie singt schöner als sonst.«

»Sie singt schlecht«, sagte der Fiedler, »diese Geige des hohen Herzoges kann singen, wie keine Geige auf der Welt; aber ich kann sie nur so gut singen machen, wie ich kann. Siehe, Witiko, ich habe mir ein Knie an den Bogen gemacht, wie meine Hand ein Knie hat, und nun vermag ich wieder zu streichen.«

»Und du streichst, wie es andere nicht können«, sagte Witiko.

»Sonst habe ich es besser vermocht als andere«, sprach der Fiedler, »wie es jetzt ist, weiß ich nicht.«

[] »Und hast du schon öfter auf der Geige des Herzogs gespielt?« fragte Witiko.

»Ich habe es auf ihr gelernt«, antwortete der Fiedler, »und spiele heute zum ersten Male vor Menschen, weil ein Tag der Ehren für dich ist, Witiko.«

»So muß ich dir Dank bringen«, sagte Witiko, »und ich danke dir, und wenn du in meine Burg kommen willst, werde ich dir noch mehr danken, und wenn ich nach Plan komme, werde ich zu dir gehen, und dir wieder danken.«

»Ich werde einmal in deine Burg kommen«, sagte der Fiedler.

»So tue es«, antwortete Witiko.

Und Tom Johannes geigte noch manches auf der Geige des Herzogs, und Witiko und seine Gefährten hörten zu.

Dann lobten sie ihn, verabschiedeten sich, und gingen ihres Weges weiter.

Ehe der Abend kam, ging der Zug wieder zu dem Witikohause hinauf.

Am nächsten Tage wurde das Pergament Witikos ausgefertigt, und seine Freunde und andere Männer hingen ihre Siegel daran.

In den folgenden Tagen war öfters Jagen nach den wilden Tieren des Waldes, und da lernte der Ritter vom Kürenberge, wie er einmal gesprochen hatte, die Buchen und Tannen des Waldes und die Bären kennen, und Odolen und Welislaw und die andern böhmischen Freunde Witikos lernten kennen, wie der Wald Witikos ist, und Wolfgang von Ortau und seine Freunde erfuhren die Gastlichkeit der Waldleute, wie sie von denselben in Prag angeboten worden ist.

Es geschahen dann auch Züge zu manchen Herren in dem Walde.

Und an einem Tage sprach Welislaw zu Dimut: »So hast du mich, schöner Krieger, besiegt, den ich besiegen wollte, und so kann ich nicht ohne dich sein, kein Gedanke [] ist in mir ohne dich, ich kann ohne dich nicht leben und nicht sterben, und so nimm mich, daß ich dein Gatte sei in Liebe und Treue und Sorgfalt und Unzertrennlichkeit, immer fort und fort, so wahr mir Gott in jener Welt helfe.«

Und Dimut antwortete: »Und weil du getreu und stark bist, Welislaw, so will ich deine Gattin sein in Liebe und Treue und Dauer, so wahr mir Gott helfe.«

»Dann gibst du mir doch den Pfeil«, sprach Welislaw.

»Er wird das Eigentum von uns beiden sein«, antwortete Dimut.

Und als die Feste zwölf Tage gedauert hatten, schieden die Freunde Witikos mit Segenswünschen für sein Glück, und mit Lobpreisungen Berthas und mit Lobpreisungen des Waldes. Und andere Gäste schieden auch mit dem Ruhme und Preise der Burgherrin und dem Ruhme und Preise der Wälder.

Und als alle fort waren, stand Witiko mit Bertha auf dem Mittagsöller des Schlosses, und zeigte ihr die Fluren und Berge, von denen er ihr auf den Steinen der einsamen Wiese bei dem Waldhause ihres Vaters erzählt hatte.

4

Schwellende Fluten.

Als nach der Entfernung der Gäste von dem Witikohause eilf Tage vergangen waren, ritten fünf Männer auf dem Wege von Friedberg durch den Wald zu dem Witikohause empor. Da sie vor der Burg waren, tönte in derselben das Zeichen, sie erwiderten das Zeichen, und ritten in den Hof. Sie waren in weiten gegürteten Gewändern, und einer führte ein Saumroß. In dem Hofe stiegen sie von den Pferden, die Pferde wurden von den Knechten Witikos in den Stall gebracht, und die Männer von Huldrik in den Saal zu Witiko geführt.

[] Witiko ging ihnen entgegen, und als er zu dem gekommen war, der ihr Führer schien, weil er einen silbernen Gürtel hatte, rief Witiko: »Boreš, du getreuer Mann, den ich seit dem vierzehnten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140 nicht gesehen habe, an welchem Tage der gute Herzog Soběslaw gestorben ist.«

»Witiko, ich grüße dich«, sagte Boreš. »Und wie ich dir in jenem traurigen Winter einen Mann in dein Haus nach Plan geschickt habe, der dir meine Botschaften brachte, und wie ich dir mit einem Briefe, den ich geschrieben hatte, den Gürtel des Herzoges Soběslaw geschickt habe, den dir die Herzogin Adelheid geschenkt hat, so bin ich heute als ein Abgesandter des Herzoges Wladislaw in deiner Burg, um dir Dinge von dem Herzoge zu bringen.«

»Und dich hat der Herzog zu der Sendung gewählt?« fragte Witiko.

»Ja«, entgegnete Boreš. »Der Herzog hat gesagt: Boreš, der du ein treuer Diener Soběslaws in seinem Leben und bei seinem Tode gewesen bist, der du die Herzogin Adelheid behütet hast, bis sie schon nach einem halben Jahre ihrem Gatten aus Gram gefolgt ist, reite zu Witiko, der meinen Oheim Soběslaw geliebt und seine Gattin Adelheid geehrt hat, und bringe ihm, was ich ihm schicke.«

»Und welche Schicksale hast du seit jenem Winter erlebt?« fragte Witiko.

»Ich habe gar keine Schicksale erlebt«, antwortete Boreš; »der Herzog duldete nicht, daß ich etwas anderes sei als der Kastellan von Hostas Burg, und daß ich etwas anderes tue, als die Befestigung der Burg zu leiten, und die Burg zu behüten. Der Herzog sagte, ich dürfe nicht in den Krieg ziehen, in welchem als Feind Wladislaw, der Sohn Soběslaws, ist, weil Soběslaw unter meiner Burghut gestorben ist, und ich ihn den Männern übergeben [] habe, die ihn geziert und auf den heiligen Wyšehrad gebracht haben.«

»So nehmet Sitze in meinem armen Hause«, sagte Witiko, »und verschmähet nicht die Gastlichkeit desselben.«

Er wies auf Stühle, die an einem schönen langen Buchentische standen, und die Männer setzten sich auf die Stühle. Er setzte sich zu ihnen.

Dann gab er einem der Seinen ein Zeichen.

Derselbe entfernte sich, und kam mit Huldrik zurück, dem zwei Männer folgten, von denen einer Brod und der andere Salz trug. Sie stellten das Brod und das Salz auf den Tisch. Witiko bot es den Männern an. Alle nahmen etwas davon.

Huldrik verneigte sich nun tief vor den Männern, und verließ den Saal.

Er kam nach kurzer Frist wieder, und drei Knechte trugen hinter ihm Wein und Kuchen und Becher. Sie stellten die Dinge auf den Tisch.

Witiko sprach darauf zu den Männern: »Weil ihr die Gastlichkeit meines Hauses durch Brod und Salz angenommen habt, und mich ehret, so teilt mit mir den Empfangswein und den Empfangskuchen.«

Huldrik ließ durch einen Mann den Kuchen zerschneiden, und durch einen anderen Wein in sechs Becher füllen.

Jeder der fünf Männer nahm nun einen Becher, und trank daraus. Dann nahm jeder ein Stückchen Kuchen, und aß es.

Hierauf trank auch Witiko aus seinem Becher, und nahm ein Stückchen Kuchen, und aß es.

»Und nun verweilet in dieser Burg, so lange es euch gefällt«, sagte er zu den Männern.

»Wir werden hier so lange verweilen, als es unsere Zeit gestattet«, sprach Boreš, »weil du uns unter dein Dach freundlich aufgenommen hast.«

[] »Und bist du zu jeder Frist in Hostas Burg gewesen?« fragte Witiko.

»Ich bin immer in Hostas Burg gewesen«, antwortete Boreš. »Nur ein Mal jedes Jahres bin ich nach Prag gekommen, wenn die Gedächtnisfeier des Herzogs Soběslaw und der Herzogin Adelheid gewesen ist, die sie gestiftet haben, da sie noch lebten. Und da habe ich auf ihrem Grabe gebetet. Der Herzog Wladislaw hat mir jedes Mal die Erlaubnis gegeben.«

»Und haben viele Menschen der Gedächtnisfeier beigewohnt?« fragte Witiko.

»Viele«, antwortete Boreš, »alle Priester des Wyšehrad, auf dem die Feier ist, die Priester der Stadt Prag und der beiden Burgflecken, Äbte und andere fremde Priester, alte Lechen der Länder und auch junge und viel Volk. Und wenn der Herzog in Prag war, feierte er mit der Herzogin die Gedächtnisfeier mit, sonst nur die Herzogin allein.«

»Ich gedenke die nächste Sterbezeit Soběslaws und Adelheids in Prag mit zu begehen, und meine Ehegemahlin Bertha dahin mit zu bringen«, sagte Witiko.

»Wenn Ruhe ist, und du nicht im Felde liegen mußt«, sagte Boreš.

»Es wird wohl ruhig sein«, sprach Witiko.

»Der Herzog vermehrt seine Kriegsmänner«, antwortete Boreš, »er ordnet sie, sorgt für den Waffenvorrat, und befestiget seine Burgen.«

»Ist Hostas Burg schon fertig geworden?« fragte Witiko.

»Sie ist noch nicht fertig«, antwortete Boreš; »die Befestigungen werden stark gemacht, und dehnen sich aus. Der Herzog ist selber schon manches Mal in der Burg gewesen, und hat gesagt: Bleibe in deinem Horste, Boreš, und rüste ihn. Jetzt aber hat er mich nach Prag rufen lassen, und hat gesagt, daß ich mir vier Männer auslesen, und zu dir reiten soll. Ich habe mir vier Männer ausgelesen, und nun bin ich bei dir.«

[] »Und sind die Gemächer, in denen Soběslaw und Adelheid gewesen sind, noch in dem alten Stande?« sagte Witiko.

»Wladislaw, der Sohn Soběslaws, ist nach dem Tode seines Vaters von der Burg fort«, antwortete Boreš, »und ist nicht mehr in dieselbe gekommen. Adelheid hat dunkle Tücher in das Sterbezimmer Soběslaws hängen lassen, und hat in demselben gelebt, und ist in demselben gestorben. Dann sind die andern Kinder fortgebracht worden. Der Herzog Wladislaw hat durch Gerichtsmänner alles durchsuchen und aufschreiben lassen, und hat alles gelassen, wie es ist. Ich und Welkaun und Bawor, die mir beigegeben wurden, sind die Hüter. Das Bett mit der Bärendecke steht noch in dem Gemache, und der Schrein steht an dem Bette, und in dem Schreine ist das rote Beutelchen mit dem goldenen Kreuzlein, das er dir mitgegeben hatte, als du von ihm nach Prag geschickt worden bist. Und dann steht auch noch das große Kreuz in dem Gemache.«

»Ich danke dir, Boreš«, sagte Witiko. »Weil der hocherlauchte Herzog Wladislaw dich als den treuen Diener Soběslaws zu mir geschickt hat, so ehrt er das Andenken Soběslaws, und er wird es verzeihen, wenn ich die Ehre ehrte, und zuerst um Dinge fragte, die Soběslaw und Adelheid angehen. Und nun, Boreš, was begehrt der hocherlauchte Herzog von mir, und gehört die Botschaft für mich allein?«

»Sie gehört dir nicht allein«, antwortete Boreš.

»So lasse dich im Kreise meiner Männer empfangen«, sagte Witiko.

Er schlug mit einem Stabe auf eine Glocke, und als ein Diener eintrat, sagte er: »Huldrik lade Beda und meine Männer in den Saal, eine Botschaft des hohen Herzoges Wladislaw ist angekommen.«

Der Diener entfernte sich, und in kurzer Zeit kam Beda, [] und es kamen Männer Witikos in den Saal. Sie stellten sich in einer Ordnung auf. Witiko erhob sich, Boreš und seine Männer erhoben sich auch. Boreš trat vor Witiko, und sagte: »Witiko vom Witikohause, sei gegrüßet.«

Witiko antwortete: »Boreš, sei gegrüßet, was ist dein Begehr?«

»Ich bringe Gruß und Botschaft von Wladislaw, dem hocherlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren«, sagte Boreš.

»So eröffne uns den Gruß und die Botschaft und den Befehl des hocherlauchten Herzoges«, sagte Witiko.

Boreš antwortete: »Der hocherlauchte Herzog Wladislaw sendet durch mich, Boreš, den Kastellan von Hostas Burg, an dich, Witiko vom Witikohause, und an deine hohe Gemahlin, Bertha von Schauenburg, den besten Gruß, und er sendet an euch beide den Glückwunsch zu eurer Vermählung, und er sendet eine Hausgabe, und bittet, sie zu nehmen, wie ihr die andern Hausgaben genommen habt. Und Gertrud, die hocherlauchte Herzogin von Böhmen und Mähren, die Gemahlin des Herzogs Wladislaws, sendet durch mich, Boreš, den Kastellan von Hostas Burg, an dich, Witiko vom Witikohause und an deine hohe Gemahlin, Bertha von Schauenberg, den besten Gruß, und sie sendet an euch beide den Glückwunsch zu eurer Vermählung, und sie sendet eine Hausgabe, und bittet, daß ihr sie annehmet.«

Witiko antwortete darauf: »Boreš, Kastellan auf Hostas Burg, Abgesandter des hocherlauchten Herzoges Wladislaw, ich habe vernommen, was du von dem hocherlauchten Herzoge und der hocherlauchten Herzogin an mich berichtet hast. Es geziemt sich, daß meine Gemahlin, Bertha von Schauenberg, auch vernehme, was an sie von dem hocherlauchten Herzoge und der hocherlauchten Herzogin berichtet wird. Beda und zwei Männer, bittet sie, daß sie zu uns in den Saal komme.«

[] Beda und zwei Männer entfernten sich aus dem Saale.

Die in ihm zurückgeblieben waren, schwiegen nun.

Nach einer kurzen Zeit öffneten sich die Flügeltüren des Saales, und Bertha ging in denselben herein, zwei Frauen und zwei Jungfrauen folgten ihr. Beda und die zwei Männer gingen zuletzt herein. Bertha hatte ein dunkelblaues Kleid aus Sammet und einen silbernen Gürtel.

Sie blieb mit ihren Begleiterinnen an der Seite Witikos stehen.

Witiko sprach zu ihr: »Bertha, meine Gemahlin, es ist von dem erlauchten Herzoge Wladislaw Botschaft an mich und dich gekommen, höre sie an.«

Bertha blieb stehen. Boreš trat vor sie, neigte sich, und sprach: »Wladislaw, der hocherlauchte Herzog von Böhmen und Mähren, und Gertrud, die hocherlauchte Herzogin, seine Gemahlin, senden durch mich, Boreš, den Kastellan von Hostas Burg, an Witiko vom Witikohause und an seine hohe Gemahlin, Bertha von Schauenberg, die besten Grüße und die Glückwünsche zur Vermählung, und sie senden eine Hausgabe, und bitten, daß ihr sie annehmet, wie ihr die andern Hausgaben angenommen habt.«

Nach diesen Worten verneigte sich Boreš wieder, und trat zurück.

Beda aber geleitete Bertha und ihr Gefolge zu Sitzen.

Witiko sprach nun: »Ich nehme in Ehrerbietung den Gruß und den Glückwunsch und die Hausgabe des hocherlauchten Herzoges und der hocherlauchten Herzogin an, und sage ihnen durch dich, Boreš, den Kastellan von Hostas Burg, den unterwürfigen Dank, und werde ihnen meinen ferneren Dank in Prag darbringen.«

Bertha erhob sich nun von ihrem Sitze, und sprach: »Ich nehme in Ehrerbietung den Gruß und den Glückwunsch und die Hausgabe des hocherlauchten Herzoges und der hocherlauchten Herzogin an, und sage ihnen durch dich, [] Boreš, den Kastellan von Hostas Burg, den unterwürfigsten Dank.«

Nach diesen Worten setzte sich Bertha wieder auf ihren Stuhl.

Witiko aber sprach: »Wenn es meiner Gemahlin genehm ist, so bitte ich sie, mit mir auch den Dank in Prag darzubringen.«

»Ich folge meinem Gemahle mit Freuden nach Prag«, sagte Bertha.

Boreš aber sprach: »Gebet mir nun die Erlaubnis, hoher Herr und hohe Frau, daß ich die Hausgabe bringen lassen darf.«

»So lasse sie bringen«, sagte Witiko.

Die Männer, welche bei Boreš waren, entfernten sich aus dem Saale. Sie kamen aber bald wieder, und mit ihnen kamen Knechte, welche Kästchen trugen. Sie stellten die Kästchen auf den Tisch, und gingen fort.

Boreš reichte Witiko einen kleinen goldenen Schlüssel, wies auf ein Kästchen, und sagte: »Der hocherlauchte Herzog bittet dich, daß du das Kästchen öffnest.«

Das Kästchen war aus sehr schönem Wacholderholze und mit goldenen Zierden belegt.

Witiko öffnete es.

Das Innere war mit weißer Seide überzogen, und auf einem Kissen aus weißem Sammet lag in einer Vertiefung ein längliches Stückchen Holz wie ein schmaler Span, der von einer Linde gelöst worden ist.

Witiko sah auf Boreš.

Boreš aber sagte: »In dem Gemache, in welchem der Herzog Soběslaw gestorben ist, steht das hohe Kreuz des Heilandes. Das Kreuz ist aus dem Holze der Linde geschnitzt worden, unter der der Herzog Soběslaw auf einem Zuge nach Mähren von seinen treuen Räten Zdeslaw und Diwiš die Botschaft empfangen hatte, daß ihm die Herren Miroslaw und Střezimir durch zwei Dienstleute [] nach dem Leben streben, und unter der er die Verhaftung der Schuldigen angeordnet hatte. Dieses Kreuz umschlang die Herzogin Adelheid nach dem Sterben ihres Gemahles, und vor diesem Kreuze betete sie bis zu ihrem Tode. An einem heiligen Pfingstsonntage fiel ein Span von dem Rücken des Kreuzes herunter, und die Männer, die kunstreich in Holz arbeiten, konnten nicht sagen, wie der Span sich von dem Kreuze gelöset habe. Der Herzog Wladislaw ließ zum Denkmale den kleinen Span aufbewahren, und ließ die Stelle an dem Kreuze, aus welcher er gekommen war, offen. Das Stückchen Holz in dem Kästchen ist der Span, und der Herzog sendet ihn dir. Er hat alles in eine Schrift setzen lassen, und die Schrift liegt unter dem weißen Kissen.«

Witiko antwortete: »Ich nehme in Demut das heilige Kleinod, und werde es in meiner Burgkirche aufbewahren, und wenn ich eine größere Kirche gebaut habe, werde ich es in der größeren Kirche aufbewahren. Der Schlüssel zu dem Kästchen wird in der Kirche sein. Rufet den frommen Vater Benno, und geleitet meine Mutter und meine Base und ihre Frauen hie her.«

Mehrere Männer gingen aus dem Saale, und einer kam mit Benno, und die andern kamen mit den Frauen und ihren Geleiten zurück.

Die Frauen setzten sich auf Stühle.

Witiko sprach: »Hochehrwürdiger Vater Benno, Mutter Wentila, Base Hiltrut, dieser Mann ist Boreš, der Kastellan in Hostas Burg, in welcher der Herzog Soběslaw und die Herzogin Adelheid gestorben sind. Er bringt von dem hocherlauchten Herzoge Wladislaw und der hocherlauchten Herzogin Gertrud gute Grüße und Glückwünsche zur Vermählung und Hausgaben.«

Boreš neigte sich gegen alle, die genannt wurden, und sie neigten sich gegen ihn.

Darauf sprach Witiko: »Der hocherlauchte Herzog Wladislaw [] sendet mir einen kleinen Span von dem Kreuze aus dem Sterbegemache Soběslaws, welcher Span sich an einem heiligen Pfingstsonntage von dem Kreuze gelöst hatte, wie es die kunstfertigen Männer, die im Holze schnitzen, nicht zu erkennen vermögen. Eine Schrift, die der hohe Herzog hat verfertigen lassen, besaget alles.«

Nach diesen Worten zog er an einem kleinen Bändchen ein Fach unter dem weißen Kissen heraus, und nahm aus dem Fache ein Pergament. Er reichte dasselbe dem Priester Benno, und sagte: »Lese es uns, frommer Vater.«

Benno las die Schrift laut vor.

Dann wurde sie wieder in das Fach gelegt, und das Fach unter das Kissen geschoben.

Hierauf nahm Benno das kleine Stücklein Holz, und reichte es Witiko zum Kusse. Dann reichte er es Bertha, dann Wentila, dann Hiltrut, dann allen Frauen und allen Männern, und zuletzt küßte er es selber. Dann legte er es wieder auf das Kissen.

Witiko schloß das Kästchen, reichte den Schlüssel dem Priester Benno, und sprach: »Hochehrwürdiger Vater Benno, der du jetzt den Gottesdienst in unserer Burgkirche feierst, ich gebe dir den Schlüssel zu dem heiligen Kleinode in deine Verwahrung, und gebe das Kleinod in die Verwahrung der Kirche. Es möge heute hier bewacht und morgen feierlich in die Kirche gebracht werden.«

»Es geschehe, wie du sagst, Herr«, antwortete Benno.

Nach diesen Worten barg er das Schlüsselchen an seiner Brust.

Dann sagte Boreš: »Ist es dir genehm, hoher Herr, die andern Kästchen zu öffnen?«

»Es ist mir genehm, hoher Kastellan«, antwortete Witiko.

Boreš reichte nun einen zweiten Schlüssel an Witiko, und sagte: »Er schließt das dunkelbraune Kästchen auf.«

[] Witiko öffnete mit dem Schlüssel ein Kästchen von dunkelbraunem Holze, welches sehr schön gebohnt war.

In dem Kästchen waren zwei silberne Kannen und zwölf silberne Becher. Auf einer Kanne war das Bild des Heilandes, auf der andern das Bild Marias, und auf den Bechern die Bilder der zwölf Apostel. Sonst waren Stäbe und Laubranken kunstreich in die Gefäße gegraben.

Boreš reichte wieder einen Schlüssel an Witiko, und sagte: »Er schließt das schwarze Kästchen auf.«

In dem schwarzen Kästchen waren zwölf silberne Teller, und sie waren kunstvoll gearbeitet wie die Trinkgeschirre.

Boreš reichte wieder einen Schlüssel an Witiko, und sagte. »Er schließt das rote Kästchen auf.«

In dem roten Kästchen war roter Sammet, kostbares Pelzwerk aus der Fremde und Juwelen.

Witiko schaute alle diese Dinge an, und Bertha und Wentila und Hiltrut und Benno wurden von ihm zu dem Tische gerufen, und sie betrachteten diese Geschenke. Als sie dieselben betrachtet hatten, rief Witiko seine Männer herzu, die Geschenke des Herzoges zu sehen.

Die Männer gingen einer hinter dem andern an den Tisch, und sahen die Geschenke an.

Darauf sagte Witiko: »Gott lohne es dem hohen Herzoge, daß er an einen seiner geringen Männer und an sein Weib denkt, und Gott lohne es der hohen Herzogin, daß sie des Sinnes ihres Gatten ist. Ich nehme in Ehrerbietung die Hausgaben an, trage dir, Boreš, Kastellan von Hostas Burg, in Lieb und Treuen den Dank auf, bis ich selber mit meiner Gemahlin nach Prag komme. Ich rufe: Heil Wladislaw, dem hocherlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren, und Heil Gertrud, der hocherlauchten Herzogin.«

Die Männer Witikos riefen: »Heil Wladislaw, dem hocherlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren, und Heil Gertrud, der hocherlauchten Herzogin.«

[] Darauf erhob sich Bertha von ihrem Sitze, und sprach: »Weil der hohe Herzog und die hohe Herzogin meinen Gatten geehret und mich genannt haben, wie bei uns in den deutschen Landen die Fürsten ihre Männer und die Frauen derselben ehren, so bitte ich dich, Boreš, Kastellan von Hostas Burg, bringe meinen Dank an den hocherlauchten Herzog und an die hocherlauchte Herzogin, bis ich mit meinen Gatten nach Prag komme. Und ich rufe wie mein Gatte: Heil Wladislaw, dem hohen Herzoge von Böhmen und Mähren, und Heil Gertrud, der hohen Herzogin.«

Und Wentila und Hiltrut und Benno und die Männer Witikos riefen: »Heil Wladislaw, dem hohen Herzoge von Böhmen und Mähren, und Heil Gertrud, der hohen Herzogin.«

Dann sagte Bertha: »Und weil du, Boreš, mit deinen Männern unser Dach nicht verschmäht hast, so werde ich trachten, euch eine Hauswirtin zu sein, wie sie meine Mutter, Wiulfhilt von Dornberg, ist, und wie sie meine Großmutter, Benedicta von Aschach, ist.« Dann setzte sie sich wieder nieder.

Witiko aber sprach: »Lasset nun die Kästchen schließen, und bis auf das heilige in die Kleinodienstube bringen. Dich, Boreš, und deine Männer werde ich in eure Stuben geleiten, daß ihr ruhet, und daß ihr dann das Brod an unserem Tische teilet.«

Zwei Männer gingen nach diesen Worten Witikos fort. Sie kamen mit andern Männern wieder. Zwei bewaffnete Knechte stellten sich auf die Weisung zu dem heiligen Kästchen. Die andern empfingen von Witiko die geschlossenen Kästchen, und trugen dieselben fort. Dann erhoben sich die Frauen und ihre Geleite von ihren Sitzen. Bertha und Wentila grüßten mit freundlichen Worten Boreš und seine Männer, und dann gingen die Frauen und ihre Geleite aus dem Saale. Dann führte Witiko Boreš [] und seine Männer in ihre Gemächer, und alle außer den zwei bewaffneten Knechten verließen den Saal.

Am andern Tage wurde das Kästchen mit dem Holze des Kreuzes des Heilandes feierlich von dem Saale in die Kirche gebracht, und alle Menschen der Burg waren bei dem heiligen Gottesdienste, welchen der fromme Vater Benno verrichtete.

Boreš blieb acht Tage als Gast in dem Witikohause, und wurde dort geehrt. Es kamen Nachbarn Witikos, ihm Ehre zu bringen, und die Geschenke des Herzoges zu sehen. Auch Leute aus dem Walde kamen, um die Gaben des Herzoges und der Herzogin zu beschauen. Witiko ließ sie ihnen durch Huldrik zeigen. Huldrik sagte den Leuten: »Die Geschirre sind jetzt von Silber; aber sie werden einmal von Gold sein.«

Am neunten Tage verabschiedete sich Bord, und Witiko geleitete ihn mit einem Gefolge bis in die krumme Au.

An dem nämlichen Tage kam auch die Botschaft an Benno, daß er zu dem Kardinale Guido nach Prag kommen möge.

Witiko gab ihm ein gutes Pferd, und rüstete fünf Reiter und zwei Männer mit Saumtieren aus, und Benno zog des andern Tages mit diesem Gefolge aus dem Witikohause gegen Prag fort.

Es wurde von dem Tage an auch alles gerüstet, was notwendig war, daß Witiko mit Bertha nach Prag reisen konnte. Und als zehn Tage vergangen waren, ritt er mit zwanzig Reitern aus dem Tore der Burg. In der Mitte der Reiter waren sechs Sänften, in denen Bertha und ihre Frauen saßen, und hinter den Reitern gingen fünf Saumrosse.

So gelangten sie endlich nach Prag.

In Prag ging Witiko zuerst allein zu dem Herzoge. Er dankte ihm für die Gaben, und fragte, ob er seine Gemahlin, Bertha von Schauenberg, zu ihm und zu der hohen Herzogin führen dürfe.

[] Wladislaw antwortete: »Danke mir nicht, Witiko. Du bist ein treuer Mann des Herzoges Soběslaw gewesen, und bist ein treuer Mann von mir. Ich habe dir darum durch Boreš das Holz von dem Kreuze des Heilandes aus Hostas Burg geschickt, daß du sähest, daß ich dir auch ein treuer Mann sein will. Das andere sind Gaben, die ein Freund dem andern in das Haus sendet. Sei mein Freund, wie ich dein Freund bin, seit ich dich bei Chynow gesehen habe. Was deine Gattin angeht, so bringe die hohe Frau zu mir und zu der Herzogin, wir werden sie als Gast ehren.«

Witiko antwortete: »Ich danke dir, hoher Herr, für deine Güte. Und weil ich dem Herzoge Soběslaw aus Pflicht treu gewesen bin, so bin ich auch dir aus Pflicht treu. Und dir bin ich auch treu aus Freundschaft, wie du schon früher einmal gesagt hast, und wie du es jetzt wieder sagtest, daß du mein Freund bist, und wie ich aus dem ganzen Gemüte dein Freund bin. Ich werde die Treue und die Freundschaft nie verletzen. Und haben mich deine andern Gaben geehrt, so hat mich deine Gabe aus Hostas Burg und der Überbringer derselben erfreut.«

An dem folgenden Tage wurde Witiko und seine Gattin Bertha zu dem Herzoge und der Herzogin gerufen.

Sie gingen im Schmucke zu Hofe.

Sie wurden in einen kleinen Saal der Hofburg zu dem Herzoge und der Herzogin geführt. Wladislaw und Gertrud saßen geschmückt und allein auf Stühlen, und wiesen Witiko und Bertha Stühle an. Beide setzten sich. Gleich aber erhob sich Witiko wieder, nahm Bertha bei der Hand, führte sie vor den Herzog und die Herzogin, und sprach: »Hocherlauchter Herzog, hocherlauchte Herzogin, die Frau, welche vor euch steht, ist die Tochter Heinrichs von Schauenberg, der vorher Heinrich von Jugelbach gewesen ist, und Wiulfhilts von Dornberg. Sie heißt Bertha. Heinrich ist ein Herr und edler Mann, [] Wiulfhilt ist eine edle Frau, und Bertha durch beide edel. Sie hat es nicht verschmäht, als meine Gattin in Lieb und Treue mir anzugehören, wie ich ihr als Gatte in Lieb und Treue angehöre. Wir erkennen und achten die Ehre hoch, daß wir heute vor euch haben kommen dürfen.«

»Witiko, Bertha«, sagte der Herzog, »nehmet eure Sitze wieder ein.«

Witiko und Bertha setzten sich auf ihre Stühle.

Dann sprach der Herzog: »Witiko, wie du mir sonst als Mann und Freund gegrüßt warest, so sei mir heute als Ehegatte gegrüßt. Bertha, seid mir heute als Ehegattin Witikos gegrüßt, und gebt mir die Hoffnung, daß ich Euch künftig auch als Freundin werde begrüßen können.«

Die Herzogin sprach: »Ich grüße Witiko als Freund, ich grüße ihn als treuen Mann des Herzoges und der Länder, und ich grüße ihn als Ehegatten. Ich grüße Bertha von Schauenberg als Ehegattin Witikos, und ich grüße sie als Freundin. Die aus solchem Geschlechte entsprossen ist, wird jeder Freundschaft würdig sein, und wird, wo man es nicht unwert ist, auch Freundschaft gewähren.«

Witiko antwortete: »Hocherlauchter Herzog, hocherlauchte Herzogin, ich danke inniglich des Grußes.«

Bertha sprach: »Hocherlauchter Herzog, ich danke des Grußes, und wer, wenn ich ihn auch nicht kenne, der Freund meines Gatten ist, dessen Freundin bin ich. Hocherlauchte Herzogin, ich danke des Grußes, und wer so hehr getan hat, wie Ihr, der genießt die Bewunderung und Verehrung, man gibt ihm Freundschaft, und achtet es als höchste Ehre, seiner Freundschaft würdig zu werden.«

»Du sprichst entschieden wie dein Vater, Bertha«, sagte die Herzogin.

»Mein Vater, hohe Frau, hat Euch noch an dem Hofe in [] Wien gesehen, und er hat Euch in Prag gesehen«, sprach Bertha.

»Wir kennen Heinrich von Jugelbach und Schauenberg sehr gut, und ich kenne ihn schon lange«, sagte der Herzog, »wir sind öfter bei einander gewesen, als ich noch nicht auf diesem Fürstenstuhle war, und später auch noch. Er ist in Prag gewesen, da du fern von mir, Witiko, in deinem Walde geweilt hattest. Ich kenne Gebhart von Jugelbach, der jetzt Gebhart von Stauf ist, den Bruder Heinrichs. Heinrich ist ein edler Herr und stark und verständig und vorsichtig und unternehmend, ein Spiegel eines Ritters. Das Geschlecht Dornberg ist sehr edel und mächtig und gut, und war vielfach mit denen von Jugelbach verbunden. Gebhart ist ein treuer ehrenwerter Ritter, und die von Aschach sind edel und gut gewesen, und Eure Großmutter, Bertha, Benedicta von Aschach, ist eine sehr edle Frau, und sie ist gut und treumütig und fromm. Sie hat dem alten Kloster Kremsmünster triftige Gaben zugewendet, und ist ihm noch wohlgesinnt.«

»Wir bitten, daß sie Gott dafür segne«, sagte Bertha.

»Er wird es tun«, sprach der Herzog. »Wir haben beide, ich und Gertrud, die Herzogin, große Freude gehabt, als uns durch den hochehrwürdigen Bischof Zdik aus Passau die Kunde ward, Witiko denke auf Bertha von Jugelbach, und wir haben den Bestrebungen Witikos das beste Gedeihen gewünscht, und hätten diese Bestrebungen gerne gefördert.«

»Du hast sie gefördert, hoher Herr«, sagte Witiko. »Berthas Vater hat zu mir gesprochen, wenn ich ein Haus habe, in dem meine Rose emporblühen kann, dürfe ich um Bertha kommen, und du hast das Haus gegründet. Aber wie konnte der hochehrwürdige Bischof Zdik meine Gedanken wissen?«

»Er hat wohl deine Gedanken aus deinen Mienen gesehen«, sagte der Herzog.

[] »Es ist nun ein so größeres Glück«, sagte Witiko, »daß du, hoher Herr, den Bund billigest, den ich mit Bertha geschlossen habe, und daß ihn die hocherlauchte Herzogin billigt. Und es ist nun eine größere Freude und eine größere Ehre, daß ihr, du und die hohe Herzogin, Hausgaben zu unserem Bunde gesendet habt. Hocherlauchter Herzog, hocherlauchte Herzogin, ich bringe den besten und treu ergebenen Dank für die Gaben dar.«

Bertha sprach: »Ich ehre meine Eltern und ihre Vorfahrer, und erkenne sie als vortrefflich, und ich danke dir, hoher Herzog, für die Worte, die du über meine Angehörigen gesprochen hast. Hocherlauchter Herzog, hocherlauchte Herzogin, ich bringe auch wie mein Gemahl den besten und treu ergebenen Dank für die Hausgaben dar.«

Der Herzog antwortete: »Ich habe Witiko schon gesagt, daß ich ihm die Gabe aus Hostas Burg als treuem Manne des Herzoges Soběslaw und als treuem Manne von mir gesendet habe. Und ich habe ihm gesagt, daß die andern Dinge so sind, wie sie die Freunde den Freunden geben. Und das sage ich auch Euch, edle Frau.«

»Gebrauchet die Geräte und die Stoffe«, sagte die Herzogin, »erfreut Euch derselben ein wenig, und denkt dabei unser.«

»Ich habe den Glauben«, sagte der Herzog, »wenn Gertrud und ich nicht schon vermählt wären, und erst vermählt würden: du, mein Witiko, würdest uns Hausgaben aus deinem Walde senden, was er Besonderes und Köstliches hervorbringt.«

»Ich würde mich freuen, wenn du die Gaben nähmest, hoher Herr«, sagte Witiko. »Möge der Bund des hohen Herzoges und der hohen Herzogin bis in das letzte Alter dauern, und mögen ich und Bertha es erleben, daß ihre Kinder Friedrich, Swatopluk, Adalbert und Agnes sich vermählen, und unsere Hausgaben aus dem Walde dann nicht verschmähen.«

[] »Sie werden sich derselben freuen«, sagte der Herzog.

»Und nun, Witiko, sage ich: Lebe lange und glücklich mit Bertha, freut euch eures Bundes, und er werde gesegnet, daß die Freude in die künftigen Geschlechter fortwächst.«

»Ich wünsche euch auch jedes Glück und jeden Segen«, sagte die Herzogin, »es daure euer Bund so lange, wie Witiko es dem unsrigen gewünscht hat, und euer Stamm sei ein Teil der schönen Geschlechter, die in diesen Ländern sind, und der Stamm blühe empor, und werde immer bedeutender.«

»Gott gebe mir das Glück, etwas Gutes und Rechtes auf der Welt wirken zu können«, sagte Witiko, »er lasse uns das Glück, das wir in unserem Bunde finden, dauern, und alles andere sei seiner Weisheit anheimgestellt.«

»So sei es, und so möge es werden«, sagte der Herzog. »Und nun, Witiko, gestatte, daß auch andere an unserer Zusammenkunft Teil nehmen.«

Als er diese Worte gesprochen hatte, gab er mit einem Schlage auf eine Glocke ein Zeichen, und es öffneten sich die zwei Flügel einer Tür in dem Saale. Und durch die Tür kamen mehrere Herren und Lechen und Frauen in den Saal. Es war Diwiš, Preda, Wšebor, Chotimir, Bartholomäus, Welislaw, und mehrere andere.

Der Herzog sprach zu ihnen: »Hier ist Witiko, den ihr kennt, und neben ihm ist Bertha von Schauenberg, seine Gemahlin. Wir freuen uns dieser Verbindung, und wer das Geschlecht Berthas kennt, wird sich auch freuen.«

»Ich kenne es, und erachte es als ein Glück für Witiko, daß er Bertha heimgeführt hat«, sagte Wšebor.

»Es ist ein sehr edles Geschlecht«, sagte Diwiš, »und Bertha wird nicht minder sein als die Frauen dieses Geschlechts.«

»Ich kenne Heinrich von Jugelbach schon lange«, sagte Bartholomäus, »und freue mich, daß Witiko seine Tochter zur Ehegemahlin erhalten hat.«

[] »Möge Witiko, der gut ist, so empor blühen, wie der Stamm der Jugelbach, den ich lange kenne, blüht«, sagte Preda, »und mögen beide Stämme in die Zeiten hinein mächtig und stark sein.«

Und alle sagten nun Witiko und Bertha Glück, und sprachen Segen aus.

Witiko und Bertha dankten.

Die Frauen sprachen mancherlei mit Bertha, und Bertha antwortete ihnen.

»Ich komme sehr bald zu euch«, sagte Welislaw.

»So komme«, entgegnete Witiko.

Als die Gespräche zu Ende waren, sagte der Herzog: »Und so bitte ich alle, die hier sind, am vierten Tage von heute mit mir mein Brod an meinem Tische zu essen.«

Alle verabschiedeten sich hierauf, und verließen den Saal.

Witiko suchte an diesem Tage noch Benno, und da er ihn gefunden hatte, führte er ihn zu Bertha. Sie sprachen von vielerlei Dingen, und beschlossen recht oft zusammen zu kommen.

Witiko ging mit Bertha zu Herren und Freunden, welche Gattinnen hatten, und diese kamen wieder zu Witiko und Bertha. Die unvermählt waren, kamen, und brachten Grüße dar.

Bei dem Mahle des Herzoges hatte Bertha ein Gewand aus dem roten Sammet, der in einem Kästchen der Hausgaben des Herzogs und der Herzogin gewesen war.

Witiko und Bertha sahen und betrachteten in der Stadt Prag alles, was würdig war, gesehen und betrachtet zu werden.

In der Kirche des Wyšehrad beteten sie an den Gräbern Soběslaws und Adelheids und an den Gräbern der Eltern Soběslaws, des Königs Wratislaw und der Königin Swatawa. Welislaw zeigte ihnen die alte Burg, und bewirtete sie in derselben.

[] Als die Zeit heran nahete, in der sie Prag verlassen wollten, ging Witiko noch einmal zu dem Herzoge.

Der Herzog sprach zu ihm: »Gehabe dich wohl, Witiko. Der hocherhabene Kardinal Guido hat sehr vieles gewirkt. Es ist nun in den kirchlichen Dingen eine Ordnung und Festigkeit, in die Männer der Kirche kömmt eine Anständigkeit und eine Sitte, und die Frömmigkeit und Reinigkeit wird folgen. Der Bund ist also größer geworden, wie du einmal gesagt hast. Aber er muß erst reifen. Was auch geschieht, wenn der Kardinal die Länder verlassen hat, so müssen wir alle durch Umsicht trachten, daß der Bund gedeihe. Und du, Witiko, wirst gewiß nicht der letzte sein. Achte der Zeichen. Und wenn der Bund endlich gefestigt ist, dann kann erst das Größere kommen.«

»Ich werde zu tun streben, was recht und nach deinem Sinne ist«, sagte Witiko.

»Ich weiß es«, antwortete der Herzog, »und ziehe mit Glück in die Burg deines Waldes.«

Witiko verabschiedete sich, und am anderen Tage ging sein Zug von Prag weg dem Mittage des Landes zu.

Fünf Tage nach ihm kam auch Benno in das Witikohaus zurück.

Witiko versammelte nun einmal in seinem Hause alle die Gäste, welche bei dem ersten Erdausheben zum Baue der Burg gewesen waren, wie bereits Lubomir gesagt hatte. Die Gäste betrachteten nun das Haus, da es fertig war, sehr genau, und wurden in alle Räume geführt. Und wie damals ein Mahl unter dem freien Himmel gewesen ist, so war jetzt eines in dem großen Saale, und es war so geordnet, wie Wentila es sonst bei ihrem Gatten in Přic geordnet hatte, und wie Bertha es in den Burgen des Stammes Jugelbach geordnet gesehen hatte.

Dann zog Witiko mit Bertha an verschiedene Stellen des Waldes. Sie gingen nach Friedberg, in den Wangetschlag, [] zu den Häusern der unteren Moldau, in den oberen Plan, in die Glöckelberge und in die reiche Au. Überall wurde Bertha mit Feierlichkeiten empfangen, die Menschen riefen ihr Glück zu, und priesen ihre Schönheit. In der reichen Au sprach der alte Florian zu ihr: »Da ich Witiko vor langer Zeit als Wegkundiger durch den Wald hinein geführt hatte, und da wir auf der Stelle des heiligen Apostels Thomas gestanden waren, hatte Witiko gesagt: Hier sollte eine Königsburg stehen, und ich hatte geantwortet: Da könnte ein hoher Herr hausen. Und nun steht seine Burg auf der Stelle. Wer hätte das gedacht, und wer hätte gedacht, daß er die hochedle Bertha aus dem Hause, das in dem Walde steht, wo Mathias und Margaretha gewesen sind, als seine Ehegemahlin in seine Burg führen würde. Viel Glück, viel Segen in alle Zeit fort und fort.«

»Ich danke dir, Florian«, sagte Bertha. »Komme zu uns in die Burg, und sieh, ob dort eigentlich eine Königsburg stehen sollte. Und wenn auch Margaretha und Mathias nicht mehr in dem Walde an der Mihel sind, so werden wir doch öfter in dem Waldhause meines Vaters sein, und es wird mich freuen, wenn ich dich wieder in jenem Walde sehe, wie ich dich früher gesehen habe.«

»Weil ihr so gute Worte redet, hohe Frau«, entgegnete Florian, »so werde ich wohl in Eure Burg kommen. Ich bin ja sehr oft auf dem Platze des heiligen Thomas gestanden, und wenn auch Margaretha und Mathias nicht mehr in dem Walde an der Mihel sind, so haben sie es jetzt viel besser, und ich gelange doch noch hie und da in den Sesselwald hinauf, und da werde ich auch zu Eurem hohen Vater und zu Eurer hohen Mutter und zu Euch und zu Witiko gehen, wenn er dort ist.«

»Das wird sehr gut sein«, sagte Bertha.

Witiko und Bertha besuchten auch Herren und Frauen, die im Walde oder in der Nähe des Waldes wohnten, und [] die Herren und Frauen besuchten sie wieder in dem Witikohause. Der alte Lubomir war mit seiner Gattin Boleslawa und mit einem kleinen Gefolge drei Tage in der Burg, und Witiko suchte ihm die Aufnahme, die er in dem Župenhofe in Daudleb gefunden hatte, zu vergelten. Und die Männer sprachen viel von den Dingen des Landes und der Županei, und die Frauen erzählten, wie es in ihrem Hause sei, und redeten von den Angelegenheiten der neuen Burg.

Da dieses geschehen war, wendete sich Witiko wieder den Dingen zu, die er in seinem Gebiete für notwendig hielt.

Ehe der Herbst in das Land rückte, war in Rowna die Vermählung Welislaws mit Dimut. Viele Herren und Lechen und Freunde Welislaws und ihre Frauen und Töchter und Söhne waren in den Wald gekommen, und Herren im Walde und an dem Walde und Freunde und Nachbarn Rownos waren mit ihren Angehörigen gekommen, und Witiko und Bertha und Wentila und Hiltrut und Benno und ein Gefolge waren nach Rowno gezogen. Welislaw war bei der Vermählung in einem hellblauen Sammetgewande mit Gold und edlen Steinen, Dimut hatte ein weißes Sammetgewand mit Gold und edlen Steinen, und einen weißen Schleier. Rowno und seine Gattin und seine Sippen waren in dem höchsten Prunke des Waldes, und die Gäste trugen ein Gepränge, wie es in dem Landstriche eines jeden Sitte war. Daniel, der Propst von Prag, vollzog mit Beihilfe zweier Erzpriester von Prag, dann dem Pfarrer von Friedberg, von Horec, vom Kirchenschlage, von Plan und Bennos in der kleinen Kirche des Rownaturmes die heilige Verbindung. Und wie es nach dem Einzuge Witikos und Berthas in dem Thomaswalde gewesen war, so war es nun in dem Rownawalde. Geschmückte Gezelte waren überall und Hütten und Umzäunungen und Gerüste, und die Gäste und das [] Volk erlustigten sich. Die Feste dauerten sechs Tage. Am siebenten Tage verabschiedeten sich die Gäste, und bald darauf rüstete Welislaw seinen Zug nach Prag. Manche Herren und Frauen aus der Mitternacht des Landes schlossen sich dem Zuge an. Rowno geleitete ihn mit seinen Sippen bis Prag.

Dann kam der Herbst in die großen Wälder an der jungen Moldau, und dann kam der Winter.

Als die Tage des heiligen Christfestes und des neuen Jahres gefeiert worden waren, gelangten Nachrichten in den Wald, daß in Mähren schlechte Taten geschehen seien, und daß sich die Fürsten gegen den Herzog erhoben haben.

Witiko rüstete sich, und zog schnell mit einem Geleite nach Prag.

Vor dem Abschiede sagte Benno zu Witiko: »Der hocherhabene Kardinal Guido hat einmal zu mir gesagt: Die Wälder wachsen langsam aber sicher, wenn sie Sonne und Feuchtigkeit haben; noch langsamer aber beugt sich der Sinn eines ganzen Volkes, er beuget sich dennoch auch sicher, wenn der rechte Sonnenschein über ihm ist. Der hohe Kardinal ist mild und stark, und wäre wohl ein Sonnenschein, wie er gesagt hat.«

Witiko traf manche, die nach Prag zogen, und hörte viel über geschehene Dinge reden.

In Prag meldete er sich sogleich bei dem Herzoge. Es waren viele Männer gekommen, und auf einen Tag war eine Versammlung in den Saal der Hofburg berufen.

Die Männer der Kirche und des Landes versammelten sich an dem Tage in dem Saale. Der Herzog Wladislaw kam mit seinem Bruder Heinrich herein.

Als sich alle geordnet hatten, stand der Herzog von seinem Sitze auf, und sprach: »Liebe getreue Herren der Kirche und des Landes, und ihr, Söhne Přemysls, die ihr zugegen seid. Habet Dank, daß ihr in dem harten Winter [] zu mir gekommen seid, und höret aufmerksam an, was euch berichtet werden wird. Otto, Herzog von Olmütz, Zweig des Stammes Přemysl, wenn es dir genehm ist, so rede.«

Otto, der Herzog von Olmütz, stand auf, und sprach: »Erlauchter Herzog, es ist meine Pflicht, daß ich rede, und ich rede, wie ich es gesehen und erfahren habe. Von dem Heiligen Vater kam ein Sendschreiben an den hochehrwürdigen Bischof Zdik, daß er zu ihm ziehen möge. Zdik bereitete sich sogleich, und rüstete sein Geleite. Ich rüstete zwanzig Männer, um den hochehrwürdigen Bischof zu begleiten, soweit es nötig wäre. An einem der Tage abends langten wir in dem Hofe zu Moren an, um dort Nachtruhe zu halten. Da wir bei dem Mahle waren, kam einer der Männer, welche wir herum streifen ließen, und sagte, es ziehe eine Schar Reisige heran. Es kam ein zweiter Mann alsogleich, und sagte, es ziehen auf mehreren Wegen Reisige herzu. Zdik und ich ließen unsere Männer in Bereitschaft treten, und Nikolaus, der Besitzer des Hofes, sammelte die Seinigen. Wir riefen, die draußen waren, herein, und die Türen und Tore wurden noch mehr verrammelt. Ich stieg unter das Dach empor, um durch Lücken herum zu schauen. Der ganze Hof war von bewaffneten Männern umringt, und sie machten Anstalt, ihn zu erstürmen. Der Hofwart rief durch ein Fenster, was die Leute begehren, sie sollten reden. Sie redeten aber nicht, und es wurde eine Lanze gegen den Hofwart geschleudert. Darauf rief ich: Wenn ihr Räuber seid, so wird euch unser Eisen treffen, seid ihr Männer der Ehre, so sagt, was ihr da beginnet. Sie antworteten nicht, und schlossen ihren Kreis näher. Ihre Zahl war mehr als das Zehnfache der unsern. Ich sagte: Wenn sie die Türen erbrechen, so unterliegen wir; wenn wir aber unsere Macht plötzlich gegen eine Stelle ihres Kreises richten, so können wir den Kreis durchbrechen, und uns in der [] Nacht in dem Lande zerstreuen. So wurde es beschlossen. Wir entfernten leise die Bollwerke des großen Tores, öffneten es, und gingen schnell an die nächste Stelle des Kreises. Der Kampf zeigte, daß geübte Krieger vor uns waren. Wir konnten im ersten Angriffe nicht durchdringen. Von weiteren Stellen kam unsern Feinden Hilfe zu. Ich erkannte die Zeichen der Herzoge Konrad und Wratislaw, und hörte die Stimme Wratislaws, der befahl. Da richtete ich schnell den Angriff auf die andere Seite, als von der Wratislaw kam, wir durchbrachen den Kreis, ich wendete mich mit den Meinigen, die Verfolger abzuhalten, und rief Zdik zu, er möge sich entfernen. Er tat es, und als ich ihn nicht mehr sah, und als die ganze Menge von Wratislaws Männern gegen uns kam, löseten wir uns auf, und suchten uns in der Tiefe des Schnees zu zerstreuen. Ich wußte einen schmalen getretenen Pfad. Auf dem Pfade ging ich schnell dahin, und die Feinde, die mir in dem unwegsamen Schnee folgten, blieben zurück. Ich ging so mit zwei Männern eine Stunde fort. Dann wendeten wir uns seitwärts zu abgelegenen Hütten, die ich kannte. In den Hütten übernachteten wir. Gegen den Morgen sahen wir ein Feuer gegen Moren hin. Da es Tag geworden war, schickte ich Boten aus den Bewohnern der Hütten auf Kundschaft. Sie kamen zurück, und sagten, der Morenhof sei ganz abgebrannt, und von den Männern, die ihn überfallen hatten, sei keiner mehr in der ganzen Gegend. Es kamen auch einige von meinen Leuten, welche gedacht hatten, daß ich auf dem schmalen Pfade werde fortgegangen sein. Wir näherten uns nun wieder dem Hofe. Da sahen wir einen Mann, welcher im unwegsamen Schnee ging. Er trug einen Sack auf der Schulter. Da wir ihm näher kamen, suchte er sich von uns zu entfernen. Ich gab meinen Leuten den Befehl, ihn zu fangen. Vier Männer liefen ihm in dem Schnee nach, sie erreichten ihn, und brachten ihn gebunden zu mir. [] Ich ließ den Sack öffnen. In demselben waren silberne Geschirre, Gewänder und Stoffe. Ich sagte zu dem Manne, ich werde ihn mit seinem Stricke auf einen Baum hängen lassen, wenn er uns nicht berichte, wie die Sache mit dem Hofe zu Moren sei, oder wenn er uns belüge. Sage er die Wahrheit, so werde ich ihm das Leben schenken. Der Mann sagte, er sei Dobrohost, und sei bei den Leuten des Herzoges Konrad gewesen. Da sie aber über die Beute stritten, und da er fürchtete, daß sie ihm die silbernen Geschirre nehmen, so sei er vor dem Anbruche des Tages heimlich fortgegangen, und habe das Land Österreich gewinnen wollen. Als ich ihn fragte, ob Krieger in dem Hofe seien, antwortete er, daß alle abgezogen sind, weil sie den Bischof und den Herzog Otto nicht gefunden haben. Wir nahmen den Mann in den Hof mit. An dem Hofe war alles, was brennen konnte, verbrannt. Was fortgebracht werden konnte, war fortgebracht. Wir fanden unsere Pferde und unsere Habschaften nicht mehr. Von den Bewohnern waren nur zwei Knechte da. Der Mann mußte erzählen, was er gesehen habe. Er sagte, daß die Scharen den Hof umringt haben, und daß ein kurzer Kampf gewesen ist. Dann ist der Hof mit Fackeln umstellt worden. Dann sind sie in den Hof gegangen, und haben den Bischof Zdik gesucht. Sie haben ihn mit Lichtern und Fackeln in allen Gemächern und Kellern, Ställen und Winkeln die ganze Nacht gesucht. Und da sie ihn nicht gefunden hatten, und da sie durch Martern von seinen Leuten nicht erfahren konnten, wo er sei, zündeten sie den Hof an. Und dann sind alle mit Beute fortgegangen. Als ich ihn fragte, wer den Überfall gemacht habe, nannte er die Männer: Slawibor, Kuno, Rodmil, Bogdan, Domaslaw, Hinek, Frowin, Jurata, und den alten Mikul. Ich sagte: Du hast die Führer nicht genannt. Da nannte er Konrad, den Herzog von Znaim, Wratislaw, den Herzog von Brünn, und er nannte den [] Bruder des hocherlauchten Herzoges Wladislaw, der jetzt in Jamnic hauset, Diepold.«

»Diepold«, riefen mehrere Stimmen.

»Diepold ist dabei gewesen«, sagte der Herzog.

In den Augen des Herzoges waren Tränen, da er diese Worte sprach.

Otto redete wieder weiter: »Ich fragte den Mann, welches Vorhaben die Herren mit dem hohen Bischofe gehabt haben. Er sagte, daß er es nicht wisse. Da wir noch redeten, kamen Leute des Bischofes. Sie sagten, daß sie geschlagen, gekneipt, bei den Haaren gerissen und angespien worden sind. Von ihrem Herrn wußten sie nichts. Sie forschten nach ihm. Ich sendete Männer in der Gegend herum, sie brachten keine Nachricht von ihm zurück. Da ging ich zu der Stelle, wo ich den hochehrwürdigen Bischof fortgehen geheißen hatte. Wir fanden die Spur eines einzelnen Mannes, und gingen ihr nach. Wir kamen nach einer Zeit in ein Gebüsch. Dort verwirrte sich die Spur. Wir sahen Tritte von einer andern Seite gegen das Gebüsch hin, sahen im Gebüsche viele Tritte, und dann von ihm weg Tritte von zweien oder mehreren Männern. Wir gingen den Tritten nach. Sie führten endlich auf einen Pfad, und waren nicht mehr zu erkennen. Wir suchten nun Häuser auf, um Nahrung zu erhalten. Ich forschte dann täglich nach dem hochehrwürdigen Bischofe. Am fünften Tage erhielt ich die Nachricht, ein hoher Herr sei krank in Leitomyšl. Der Herr habe aber die Kleider eines Bauers gehabt. Ich ritt nach Leitomyšl. Es war der hochehrwürdige Bischof Zdik, der dort krank war. Er konnte damals noch erzählen, und sagte, daß er sich in einem Gebüsche versteckt habe, daß er große Kälte gelitten habe, daß ein Bauer in das Gebüsch gekommen sei, daß ihm der Bauer einen Teil seines Gewandes gegeben, und daß er ihn dann auf abseitigen Pfaden nach Leitomyšl geführt habe. Dort sei er krank [] geworden, und könne nicht weiter reisen. Er ist aber noch schwerer krank geworden, und hat sein Bewußtsein verloren. Ich sendete Botschaft an den hohen Herzog Wladislaw. Der hohe Herzog schickte zwei Ärzte nach Leitomyšl, daß sie den Kranken nach Prag brächten. Er konnte aber nicht fortgebracht werden, und die Ärzte blieben bei ihm. Ich ritt nach Prag, um dem erlauchten Herzoge die genaue Nachricht über das, was sich ereignet hatte, zu bringen. Der hochehrwürdige Bischof ist noch in Leitomyšl in schwerer Krankheit befangen. So habe ich die Dinge gesehen und gehört, und so habe ich sie geredet.«

Er setzte sich nach diesen Worten wieder nieder.

Da sprach der Herzog: »Es sind noch die Männer Hugo, Hroznata, Kuneš, Sulislaw und Wot bei dem Überfalle gewesen. Von dem hochehrwürdigen Bischofe wissen wir noch nicht, ob er in dieser Krankheit am Leben bleiben werde oder nicht. Wir haben über alles Kundschaft holen lassen, und es ist so, wie der Herzog Otto gesagt hat. Nun sprich noch, was ist mit dem Manne geschehen, den du gefangen hast?«

»Ich habe ihn frei gelassen, weil er die Wahrheit gesagt hat«, antwortete Otto. »Die Gefäße waren aus der Habschaft des hochehrwürdigen Bischofes, und sind jetzt bei ihm in Leitomyšl.«

Als er diese Worte geredet hatte, rief Odolen mit lauter Stimme: »Und wenn es zehentausendmal unziemlich ist, daß ich jetzt rede, der ich zu den jüngeren und Geringeren gehöre, so muß ich reden, weil ich nicht anders kann, so wahr mir Gott in meinem letzten Hauche gnädig sein wolle. Sitzen wir ungesäumt auf die Pferde, so viel wir nur Männer aufbringen können, reiten wir nach Znaim, und hängen wir den eidbrüchigen, ehrvergessenen, gewissenabtrünnigen Konrad auf die Zinnen seines Schlosses, und reiten wir dann nach Brünn, und hängen Wratislaw, [] der alles ist, was Konrad ist, auf den höchsten Turm der Stadt, und die Helfer lasse erschlagen, und in eine Grube werfen. Die Räuber und Diebe, die Menschen überfallen, und Kasten erbrechen, sind ehrlicher, als diese.«

»Und Diepold?« fragte der Herzog.

»Der tapfere, gute Diepold ist gar nicht dabei gewesen«, rief Odolen.

»Er ist dabei gewesen«, sagte Wladislaw, »er hat es gestanden.«

»Dann haben sie ihm Zauberei gegeben, daß er aberwitzig geworden ist«, rief Odolen.

»Gegen diese Menschen muß das Äußerste unternommen werden«, rief Welislaw.

»Der Himmel wird eine Strafe auf sie senden, die wir gar nicht ahnen können«, sagte Otto, der Bischof von Prag.

»Ich habe an Diepold Botschaft geschickt, daß er komme«, sprach der Herzog, »er ist aber nicht gekommen. Dann habe ich Konrad und Wratislaw aufgefordert, sich zu verantworten, und sie haben es nicht getan.«

»Mit welchem Rechte kann nun noch einer dieser Gebieter den Dieb, den Räuber, den Mörder strafen?« sagte Gezo, der Abt von Strahow.

»Das schreit bis zu dem Himmel«, sprach Peter, der Abt von Břewnow.

»Sie werden es Kriegführung gegen den Bischof nennen«, sprach Daniel, der Propst von Prag.

»Das Maß mußte voll werden, wie es allemal voll geworden ist«, sagte der alte Bolemil.

»Ich meine, es werden sich alle Umstände ergründen lassen, und dann muß ein Gericht gehalten werden«, sagte Lubomir.

»Es wird der hocherlauchte Herzog das Gericht halten«, sprach Witiko, »und der heilige Vater wird auf die Handlung [] der Herzoge antworten; Konrad und Wratislaw haben das heilige Gelöbnis der Buße und Genugtuung, das den Bann von ihnen nahm, gebrochen.«

Nun sprach der Herzog: »Hohe Herren und Freunde, ich habe euch die Kunde mitteilen lassen, und ihr habt gehört, was geschehen ist. Gegen das Recht des Herzoges hat keiner der Fürsten die Waffen erhoben. Ihre Sünde gegen den hochehrwürdigen Bischof und gegen die Kirche aber ist groß. Es ist jetzt noch nicht an dem, daß ein Krieg geführt werde; aber ich rüste mich, und ich bitte euch, rüstet eure Männer, daß die größte Bereitschaft ist, wenn sie notwendig wird. Vielleicht vermeiden wir so den Krieg. Ein Gericht über diese Gewalttat werde ich halten, und den Spruch den Fürsten und den Schuldigen verkündigen lassen. Über die Sünde wird der Heilige Vater richten. Halten wir die Kraft und die Gerechtigkeit und die Mäßigkeit aufrecht, daß aus dem Bösen das Gute werde.«

»Hoher Herr«, sagte Bolemil, »lasse einen alten Mann noch ein Wort sprechen.«

»Rede, Bolemil«, sagte der Herzog.

»Wenn etwas gefunden werden kann, das der Sache zu Rechte ist«, sprach Bolemil, »ohne daß es Rache wird, so wäre es gut. Wenn auf die Rache die Rache geübt wird, so wird auf die zweite Rache die dritte geübt, und jede wird bitterer, und auf die dritte die vierte, und das geht fort, bis alle, die in diesem Saale sind, nicht mehr leben, bis ihre Enkel und die Enkel der Enkel nicht mehr leben. So ist es die Zeiten her gewesen, und so wird es sein. Zu allem aber, was not tut, rüsten wir uns.«

»Wir rüsten uns«, riefen die Männer.

»So tun wir es, und benützen wir die Zeit des Winters«, sagte der Herzog, »und jeder der Herren und Männer, die in dieser Zeit zu unserem Rate kommen wollen, wird uns eine Ehre erweisen, und einen Dienst tun.«

[] Darauf ging die Versammlung aus einander.

Witiko ritt wieder in seine Heimat, verkündete dort, was geschehen ist, rüstete seine Männer, und rief die Männer des Waldes auf, bereit zu sein, wenn sie zu der Sache des Herzoges stehen wollten.

Indessen ließ der Herzog immer genauere Kundschaft über das, was geschehen ist, einbringen, damit alles geordnet wäre, wenn die Männer des Gerichtes zusammen gerufen würden.

Da die Krankheit des Bischofes Zdik milder wurde, ließ ihn der Herzog nach Prag bringen, und dort pflegen.

Als der Frühling kam, konnte er seine Reise zu dem Heiligen Vater wieder beginnen. Er zog mit dem Kardinal Guido und mit Daniel, dem Propste von Prag, gegen Italien. Sie gelangten an den Hof des heiligen Vaters Eugenius nach Viterbo. Der Heilige Vater sprach in der Kirche den Bann über Konrad, Wratislaw, Diepold und ihre Helfer aus. Er sendete ein Schreiben an den Herzog Wladislaw mit kirchlichem Lobe des Herzoges und der Herzogin und mit dem Auftrage, den Bann zu verkündigen, und mit Macht zu vollführen.

Der Bann wurde verkündiget.

Der Herzog sendete in alle Teile der Länder Botschaft, daß die Männer bereit seien, den Bann in Wirklichkeit zu bringen.

Er schickte auch Boten an Diepold, und ließ ihn bitten, nach Prag zu kommen.

Diepold kam.

Er wurde zu dem Herzoge und der Herzogin geführt.

Er fiel vor beiden auf die Knie, faßte eine Hand des Herzogs und eine Hand der Herzogin, und sprach nicht.

Der Herzog sprach: »Deine Augen sehen wieder auf unsere Angesichter, und unsere Augen sehen auf dein Angesicht, Diepold.«

»Du hast gesagt«, sprach Diepold, »als du mir die Verteidigung [] von Prag übertrugest: Du wirst eher das Leben lassen, als deine Ehre und deinen Ruhm auf dieser Erde und deine Seligkeit im Himmel. Wie kann ich nun in dein Angesicht schauen, und in das der Frau, die dazumal als ein Krieger an meiner Seite gestanden ist?«

»Diepold, erhebe dich«, sagte der Herzog.

»Ich kann es nicht«, rief Diepold.

Die Herzogin beugte sich zu Diepold, faßte mit ihrer andern Hand auch noch nach ihm, und zog ihn empor.

Er stand vor dem Herzoge und der Herzogin.

»Diepold, du Glanz der Männer«, sagte der Herzog.

»Wie ich es tun konnte?« antwortete Diepold. »Es war Streit mit dem Bischofe über Höfe und Liegenschaften, mir zitterte das Herz, daß du, den ich so liebte, ihn vorzogest. Da kamen die Zwischenträger, und die Ohrenbelagerer, und die zwei Fürsten sagten: er hat den Bann schon einmal über uns gebracht, jetzt geht er nach Italien, und wird den Bann wieder über uns und über dich bringen. Wir müssen ihn fangen, daß er uns Gewähr gibt. Und ich willigte ein. Wir fingen ihn nicht, und es geschah Übles.«

»Weshalb wurde der Morenhof angezündet?« fragte Wladislaw.

»Sie sagten, jetzt werde der Bischof aus dem Feuer fliehen, und wir können ihn fangen«, antwortete Diepold.

»Wenn er aber im Feuer umgekommen wäre?« fragte Wladislaw.

»Ich weiß es nicht, ob einer die Absicht gehabt hat«, sagte Diepold; »aber als ich den Brand tadelte, sprach ein jeder, er habe den Befehl nicht gegeben; aber der Bischof werde jetzt kommen. Mich faßte Abscheu.«

»Ich wußte es«, sagte die Herzogin.

»Und nun ist alles so geworden«, sprach Diepold.

»Wußtet ihr alle denn nicht, daß ein erzwungenes Versprechen nicht bindet?« fragte der Herzog. »Ihr durftet [] den hochehrwürdigen Bischof nicht fangen, um von ihm etwas zu erreichen, so wie ich keinen von euch fangen ließ, um ihn nach Prag zu bringen. Ich habe nur jeden gerufen.«

»Ich war ohne Sinne«, sprach Diepold.

»So hat Odolen gesagt«, antwortete der Herzog. »Diepold, ich habe dich nie zurückgesetzt, so hoch ich auch Zdik achte. Du hast schon meine Stelle vertreten, er nie.«

»Ich weiß es«, sagte Diepold.

»Du wirst wieder mit uns handeln, wie du auf den Zinnen von Prag mit mir gehandelt hast«, sagte die Herzogin, »und wie du mit meinem Gatten in dem Kriege gegen die Fürsten gehandelt hast.«

»Diepold«, sprach der Herzog, »du bist in deiner Zornmütigkeit gegen einen Mann aufgestanden, wie sie jetzt zuweilen auch in andern Ländern tun, um ihn zu zwingen, und die andern haben gewollt, daß du mit ihnen seiest, daß sie mehr Ansehen gewinnen. Keiner ist gekommen, da ich sie rief. Du bist gekommen. Diepold, ich bitte dich, gehe zu dem Heiligen Vater, tue Buße, leiste Genugtuung, und löse dich von dem Banne. Du bist mein geliebter Bruder.«

Der Herzog öffnete die Arme, Diepold auch, die Brüder umfaßten sich.

Die Herzogin ging hinzu, und küßte Diepold auf die Stirne.

»Ja, ich gehe nach Rom und nach Viterbo, und werde Buße tun und Genugtuung leisten«, sagte Diepold. »Es ist so der Ehre gemäß.«

»So ist es«, antwortete Wladislaw.

Und so ging Diepold von Prag fort, und dann zu dem Heiligen Vater nach Viterbo, und dann nach Rom, tat Buße, leistete Genugtuung, wurde des Bannes ledig, und kam wieder nach Prag zurück.

Gegen die Sommerszeit ritt ein Eilbote von Mähren [] gegen Prag zu dem Herzoge Wladislaw. Als er zu dem Herzoge kam, sagte er: »Ich komme von Brünn, der Herzog Wratislaw ist schwer krank, er bittet dich, hocherlauchter Herzog, wenn du einst vom Himmel Gnade hoffest, daß du ihm Gnade gebest, und an sein Sterbebette kommest, damit er an dir Buße tue, und die letzte Verzeihung erlange. Er hat auch den hochehrwürdigen Bischof Zdik um die Erbarmnis bitten lassen.«

Der Herzog gewährte das Verlangen Wratislaws. Er zog nach Brünn, und kam mit dem Bischof Zdik an das Krankenbette des Herzogs.

Wratislaw streckte einen Arm empor, und rief matt und schwer verständlich: »Nehmt Stühle.«

Wladislaw und Zdik taten es.

Dann sprach er mit ungelenker Zunge: »Guido hat recht gesagt. Ich wäre nicht zu Grunde gegangen und in die Erde versunken. Aber ich habe wieder gesündigt, und da ist der Zornesengel auf dieser Welt über mich gekommen. Mich hat der Schlag gerührt, und eine Hand und ein Fuß sind fremd. Er ist gekommen, der rächet. Wladislaw, du gerechter Mann, Zdik, du heiliger Mann, schützet mich.«

»Denke an die Reue«, sagte Zdik, »und Gott schützt dich.«

»Denke an Genugtuung, und der Bann wird von dir weichen«, sagte der Herzog.

»Ich wollte, daß er verbrenne«, sprach Wratislaw, »ich wollte, daß er erschlagen werde. Der andere Fuß wird auch fremd werden, und das Haupt auch, und dann werde ich ewig verdammt sein. Guido hat es gesagt.«

»Wratislaw«, sagte Zdik, »und wenn du mich wirklich erschlagen hättest, und ich könnte in der andern Welt bei dem allmächtigen Gotte für dich bitten, so würde ich es deiner Reue willen tun, und ich würde dir vergeben, so wie ich hier an deinem Bette Gott für dich bitte, dir [] verzeihe, und bei dem Heiligen Vater für dich bitten werde.«

»Daß der Bann geht, ehe ich verdammt werde«, sagte Wratislaw.

»Daß er sogleich geht«, antwortete Zdik.

»So tue es, so tue es«, sagte Wratislaw, »nehmt Genugtuung, Genugtuung.«

»Ich schreibe sogleich an dieser Stelle auf dem Pergamente und mit den Werkzeugen eines meiner Männer«, sagte Zdik, »und sende Boten an den Heiligen Vater.«

»Tue es«, sprach Wratislaw.

Und Zdik rief einen Mann herein, und ließ sich aus einer ledernen Tasche ein Pergament und Schreibgeräte reichen. Und er setzte sich an einen Tisch und begann zu schreiben.

»Hast du deine Hand für mich?« fragte Wratislaw den Herzog.

Der Herzog reichte ihm die rechte Hand, und er tastete mit einer seiner Hände darnach.

Dann hob er den Arm dieser Hand auf, und lallte: »Ich habe dich in der Schlacht töten wollen, ich habe dich ermorden wollen. Rette mich.«

»Ich rette dich«, sagte Wladislaw. »Ich bitte Gott für dich, ich verzeihe dir, gib Genugtuung.«

»Es ist alles fremd«, sagte Wratislaw, »ich kann es nicht mehr in Gebrauch setzen, nehmt Genugtuung, nehmt alle Genugtuung.«

»Wir werden dir helfen«, sagte Wladislaw.

»Wir helfen dir«, rief Zdik.

Wratislaw sprach nicht mehr. Und nach einer Zeit verließen die Männer das Krankenbett.

Zdik sendete die Botschaft an den Heiligen Vater, und Wratislaw wurde von dem Banne erlöset. Er starb aber nicht, sondern genas, und wurde seiner Glieder wieder mächtig.

[] Jetzt forderten Wladislaw und Zdik Konrad auf, Buße zu tun, und Genugtuung zu leisten.

Konrad verweigerte es.

Es waren Priester in seinem Gebiete, welche den Gottesdienst verrichteten, und er beharrte im Widerstande gegen den Herzog und gegen den Papst.

Da rief Wladislaw seine Männer auf, die in Bereitschaft waren. Sie kamen in allen Richtungen herbei. Von dem Walde im Mittage kam Witiko mit mehr Leuten, als in dem mährischen Kriege bei ihm gewesen waren. Auch der alte Bolemil kam noch, und alle die jungen Krieger und die jungen Führer ritten in Eile heran. Und man zog nach Mähren, und es wurde in Schnelligkeit die Burg Znaim erobert und zerstört. Konrad mußte in schlechten Gewändern und ohne Habe in die Verbannung fliehen. Wladislaw nahm das Gebiet von Znaim in Besitz.

Da richtete Konrad ein demütiges Flehen an Wladislaw, er tat Buße, und gelobte Genugtuung, Konrad, der König der Deutschen, bat für ihn bei Wladislaw, und Wladislaw gewährte ihm wieder Gnade. Er wurde durch den Heiligen Vater des Bannes ledig, und wurde von Wladislaw in sein Gebiet Znaim eingesetzt, das aber jetzt in Verwüstung war.

Alle Scharen, welche zu Wladislaw in diesen Krieg gekommen waren, zogen in ihre Heimat zurück.

Die Männer, welche der Dinge in den Ländern Böhmen und Mähren kundig waren, sagten, jetzt seien die Streitigkeiten Wratislaws und Konrads mit Wladislaw geendet.

Witiko suchte in seinem Gebiete dasjenige zu beginnen und zu vollführen und die Leute dazu anzuleiten, was er für notwendig hielt, den Schatz zu heben, der, wie er gesagt hatte, in dem Walde liege. Er übte auch die Männer in den kriegerischen Dingen, und ließ Waffen und alles Gehörige in Bereitschaft setzen, wenn wieder ein Heereszug notwendig würde.

[] Da erscholl die Kunde, daß im Reiche Jerusalem die Stadt Edessa von den Ungläubigen erobert worden, daß das Heilige Land in Gefahr sei, daß der Abt von Clairvaux, Bernhard, in Frankreich zu einem Zuge in die heiligen Länder rufe, daß der König von Frankreich, Ludwig, das Kreuz zum Zuge in das Heilige Land auf sein Gewand geheftet habe, daß seine Gemahlin, seine Brüder, und viele Bischöfe, Herren und Edle mitziehen wollen, daß der König der Deutschen, Konrad, zum Zuge rüste, und daß sein Neffe Friedrich, dann der Herzog von Baiern und der von Lothringen, der Markgraf von Österreich, der von Steier, der von Kärnten, viele Bischöfe, so auch Regimbert von Passau, und unzählige edle Männer und Männer aus dem Volke mitgehen wollen. Die Worte Bernhards wurden in den Kirchen von Böhmen und Mähren verkündiget, und der Bischof Zdik predigte in eifrigen Worten den Zug in die heiligen Länder. Der Herzog Wladislaw, sein Bruder Heinrich, Spitihněw, der Sohn Bořiwoys, und viele Herren und viele aus dem Volke hefteten das Kreuz auf ihr Gewand. Die Herrschaft des Landes übertrug Wladislaw seinem Bruder Diepold.

Aus dem Walde im Mittage des Landes zog auch eine Schar von Männern aus. Witiko aber ging zu diesem Zuge nicht.

Der große Eifer kam aber nicht zu seinem Ziele. Es waren Schlachten, Kämpfe, Siege, Niederlagen, Nöten, Unbilden, und man erreichte nicht, was man wollte. Wladislaw, Konrad und Friedrich und andere kehrten wieder in ihre Heimat zurück. Manche Männer hatten ihren Untergang gefunden. Jurik wurde im Kampfe getötet, und Bartholomäus, der Kanzler des Herzogs, gefangen, und man hat nie mehr etwas von ihm vernommen. Regimbert, der Bischof von Passau, der gesagt hatte: »Wenn die Spanne dieses Lebens nicht schon zu kurz ist, so werde ich die Pilgerschaft in die heiligen [] Länder beginnen«, sah die Heimat nicht mehr, er starb auf dem Rückwege in Griechenland.

In dem Jahre, da Wladislaw zurückgekehrt war, starb Otto, der Bischof von Prag, und es wurde Daniel, der Propst von Prag, zum Bischofe gewählt, und dann in Mainz geweiht.

Es starb in dem gleichen Jahre auch der alte Bolemil in der Burg bei Taus. Der Herzog, dann sein Bruder Diepold, dann Silvester, Äbte und Erzpriester und Priester, dann Lubomir, Diwiš, Preda, Wšebor, Božebor, Welislaw, Odolen, Witiko, und zahlreiche Herren und Lechen und Wladyken zogen zu der Bestattung. Bolemil lag, wie er einstens in der Sänfte gesessen war, und seine Befehle in der Schlacht erteilt hatte, angetan mit dem braunen weiten Gewande, auf das sein weißer Bart niederfloß, so nun auch auf der Bahre in braunem Sammetgewande mit Gold, dessen Oberteil sein weißer Bart deckte. Eine ungemein große Zahl von Menschen war gekommen, von sehr vielen flossen ihm die Tränen in das Grab nach.

Im dritten Jahre darauf starb Gertrud, die Gemahlin Wladislaws, des Herzogs von Böhmen und Mähren. Sie hatte nur ihr zweiunddreißigstes Lebensjahr erreicht. Es war ein Klagen und Jammern in dem ganzen Lande. Und wie einstens die Sänger in manchem Lande ihre Taten gesungen hatten, so sangen sie jetzt auch ihren Tod. Wladislaw legte sie an die Seite seiner Vorfahrer.

Ehe ein Jahr vergangen war, folgte seiner Schwester auch ihr Bruder Konrad, der König der Deutschen, in das Grab.

Sein Neffe, Friedrich, empfing die deutsche Königskrone.

Und nun kam in das Reich Wladislaws, des Herzoges von Böhmen und Mähren, die Zeit, in welcher die Streite aufgehört hatten. Er führte nun aus, und befestigte, was der Kardinal Guido eingeleitet hatte. Er stiftete Klöster [] oder vollendete sie, wie Strahow, Sedlec, Plaß, Nepomuk, dann die Frauenklöster Doxau und Lunowic. Die Klöster hegten den Glauben und die Kirchenzucht, und in ihnen waren Gelehrte und Dichter und Baumeister, von denen Werke der Kunst ausgingen, dann Maler, Steinbildner, Holzschnitzer, Handwerker, Pfleger des Landes und Waldes, und Versender der Dinge in fernere Gegenden. Zu allem dem hatten sie Schulen. Wladislaw ordnete mit seinem Rate die Ämter, daß jedes seinen Kreis kenne, und Recht und Wohlstand gedeihen. Er errichtete in der Stadt und in Teilen des Landes Bauwerke, oder vergrößerte oder verschönerte sie. Er ging auf seine Burgen und in die herzoglichen Besitzungen und in die Županeien und in Teile des Landes. Wohin er kam, waren Versammlungen und Beratungen, und er hielt Gerichte.

Als er zwei Jahre um Gertrud getrauert hatte, vermählte er sich mit Judith, der Tochter Ludwigs, des Landgrafen von Thüringen. Die Ritter in den deutschen Ländern sagten, es sei keine so schöne Frau, in keinem Geiste seien so hohe Gedanken und kühne Unternehmungen, keine Frau liebe so die Künste, und keine könne so schön in der deutschen und lateinischen Sprache reden.

Witiko und Bertha brachten dem Herzoge und der Herzogin Hausgaben, und die Gaben wurden freundlich angenommen.

In dieser Zeit ließ Witiko emsig in dem Walde Kohlen brennen, und in das ebene Land befördern. Er schwemmte Holz auf der Moldau in die krumme Au, und flößte es dort weiter. Er ließ bessere Tiere in seine Höfe kommen, oder vermehrte sie, er ordnete die Geschäfte der Höfe, und sah nach Stellen, wo er einmal neue errichten könnte. Er strebte Männer zu finden, welche allerlei Dinge aus den Hölzern des Waldes zum Versenden verfertigten, [] und was sonst die Höhen und Täler der Wälder hervorbrachten, suchte er einem Gebrauche zuzuwenden. Er ließ in dem Walde Wege und Pfade machen, Brücken und Stege bauen, Einfriedungen errichten, dürre Gründe bewässern, und aus sumpfigen das Wasser ableiten. Zwei Male in der Woche saß er zu Beratschlagungen mit Leuten bereit, und er ließ zu jeder Zeit Menschen in seine Burg, wenn die Sache dringend war. Er bewirkte, daß Herren und Männer des Waldes sich öfter versammelten, um über die Dinge des Gebietes und des Landes zu reden. Die Versammlungen wuchsen, es kam endlich auch Lubomir zu ihnen, es kamen seine Sippen, es kamen Männer, die in der Nähe des Waldes waren, so Ctibor und Nemoy und Strich von Plaka. In der Burg führte Bertha die Herrschaft über die Wirtlichkeit. Wentila und Hiltrut standen ihr bei. An manchen Abenden, wenn Muße war, las Benno vor Witiko, Bertha, Wentila, Hiltrut und vor manchen Männern und Frauen, die in die Burgstube geladen worden waren, aus verschiedenen geschriebenen Blättern vor, oder er las auch etwas von dem, was er über die Geschicke der Kaiser zusammen gesammelt hatte. Oft wurde von Dingen der Welt und der Menschen gesprochen, wie sie gewesen waren, und wie sie jetzt sind.

In dieser Zeit zogen auch zuweilen die Bewohner des Witikohauses in die Burg Schauenberg, und die von Schauenberg in das Witikohaus.

Eines Tages begaben sich Heinrich und Wiulfhilt und Witiko und Bertha mit Geleiten auf einen Zug nach Olmütz, um dem Bischofe Zdik für seine Geschenke zu danken. Sie blieben eine Woche bei dem Bischofe.

Witiko und Bertha gingen zu Zeiten in die Wohnsitze der Nachbarschaft sowohl in dem böhmischen Lande als auch in dem Gebiete von Passau und an der Mihel, und sie empfingen die Bewohner jener Wohnsitze auch wieder in ihrer Burg. Wentila und die Base gingen oft mit, oft nicht.

[] Welislaw und Dimut kamen manches Mal nach Rowna, und dann auch in das Witikohaus. Auch andere Männer und Freunde aus Prag oder ferneren Landstrichen, aus Baiern, aus Österreich kamen, und es waren verschiedene Festlichkeiten und manche vergnügliche Tage.

Witiko war öfter mit den Seinigen in Plan. Und wenn er dort verweilte, kamen die Männer wie sonst zu ihm in das steinerne Haus, und saßen an Abenden in Gesprächen da, und er kam an andern Abenden in andere Häuser, nahm dort Brod und Salz, und redete mit den Männern. So tat er auch im Wangetschlage und in Friedberg. Er verbesserte die Häuser in Plan und im Wangetschlage, und vermehrte ihr Grundland.

In mancher Zeit waren die Bewohner des Witikohauses auch in Přic.

Der alte Huldrik kam einmal mit dem Anliegen, daß er ein Weib nehmen müsse, weil er zu seinem Dienste in der Burg und zu seinem Ansehen ein Weib brauche. Witiko sagte, wenn es sein müsse, so möge er ein Weib nehmen, und Benno verband ihn mit einer Jungfrau aus Friedberg, die Azala hieß.

So war das Jahr des Heiles 1154 gekommen.

In diesem Jahre erging von dem Könige der Deutschen, Friedrich, an alle Herren des deutschen Landes und an alle, die sonst verpflichtet waren, der Ruf, daß sie sich und ihre Männer stellten, damit er seinen Kaiserzug nach Rom antreten könne. In dem Rate des Herzoges Wladislaw sagten die älteren Männer, man müsse sich dem jungen Könige, der kaum das dreißigste Jahr überschritten habe, wichtig erhalten, man müsse sich ihm nicht geneigt zeigen, weil er die Ansprüche Heinrichs, des Markgrafen von Österreich, des Schwagers des Herzogs Wladislaw, auf Baiern nicht anerkenne, mit dem doch der Bruder Heinrichs, der vorige Markgraf Leopold, von dem Könige Konrad begabt worden war, und man [] müsse ihm die dreihundert Reiter, welche sonst die Herzoge von Böhmen und Mähren zu den Romzügen gesendet hatten, verweigern. Die jüngeren Männer sagten, man müsse mit dem Könige in Verbindung kommen, um dem Herzogtume Böhmen und Mähren Ansehen und Ehre zu gewinnen. Mit der Meinung dieser Männer hielten es Welislaw, Witiko, Odolen, Sezima, Zwest und Jurik, der Sohn Juriks.

Wladislaw tat nach dem Rate der Alten.

Das Heer des Königs Friedrich sammelte sich ohne die böhmischen Reiter im Weinmonate des Jahres 1154 vor der Stadt Augsburg, und zog dann durch Tirol an den Gardasee. Dann ging es gegen Verona und Piacenza. Auf den roncalischen Feldern hing der König seinen Schild auf einen Pfahl, daß die höchsten Lehenträger in der folgenden Nacht bei ihm Wache hielten. Dann zogen sie von Stadt zu Stadt, und die lombardischen Städte ergaben sich, oder wurden bezwungen. Tortona, das lange widerstand, wurde zerstört. Am siebenzehnten Tage des Ostermonates des Jahres 1155 wurde der König in der alten Hauptstadt des Königreiches Italien, Pavia, mit der lombardischen Krone von dem Bischofe der Stadt in der Kirche des heiligen Michael gekrönt. Am achtzehnten Tage des Brachmonates des Jahres 1155 wurde der König von dem Heiligen Vater Hadrianus in Rom in der Kirche des heiligen Apostels Petrus zum Kaiser gekrönt. Dann besiegte er die aufrührerischen Römer, züchtigte die widerspenstige Stadt Spoleto, schlug in den Felsenengen der Etsch die verräterischen Bewohner von Verona, und kam im Sommer wieder nach Deutschland zurück.

In Deutschland verurteilte er den Erzbischof von Mainz Arnold, und den Pfalzgrafen Hermann von Stahleck, welche sich gegen seine Abmahnung in einer verwüstenden Einzelfehde bekriegten, auf dem Reichstage zu Worms im Anfange des Jahres 1156 mit allen Grafen, die [] ihnen halfen, zum Hundetragen. Dem Erzbischofe wurde wegen seines Alters und Amtes die Strafe erlassen; alle andern aber erlitten sie. Dann zog er an dem Rheine hinab, zerbrach die Raubschlösser, und ließ die Schuldigen hinrichten. Die Zölle, welche ohne die Genehmigung des Kaisers errichtet worden waren, erklärte er für nichtig, und sie mußten sogleich aufhören.

Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, schickte nun Daniel, den Bischof von Prag, zu dem Kaiser Friedrich.

Daniel kehrte wieder zurück, und erzählte dem Herzoge Wladislaw von dem Kaiser Friedrich.

Er erzählte ihm, daß Beatrix, die schöne Erbtochter von Burgund, von ihrem Oheime Wilhelm in einen Turm gesperrt worden sei, daß sie dort umkomme. Der Kaiser aber hat sich gerüstet, sie zu befreien. Und er hat sich entschlossen, sie, wie einst der Kaiser Otto die schöne Adelheid von Italien, zu freien. Wilhelm hat sie losgelassen, und an den heiligen Pfingsttagen wird auf einem großen Reichstage die Vermählung vollzogen werden.

Und es ergingen sodann von dem Kaiser die Einladungen zu dem Reichstage auf das heilige Pfingstfest nach der Stadt Würzburg.

Und als sich die Tage des Pfingstfestes näherten, zog Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, mit dem Bischofe Daniel, mit Priestern, Herren und Rittern und einem großen geschmückten Geleite gegen die Stadt Würzburg. Witiko und alle die jüngeren Herren und Krieger folgten dem Herzoge.

Wladislaw und die Seinigen wurden von dem Kaiser freundlich empfangen. Und es kamen die Fürsten und Herren des Reiches zu dem Reichstage, und Gezelte reihten sich an Gezelte. Und alle die jungen Ritter, die unter der Führerschaft Friedrichs gewesen waren, als er fast noch als ein Knabe, den Wolfartshauser Grafen geschlagen [] hatte, kamen zu seiner Vermählung. Sie waren jetzt mit Macht und Ehren begabt. Witiko freute sich seines Freundes Wolfgang von Ortau, der mit Gut belehnt worden war, und er fand manche Freunde, die er in Nürnberg und in Wien kennen gelernt hatte.

Die erste Feier des Reichstages war die Vermählung. Das Brautpaar war vor dem Altare. Friedrich in weißem Sammetgewande mit Gold und edlen Steinen und feinem Hermelin, ein Mann von mittlerer Größe, wohlgebildet, mit hellem rosenwangigen Angesichte, mit blauen Augen und blonden Haaren, und mit einem goldschimmernden Barte. Beatrix in weißem Sammetgewande mit Gold, edlen Steinen und Hermelin, auch mittelgroß, fein, mit rosigem Angesichte, blauen Augen und blonden Haaren. Nach der Vermählung war ein Mahl voll Heiterkeit und Freude; aber es war Maß in Speisen und Getränken und in Schmuck und Geschirren.

Und in den Tagen nach der Vermählung waren andere Geschäfte.

Es kam Wladislaw, der Herzog von Polen, der von seinem Bruder Boleslaw vertrieben worden war. Er suchte Hilfe. In der Versammlung der Fürsten sprach Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, für ihn. Der Kaiser und die Fürsten entschlossen sich zur Hilfe, und es wurden Boten nach Polen gesendet.

Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, hatte mehrere Gespräche mit dem Kaiser über die Dinge zwischen Österreich und Baiern. Er sprach auch mit Fürsten über diese Dinge.

Der Reichstag in Würzburg wurde beendigt.

Nach demselben ging der Bischof Daniel mit dem Willen des Kaisers und des Herzoges Wladislaw zu dem Kaiser, daß die Beratungen über Österreich und Baiern fortgesetzt würden.

Und als die Beratungen vollendet waren, wurde auf den [] Herbst des Jahres ein Reichstag nach Regensburg zur Schlichtung berufen. Die Fürsten erschienen sehr zahlreich, und Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, zog mit dem Geleite, welches mit ihm in Würzburg gewesen war, und noch mit andern Männern, die sich angeschlossen hatten, nach Regensburg. Auf dem Reichstage in Regensburg gab nun Heinrich, der Markgraf von Österreich, die Länder Österreich und Baiern in die Hände des Kaisers zurück. Der Kaiser aber trennte von Baiern das Land zwischen der Enns und Passau, und belehnte mit dem, was übrig war, Heinrich, den Sohn des vorigen stolzen Herzogs Heinrich von Baiern. Das abgetrennte Stück Baierns legte er zu Österreich, erhob Österreich zu einem Herzogtume, und belehnte damit den Markgrafen Heinrich als Herzog von Österreich. Und große Vorzüge wurden dem neuen Herzogtume gegeben. Es konnte auf Frauen vererbt werden, und der letzte Besitzer, wenn alle Erben mangelten, konnte darüber verfügen. Alle Züge des Herzogs zu Versammlungen und Kriegen waren freiwillig, außer den Versammlungen, die der Kaiser selbst berief, und außer den Kriegen gegen die Ungarn. Die Fürsten begrüßten den neuen Herzog, sie freuten sich der Austragung des Streites, der schon seit dem Beginne der Herrschaft des Königs Konrad gedauert hatte, es freuten sich alle, die auf dem Reichstage waren, es freuten sich die Bewohner der Stadt Regensburg, und bald kamen auch die Zeichen der Freude aus den Gauen des Reiches herein.

Von Polen wurde die Nachricht gebracht, daß der Herzog Boleslaw dem Kaiser trotze. Also wurde der Krieg gegen Polen auf das nächste Jahr beschlossen.

Im Sommer dieses nächsten Jahres zog das deutsche Heer gegen Polen. Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, kam mit seinen Brüdern Diepold und Heinrich und mit vielen Lechen und Herren der Länder Böhmen [] und Mähren, und mit erlesenen Scharen von Kriegern an der Oder zu dem Kaiser. Im Erntemonate wurde die Oder bezwungen, und die Heere drangen bis gegen Posen vor. Da bat Boleslaw um Frieden, und rief den Beistand des Herzoges Wladislaw an. Der Herzog brachte mit mehreren andern Fürsten die Vereinbarung zu Stande. Es wurde festgesetzt: Boleslaw kömmt in bloßen Füßen, da ihm ein bloßes Schwert von dem Halse hängt, zu dem Kaiser, und kniet vor seinen Füßen. Er leistet den Lehenseid, und beschwört, daß er seinem Bruder sein Gebiet zurückgebe. Dem Kaiser zahlt er zweitausend Mark Silber, den Fürsten tausend Mark, dem Lehenhofe zweihundert, und der Kaiserin vierzig Mark Goldes. Dem Kaiser sendet er zu seinen Zügen nach Italien dreihundert Reiter, und er stellt sich zur Schlichtung aller noch übrigen Dinge auf den nächsten Reichstag nach Magdeburg. Zur Sicherheit gibt er Geiseln.

Boleslaw leistete die Sühne und die Schwüre, und gab die Geiseln, darunter sein Bruder Kasimir war. Die Geiseln gingen auf den Befehl des Kaisers nach Prag.

Dann zog der Kaiser wieder nach Deutschland zurück.

Er berief auf den Herbstmonat einen Reichstag nach Würzburg. Noch mehr Fürsten und Herren und Kirchenobere kamen auf diesen Reichstag, als auf frühere gekommen waren. Es kam Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, und es kamen Gesandte aus Frankreich, England, Spanien, Italien, Dänemark, Burgund und Griechenland. Die Herren aus Burgund unterwarfen sich dem Kaiser, und die Erzbischöfe und Bischöfe von Lyon, Valence, Vienne, Arles und Avignon huldigten ihm. Waldemar, der König von Dänemark, ließ ihm anzeigen, daß er als König gewählt worden sei, und ließ ihn bitten, daß er die Wahl bestätige, und ihn belehne. Der Kaiser sagte es unter dem zu, daß Waldemar einen Eid leiste, er werde selber zu dem Kaiser kommen. Stephan, [] der Bruder Geisas, des Königs von Ungarn, bat den Kaiser um Hilfe wegen mancher Unbilden, die er von seinem Bruder erlitten hatte. Der Kaiser bat den Bischof Daniel, daß er zu Geisa gehe, und die Dinge erkunde, weil er dem Könige Geisa schon bekannt sei, da er mit ihm vermittelt hatte, daß seine Tochter Elisabeth die Gattin Friedrichs, des Sohnes Wladislaws, des Herzoges von Böhmen und Mähren, geworden ist. Daniel sagte den Zug zu Geisa zu, und ging, nachdem der Reichstag beendiget war, nach Ungarn.

Der Kaiser aber durchzog das Reich, bestrafte alle, die Unruhe oder sonst Übles stifteten, und ordnete die Sachen der Länder und der Kirche.

In dieser Zeit sendete Heinrich, der König von England, Geschenke an den Kaiser, und sendete geschriebene Worte, in denen enthalten war: ›Wir sind bereit, was Eure Ehre fordert, zu vollführen. Wir vertrauen England und unsere Herrschaft Eurer Gewalt und Eurem Willen an. Es sei ein Bund zwischen unsern Völkern, darin Ihr den Befehl habt, und darin wir den Gehorsam nicht verabsäumen werden. An den Geschenken sehet nicht den Wert, sondern die Liebe dessen, der sie gibt, und nehmt sie auf, wie sie gegeben sind.‹

Von Ungarn kamen Gesandte, durch welche der König seine Handlungen darlegen ließ, und durch welche er versprach, dem Kaiser Krieger zu seinem Zuge nach Italien zu senden.

Indessen diese Dinge geschahen, kamen aus Italien Botschaften, daß sich die Städte bekriegen, daß Mailand die Freunde des Kaisers unterdrücke und unterwerfe, daß es die Mahnungen des Kaisers nicht achte, und daß es sich mit seinen Feinden verbinde.

Friedrich richtete nun ein Schreiben an alle geistlichen und weltlichen Fürsten, und sagte: ›Mailand hat sich gegen das Römische Reich aufgelehnt, und höhnet die Ehrfurcht, [] welche die Untertanen ihrem Beherrscher schuldig sind, wenn auch derselbe von ihnen entfernt ist. Es strebt darnach, Italien seiner Herrschaft zu unterwerfen, und hält uns für unfähig, es zu besiegen und zu bestrafen. Ein solcher Frevel darf jetzt und in der Zukunft nicht gelingen. Wir müssen die Widerspenstigen mit unserer ganzen Macht bekämpfen, und das üble Glied von dem Körper schneiden, daß er nicht auch die Verderbnis empfange, und zu Grunde gehe.‹

Es wurde wegen Italiens auf den sechsten Tag des Monates Jänner des Jahres 1158 ein Reichstag nach Regensburg ausgeschrieben. Auf diesen Reichstag kamen die Fürsten und Herren des deutschen Reiches, und es kam Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, mit dem zahlreichsten Geleite, das er bisher gehabt hatte. Es wurde für den Sommer ein Zug nach Italien festgesetzt, und alle, die da waren, stimmten ein, und versprachen ihre Zurüstungen.

Am fünften Tage der Versammlung gab Friedrich, der römisch-deutsche Kaiser, Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren, in Anerkennung seiner Tugenden und seiner großen Dienste in der Gegenwart aller Fürsten eine Königskrone, Wladislaw wurde mit Feierlichkeit als König von Böhmen gekrönt, und von allen Fürsten als König von Böhmen begrüßt. Und diese Königswürde sollte von nun an auf alle seine Nachfolger übergehen.

Es war in allen Lagern und es war unter den Begleitern Wladislaws eine große Freude über dieses Ereignis.

Und als er heimkehrte, kamen ihm in seinem Lande ganze Scharen von Menschen entgegen, und riefen ihm Heil und Segen und Jubel zu, und streuten Tannenzweige auf seinen Weg, und geleiteten ihn große Strecken. Viele junge Krieger und Herren kamen herzu, und zogen mit ihm nach Prag. In Prag wurde er von dem [] Volke mit Feierlichkeit empfangen, mit Freude begrüßt, und er und Judith wurden in kirchlicher Festlichkeit als König und Königin anerkannt.

Er berief darauf eine große Versammlung in die Königsburg.

Und als der Tag der Versammlung gekommen war, und als sich die hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren und die Herren der Kirche in einer so großen Zahl eingefunden hatten, wie sie sonst nie herbei gezogen waren, sprach der König zu ihnen: »Erhabene Herren der Kirche, Söhne des Stammes Přemysl, Herren, Männer und Krieger der Länder Böhmen und Mähren, höret meine Worte. Sie zielen nun nicht mehr wie in der vergangenen Zeit auf die Not und das Unglück unserer Länder, um Abhilfe zu verlangen; sie zielen auf das Ansehen und die Ehre unseres Reiches, daß es mit andern Reichen wirke, ihnen gleich sei, und geachtet und gefürchtet werde. In Italien ist die große und mächtige und reiche Stadt Mailand durch Gewalt, durch Kühnheit, durch Verrat, durch Frechheit und durch Verhöhnung aller göttlichen und menschlichen Gesetze die Beherrscherin des oberen Teiles des Landes geworden. Die Krämer, die Händler, die Handwerker der Stadt sind tapfer, sie spotten aber jedes Rittertumes, jedes Kriegertumes, und möchten die Herren aller Dinge sein. Und sie werden nach und nach die Herren der Dinge werden, wenn ihnen nicht Einhalt getan wird, und sie werden wachsen, und nach uns allen greifen. Es ist daher ein Bund gegen sie entstanden. Friedrich, der König der Deutschen, der auch in Rom zum römischen Kaiser gekrönt worden ist, der in Pavia die lombardische Krone empfangen hat, und dessen Untertanin daher die Stadt Mailand ist, dessen Ansehen und Befehlen sich aber die Stadt widersetzt, ist der Führer des Bundes. Alle deutschen Fürsten gehen mit ihm. Das Land Ungarn wird [] Reiter senden, Polen wird Kriegsvölker stellen, und andere werden vielleicht desgleichen tun. Das große schöne Land Italien soll geeinigt und geordnet werden. Ich habe dem Kaiser versprochen, daß ich zu seinem Zuge gehen, und daß ich die Männer zu ihm führen werde, die sich mir zugesellen wollen. So wird, wie schon andere Ehren unserem Lande zu Teil geworden sind, auch aus dieser großen Sache Ehre und Macht für das Land erwachsen. Ich verkündige euch dieses, daß ihr es wisset, und daß jeder, der nach Mailand zu ziehen gesonnen ist, sich rüsten könne. Mit dem Frühlinge beginnt der Auszug.«

Da der König gesprochen hatte, setzte er sich wieder auf seinen Stuhl nieder.

Mehrere Männer erhoben den Ruf: »Wir ziehen, wir ziehen.«

Andere riefen darunter, und man verstand ihre Worte nicht, und es wurde, ehe einer der vorzüglicheren Männer reden konnte, ein Rufen in dem ganzen Saale, aus dem nichts Deutliches vernommen werden konnte.

Dann drang wieder der Ruf durch: »Wir ziehen.«

Dann erscholl der Ruf: »Wir ziehen nicht.«

Dann tönten Stimmen: »Es darf nicht sein«, »es ist gegen das Recht.«

Dann riefen andere dagegen, und es entstand ein verworrenes Geschrei, das stärker wurde, als es früher gewesen war. Dann sprangen viele von ihren Sitzen auf, und schlugen an ihre Schwerter. Andere sprangen nun auch auf, und schlugen auch an ihre Schwerter wie gleichsam zur Antwort.

Der König blieb auf seinem Stuhle, und sah auf die Männer.

Casta hob seine Haube mit dem rechten Arme empor, und schwang sie in den Lüften.

Es achtete aber niemand auf dieses Zeichen.

[] Immer mehrere erhoben sich von ihren Sitzen, bis fast alle, die in dem Saale waren, standen.

Nun stieg Wecel auf seinen Stuhl, und machte mit seinen Armen Zeichen.

Das Schreien wurde aber noch stärker, und die Nächsten zogen ihn von seinem Stuhle wieder herunter.

Jetzt stand Diwiš auf, und ging von den Stühlen in den freien Raum, daß er von allen gesehen werden konnte, und hob seine beiden Arme empor.

Das Schreien minderte sich aber nicht.

Diwiš ging wieder zu seinem Sitze.

Nun tat Lubomir das nämliche, was Diwiš getan hatte.

Aber das Schreien dauerte fort, und zu Zeiten rasselten die Waffen.

Lubomir ging wieder zu seinem Stuhle.

Nun stand langsam der alte Wšebor mit seinem weißen Barte auf. Er stieg auf den Schemel, den man ihm seines Alters willen vor seinen Stuhl gestellt hatte. Er nahm seine Haube ab, und hielt sie vor die Brust. So blieb er stehen, und regte sich nicht.

Und wie er immer so stand, minderte sich das Schreien allgemach. Es minderte sich stets, und man hörte den Ruf: »Wšebor.«

Da schrie Předbor mit gewaltiger Stimme: »Wšebor.«

Dann riefen mehrere: »Wšebor.«

Dann rief Předbor vernehmlich: »Wšebor liebt Land und Leute, höret ihn.«

»Wšebor, Wšebor, Wšebor«, riefen nun viele Stimmen.

Dann wurde es stiller, und es war endlich kein Laut mehr in dem Saale.

Darauf sprach Wšebor, da er auf dem Schemel stand: »Liebe, gute Landesgenossen. Ich danke euch, daß ihr mit meinem Alter Nachsicht habt, und euern Unwillen beschwichtigt. Ich bin jetzt der Älteste in dem Saale, seit Bolemil ist, wo die Jahre nicht mehr gezählt werden. [] Gönnet mir, daß ich Worte sage, was ich in meinem Leben erfahren habe. Bolemil spricht nicht mehr, und mein Mund ist viel schlechter.«

»Rede, rede«, riefen viele Stimmen.

Wšebor sprach: »Es sind viele hundert Jahre vergangen, seit der Vater Čech mit seinen Begleitern über die Ströme in dieses Land gekommen ist. Und sie haben ruhig gelebt, und haben die Nachbarn nicht beraubt. Und wenn Feinde gegen das Land gekommen sind, so haben sie dieselben abgewehrt. Die Fremden, welche als Gäste gekommen sind, haben sie beherbergt und gepflegt. Und wenn ein fremder Mann einem Manne dieses Landes ein Geschenk gegeben hat, so hat er es dankbar angenommen, und hat den fremden Mann wieder beschenkt. Aber niemals haben sie von dem Fremden ein Geschenk für das Land angenommen, daß er nicht ein Recht an das Land bekomme. Darum haben sie auch nicht in entfernten Ländern Hilfe leisten müssen. So sind sie daheim in ihrer Sitte geblieben, und es ist das Gesetz geworden, daß sie nicht in Kriegszüge weit über die Grenzen des Landes gehen dürfen. Hocherlauchter König Wladislaw, wenn du die Dinge, ehe sie geschehen sind, vor den Rat deiner Männer gebracht hättest, so wären vielleicht von der Weisheit der Männer andere Wege zum Heile der Länder gefunden worden.«

Als er diese Worte geredet hatte, stieg er wieder von seinem Schemel herab, und setzte sich auf seinen Stuhl.

Von den Männern in dem Saale aber riefen viele: »Das ist wahr«, »das ist gut«, »so muß es sein.«

Und es entstand wieder ein Durcheinanderrufen.

Dann erhob sich Gezo, der Abt von Strahow, um zu sprechen.

Als es stille geworden war, redete er: »Wir haben die Heiligtümer in unserer uralten Stadt Prag, und haben den goldenen Sitz unserer Fürsten im Wyšehrad, welche [] Burg noch älter ist als Prag, und welche eine goldene Burg bei den Heiden gewesen ist, und eine goldene Burg mit herrlichen Kirchen bei den Christen geworden ist. Zu den Heiligtümern schaut das ganze Volk, und betet bei ihnen zu Gott, und zu den Heiligtümern wallfahren Fremde, um ihrer Wunder teilhaftig zu werden. In unserem Lande ist die Säule unsers Gebetes, ist die Säule unserer Andacht, ist die Säule unserer Macht, und ist die Säule unserer Ehre. Bei den Deutschen aber sind allerlei Pfalzen der Könige, sind allerlei Städte, und der König hat in keiner seinen goldenen Stuhl, und zieht von der einen zu der andern.«

Es erhob sich nach diesen Worten ein dröhnender Lärm in dem Saale. Die Männer schlugen an ihre Schwerter, und. manche schwangen sie mit der Scheide um ihr Haupt.

Gezo aber setzte sich wieder auf seinen Stuhl.

Keine Stimme redete gegen Gezo.

Es erhob sich Peter, der Abt von Břewnow.

Man machte ihm endlich Raum zum Reden, und er sprach; »Wie der hochehrwürdige Abt von Strahow, und wie der hohe Leche Wšebor geredet haben, so rede auch ich. Wenn wir unser Land aus seinen Gesetzen und aus seinen Sitten und Gewohnheiten in die Schicksale anderer Länder heben, so ruht es nicht mehr in sich, und kann stürzen. Ich beklage jede Änderung, die nicht reiflich in dem Rate seiner Söhne erwogen worden ist.«

Nach dieser Rede entstand ein großes Beifallrufen, und es entstand auch ein Rufen des Mißbilligens.

Mehrere Männer sprangen zugleich empor, um zu sprechen.

Da es stiller geworden war, erhob sich der König, und da man ihn vernehmen konnte, sprach er: »Es soll ein jeder, der in dieser Sache reden will, reden. Er rede, was er in seinem Sinne für recht und gut hält, und rede, so lange [] es ihm genehm ist. Ich werde jeden hören, und bitte aber auch die Männer, daß ein jeder den andern anhöre, wie er selbst angehört zu werden wünscht. Da jedoch nicht mehrere zugleich reden können, wenn sie auch zugleich zum Reden aufgestanden sind, so meine ich es geziemend, daß dem Ältern zuerst das Wort gegönnt werde.«

»Ja, ja«, riefen fast alle Stimmen im Saale.

»Lubomir«, sagte der König, »ich glaube, daß du schon vor einer Zeit von deinem Sitze aufgestanden bist. Und wenn es auch nicht so wäre, so bist du doch der Älteste. Sprich.«

Lubomir sprach: »Hocherlauchter König, wenn du mich hören willst, und wenn mich die Versammlung hören will, so werde ich reden.«

»Rede, rede«, riefen viele Männer in dem Saale.

Lubomir schwieg einen Augenblick. Dann redete er: »Liebe hochehrwürdige Herren der Kirche und der Länder. Wie mir nach meinen geringen Einsichten und nach meinen Jahren mein Sinn eingibt, ist die Veränderung, die sich in unseren Ländern zugetragen hat, sehr wert, daß wir derselben unsere genaue Aufmerksamkeit schenken. Wir wissen jetzt noch nicht, was aus alledem werden wird. Wir wissen nicht, was werden wird, wenn unser Herzog ein König ist, und wenn alle unsere künftigen Herzoge Könige sind. Werden die Könige die Art der Herzoge fortbehalten, oder wird eine andere Art werden? Sind unsere Länder in der alten Lage gegen ihre Nachbarn, oder wird die Lage neu sein? Werden wir in Pflichten gegen die kommen, welche die Ehre gespendet haben? Wenn wir alles erst wohl überdacht haben, wenn ein jeder das, was ihm zu Sinne gekommen ist, den andern in Lieb und Treue mitgeteilt hat, dann können wir beraten, wie das Gute, das in den Dingen liegt, von uns nach unsern Rechten und Pflichten dem Lande zugeführt werden kann, und wie wir das Üble, das die Sache hat, [] von dem Lande fern zu halten vermögen. Ich denke wohl, daß es gut gewesen wäre, wenn vorher alle Obliegenheiten und Notwendigkeiten der Sache beraten und festgestellt worden wären. Aber ihr wisset alle sehr gut, wie unser erlauchter Herzog Wladislaw, seit er auf dem Fürstenstuhle ist, immer in den Dingen des Landes den Rat zusammen berufen hat, und wie in dem Rate beschlossen worden ist. Wenn er es jetzt nicht getan hat, so wird er Ursachen dazu gehabt haben. Er wird alles sehr reiflich erwogen haben, und er kann uns am sichersten sagen, was in dieser Angelegenheit liegt, und was nicht in ihr liegt.«

»Das ist wahr, das ist gut«, riefen mehrere Männer.

»Er hätte es aber heute sagen sollen«, rief eine Stimme.

Und es wurde ein Rufen des Beifalls und des Tadels.

Lubomir setzte sich wieder auf seinen Stuhl nieder.

»Preda, sprich«, sagte der König.

Preda, welcher stand, redete nun: »Meine Worte sind die Worte Lubomirs. Es kann sehr Übles für die Länder in der Sache sein. Ich füge nur hinzu, daß es jetzt fast ist, als wären die, welche viele Jahre dem Lande gedient haben, nicht mehr die Räte und nicht mehr die Freunde des Herzogs.«

»So ist es«, riefen viele Männer.

Preda setzte sich auf seinen Stuhl nieder.

»Slawibor, rede«, sagte der König.

Slawibor sprach: »Wir haben in unserem Reiche gelebt, und die Herzoge haben nur uns über die Angelegenheiten befragt. Wratislaw, der Großvater unseres erlauchten Herzoges, ist ein König gewesen; aber es war nur ein Ehrenkleid, und er hat als Herzog fortgeschaltet. Und nach ihm sind wieder Herzoge gewesen, wie Wladislaw, der Vater unsers jetzigen Königs, der gute und großmütige, und wie Soběslaw, der Oheim und Vorgänger unsers jetzigen Königs, der feste und ruhmreiche, und wie unser Herzog, der bis jetzt auch ein Herzog gewesen ist. [] Nun ist das Land für alle Zeiten ohne Ratschluß in ein Königreich umgewandelt worden, und Pflichten und Abhängigkeiten sind im Wege, und das Blut soll in das Ausland gegossen werden. Vor diesen Dingen stehen wir, und ich sage: Wenn der erlauchte Herzog nicht unsern offenen Rat gehabt hat, so hat er geheimen gehabt, und diesen trifft Verantwortung und Strafe.«

»Die Strafe, die Strafe, die Strafe«, riefen Männer durcheinander.

»Nein, nein, nein«, riefen andere.

Und es wurde wieder ein wüster Lärm.

Als er sich gemildert hatte, rief der König: »Diwiš, rede.«

Diwiš redete: »Ich sage wie Lubomir, daß es gut gewesen wäre, wenn die Umwandlung der Länder in dem Rate genau erwogen worden wäre. Ich sage wie Slawibor, daß es ein alter Brauch ist, daß die Söhne unserer Länder nicht in entfernten Reichen kämpfen dürfen. Aber ich sage auch, daß wir über diese Sache noch nicht urteilen können, weil sie uns noch nicht mit allen ihren Teilen bekannt ist. Der hocherlauchte König Wladislaw hat nur von dem Zuge nach Mailand gesprochen, dann ist der Zorn der Männer entstanden, und es ist weiter eine Wesenheit der Sache nicht dargelegt worden. Ich meine wie Lubomir, ein jeder solle gehört werden, und der soll am meisten gehört werden, der am meisten von der Sache reden kann. Und dann sollen wir umsichtig beratschlagen, daß wir das Gute einführen, und das Üble abhalten.«

»Die Sache ist ja deutlich«, rief Mireta.

»Sie ist deutlich, deutlich, deutlich«, rief eine Zahl von Männern.

Da rief der König: »Es muß ein jeder gehört werden, wie ihr gehört werden wollet.«

»Höret einen jeden, das Recht hat er«, schrie Předbor.

»Höret ihn, höret ihn«, riefen fast alle in der Versammlung.

[] Dann sprach der König: »Rede, Nemoy.«

Nemoy redete: »Da das Alterserblichkeitsgesetz gemacht wurde, sind alle Lechen und Herren und Wladyken der Länder dazu zusammen berufen worden, und es ist die Nachfolge auf dem Fürstenstuhl ruhig vor sich gegangen. Als das Alterserblichkeitsgesetz aufgehoben wurde, hat es der Herzog Břetislaw mit der Mithilfe des deutschen Kaisers Heinrich allein getan, und es sind die Nachfolgekämpfe gekommen, die bis in unsere Zeit gedauert haben, und die nach euch in die Zeiten hinein dauern können. Ich sage das, weil es geschehen ist, und weil es zu beachten ist.«

»Es ist zu beachten«, riefen mehrere Männer.

»Es ist so«, riefen andere, »es ist jetzt wieder so.«

»Ja, ja, ja«, riefen andere.

»Nein, nein, nein«, riefen wieder andere.

Als das Rufen aufgehört hatte, sagte der König: »Jetzt haben die gesprochen, welche mit einander aufgestanden sind. Ich glaube, daß ich sie nach dem Alter genannt habe.«

»Du hast sie genannt, hocherlauchter König«, sagte Nemov.

Nun stand der alte Rodmil auf, und sprach: »Es ist eine Verletzung der Rechte und der Bräuche der Lechen gewesen. Die Lechen sind die Söhne des Landes, sie sind das Land. Und das Land ist der Quell der Ehren und der Macht, und für das Land ist das Blut seiner Kinder.«

Es wurde ein Beifallsrufen nach diesen Worten, und man hörte: »Ja, eine Verletzung, eine Verletzung, und kein Blut für andere.«

Nach Rodmil stand Daniel, der Bischof von Prag, auf. Und wie er stand, wurde es stiller, und wurde immer stiller, und endlich so stille, daß nicht ein einziger Laut in dem ganzen Saale zu vernehmen war.

Dann wartete Daniel noch eine kurze Zeit.

[] Dann sprach er: »Es war einmal ein Mann, der hatte einen schönen Hof mit schönen Gründen. Sein Vater und sein Großvater und sein Urgroßvater und sein Ururgroßvater haben vor ihm den Hof besessen. Aber der Hof ist nicht immer schön geblieben. Es kamen Regengüsse, und es floß ein Wasser daher, und brachte Bäume und Sträucher und Sand und Steine und Unrat. Und als es abgelaufen war, lagen Steine und Sand auf den Streifen, auf dem es gewandelt. Der Mann und seine Knechte brachten die Steine und den Sand fort, und der Streifen grünte wieder. Aber es kamen wieder Regen, und es kam wieder Sand und kamen Steine. Und jeder Regen brachte Sand und Steine. Da ging der Mann von dem Hofe fort, dem Wasser nachzuspüren. Er ging durch das Gut mehrerer Männer, und kam in den entfernten hohen Wald. Dort waren in Mulden weite Wässer. Die Wässer hatten eine Erdwulst durchfressen, und durchfraßen sie bei jedem Regen mehr. Der Mann und die Besitzer der Güter und der Besitzer des Waldes verbauten die Lücke der Erdwulst, und leiteten die Wasser in Schluchten. Wäre der Mann in seinem Hofe geblieben, so wäre sein Hof ein Haufen von Sand und Steinen geworden.«

Bogdan sprang auf, und rief: »Ja, ihr beide, du und dein Schreiber Vincentius, seid fleißig in die Fremde gegangen, und habt dort gespähet, du hast dich von dem deutschen Kaiser in allerlei Orte senden lassen, und bist sein Diener geworden, und bist ein Fremder geworden, und bringst so viel von der Fremde, bis wir selber Fremde sein werden.«

Ein dröhnender Lärm entstand nach diesen Worten.

Der Bischof Daniel setzte sich wieder auf seinen Stuhl nieder.

Nach ihm erhob sich Božebor.

Als der Lärm sich nach und nach gelegt hatte, sprach er: »Hohe und niedere Herren der Kirche und der Länder, [] Männer und Freunde. Der alte Rodmil hat gesagt: Das Land ist der Quell der Ehren und der Macht. Es ist der Quell der Ehren und der Macht, und ein anderer Quell ist eine Pfütze. Hocherlauchter Herzog Wladislaw, wer hat dich genötigt, von den Deutschen Ehre und Macht zu gewinnen? Hätten wir dir nicht beides geben können? Wir haben den Kaiser Lothar besiegt, und haben von ihm die Königskrone gewonnen. Konntest du sie nicht von uns empfangen? Du wärest dann ein König der Böhmen gewesen, und wir hätten dich auf unsern Schilden getragen. Jetzt aber bist du ein deutscher König, und mußt den Lohn bezahlen. Du bist zinspflichtig, und wir sind die Knechte eines Knechtes. Oder sollen wir uns von dir lossagen? sollen wir die Länder in Krieg und Jammer stürzen? Wer wird das Elend ergründen können? Die alten Herzoge von Böhmen sind lange, ehe ein deutscher König und Kaiser war, zur Zeit, da noch ein Wald stand, wo jetzt die Stadt Prag ist, auf der heiligen goldenen Burg im Walde gesessen, und ihre Lechen und Wladyken waren um sie, und sie haben gerichtet und geurteilt, und ihre Völker haben auf sie geschaut, und niemand konnte eine Nadel von ihren Wäldern nehmen, und sie waren ehrenreich, daß die uralten Sänger und die Völker von ihnen gesungen haben. Die Herzoge sind höher gewesen, als die Könige und die Kaiser. Daß sie Herzoge wurden, sind sie auf den alten geheiligten Herzogstuhl gesetzt worden. Darum hieß der Felsstuhl der Herzogstuhl. Soll er jetzt ein Königsstuhl werden? Oder willst du dir einen andern schnitzen lassen, und ihn mit Gold und Farben verzieren? Werden nach dir die Könige die Bastschuhe Přemysls anziehen wollen, der nur ein Herzog gewesen ist? Werden die Könige nach dir sich, ehe sie auf den Herzogstuhl gesetzt werden, schlechte Kleider anziehen lassen, um sich ihres Ursprunges zu erinnern? Werden sie sich auch nur auf den Herzogstuhl setzen lassen, dadurch [] sie ja nur Herzoge würden, und jetzt schon durch den Spruch des Fremden, ehe sie noch in dem Leibe ihrer Mutter entstehen, Könige sind? Unsere geheiligten Gebräuche, unsere heimatlichen Sitten, unsere vorväterlichen Geräte werden verschwinden, und so groß der Fels des Herzogstuhles ist, so werden Jahre kommen, in denen man nicht mehr weiß, wo er gestanden ist. Wenn wir die Sache eingeleitet hätten, so hätten wir das Geheiligte sichern können. Die Könige werden wie du ohne uns handeln, sie werden ihres Glanzes pflegen, und wir werden die Diener und die Sklaven eines Herrn sein. Und wenn wir uns empörten, und alle aus dem Stamme Přemysl entfernten, so würde einer von uns der Herr werden, er würde sich durch seine Macht wieder zum Könige machen, und wir stünden vor dem nämlichen Dinge, vor dem wir jetzt stehen. Wer zu solchem den Rat gegeben hat, der verdient an das Kreuz geschlagen zu werden. So sage ich, so rede ich, und so habe ich die Sache bis in mein Alter erfahren, und so spreche ich von der Sache.«

Da er diese Worte geredet hatte, setzte er sich schnell auf seinen Stuhl nieder.

Aber nun brachen viele in ein Schreien aus, das stärker war als jedes, das sich bisher erhoben hatte. Es machte fast die Fenster erzittern, und machte die Ohren unfähig, irgend etwas zu vernehmen.

Nach langer Zeit erst hörte man die Rufe: »Ans Kreuz, ans Kreuz, ans Kreuz.«

Und nicht lange hörte man die Rufe. Es wurde wieder ein übertäubendes Schreien, aus dem nichts zu vernehmen war.

Dann schlugen die Männer an die Schwerter, daß es rasselte, und manche schwangen sie in der Scheide wieder wie früher um das Haupt.

Bogdan zog das seinige hervor, daß es durch den Saal blitzte; aber die zunächst um ihn waren, umschlossen [] ihn mit ihren Armen, zogen ihn nieder, und nahmen ihm das Schwert.

Das Schreien und das Rasseln mehrte sich.

Dann hörte man wieder Stimmen: »Ans Kreuz, ans Kreuz, ans Kreuz.«

Dann drang der außerordentliche Ruf Předbors durch den Lärm: »Laßt die andern reden, und höret sie; ihr habt es versprochen.«

Der Lärm wurde auf diese Worte etwas geringer.

Dann standen einige auf, um zu beschwichtigen. Da sie aber nicht gehört wurden, mußten sie ihre Stimmen stärker erheben, und das Getöse wurde wieder ärger als früher.

Jetzt erhob sich der König Wladislaw langsam von seinem Stuhle, und stand aufrecht da.

Er nahm nach einiger Zeit seine Haube von dem Haupte, und legte sie auf den Tisch.

Seine blonden Haare waren um sein Angesicht, und seine blauen Augen blickten auf die Versammlung.

So stand er da.

Und wie es bei Wšebor und bei dem Bischofe Daniel gewesen war, so wurde es auch bei ihm. Das Getöse minderte sich, und endlich wurde es so stille, daß man keinen Laut vernehmen konnte.

Da sprach der König: »Höchste und hohe Herren der Kirche, Sprossen des Stammes Přemysl, hohe Herren und Herren der Länder, Herren des Hofes, Führer, Kriegsgenossen, Räte und Freunde. Ich hätte erst geredet, wenn alle andern ihre Rede vollendet gehabt hätten; allein es sind immer mehr Worte gegen mich entstanden, und eure Herzen sind von den Worten ergriffen worden. Ich will also jetzt schon meine Worte entgegen sprechen. Dann sollen alle andern reden, die noch reden wollen, und sie sollen gehört werden. Vielleicht wird ihre Meinung durch meine Worte ein wenig geändert. Wenn sie [] bei ihrer Meinung bleiben, so sollen sie dieselbe aussprechen. Ich bitte euch, höret mich an.«

»Höret die Worte«, riefen mehrere Stimmen.

»Höret die Worte«, riefen dann fast alle in dem Saale.

Als es wieder stille geworden war, sprach der König: »Ihr habt getadelt, daß ich mit den Fremden in Verbindungen gekommen bin. Als die Reiche noch klein und einsam waren, schalteten sie in ihrem Hause, und mochten, wenn ein Überfall eines Nachbars kam, ihn abwehren. Aber die Reiche sind gewachsen, und einzelne sind erstarkt. Und andere haben sich an dieses Reich angeschlossen, um seine und ihre Macht zu mehren. Wer in seinem Hause bleibt, der ist ohne Bundesgenossen, und wird von denen besiegt, die Bundesgenossen haben. Ihr habt gesagt: Wir haben den Kaiser Lothar besiegt. Lothar ist mit einem Heere in die Schlucht von Chlumec und in den Hinterhalt der Böhmen gegangen, und einzelne Teile seines Heeres wurden vernichtet, und der Rest umringt. Und dennoch hat unser fester und kluger Herzog Soběslaw, mein Oheim, da Lothar fast gefangen war, von ihm die Bestätigung der Herzogswürde von Böhmen angenommen, nicht weil er König der Deutschen war, sondern weil er römischer Kaiser sein würde. Soběslaw hat die Gefahr solcher Kriege erkannt, die gekommen wäre, wenn er auch das Heer Lothars völlig vernichtet und Lothar gefangen hätte. Friedrich, welcher jetzt in Deutschland herrscht, ist nicht wie Lothar, er führt die Heere besser. Habt ihr gesehen, was er getan hat? Friedrich hat zuerst das Reich beruhigt, es ist dann die Krone der Lombarden und die römische Kaiserkrone auf sein Haupt gesetzt worden. Er hat hierauf die Mächtigen im Reiche, die eigene Fehden führten, zu schimpflicher Strafe verurteilt, und keiner wagte zu widersprechen, und die Fürsten standen zu ihm. Und er hat die Raubritter ausgerottet, und seine Macht wuchs über Dänemark und[] Polen und über Lyon bis Avignon, und England schickte Geschenke, und trug ein Bündnis an, und Spanien und Frankreich und Burgund und andere schickten Abgesandte, und Ungarn verpflichtete sich ihm mit Reitern. Wenn Friedrich die Länder Böhmen und Mähren zu einer deutschen Mark machen wollte, wie einmal vor ihm der Kaiser Karl mit dem Lande der Avaren bis zur Raab getan hat, so würde der Streit ein sehr schwerer sein. Eure Tapferkeit würde öfter siegen; aber der endliche Ausgang wäre sehr ungewiß. Denn der Kaiser hat Bundesgenossen, und sie würden sich mehren. Ihr werdet sagen: Das wäre ein Raub. Wenn nun Friedrich ein Räuber sein wollte, wie Attila und andere vor ihm, wer hätte es gehindert? Wenn wir den Räuber, der in unsere Häuser oder Burgen bricht, strafen und ihn vernichten, so werden wieder andere Räuber. Wäre es nicht besser, wenn wir machen könnten, daß gar keine Räuber mehr entständen? Wenn eben so nun Friedrich Räubergedanken hegen sollte, wäre es da nicht zuträglicher, zu bewirken, daß solche Gedanken gar nicht emporkeimten? Ich bin im Anfange wider Friedrich gewesen, weil es mir geschienen hat, daß er gegen Österreich und meinen Schwager Heinrich nicht gerecht ist. Ich führte mit ihm Verhandlungen, und die Verhandlungen erreichten kein Ziel. Da ging ich selber zu Friedrich, erkannte ihn, lernte ihn lieben, und wurde sein Freund, und er wurde mein Freund. Und die Sache mit Österreich und Baiern lösete sich glücklich für alle, und der Zug gegen Polen brachte uns Ehre und Ruhm und Beute, und die Macht der Länder Böhmen und Mähren wurde befestigt. Wer in Verbindung mit Fremden ist, der ist darum nicht abhängig von den Fremden, wie einer, der von einem Handelsmanne etwas kauft, von ihm nicht abhängig ist. Oder sind wir von dem Fremden abhängig, so ist der Fremde ingleichen von uns abhängig, wie der Käufer und Verkäufer von einander abhängig [] sind, aber beide zu ihrem Frommen. Wenn viele in einer Verbindung sind, so sichern sie sich, wenn sie über die Dinge gemeinsam reden, und in ihnen gemeinsam handeln. Es sollten alle Reiche unseres Erdteiles ihre Angelegenheiten gemeinsam schlichten, so würde keines von einem andern besiegt, und keines würde die Beute eines entfernten Feindes. Ich kann es euch sagen: Wenn Friedrich weit über mein Leben hinaus in Deutschland herrscht, so wird ihm nie zu Sinne kommen, die Länder Böhmen und Mähren sich zu Füßen zu werfen, oder sie auch nur zu schmälern. Das habe ich über die Verbindung und über den Umgang mit den Fremden gesprochen. Denket daran, und denket, was ich einst über die gleichen Dinge gesprochen habe, und was erfolgt ist, da wir meinen Schwager Konrad, den König der Deutschen, um Hilfe gegen die mährische Verbindung angegangen haben. Nun rede ich von der böhmischen Königskrone. Ihr sagt, ihr hättet sie mir gegeben. Meinet ihr, die Krone hätte in die weiten Länder, oder auch nur in dem eigenen Lande geleuchtet? Wir hätten uns selber zu einem Königreiche gemacht, und hätten dem Beherrscher dieses Reiches die Königskrone aufgesetzt. Wer sich aber selber mit einer Ehre schmückt, der hat keine Ehre. Die Ehre muß von der Höhe kommen, daß sie heilig ist. Und was würden die Männer und Weiber unserer Fluren von der Krone gesagt haben? Das ist die Krone, würden sie gesagt haben, die die hohen Herren des Landes gemacht, und dem Herzoge geschenkt haben; sie würden die Krone wie eine Burg angeschaut haben, die vor ihren Augen gebaut worden ist. Der uralte Wyšehrad ist heilig, und der uralte Herzogstuhl ist heilig, weil sie da sind aus der grauen Zeit, und den Menschen scheint, daß sie von der Höhe stammen. Und wie würdet ihr selber die Krone angeschaut haben? Sie wäre euer Werk gewesen, und ihr wäret höher gewesen als euer Werk. Ihr habt gesagt: Unser [] Land ist der Quell der Ehren und der Macht. Aus dem Lande fließt Ehre und Macht; aber der höchste Quell aller Ehren und aller Macht ist der allmächtige Gott. Er sendet Gaben und Geschicke, auf die Ehre und Macht folgt, und er sendet die, welche Ehre und Macht verteilen dürfen. Die sind aber immer über uns, nicht neben uns oder unter uns. Wenn der deutsche König eine noch hundertmal größere Macht hätte, so könnte er sich nicht die römische Kaiserkrone auf das Haupt setzen, sie bliebe eine deutsche Krone, und bliebe strahlenlos. Aber der Heilige Vater, der Herrscher aller Gläubigen auf der Erde, setzt sie ihm auf, er wird der weltliche Herr der Christenheit, und die Kaiserkrone glänzt über die Völker, und von ihr erglänzen die Königskronen, und aus ihr entstehen die Königskronen. So glänzen die Kronen von Frankreich, von Spanien, von England, und so entstand auch die Krone von Böhmen. Nicht Friedrich, der König der Deutschen, hat mir die Königskrone gegeben, sondern Friedrich, der römische Kaiser, der Schirm und Schimmer der Christenheit hat sie mir freiwillig verliehen, und sie strahlet in die Welt. Er hat mich geehret, er hat alle geehret, die nach mir herrschen, und er hat das Land und hat euch geehret. Ihr könnt die Ehre nicht ablehnen, und wenn ihr es auch tut, so strahlt ihr wider euern Willen in der Ehre. Unser Volk hat sie erkannt, und hat gejauchzt, als ich in das Land gekommen bin. Jetzt rede ich davon, daß ich wegen der Krone nicht vorher euern Rat einberufen habe. Der Kaiser hat mir freiwillig die Krone gegeben, es konnte also nicht vorher des Rates darüber gepflogen werden. Ich rede nun auch von den Lasten, die das Königtum bringen soll. Es wird keine bringen: denn die Hoheit liegt in der Krone, und geht auf die Dinge. Und unsere Sitten und unsere Gebräuche und unsere Heiligtümer werden heilig sein wie früher, und ihre Heiligkeit wird den Wert der Krone noch heiliger machen. [] Zuletzt rede ich von dem Zuge nach Italien. Es ist wahr, daß nach den Satzungen unserer Länder keiner verpflichtet ist, in die Kriege ferner Reiche zu ziehen. Ich habe aber auch den Heerbann unserer Länder nicht nach Italien aufgeboten, sondern ich habe gesagt, daß ich dahin ziehe, damit jeder es wisse, der sich freiwillig zu mir gesellen wolle. Der Kaiser Friedrich ist ein Ritter voll Schimmer und Adel, der auszieht, die übermütige Stadt zu züchtigen, und die von ihr unterdrückt werden, zu schirmen. Ich habe zu ihm gesagt: ich ziehe mit dir. Und wenn das Wunderbare geschähe, daß von meinem Volke keiner mit mir ginge, so würden die Menschen sagen, Böhmen hat noch einen Ritter, den König. Und wenn manche mit mir ziehen, so sind sie in ihrem Rechte, wie ich in meinem Rechte bin, und ich verleihe ihnen aus meinem Eigentume jede Zier der Ehre und Mittel. Und die in der Heimat bleiben, tun auch nach ihrem Rechte und ihrer Pflicht. Es werden auch solche sein, die mit Frauentändeleien und Muße zufrieden sind, diese mögen sicher unter meinem Frieden in ihrem Hause sitzen. Endlich spreche ich noch von einem. Božebor hat gesagt: Wer zu solchen Dingen den Rat gegeben hat, der verdiene an das Kreuz geschlagen zu werden. Ich sage euch: es ist niemand da, der an das Kreuz geschlagen werden könnte. Ich habe nach keines Menschen Rate gehandelt.«

Nach diesen Worten setzte der König seine Haube auf das Haupt, und ließ sich auf seinen Sitz nieder.

Im Saale aber riefen die Männer: »Wir ziehen, wir ziehen.«

Dann wurde gerufen: »Heil, Ehre, Glück Wladislaw, dem großen und mächtigen Könige.«

»Heil, Ehre, Glück Wladislaw, dem großen Könige«, riefen sie wieder.

Da stand Witiko von seinem Sitze auf.

»Hört Witiko«, riefen Stimmen.

[] »Hört Witiko«, rief Předbor.

Und als es nach und nach stiller geworden war, sprach Witiko: »Ich rede noch von einem Dinge, das bei den Menschen groß und erhaben ist, und über ihre Länder und ihr Leben hinaus reicht, von dem Ruhme. Wenn ein Mann das Höchste tut, das preiswürdig ist, wenn viele Männer, wenn ganze Völker das Höchste tun: so kömmt es in den Mund der Menschen, sie erzählen es, sie preisen es, einer sagt es dem andern, und wieder sagt es einer dem andern, und dann kömmt es in die Lieder, und die Lieder und die Erzählungen tönen in allen Zungen der Völker, und die das Große getan haben, sind in der Liebe und Bewunderung der Menschen, und ihre Ehre und ihre Macht wächst gegen die Wolken empor. Und die Menschen haben die Kunst erfunden, ihre Worte in Buchstaben zu legen, die dauern, und durch diese Erfindung und durch das, was noch erfunden werden wird, lebt der Ruhm fort, wenn die, welche Großes verübt haben, längst schon vor dem Throne Gottes sind. So haben schon Männer vor uns aufgeschrieben, was geschehen ist, und so schreiben Männer jetzt auf, was geschieht. Und das wirkt in die Zeiten; denn die Worte sind so mächtig, daß sie alles bewegen, wie das feste Recht der Taten die Menschheit gestaltet. Das Wort ist stärker als die Wurfschleuder, und die Mäßigung besiegt den Erdkreis. Wenn wir nach Italien gehen, so sind wir in einem Lande, auf welches die Völker schon in den ältesten Zeiten geschaut haben, als das größte Reich der Welt von Italien ausgegangen ist, und auf das jetzt die Völker schauen, weil dort der Herrscher aller christlichen Seelen seinen Sitz hat. Und wenn wir in dem schönen Lande siegreich die Ordnung und das Recht wieder einführen geholfen haben, und der Übermut zu unsern Füßen geworfen ist, so kömmt unser Land in die Erzählungen von weiten Völkern, weil es vor weiten Völkern gehandelt hat, und es[] kömmt in die Lieder und Schriften, und durch sie in die folgenden Zeiten, und unser Volk ist geachtet und stark unter den Völkern. Und daß es geachtet und stark bleibe, müssen wir einig sein, daß nicht jeder nach einem andern Sinne geht. Wären die Christen unseres Weltteiles gegen die Ungläubigen einig, und stünde das griechische Reich aufrichtig zu uns, so wäre das Land Jerusalem, das noch heiliger ist als Italien, gesichert bei den Gläubigen, während nun ein starker Mann, welcher die Heiden einmal einigt, alles an sich reißt. Ich bin nicht zu dem Zuge in das Heilige Land gegangen, weil ich gesehen habe, daß er mit seinen Mitteln die Ziele nicht erreicht. Und er hat sie nicht erreicht. Aber Friedrich wird mit Ruhmesschimmer seinen Zug vollenden, und wenn wir heimkehren, wird dieser Schimmer von unsern Helmen, von unsern Schilden, von unsern Schwertern, von unsern Panzern leuchten.«

Er setzte sich nach diesen Worten wieder auf seinen Stuhl.

Nun riefen viele Stimmen: »Witiko, Witiko, Witiko.«

Dann riefen sie: »Wir ziehen mit, wir ziehen mit.«

Andere riefen: »Verzagte bleiben.«

Da sprang Kochan auf, und schrie, daß es alles Rufen übertönte: »Laßt mich reden.«

Als er aber nicht gehört wurde, schrie er noch stärker: »Laßt mich reden.«

Und das wiederholte er mehrere Male.

Und da man ihn vernommen hatte, und da es stiller geworden war, rief er: »Ich habe in der Versammlung auf dem Wyšehrad, da der Herzog Wladislaw gewählt wurde, gesagt: Es sollen gar keine Herzoge mehr sein, sondern es sollen die Herren der Länder herrschen, wie man erzählt, daß es einst das gewesen ist. Und da sich der neugewählte Herzog Konrad und der früher gewählte Herzog Wladislaw bekämpften, habe ich gehofft, sie werden sich beide zu Grunde richten, und dann werden die Lechen [] in Frieden die Länder verwalten, und wir werden sie zu gleichen Rechten, zu gleicher Macht und gleicher Herrschaft führen. Aber ich habe mich in allen Dingen geirrt, und es sind mir andere Gedanken in meinem Sinne kund geworden. Viele der mächtigen Lechen haben nur für sich Nutzen erstrebt, und jeder suchte über den andern empor zu kommen, und wenn es ihm gelungen wäre, so wäre er gewalttätiger geworden, als alle Herzoge je gewesen sind. Da kehrte ich meinen Willen zu dem erlauchten Herzoge Wladislaw, und der erlauchte Herzog gedachte nicht mehr meines früheren Tuns, und ich lernte den erlauchten Herzog kennen, und liebte ihn. Ich bin zu dem Kaiser Friedrich gegangen. Ich habe sein schönes Angesicht und seinen goldenen Bart gesehen und den starken Blick seiner blauen Augen, und ich habe seine tönende Stimme gehört. Ich habe ihn auf seinem Zuge gegen die Räuber gesehen, auf Reichstagen, und unter den Abgesandten fremder Könige. Und mit ihm und mit unserem hocherlauchten Könige Wladislaw zu ziehen, und in Gemeinschaft mit tapferen Rittern Siege zu erkämpfen, ist eine Freude, welche für einen Mann keine gleiche hat. Und du, Bogdan, und du, alter Rodmil, denen der erlauchte Herzog ihre Tat gegen Zdik verziehen hat, der nun in dem Himmel ist, ihr solltet nicht gegen den Herzog sein, weil er nun ein König ist, sondern ihn in Demut bitten, daß er euch mit sich ziehen läßt. So rede ich, und habe ein Recht; denn ich bin nie ein Knecht eines Herzogs oder Königs gewesen, und bin nun der Freund des Königs.«

»Nein, nein, nie ein Knecht, Kochan«, riefen Stimmen.

Und es entstand ein Rufen des Beifalles in dem Saale.

Jetzt stand Rowno auf, und rief: »Ich ziehe mit unserem erhabenen Könige, und meine Sippen ziehen mit, und alle die sollen nicht Ehre und Macht erringen, die sie für sich allein wollen.«

[] Diet rief von seinem Sitze: »Ich und meine Männer ziehen mit.«

»Und ich und meine Söhne und die Meinigen ziehen mit«, rief Osel.

Odolen schrie: »Die Sache ist so schimmerreich, daß nicht jeder zu sagen braucht: ich ziehe mit; sonst werden wir mit dem Hören fertig, wenn der Sieg erfochten ist. Der König rüstet, wir rüsten, und wenn gezogen wird, ziehen wir.«

»Und wenn du es auch verbietest«, rief Předbor mit seiner starken Stimme, »ich habe heute schon viel gerufen, und rufe jetzt: ich ziehe mit, und weiche dort nicht von dem Platze, bis jeder niedergeschmettert ist, der Übermut gegen uns erhebt.«

Dann stand Bogdan auf, und schrie: »Wenn einer sagt, ich sitze zu Hause, und tändle mit Weibern, den verfluche ich. Und ich ziehe mit, und werde mit meinem Schwerte zeigen, daß kein Schwert dem meinen gleicht.«

»Ich aber rufe«, sagte Welislaw, »Leib und Leben und Gut und Blut für die Ehre und den erlauchten Ritter, den König.«

»Leib und Leben und Gut und Blut«, riefen die Männer.

Nun stand Lubomir auf, und sprach: »Hoher König Wladislaw, wenn auch schon viele Jahre auf meinem Scheitel sind, so ziehe ich doch mit dir, und meine Männer und Sippen ziehen mit, und meine Söhne werden wohl auch mitziehen.«

Radosta, der Sohn Lubomirs, stand auf, und rief: »Ich und meine Männer ziehen mit.«

Moyslaw, der andere Sohn Lubomirs, stand auf, und rief: »Ich und meine Männer ziehen mit.«

Und ein großer Ruf der Billigung erscholl in dem Saale.

»Mein Alter soll mich nicht von dem Zuge abhalten«, rief Slawibor.

»Ich ziehe mit«, rief Nemoy.

[] Jetzt erhob sich wieder langsam der alte Wšebor von seinem Sitze, stieg wieder auf seinen Schemel, und sprach: »Ich tändle zwar nicht in meinem Hause mit Weibern; aber ich kann nicht mehr nach Italien ziehen, weil die vielen Jahre meinen Körper dazu untauglich gemacht haben. Ich und mein Weib, das in meinem Hause alt geworden ist, beten für dich, o König. Aber meine Männer und Sippen ziehen mit.«

Ein Jubelruf erhob sich nach diesen Worten.

Wšebor setzte sich wieder langsam auf seinen Stuhl.

Nach ihm stand Preda auf, und sagte: »Ich spreche wie Wšebor, und meine Männer werden nicht die letzten sein, die unter den Rittern genannt sind, wenn Ruhm erworben wird, wie der junge Mann Witiko gesagt hat. Sie werden ihn ehrlich mit denen teilen, die noch Freude an ihm haben.«

Und es ertönte wieder ein Ruf der Zustimmung.

»Ich habe nie mit Weibern getändelt«, schrie Božebor, »und mein Schwert soll es in Italien erhärten, daß ich ein Mann bin, und die Schwerter der Meinigen sollen erhärten, daß sie Männer sind.«

Nach diesen Worten erhob sich der König.

Es wurde sogleich ganz stille, und er sprach: »Ich danke dir, alter Wšebor, ich danke dir, Preda, ich danke dir, Lubomir, ich danke dir, Diwiš, und dir, Slawibor, und dir, Nemoy, und auch dir, Božebor, und allen. Ich frage nun die Versammlung, ob einer in ihr ist, der noch seine Rede in einem anderen Sinne oder über ein anderes Ding erheben will, als über den Zug nach Italien.«

Es antwortete niemand.

»So kann keiner sagen, daß ihm seine Rede entzogen worden ist«, sprach Wladislaw.

»Keiner, keiner«, riefen die Männer.

»Es ist aber nun nicht mehr nötig, daß ein jeder, der nach Italien ziehen will, es ausdrücklich verkündige«, sagte der König.

[] »Wir ziehen, wir ziehen«, riefen fast alle Männer in dem Saale.

»So danke ich euch von dem Grunde meines Gemütes«, sagte der König, »und wie ich ein schlichter Herzog gewesen bin, so werde ich ein schlichter König sein, und wenn ich es vergessen sollte, so werden mich meine alten Freunde und Räte erinnern. Und so schließen wir die Versammlung. Und wer bei dem Zuge nach Italien sein will, der komme in der Mitte des Monates Mai nach Prag, daß wir uns vereinigen. Und ehe der Sommer erscheint, sind wir in den lombardischen Ländern, und gehen mit Gott nach Mailand.«

»Nach Mailand, nach Mailand, nach Mailand«, riefen im Sturme die Männer.

Und sie erhoben sich schnell, und scharten sich um den König, und riefen ihm zu, und sprachen zu ihm.

Und der König verließ seinen Sitz, reichte ihnen die Hände, und sprach mit vielen. Und er ging in dem Saale von der einen Stelle zu der andern, wo Männer waren.

Als er so eine Zeit mit ihnen gesprochen hatte, und als sie mit ihm gesprochen hatten, ging er wieder zu seinem Sitze, grüßte noch einmal alle, verabschiedete sich, und verließ im Geleite von Hofherren die Versammlung.

Aber die Männer blieben noch in dem Saale, und sprachen mit einander. Und als sie sich zerstreuten, und im Freien waren, zogen immer mehrere mit einander, und sprachen noch eifrig.

Die nicht in Prag wohnten, eilten in ihre Heimat, um sich zu rüsten.

Witiko ritt mit den Seinigen gegen den mittäglichen Wald. Und es gesellten sich noch viele, die im Mittage wohnten, zu ihm, um mit ihm zu ziehen.

Nun begannen die Rüstungen bei den Jungen und bei den Alten. Die Sache von dem Zuge nach Mailand breitete sich unter den Bewohnern der Länder aus, und es [] entstand eine Begierde, bei dem Zuge zu sein. Die Krieger unter den jungen Männern sprachen von Mailand, die Leute aus dem Volke redeten von Mailand, es wurden Lieder auf den Zug nach Mailand gemacht, und gesungen. Es wurden Waffen herbeigeschafft und ausgebessert, und Landleute achteten nicht mehr des Pfluges, und Arbeiter nicht mehr des Pfriemens, und wollten an dem Zuge teilnehmen.

Als Witiko in seine Burg gekommen war, rief er seine Männer, und die, welche in der Nähe der Burg wohnten, zusammen, und verkündigte ihnen den Zug, und sagte, wer mitgehen wolle, müsse sich bereiten. Dann ritt er in die Herberge der unteren Moldau, in den Kirchenschlag, und nach Plan, und an andere Stellen, und versammelte überall die Männer, und sprach mit ihnen von dem Zuge. Sie riefen ihm zu, daß sie mitgehen wollen. Und er sagte, in Friedberg sei im Anfange des Monates Mai die Versammlung. Und die Männer in dem Walde rüsteten sich, und es rüsteten sich die Männer der Burg. Wolf, der mit Bertha in das Witikohaus gekommen war, hatte reiten gelernt, wie die Reiter des Waldes, und hatte sich in Reiterwaffen geübt. Er durfte, weil er bat, mit dem Zuge gehen. Als sich der Tag der Versammlung näherte, übergab Witiko die Herrschaft der Burg an Bertha, die Verteidigung derselben und den Befehl über die Männer und die Geschäfte des Gebietes an Beda. Benno wollte mit nach Mailand gehen. Witiko aber bat ihn, in der Burg zu bleiben, und mit Rat und Zuspruch bei der Hand zu sein. Benno fügte sich. Die Base Hiltrut bat Witiko, sie möge, bis er wieder komme, bei Bertha, Wentila und den Seinigen bleiben. Sie versprach es.

Am Tage der Versammlung ging Witiko, da er gerüstet war, zu seiner Mutter und Hiltrut, um den letzten Abschied zu nehmen. Die Frauen segneten ihn. Dann ging [] er zu Bertha. Sie kam ihm entgegen, und trug einen Kranz von roten Waldrosen auf dem Haupte.

»Bertha, du hast jetzt Rosen?« sagte er.

»Sie sind von dem Strauche, der an der Seite des Burghofes in dem gläsernen Schreine steht, und haben mich heuer sehr bald begrüßt«, antwortete Bertha.

»Ich habe einmal am Waldfels zu dir gesagt: Die dunkelrote Waldrose ist dein schönster Schmuck, und er ist dein schönster«, entgegnete Witiko, »ich habe mehrere Tage den Strauch nicht gesehen, und habe nicht gewußt, daß seine Blumen blühen.«

»Sie blühen«, antwortete Bertha, »und ich habe sie heute genommen. Witiko, du bist ein Mann, sei ein Mann, und gedenke derer, die zu Hause sind.«

Dann nahm sie ihn an der Hand, und führte ihn in eine Kammer, in welcher die Kinder schliefen. Es waren zwei Knaben, Witiko und Heinrich. Eine Wärterin saß auf einem Stuhle.

Witiko ging zu jedem Bettlein, und machte in der Luft ein Kreuz über die schlafenden Knaben.

Dann wandte er sich um, und schloß Bertha in die Arme, und sie küßten sich auf die Lippen.

Die Wärterin weinte.

Dann ging Witiko zu Benno, und dann gingen alle in die Kirche, und Benno feierte das heilige Opfer.

Von der Kirche ging Witiko in den Burghof, und bestieg sein Pferd. Von dem Pferde grüßte er noch die Seinigen, und alle, die da standen, und grüßte auch Huldrik, welcher mit den Armen Zeichen machte. Dann gesellte er sich zu den Kriegern, die sich gesammelt hatten, und ritt mit ihnen zu den andern hinaus, die schon vor der Burg waren.

Und von da ritten sie durch den Wald nach Friedberg hinunter.

Als sie in Friedberg angekommen waren, fand Witiko die [] Krieger schon von der Kirche aufwärts zwischen den Häusern aufgestellt. Ihre Lager waren auf den Angern an der Moldau zerstreut. Es waren um vieles mehr Männer gekommen, als versprochen hatten, und als in dem mährischen Kriege gewesen waren. Alle Abteilungen trugen ihre Zeichen. Die Frauen und Mädchen von Friedberg sagten, sie geben denen vom Eckschlage ein schöneres Zeichen, als ihre Geierfedern sind; die Männer vom Eckschlage lehnten es aber ab. Witiko ordnete die Scharen wie in dem mährischen Kriege, und versammelte die Obmänner. Diese waren die nämlichen, nur statt derer, die ein zu hohes Alter hatten, waren jüngere gewählt worden. Mit den Obmännern untersuchte er die Krieger, und vorzüglich die Reiter. Mit den Obmännern und seinen Befehlsträgern schloß er die, welche unzulänglich gerüstet waren, oder deren Waffengeschick man nicht kannte, oder von denen man nicht wußte, ob man ihrer Tauglichkeit vertrauen könne, von dem Zuge aus. Die andern wurden eingeteilt, und erhielten die Weisung, bereit zu sein, daß sie am Morgen des nächsten Tages ihren Weg betreten können.

Am Morgen des nächsten Tages feierte der Pfarrer von Friedberg den Gottesdienst. Ein Teil der Krieger war in der Kirche, ein Teil vor derselben. Nach dem Gottesdienste segnete der Pfarrer die Schar. Dann zog dieselbe von Friedberg auf dem Wege gegen Prag dahin. Sehr viele Menschen begleiteten sie weit, und riefen ihnen Glück zu, und sangen Lieder.

Als sie in Prag angekommen waren, zeigte ihnen der Lagermeister den Platz zu ihrem Lager an. Es waren noch viele Lager da, und sie sahen, daß noch immer Menschen herzu zogen. Und an vielen Stellen übten sich Scharen in Waffen.

Als die Zeit verflossen war, welche der König zur Sammlung der Krieger bestimmt hatte, las er die tauglichsten [] aus, und bestimmte sie zum Zuge. Die andern, deren Zahl sehr groß war, mußten, wenn sie bereits Krieger waren, zur Hut des Landes bleiben, oder, wenn sie erst jetzt mit Waffen herbei gekommen waren, wieder in ihre heimatlichen Wohnungen zurückkehren.

Die Männer, welche Witiko aus dem Walde nach Prag geführt hatte, wurden alle aufgenommen, und Witiko erhielt wieder den Befehl über sie.

Am siebenundzwanzigsten Tage des Monates Mai im Jahre des Heiles 1158 erfolgte der Auszug aus Prag.

Die Weiber vieler Krieger, welche früher mit ihren Männern die Lieder von der Belagerung Mailands gesungen hatten, kamen jetzt herzu, und küßten noch einmal mit Tränen ihre Gatten, und reichten ihnen die Kinder zum Küssen.

Der Zug ging aus der Stadt Prag an dem Ufer der Moldau ihrem Wasser entgegen in der Richtung gegen Sonnenuntergang dahin.

Der König ritt an der Spitze des Zuges. Er war jetzt in einem schöneren Waffenschmucke als in dem Kriege in Mähren, weil es nicht ein innerer Krieg war. Neben ihm ritt Daniel, der Bischof von Prag. Er hatte die Priester und Kapellane Deslaw, Peregrin, Detleb, Vincentius, Otto und noch andere mitgenommen. Dann ritt auch sein Bruder Diepold neben ihm. Weiter zurück ritt Gervasius, der Propst vom Wyšehrad und Kanzler des Königs war, dann ritten noch hervorragende Herren und Krieger. Die untergeordneten Führer waren bei ihren Abteilungen.

Am dreißigsten Tage des Monates Mai war der Zug in Bohnik angekommen. Dort legte der Bischof Daniel zur Ehre Gottes und zum Heile der Unternehmung in der Kirche, welche Gervasius gebaut hatte, Überbleibsel von Heiligen nieder. Der König und die Herren der Kirche und der Länder und die Krieger wohnten der heiligen [] Handlung bei, und der König schrieb seinen Namen als Zeuge in die Pergamente.

Dann ging der Zug wieder weiter.

Als er über die Grenze von Böhmen gekommen war, wurde er wie im Kriege eingerichtet.

Er ging gegen die Stadt Regensburg, und mitten durch sie hindurch. Der Kaiser war vor der Stadt Augsburg, und sammelte dort sein Heer. Der König ging aber nicht zu ihm, sondern, weil es so bestimmt war, gegen Freising, und von Freising mittagwärts in das Land Tirol. Dort ging der Zug an Wilten vorüber, und weiter bis an den Fluß Etsch. An den Wassern der Etsch ging er mittagwärts fort. Oberhalb der Stadt Bern, die die Welschen Verona nannten, bauten die Männer aus Schiffen eine Brücke über die Etsch, die auch dem Kaiser dienen sollte, und zogen über dieselbe an das rechte Ufer. Sie zogen an Verona vorüber, und kamen an den Gardasee. Dort machten sie ein Lager, und schlugen die Ölbäume und Granatäpfelbäume zu Verzäunungen, zu Pferdeställen, zum Bereiten ihrer Speisen, und zu anderen Dingen nieder. Das rosenrote Banner des Königs Wladislaw wurde in dem Lager aufgerichtet.

Der Kaiser Friedrich zog dann mit seinem Heere desselben Weges, auf dem Wladislaw gezogen war. Bei ihm waren die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, die Bischöfe von Eichstätt, Verden, Würzburg und andere, und Fürsten und Herren des Reiches. Indes der Kaiser durch Tirol zog, gingen der Herzog von Österreich und der Herzog von Kärnten durch Friaul. Bei ihnen waren fünfhundert ungarische Reiter. Friedrich, der Herzog von Schwaben, führte die Schwaben und Franken an den See von Como. Berthold, der Herzog von Zähringen, führte die Burgunder und Lothringer über den großen Berg des heiligen Bernhard.

Da Wladislaw an dem Gardasee lagerte, kamen Gesandte [] von der Stadt Verona zu ihm, und baten ihn, er möchte das Gebiet verschonen, weil dasselbe samt der Stadt Verona zu dem Kaiser stehe, und er möge lieber gegen die Stadt Brescia ziehen, welche mit den Mailändern im Bunde sei. Zur Verpflegung des Heeres wollen sie viel Geld zahlen. Der König Wladislaw willfahrte ihnen.

Im Anfange des Heumonates brach er sein Lager ab, und zog gegen Brescia. Die Männer fanden vor der Stadt ein ebenes Land voll Korn und anderer Früchte. In diesem Felde stellte der König sein Heer in Schlachtordnung, und ging so bis vor die Stadt. Die Krieger derselben kamen aber nicht heraus. Daher machten die Männer des Königs ein Lager, und nahmen Getreide, Vieh, und was sie erreichen konnten, als Beute. Vieles davon wurde durch Männer nach Böhmen gesendet. Die Bewohner der Stadt ergriff Verzagnis, und auf die Fürsprache des Bischofes Daniel gestattete der König, daß der Kardinal Odo und die Konsuln der Stadt zu ihm als Abgesandte kämen. Sie kamen, und baten, der König möchte ihnen die Gnade des Kaisers wieder verschaffen. Sie brachten dem Könige große Geschenke. Wladislaw verspricht ihnen, ihre Bitten zu erfüllen. Indessen blieb er aber in dem Lager vor der Stadt, und harrte der Ankunft des Kaisers und der andern Züge.

Es kam nun zuerst Friedrich, der Herzog von Schwaben. Da die Männer Wladislaws schon zwei Wochen in dem Lager vor Brescia gewesen waren, kam der Kaiser. Der König zog ihm mit seiner Macht entgegen, der König und der Kaiser begrüßten sich, und die Krieger des Kaisers und die Krieger Wladislaws bezeugten einander ihre Freude.

Dann kamen die andern Züge.

Der König Wladislaw bat nun für die Bewohner von Brescia um Frieden. Der Kaiser gewährte ihn. Die Bewohner [] von Brescia brachten Geschenke, zahlten sechstausend Mark Silber, stellten Geiseln, und schworen, eine hinreichende Zahl von Kriegern mit dem Heere des Kaisers gegen Mailand zu senden. Gegen diese Dinge nahm der Kaiser die Stadt wieder in seine Gnade auf.

Nun kamen auch von den andern treuen Städten des lombardischen Landes Kriegesscharen herbei, und es kamen die treuen Lehensträger mit ihren Männern von den Burgen.

Als das ganze Heer versammelt war, gab und verkündete der Kaiser die Kriegesgesetze. Sie waren strenge, daß das Heer in Zucht erhalten werde, und siegesfähig sei. Er sprach zu den versammelten Fürsten und Herren von seinem Stuhle: »Ihr sehet, daß ich nicht Beute und Gewinn suche, noch andern diese Dinge gestatte, sondern daß ich gekommen bin, um das Recht und den Frieden herzustellen. Ich kenne die Übel des Krieges, und habe ihn nicht aus Herrschsucht und Grausamkeit begonnen. Wenn wir die Schmach von Mailand ertrügen, würde man nicht unsere Güte preisen können, sondern uns der Fahrlässigkeit zeihen. Wir tun nicht Unrecht, sondern wehren Unrecht ab, und ihr müsset mit allen Kräften helfen. Wer den Kaiser höhnt, höhnt euch, was dem Kaiser entrissen wird, wird euch entrissen, daher werdet ihr eher alles tun, als daß diese aufrührerische Stadt sagen dürfe, sie habe uns ausgeartet gesehen, und uns die Rechte und Ehren geraubt, welche unsere Vorfahrer errungen und behauptet haben. Daß aber Gerechtigkeit sei, werde ich die Abgesandten der Stadt Mailand, die ich vorgeladen habe, hier empfangen, und wenn die Stadt zur Erkenntnis gekommen ist, und wenn ihre Vorschläge angenommen werden können, dann ist das Recht und der Frieden gewahrt.«

Die Fürsten und Herren riefen dem Kaiser freudig zu, und gelobten, seine Weisungen genau zu befolgen, und [] die Rechtsgelehrten des Lagers sagten, es sei gut, daß man eine solche Stadt nicht ungehört verdamme.

Es kamen die Abgesandten der Stadt Mailand.

Sie sprachen: »Die gute und getreue Stadt Mailand bringt der Hoheit des Kaisers, welcher der König des italienischen lombardischen Bodens ist, ihre Huldigung und ihre Unterwürfigkeit dar. Die gute und getreue Stadt Mailand hat nie die Rechte des Königs verhöhnt oder sie verletzt. Der König hat das Recht, die obersten Lehen zu verleihen, er hat das Recht, die Lehensträger zusammen zu rufen, er hat das Recht, auf den Reichstagen Gesetze zu geben, er hat das Recht, Richter und Notare zu ernennen, seine Stellvertreter abzuordnen, und zu verlangen, daß sein Heer im Lande verpflegt werde. Die gute und getreue Stadt Mailand hat das eifrige Verlangen, daß diese Rechte im aufrechten Bestande sind. Der fränkische König Karl hat die römische Kaiserkrone von dem Heiligen Vater empfangen. Er hat das longobardische Reich erobert, hat den longobardischen König entsetzt, und ist selber der longobardische König geworden. Und dann sind in später Zeit die Könige der Deutschen die Nachfolger Karls geworden, sie haben von dem Heiligen Vater die römische Kaiserkrone erhalten, und haben sich zu Königen des lombardischen Landes gemacht. Aber die Könige waren selten in dem Lande, und die Herren in den Schlössern übten ihren Willen und ihre Gewalt. Da halfen sich die armen Städte selber. Ihre Bürger sammelten sich Kenntnisse und Mittel, schlossen sich an einander, führten mit Ausdauer die Waffen, daß ihnen die Herren nicht schaden konnten. Sie gaben sich seither Satzungen, für die sie ihr Leben einsetzten. So ist es in vielen geworden, und so ist es in der guten getreuen Stadt Mailand geworden. Und weil es so ist, so sollten sie von der Wahl ihrer Könige nicht ausgeschlossen sein, sie sollten auf den Reichstagen zu den Gesetzen mitwirken, [] und es sollte ihnen gegen ihren Willen kein Stellvertreter des Königs, kein Richter, kein Notar, kein Konsul, kein Oberer gesetzt werden. Dem Könige werden die Mailänder dann stets reiche Geschenke senden, sie werden ihm ein hinreichendes Geld zur Bestreitung der Landeskosten geben, und sie werden, wenn er im Lande ist, zu seiner Hofhaltung und zur Verpflegung seines Heeres nach Kräften und nach Einsicht beitragen. Sie werden immer demütige Untertanen sein, und die Fürsten seines Reiches mit großen Geschenken und Ehrenbezeugungen bedenken, daß das alles in Vollziehung kömmt.«

»So hängt ihnen tote Hunde um den Hals, und jagt sie aus dem Lager«, rief Friedrich, der Herzog von Schwaben.

»Richte nicht du allein«, sagte der Kaiser.

Dann sprach er zu den Abgesandten: »Ihr habt recht geredet, da ihr gesagt habt, wie die Herrschaft an die deutschen Könige gekommen ist. Ihr habt schlecht geredet, da ihr gesagt habt, wie sie geübt werden soll. Den König wollt ihr wählen, der König soll Gesetze geben, die ihr wollt, der König soll Obere einsetzen, die ihr wollt, und der König soll empfangen, was ihr ihm gebet. Wer ist dann der König? Ihr redet von der Hilfe, die ihr euch selbst gewähren mußtet. Sind die Übel nicht entstanden, weil die Macht der Könige zu schwach geübt wurde? Daher die wilden Kriege gegen die Herren im Lande, die Kriege der Städte unter einander. Sind die Kriege durch die Könige oder durch euch entstanden? Ihr wollt frei von Bedrückung sein, und bedrückt andere. Seid ihr nicht grausamer gegen Lodi gewesen, als je ein fremder Kriegsmann? Meint ihr, ich habe vergessen, daß ihr bei meinem Heimzuge aus Rom mit denen von Verona im Einverständnisse eine Brücke bautet, die unter meinem Heere brechen sollte, und daß ihr mich in den Engpässen [] überfielet, damit ich umkomme? Meint ihr, ich habe vergessen, daß ihr Tortona, das ich zerstört habe, sogleich wieder hergestellt und in euern Bund gezogen habt, daß ihr meine getreue Stadt Pavia bekämpft und ihr einen Vorsteher von Mailand gegeben habt, daß ihr meinen Markgrafen von Montferrat bekriegt und seine Schlösser erobert habt, daß ihr Brescia und Piacenza in euern Bund wider mich genommen habt? Und soll ich es vergessen, daß ihr vor meinen Ohren jetzt die Fürsten zu gewinnen strebt, daß sie euch zu Sinne sind?«

Darauf antwortete einer der Gesandten: »Wir wissen nichts von dem Verrate bei Verona, wir haben denen von Tortona, weil sie baten, nachbarliche Hilfe geleistet, und haben uns gegen die, welche uns unterdrücken wollten, gewehrt. Wir sind nichts anders als treue Untertanen des Königs gewesen. Was die Kriege der Städte gegen einander betrifft, so ist das in Freistaaten so, sie haben ihre Liebe und ihren Haß für sich.«

»Du hast das Wort gesagt«, sprach der Kaiser, »ihr seid Freistaaten, und ein Freistaat ist kein Untertan. Ist die Stadt Mailand die getreue, und bedarf sie des Schutzes, so rufe sie den des Königs, wie die andern treuen Städte getan haben. Ihr habt hier Worte der Herrschaft gesprochen, habt ihr nicht auch die der Unterwerfung?«

»Wir haben nach Auftrag die demütigen Bitten der Unsern vor unsern König gebracht«, sagte der Abgesandte.

»So sind wir fertig«, sprach der Kaiser. »Hochwürdiger Erzbischof von Mainz, wie nennt man das, was Mailand übt?«

»Empörung«, sagte der Erzbischof.

»Und du von Köln?« fragte der Kaiser.

»Empörung«, antwortete der Erzbischof von Köln.

»Und du von Trier?« fragte der Kaiser.

»Empörung«, antwortete der Erzbischof von Trier.

»Und ihr andern?« fragte der Kaiser.

[] »Empörung«, riefen alle.

»So müssen wir mit unserm Heere weiter vorgehen, ob die von Mailand andern Sinnes werden«, sagte der Kaiser, »ihr Abgesandte aber gehet von hinnen. Hocherlauchter König von Böhmen, erlauchter Herzog von Österreich, ich bitte euch, befehlet Männer aus euern Heeren, welche diese da ungefährdet aus dem Lager bringen.«

Der König von Böhmen sandte zu Witiko, der Herzog von Österreich zu Chunring.

Beide kamen mit Scharen, und führten die Abgesandten Mailands hinweg.

Und von diesem Augenblicke an wurde der Zug gegen Mailand gerüstet.

Wladislaw, der König von Böhmen, brach zuerst sein Lager ab, und war mit seinen Männern an der Spitze des Heeres.

Man zog im Anfange nach Blancanuga, und von dort zog man gegen Cassano, wo die große Brücke über den Fluß Adda war. Da die Heere an den Fluß gekommen waren, sahen sie, daß die Brücke zerstört worden sei, und die Kundschafter sagten, es seien schon vor langer Zeit auch alle andern Brücken in der Gegend hinweg genommen worden.

Der Kaiser lagerte also an der zerstörten Brücke, und tausend Schritte von ihm abwärts lagerte der König von Böhmen, sein Bruder Diepold und der Bischof Daniel. Die übrigen Fürsten und Herren hatten weiter rückwärts ihre Stellen.

Die Wasser der Adda waren von Regengüssen hoch angeschwollen, und auf dem jenseitigen Ufer waren von dem mailändischen Heere wohl über tausend schwer geharnischte Männer, und es war eine große Menge von Bogenschützen und Schleuderern. Und wie Krieger von beiden Heeren sich an den Ufern einander gegenüber [] zeigten, sendeten die Mailänder Pflöcke, Lanzen, Pfeile, Lagerbolzen aus ihren Schleudergeräten herüber.

Der Kaiser versammelte den Rat der Fürsten. Von der großen Brücke war nur der Teil zerstört, der sich an dem Ufer der Feinde befand. Es wurde beschlossen, von den Brückengegenständen, welche bei dem Zuge waren, und von dem Holze von Bäumen und Häusern, und wo man es bekäme, das wieder herzustellen, was zerstört worden war. Es sollten Schleudergeräte aufgerichtet werden, aus denen Wurfdinge auf die Feinde, die gegenüber wären, gesendet würden, daß unter diesem Schutze leichter an der Brücke gearbeitet werden könnte. Indessen sollte an dem Ufer eifrig gespäht werden, ob sich nicht eine Furt für die Reiter oder sonst ein günstiger Umstand für den Übergang entdecken ließe.

Am dreiundzwanzigsten Tage des Heumonates ritten Witiko, bei dem Urban und Mathias waren, dann Odolen, Welislaw, Bogdan, Sezima, Bohuš, Beneda und Bernard, der Sohn des Mannes Soběslaw, zu dieser Spähe.

Aber sie konnten nichts entdecken.

An der Wiese bei Corneliano, die nahe an dem Lager Wladislaws war, flossen die Wasser ruhiger.

Da sagte Odolen: »Hier müssen unsere Reiter hinüber schwimmen, dann nehmen sie die Feinde in dem Rücken, und der unvergleichlichste Sieg steigt von dem Himmel nieder.«

»Mein Pferd trägt mich über das Wasser«, sagte Witiko, »die Waldpferde schwimmen hindurch, und wenn die andern auch die Kraft haben, so könnte das geschehen, was du sagst, und dann entstände die Freiheit, Brücken über den Fluß zu machen.«

»Ich schwimme leicht hinüber«, sagte Welislaw.

»Ich auch, ich auch«, riefen die andern.

»Und daß alle Reiter unsers Königs sehen, daß es möglich [] ist«, rief Odolen, »reite ich auf der Stelle in den Fluß und schwimme hinüber. Ihr kündet es dem Könige, und zeigt es dem ganzen Heere.«

Und da er diese Worte sprach, sahen sie in dem Flusse etwas schwimmen wie ein lebendes Wesen. Es wurde bald der Kopf eines Pferdes sichtbar, und mit dem Pferde waren nackte Arme und Glieder eines Menschen verschlungen. Beide kamen näher, und nach kurzer Frist ritt ein nackter Mann auf einem goldhellen Pferde das Ufer hinan mitten in die Männer hinein.

»Wolf«, rief Witiko.

»Ich habe mir ein Pferd geholt«, sagte Wolf, der auf dem Tiere schlotterte, »es wird doch jetzt mir gehören. Da sind Reiter gewesen, und haben ihre Pferde an Bäume gebunden, und sind der Kurzweil nachgegangen, und da habe ich mein Gewand ausgezogen, bin hinüber geschwommen, und habe ein Pferd genommen.«

»Wo sind die Reiter?« fragte Bohuš.

»Weiter oben, ich bin herab geschwommen, daß sie mich nicht mehr sehen«, sagte Wolf.

»So ziehe deine Kleider an«, sprach Witiko.

»Wenn mir einer das Pferd hält, daß ich sie suche«, sagte Wolf.

»Ich halte dir das Pferd«, sprach Mathias.

Wolf sprang jetzt herunter.

»Du herrlicher Gauch«, sagte Odolen, »du hast getan, was wir tun sollen, und was ich jetzt tun werde, du solltest ein Ritter sein.«

Und nach diesen Worten ritt er schnell in den Fluß, und sein Pferd begann zu schwimmen. Bernard und Bohuš folgten ihm. Bohuš kehrte wieder um.

»Zu dem Könige«, rief Witiko.

Und er ritt im schnellsten Rosseslaufe zu dem Zelte des Königs. Die andern folgten ihm.

Da er in das Gezelt getreten war, saß der König mit seinem [] Bruder Diepold und dem Bischofe Daniel bei dem Mittagmahle.

»Witiko, Welislaw, Sezima«, rief er.

»Hoher König«, rief Witiko, »eine Furt ist nicht da; aber Odolen schwimmt eben mit seinem Pferde durch den Fluß, um allen unsern Reitern zu zeigen, daß sie hinüber schwimmen können.«

»Odolen«, rief der König.

Er sprang von seinem Sitze auf, eilte aus dem Zelte und zu dem Flusse. Diepold, Daniel und die andern folgten ihm. Von den Begleitern Witikos war die Sache in dem Lager ausgerufen worden, und viele Krieger und selbst die Priester Daniels eilten herzu.

Sie sahen noch den schwimmenden Odolen und den schwimmenden Bernard. Bald war es ihnen, als sei in den Fluten das Pferd oben, bald der Mann. Aber die Schwimmer erreichten das Ufer, und ritten über das selbe hinauf.

»Was ein Mann kann, das kann auch ein zweiter«, rief der König, »und das können viele und Tausende. Rührt die Reiterpauken zur Sammlung.«

Ein Jubelruf der Krieger antwortete dem Könige auf diese Worte.

Alle eilten in das Lager, und es ertönten die Pauken.

Witiko ritt zu den Seinigen, und ließ das Reiterhorn der Sammlung ertönen. Und als die Reiter gerüstet in Ordnung standen, sprach er: »Brüder und Freunde, es ist keine Furt in dem Flusse, Odolen, der Sohn des Striz, und Bernard, der Sohn des Soběslaw, schwammen mit ihren Pferden durch das Wasser, und der König und seine Reiter werden hinüber schwimmen. Ich tue desgleichen, und rufe zu euch: wer es weiß, daß sein Pferd hinüber schwimmen kann, der folge mir, wenn er will.«

»Ich schwimme mit«, rief Mathias.

»Ich schwimme mit«, rief Urban.

[] »Ich schwimme mit«, rief Maz Albrecht.

»Ich schwimme mit«, rief Wolf, der nun im Kriegsgewande auf seinem geraubten Pferde herzu ritt.

»Unsere kleinen Rosse schwimmen oft zum Spiele über die hohe Moldau auf gute Weiden hinüber«, rief Philipp, der Steiger.

»Ich schwimme mit«, rief Augustin.

»Ich schwimme mit, ich schwimme mit«, riefen alle Männer.

»Also zu den Reitern des Königs, und mit ihnen und dem Könige durch das Wasser, und dann mit Gottes Hilfe auf die Feinde«, rief Witiko, »blaset zum Zuge.«

Und es ertönte das Horn zum Zuge, und Witiko ritt mit seinen Reitern zu dem Könige.

Dort erschollen noch immer die Pauken, und es sammelten sich die Männer. Der König ritt gerüstet zu ihnen, und rief: »Ihr wißt, was Odolen und Bernard getan haben. Mir wäre es Schmach, wenn ich hinter ihnen zurückbliebe, und wer so ist, wie Odolen, der folge mir zur Vernichtung der Feinde.«

»Heil Wladislaw«, riefen die Reiter.

Und die Pauken tönten die Zugsbereitschaft, der König stellte sich an die Spitze, und die Reiter ritten auf die Wiese. Und von der Wiese ritt der König zuerst in das Wasser, gleich nach ihm Diepold, dann Welislaw, dann Zwest, dann Beneda, Předbor sprang mit seinem Pferde hinein, daß der Schaum emporschlug, Kochan war eines Satzes drinnen, Bogdan auch, Witiko suchte eine Stelle, und ritt an der Spitze aller seiner Waldreiter hinein, so auch Rowno mit den Seinigen, Diet von Wettern, der von Prachatic, Osel mit seinen Söhnen, und so alle aus dem Walde. Sogar die älteren Führer und Lechen blieben nicht zurück, und die Reiter drängten sich nach, daß kein einziger in dem Lager war. Und bald war die weite rinnende Fläche mit schwimmenden Pferden und Männern [] bedeckt, die Tiere arbeiteten und strebten dem Ziele zu, die Männer suchten sich zu erhalten, und sogar die Tiere zu lenken. Sie wurden auseinander getragen, und viele trieben in den Wogen hinunter. Dann erreichten zuerst einige das Ufer, dann mehrere, dann wieder mehrere, bis der Fluß leer war. Sie ritten auf festen Grund, und ordneten sich nach dem Schalle der Pauken und Hörner zu ihren Zeichen. Die nicht da waren, auf die konnte nicht gewartet werden.

Wladislaw ließ sie an dem Wasser aufwärts reiten.

Bald waren sie bei den Feinden. Diese waren nicht in Kampfesbereitschaft. Die Reiter stürzten gegen sie, umringten sie von allen Seiten, tobten mit ihren Waffen gegen sie, und töteten eine große Zahl, und nahmen viele gefangen. Von beiden Teilen stieg das Geschrei gegen den Himmel, von den Böhmen ein freudiges über den Sieg, von den Mailändern ein jammerndes über das unvermutete Unheil.

Die Krieger in dem Lager des Kaisers hörten das Getümmel und das Rufen, und eilten an das Wasser. Sie meinten, es seien Hilfsscharen zu den Mailändern gekommen; als sie aber den Schall der Reiterpauken der Böhmen erkannten, und sahen, wie diese ihre Gegner niederstürzten, erhoben sie ein Jubeljauchzen über einen solchen Sieg und über das Wunder, wie man durch das reißende Wasser habe gelangen können. Der Kaiser kam selber an den Fluß, und sah, was auf dem Ufer der Feinde geschah. Und die Nachricht ging in alle andern Lager, und von allen Seiten kamen Krieger herzu.

Als die Mailänder sich in die Flucht wendeten, befahl Wladislaw seinem Bruder Diepold, sie mit einer großen Zahl erlesener Reiter zu verfolgen. Er begab sich mit den übrigen Männern zu der Brücke, und sie begannen eifrig zu arbeiten, um die Brücke wieder herzustellen. Der Kaiser ließ auf seiner Seite auch mit allem Nötigen an das [] Werk gehen. Aber es kam die Finsternis der Nacht, und die Brücke war noch nicht fertig. Diepold kehrte mit seinen Reitern zurück. Nun arbeiteten die Männer, ein Lager mit Gräben und Wällen zu befestigen. Die Reiter des Waldes, welche mit Witiko an dem Zuge Diepolds Teil genommen hatten, gruben nun eifrig mit Schaufeln in den Gräben, daß das Lager bald fertig werde. Dann stärkten sie sich durch Speise und Trank, und brachten die Nacht unter dem freien Himmel zu.

In der Finsternis sah man Dörfer, Häuser und Schlösser brennen.

Bei dem ersten Lichte des Morgens begannen sie und die Männer des Kaisers wieder an der Brücke zu arbeiten. Da kam die Nachricht, daß das Heer der Mailänder, welches von Gorgonzola zur Verteidigung der Brücke abgeschickt worden war, heranziehe. Der König berief einen Rat, und es wurde beschlossen, daß man den Feinden, so weit man könnte, entgegen gehen wolle. Eine erlesene Schar von Reitern wurde vorausgesendet, um die Lage und die Zahl der Feinde zu erkunden. Sie stießen auf ein großes Heer der Mailänder, und begannen sogleich den Kampf, die Mailänder stritten sehr tapfer. Zwest, ein sehr geehrter Mann, der Župan von Melnik, sank zum Tode getroffen von seinem Pferde. Gegen den edlen Lechen Diwa sprengte ein starker Mailänder an, und schlug ihn an der Stirne zu Tode; aber sein Schwestersohn Bernard stürmte an den Mailänder, und spaltete ihm das Haupt. Und wie Odolen gestern durch die Fluten gedrängt hatte, so drängte er heute in die Feinde. Welislaw ging mit seinen Männern vorwärts, Předbor mit den seinigen auch, Božebor kämpfte, als wollte er sich die Hoheit der Krone erkämpfen, Kochan und Bogdan taten, was sie in der Versammlung in Prag gesagt hatten. Die Reiter des mittäglichen Waldes waren wie in den früheren Kriegen an der rechten Seite der Scharen, und wie die [] Fußgänger des Waldes auf dem Wysoka geschlossen vorwärts gegangen waren, so gingen jetzt die Reiter auf ihren kleinen Rossen dicht nach vorn, und wie Sifrid von Milnet gesagt hatte, daß sie den Scharen Wratislaws keinen Grashalm gelassen hätten, so ließen sie jetzt den Mailändern keinen. Witiko war an ihrer Spitze, und gab mit seiner hellen Stimme die Befehle, und die Männer sahen öfter auf seine blauen Augen. Und Rowno und die andern gingen gleichmäßig mit Witiko vorwärts. An der linken Seite der Waldreiter war nicht mehr der alte Bolemil in seiner Sänfte, zu der einst kein Krieger einen Feind hatte nahen lassen; aber es waren seine Enkel und Urenkel da, und sie ließen wie die auf dem Wysoka ihren Platz den Mailändern nicht. Links von ihnen waren Moyslaw und Radosta, die Söhne Lubomirs, und es waren ihre Söhne und Sippen und die Sippen und Männer von Daudleb. Links von diesen waren die Sippen Wšebors, und kämpften, als ob die Augen ihres uralten Wladyken bei ihnen wären. Und diejenigen Reiter Wladislaws, welche zurückgeblieben waren, kamen nun herzu, und das an der Zahl der Männer so ungemein überlegene Heer der tapferen Mailänder begann zu wanken, und geriet endlich in die Flucht. Die Reiter Wladislaws verfolgten sie, so weit sie konnten, und die Mailänder erlitten eine Niederlage, wie sie wenige erlitten hatten. Als die Reiter zurückkehrten, führten sie viele Gefangene mit sich, darunter siebenzig sehr vornehme Männer.

Nach diesem Kampfe konnte aber noch keine Ruhe kommen; denn der König arbeitete mit einer großen Zahl seiner Männer an der Brücke. Andere seiner Männer suchten durch Flöße und Bäume eine zweite Brücke für ihre Fußgänger herzustellen.

Die Brücke bei Cassano wurde endlich fertig. Der Kaiser war der erste, welcher hinüber ritt. Er ritt zu dem Könige [] Wladislaw, welcher ihn stehend erwartete. Als er bei dem Könige angekommen war, stieg er von dem Pferde, und schloß den König in seine Arme. Die Krieger erhoben einen Jubelruf.

Und hinter dem Kaiser drängte sich das Heer auf der Brücke.

Als der Bischof Daniel diesen Sieg des Königs Wladislaw erfahren hatte, beschloß er zu ihm zu eilen. Er ging auf die Brücke. Viele aus seinem Lande strebten zu den Ihrigen hinüber. Ihr Ungestüm vermochte niemand zu bändigen, und es wurden Verwirrungen, Stockungen und Verwundungen. Man sagte, die Brücke werde brechen. Daniel verweilte aber auf derselben. Er spendete Verwundeten, die er traf, kirchlichen Trost, und kam glücklich zu dem Könige. Sie begrüßten sich, Daniel segnete den König des Sieges willen, der König dankte, und beide Männer sprachen Worte der Freude. Nur eines war schmerzlich, da die Nachricht kam, daß Mladorka, der Schildträger des Bischofs, unter den Toten sei.

Die Brücke des Kaisers brach, und manche verloren ihr Leben. Man arbeitete neuerdings, den Schaden wieder gut zu machen.

Auf der Brücke der Böhmen wollten die Führer den Übergang leiten; aber auch hier herrschte die Begierde, die Brücke brach, und viele gingen zu Grunde.

Man schritt wieder an die Ausbesserung.

Am fünfundzwanzigsten Tage des Heumonates gingen die letzten Teile des Heeres über den Fluß Adda.

Wladislaw sorgte für die Toten und Verwundeten, ordnete seine Scharen, dankte denen, die mit ihm über den Fluß geschwommen und denen, die nachgekommen waren. Er nahm manchen Mann bei beiden Händen, so Odolen, Bernard, Welislaw, Witiko. Dann gönnte er dem Heere eine kurze Ruhe.

Die kirchlichen und weltlichen Fürsten des deutschen [] Reiches, so wie treue vornehme Männer des lombardischen Landes kamen zu dem Könige Wladislaw, und brachten ihm ihre Ehrerbietung über seine Taten dar, und priesen die Taten seiner Männer. Es kamen die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, es kam Heinrich, der Herzog von Österreich, es kam Friedrich, der Herzog von Schwaben, es kam Konrad, der Pfalzgraf am Rhein, es kam Heinrich, der Herzog von Kärnten, es kam Ludwig, der Landgraf von Thüringen, Berthold, der Herzog von Zähringen, der Markgraf von Montferrat und andere.

Witiko brachte seine Männer in die Verbindung, in der sie auf dem Zuge bis zu der Adda gewesen waren. Dann dankte er den Reitern für das, was sie getan hatten, wie er seinen Männern in dem mährischen Kriege nach den Schlachten gedankt hatte. Die Verwundeten ließ er in gute Obsorge bringen. Dann sammelte man die Namen der Männer, die fehlten. Witiko leitete die Forschungen ein, um, wie es nur immer geschehen könnte, ihr Schicksal zu ergründen, damit er es in der Zeit den Ihrigen melden könnte. Vor seinem Gezelte war das rosenrote Banner, welches Wladislaw den Waldleuten gegeben hatte. Als die Ordnung hergestellt war, zündete man Feuer an, um Speisen zu bereiten.

In dieser Zeit kam Heinrich, der Vater Berthas, zu Witiko in das Gezelt. Er redete von dem Siege des Königs Wladislaw, und lobte, was Witiko getan hatte, und Witiko freute sich mit seinem Schwiegervater. Es kam auch Gebhart, der Bruder Heinrichs, und pries die zwei Tage. Es kamen noch Heinrich von Oftering, dann die Ritter vom Kürenberge, Udalrich von Marbach, Werinhard von Brun, Chunrad von Asparn, Hartung von Ruhenegk, Marchard von Hintberg, Wolftrigil von Stein, Thiemo von der Aue, es kamen Wolfgang von Ortau, Rudolph von Bergheim, Hans vom Wörthe und Adalbert von der [] Au. Sie jubelten über den Ruhm, den Witikos Taten verdienten, und Thiemo schloß ihn in die Arme und rief: »Du bist fast so tapfer, wie wir in der alten Zeit gewesen sind, nur nicht so lustig. Und das ist schade. Wenn alle, die da singen und sagen, von euerm Ritterkönige singen und sagen werden, von Odolen, von Bernard, von dir, von Welislaw, und von andern, deren Namen ich nicht aussprechen kann, so werden sie von dir nicht sagen können, er war fröhlich und ausgelassen wie die Blume der Ritter, und das herrliche Bildwerk ist dann nicht vollendet.«

»Ich bin ein ländlicher Mann«, sagte Witiko, »und stehe weit hinter dir, Thiemo, und von mir wird niemand singen und sagen.«

»Wie weißt du das?« sprach Thiemo. »Von uns allen werden sie singen und sagen: von dem zierlichen Degen, dem Kaiser Friedrich mit dem roten Barte, von dem Könige von Böhmen, von dem erlauchten Herzoge von Österreich, und von dem von Kärnten und Dalmatien und Zähringen und Schwaben und von den Fürsten und Bischöfen und Erzbischöfen, und was so da ist. Und von uns und von dem berühmten Kriege gegen die Mailänder werden die Menschen bis zu dem letzten Gerichte Gottes reden, und wir andern, Rudeger, der Degen, und die Chunringe, und ich und alle werden bei Mailand schon auch etwas tun, das der Rede wert ist. Und in euerm Lager ist ja schon ein frommer friedfertiger Mann, der alles aufschreibt, was getan wird, Vincentius, der der Schreiber eures Bischofes ist. Der fromme Mann ist, da die Gefahr auf der Brücke war, von ihr weg bei uns vorüber zu dem Herzoge von Kärnten gegangen, und hat die Nacht dort gewartet.«

»Nach meiner Hoffnung, Witiko, wird unser Herzog sorgen«, sagte Marchard von Hintberg, »daß wir Österreicher nicht zu weit zurückstehen. Wir haben noch den [] Weg nach Mailand, und wir haben die Arbeit vor Mailand.«

»Ihr werdet wohl Größeres tun als wir«, sagte Witiko, »die wir über einen brückenlosen Fluß schwammen, weil wir schwimmen können, die wir uns wehrten, da Mailänder daher kamen.«

»Und in dem Lager des Kaisers wird wohl auch vergönnt sein, zu wirken«, sagte Wolfgang von Ortau.

»Und des Herzogs von Schwaben«, sagte Hans vom Wörthe.

»Und des von Zähringen«, sagte Adalbert von der Au.

»Wir werden noch alle genug erhalten, ihr aus Franken und Schwaben und Burgund und wir aus Österreich«, rief Thiemo von der Aue, »der Kaiser scheint nicht darnach angetan, uns ohne Arbeit zu lassen, daß wir Kurzweil treiben wie heute.«

»Gehabe dich wohl, Witiko«, sprach Marchard von Hintberg, »vielleicht ist doch vor Mailand eine Stunde, in der wir uns wieder sehen.«

»Es wird mir eine Freude sein, dich zu sehen, Marchard, und, wenn es sein kann, komme ich in euer Lager«, sagte Witiko.

»Du brüderlicher Mann«, sagte der Ritter vom Kürenberge, »wenn wir einmal graue Haare haben, werden wir mit Bechern bei einander sitzen, und von der Vergangenheit reden und singen; jetzt jagen wir fröhlich in die Gegenwart.«

»Und sei uns allen ein Freund, wie wir deine Freunde sind«, rief Heinrich von Oftering, »und gehabe dich wohl, und komme, wenn alles aus ist, bald wieder in unser Oberland, das jetzt ein Stück lustigen Österreichs ist, und betrachte sein Getreide und sein Obst, du magst nun zu den Eltern deiner Gattin auf die Burg Schauenberg bei der Stadt Eferdingen gehen, oder ein wenig links davon nach Oftering oder auf den Kürenberg. Und [] wir werden wohl wieder auch in deinen Wald kommen, und da eure Berge und Schluchten und Wasser und Felsen betrachten.«

»So können wir tun, wenn wieder der Frieden ist«, sagte Witiko.

»Und so gehabe dich wohl«, sprach Heinrich von Oftering.

»Gehabe dich wohl«, riefen die andern.

»Gehabt euch wohl«, sagte Witiko.

Und sie entfernten sich, und begaben sich in ihre Lager.

Und als die Heere sich durch eine kurze Ruhe und durch Nahrungsmittel erquickt hatten, zog der Kaiser noch an diesem Tage vor die Veste Trezzo, um sie zu belagern.

Am fünften Tage der Belagerung mußte sich die Veste ergeben.

Von da zog das Heer nach Lodi. Dort lagerte es. Der Kaiser lagerte in den Trümmern der Stadt, die von den Mailändern zerstört worden war. Die rosenroten Banner des Königs Wladislaw ragten auch von diesen Trümmern empor. Die andern waren weithin an dem Lambro ausgebreitet.

Hier hielt der Kaiser mit dem Könige Wladislaw und den Fürsten einen Rat, um den Zug gegen Mailand zu ordnen.

In diese Versammlung kamen Abgesandte derer, die Lodi bewohnt hatten, und flehten den Kaiser um Hilfe an.

Der Kaiser sagte, es werde ihnen geholfen werden.

Dann kamen auch noch einmal Abgesandte von Mailand, welche unter dem Schutze des Kaisers zugelassen wurden.

Sie sprachen vor der Versammlung: »Die Stadt Mailand sendet dem hocherhabenen Kaiser die untertänige Verehrung. Die Stadt Mailand möchte den Frieden aufrecht erhalten, und daß der Frieden bleiben könne, will die treue Stadt Mailand unterwürfig sein, sie will die Hoheit des Kaisers unverbrüchlich ehren, und dem Kaiser die volle Genugtuung leisten.«

[] Der Kaiser fragte: »Bringet ihr die unbedingte Unterwerfung, oder habet ihr Bedingungen in Bereitschaft?«

Die Abgeordneten antworteten: »Wir bringen zuerst die Unterwerfung, dann werden die erscheinen, welche die Bedingungen bringen.«

»Und was sprechen die Herren, die in dem Rate sind?« fragte der Kaiser.

Berthold, der Herzog von Zähringen, sagte: »Wenn Mailand eine giltige Bürgschaft gibt, daß es die volle Genugtuung leisten wolle, so könnte wohl der Frieden wieder hergestellt werden.«

»Es muß eine vollständige Gewähr gegeben werden«, sagte der Herzog von Kärnten.

Konrad, der Pfalzgraf am Rheine, sprach: »Sie sollten unverzüglich verkündigen, welche Gewähr sie für die volle Genugtuung bieten, und dann möge beschlossen werden, ob die Gewähr anzunehmen ist oder nicht.«

»Wir sollten alles tun, den Frieden zu errichten, und das Blutvergießen zu enden«, sagte der Bischof von Eichstätt.

»Und du sprichst nicht, erlauchter König von Böhmen?« fragte der Kaiser.

»Ich hätte später gesprochen«, antwortete Wladislaw, »jetzt aber sage ich: in dieser Zeit kann eine volle Gewähr nicht gegeben werden. Sie hätte sollen früher gegeben werden, oder sie muß gegeben werden, wenn noch größere Dinge geschehen sind.«

»Das ist wahr, das ist wahr«, riefen mehrere Stimmen.

»Und es ist auch der Wille gar nicht vorhanden, eine giltige Gewähr zu geben«, sagte der Markgraf von Montferrat.

»Sie geben keine«, rief der Führer derer von Pavia.

Nun stand Anselm, der Erzbischof von Ravenna, auf, und sprach: »Es erlaube mir deine Hoheit, erhabener Kaiser, daß ich zu denen, die gesendet sind, und daß ich zu den erlauchten Fürsten einige Worte rede.«

[] »Rede«, sagte der Kaiser.

Und Anselm wendete sich zu den Abgesandten Mailands, und sprach: »Ihr habt süße Worte in dem Munde, und den Fuchs in dem Herzen. In der Versammlung von Brescia habet ihr Forderungen der Herrschaft gemacht, ihr wolltet euch den König und die Obrigkeiten wählen, ihr wolltet euch Gesetze geben: und nun bringt ihr Unterwerfung. Seid ihr zur Erkenntnis gekommen, daß eure Forderungen ungerecht sind? Und wodurch seid ihr zu der Erkenntnis gekommen? Ihr seid nicht zu ihr gekommen, oder ihr seid immer bei ihr gewesen, und habt nur nicht nach ihr gehandelt, sondern habt Gewalt und Herrschaft gewollt, und hättet gerne die Herrschaft des Königs und Reiches über euch ferne gehalten. Ihr redet jetzt, wie ihr redet, um in der Gegenwart dem Übel zu entgehen, das euch droht. Warum habt ihr keine Bedingungen des Friedens bei euch? Daß Zeit vergeht, daß dem großen Heere in derselben irgend wie Abbruch geschehe, daß sich etwas ereigne, das euch günstig ist, und wie es sonst noch in der Zeit sein kann. Der erlauchte Markgraf von Montferrat hat gesagt: sie wollen keine Gewähr geben, und die Weisheit des hohen Königs von Böhmen hat gesagt: sie können keine geben. Und sie können auch keine geben. Sie hätten sie früher aus Gerechtigkeit geben müssen, und sie müssen sie später aus Ohnmacht geben. Ich rede zu euch, ihr hohen Herren der Versammlung. Welche Bürgschaft werden sie geben, die gilt? Sie werden aus ihrem Reichtume viel Gold darbringen, sie werden sich allem, was der hocherhabene Kaiser verlangt, fügen, und werden versprechen, alle seine künftigen Befehle zu befolgen, und sie werden Geiseln stellen. Und wenn der Kaiser seine Einrichtungen in dem lombardischen Lande gemacht hat, und wenn er seine Stellvertreter und seine Obrigkeiten eingesetzt hat, wenn er dann über die Alpen zurückgekehrt ist, wenn der [] Frieden gesichert scheint, und die Geiseln entlassen worden sind: dann wird Mailand handeln, wie es früher gehandelt hat, es wird die Oberherrschaft führen, wo es kann, es wird die kaiserlichen Mahnungen nicht befolgen, und, wenn es auf Sieg hofft, den Kaiser bekriegen. Wann hat Mailand seine Versprechen gehalten? Ich rede nicht von früheren Kaisern; ihr wißt, wie es war. Ich rede nur von dir selber, hocherhabener Herr. Hat nicht Mailand die treue Stadt Lodi zerstört? Hat es nicht Como zerstört, und die Bewohner gezwungen, außerhalb der Stadt zu leben? Hat es nicht die getreue Stadt Pavia mit schwerem Kriege überzogen? Und hat es auf deine Mahnungen Reue gezeigt? Nein. Als du verlangtest, Lodi und Como sollten wieder hergestellt werden, boten sie dir viertausend Mark, wenn du ihnen die Herrschaft über diese Städte gewährest. Sie begehrten auf die Weise Herrschaft über andere sogar von dir. Haben sie vor vier Jahren ihr Versprechen, dein Heer zu verpflegen, gehalten? Sie haben dich in eine Gegend, die schon ausgezehret war, geführt. Am ersten Tage fehlte es den Pferden an Futter, und in den zwei folgenden litt in Rosate das Heer Hunger. Die Mailänder hatten dort große Vorräte, du botest ihnen dafür Bezahlung, und sie verweigerten sie. Das taten sie, als du mit einem großen Heere in dem Lande warest, was werden sie tun, wenn du mit dem Heere ferne bist? Hat dir nicht Tortona getrotzt, weil es mit Mailand im Bunde war, und auf dessen Sieg hoffte? Und ist es nicht, da du es zerstört hattest, von Mailand wieder aufgebaut worden? Die Mailänder werden deine Hoheit nur ehren, wenn sie nicht mehr anders können. Du mußt ihnen die Macht nehmen. Und selbst dann, wenn ihnen nur ein Schein von Hoffnung zum Siege kömmt, werden sie wieder gegen dich aufstehen, und dich zu einem neuen Zuge gegen sie zwingen. Mögest du nicht, wenn du einmal Güte gegen sie üben solltest, in [] einer Zeit erfahren, wie übel sie angewendet war, und möge nicht einst viel Blut die Sache heilen müssen, die jetzt weniges heilet. Jetzt kann die Entscheidung gebracht werden. Jeder Frieden, er sei, wie er wolle, schiebt sie auf, und macht sie schwer. Sie haben Gewalt geübt, so mögen sie nun Gewalt erfahren. Mit dem Maße, mit dem sie gemessen haben, soll ihnen wieder gemessen werden. So rede ich, der ich die Leute der Stadt Mailand und ihre Hoffnungen und ihre Wünsche und ihre Begierden kenne.«

»Es ist so«, »ja so ist es«, »so ist es«, riefen viele Männer.

»Sie haben die wilden Forderungen gestellt, da du schon die große Kriegsmacht gegen sie führtest, und sie sagen die demütigen Worte, um alles zu verwirren. Ihre letzte Waffe muß zerbrochen werden, daß sie nicht mehr schaden«, rief Friedrich, der Herzog von Schwaben.

»Sie haben immer Tücke geübt, und zu uns kam sehr oft die Kunde«, sagte Heinrich, der Herzog von Kärnten.

»Und sie haben Grausamkeiten geübt, wie sie die Heiden in den alten Zeiten nicht geübt haben. Um uns herum, wie wir versammelt sind, stehen die Überreste der Stadt Lodi, einer Stadt des nämlichen Landes wie Mailand, einer Schwester von Mailand, die sie zerstört haben. Die traurigen Trümmer sehen zu dem blauen Himmel empor, und schreien zu dem Himmel um Rache, und zerreißen uns das Herz«, sagte der Bischof von Würzburg.

»Und so sind auch die Trümmer von Como, und von mancher Kirche und von manchem Schlosse und von mancher Veste, die dem Kaiser treu war, und so wären die Trümmer von Pavia, wenn sie die Stadt erobert hätten«, rief der Führer von Pavia.

»So ist es, so ist es«, riefen mehrere Männer.

Heinrich, der Herzog von Österreich, sprach: »Sie bringen nur Worte, und wollen durch Lockungen von dem [] Weg abführen. Ich denke, wir sollen auf ihm zur Entscheidung gehen, wie wir sie erstreben.«

»Ja, wie wir sie erstreben, und wie sie auch nur gerecht ist«, sagte der Erzbischof von Mainz.

»Wozu wir ausgezogen sind, und was wir erstreben«, sagte Otto, der Pfalzgraf in Baiern.

»Der hocherhabene Kaiser ist dem Reiche und wir sind den Ländern entfremdet, wenn wir durch Verhandlungen hingeschleppt werden«, sagte Ludwig, der Landgraf von Thüringen.

»Zur Entscheidung«, riefen mehrere der Herren.

»Und was ist die Folge des Beschlusses?« fragte der Kaiser.

»Der Bann«, sagte der Erzbischof von Mainz.

»Der Bann«, sagte der Erzbischof von Trier.

»Der Bann«, sagte der Erzbischof von Köln.

»Der Bann«, sagten die Herzoge und Bischöfe und Fürsten.

Dann sprach der Kaiser zu den Abgesandten von Mailand: »Ihr habt den Krieg gegen mich dem Gehorsame für meine Worte vorgezogen, und mich zu dem Zuge nach Italien genötigt. Ihr seid mir mit aufrührerischen Forderungen entgegen gekommen, und habt dann die Waffen gegen mich gebraucht. Es ist sehr viel Blut vergossen worden, und daß es nicht ungerecht vergossen worden ist, muß vollendet werden, was begonnen worden ist. Wir führen den Krieg weiter, den ihr erhoben habt, und wir schließen die Empörung, in der ihr verharren wollt. Und so banne ich mit der Zustimmung der Fürsten und der Herren des Reiches eure Stadt.«

Und er warf nach dem Brauche sein Szepter auf die Erde.

Dann sprach er zu den Abgesandten: »Verkündiget dieses denen, die euch gesandt haben, und sagt ihnen, wir werden die Gesetze des Friedens bei ihnen machen, daß er daure. Jetzt entfernt euch.«

[] Die Abgesandten verließen die Versammlung.

An dem folgenden Tage, dem fünften des Erntemonates, ging das Heer in sieben Zügen gegen Mailand. Den ersten Zug führte Konrad, der Bruder des Kaisers, der Pfalzgraf am Rheine. Den zweiten Zug führte Friedrich, der Herzog von Schwaben, den dritten Wladislaw, der König von Böhmen, den vierten Heinrich, der Herzog von Österreich, den fünften der Kaiser, den sechsten Otto, der Pfalzgraf in Baiern, den siebenten Friedrich, der Erzbischof von Köln.

An diesem Tage ritt Eckbert, der Graf von Pütten, mit fünfhundert Reitern und einem Gefolge bis nahe gegen Mailand. Aber da es Abend wurde, und da er der Gegend unkundig war, ritten mailändische Scharen gegen ihn aus der Stadt, erreichten ihn, und besiegten ihn, und er verlor sein Leben. Die Mönche der Abtei Chiaravalle begruben ihn. In dem Heere entstand Trauer um den Mann, weil sie ihn als sehr edel und tapfer geachtet hatten. Der Kaiser aber gab das Gesetz, daß keiner Anordnungen treffe, als unter dem Befehle des Feldherrn, es sei denn, daß er zum Kampfe gezwungen würde.

Am sechsten Tage des Erntemonates zog das Heer vor die Stadt.

An der Spitze des Zuges waren die Lagermeister, dann kamen die Träger der kaiserlichen Adler und die, welche mit Zinken und Pauken, mit Pfeifen und Hörnern, mit Posaunen und Flöten kriegerische Töne erschallen ließen. Dann kam das Heer. Es sang Lieder zu den Tönen des Krieges. Dann waren die Kriegswerkzeuge und die Wägen und Säumer mit den Habschaften. Dann kam der Troß.

Die Mailänder waren auf den Mauern ihrer Stadt, und sahen das Heer kommen.

Und als das Heer vor der Stadt angekommen war, schauten die Augen aller Männer auf sie. Sie sahen, daß sie [] sehr groß und mit sehr starken Befestigungen umgeben sei.

Der Kaiser befahl nun, daß man sich vor der Stadt lagere, und die Lager mit Gräben und Wällen und Verrammlungen umgebe. Die Krieger und alle die Leute, die herbei genommen worden waren, begannen nun sofort die Arbeit. Die Feinde in der Stadt sahen auf dieses Beginnen, störten es aber nicht.

Mit sieben großen Lagern war noch an dem nämlichen Tage die Stadt umgeben.

Der Kaiser lagerte um die Allerheiligenkirche fast in der Richtung gegen den Morgen von der Stadt. Wladislaw stellte in der Richtung zwischen Morgen und Mitternacht seine Gezelte mit seinem Bruder Diepold und dem Bischofe Daniel in dem Kloster des heiligen Dionysius und um dasselbe herum auf. Etwas weiter von ihm entfernt gegen den Abend hin standen die Gezelte Konrads, des Pfalzgrafen am Rheine, und Friedrichs, des Herzogs von Schwaben. Sie standen neben einander, weil sie Gezelte von Verwandten waren. Im Mittage von dem Kaiser waren die andern Fürsten. Der Erzbischof von Köln war bei der Kirche des heiligen Celsus in der Richtung zwischen Mittag und Abend von der Stadt. Weiter gegen Abend waren die, welche dem Befehle des Herzoges von Schwaben zugeteilt waren, der Markgraf von Montferrat und die aus Verona, Brescia und Mantua. Dann waren die aus Vicenza, Pavia, Cremona, Como und andern Gebieten.

Witiko ordnete seine Leute in dem Teile des böhmischen Lagers, der ihm zugewiesen worden war, wieder in ein eigenes Lager. Die Obmänner mußten in der Mitte der Abteilungen und unter sich und mit Witiko in Verbindung sein. Die Reiter waren an der rechten Seite der Fußgänger. Von ihnen rechts waren wieder andere Reiter des Waldes. Witiko hatte sein Gezelt zwischen Fußgängern [] und Reitern. Alle Männer, besonders die Reiter, mußten stets in Kampfesbereitschaft sein. Witiko sorgte gleich nach der Errichtung des Lagers für Nahrung, und er traf die Obsorge, daß sie in den folgenden Tagen nicht fehle.

So waren seine Männer nun in dem Lager um ihn, und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Und wie sie einstens von den Zinnen der Stadt Prag, die sie verteidigen sollten, auf die Stadt und auf die Belagerer hinabschauten, und sich von der Stadt allerlei Dinge erzählten, so schauten sie nun von dem Lager, von dem aus sie eine Stadt gewinnen sollten, auf die Stadt, und erzählten sich von ihr und von dem Lande, in dem sie waren, verschiedene Dinge, die sie während ihres Aufenthaltes in dem Lande schon erfahren hatten.

Gegen den Abend des ersten Tages kam Urban mit einem Boten in das Gezelt Witikos, und der Bote sagte, das Lager Konrads, des Pfalzgrafen, und das Friedrichs, des Herzogs von Schwaben, sei überfallen worden, und der Pfalzgraf sei in argen Nöten, und bitte um schleunige Hilfe.

»Laßt alle Reiter auf die Pferde sitzen«, rief Witiko.

Urban eilte aus dem Gezelte, bald tönten die Zeichen des Hornes, und die Reiter setzten sich in Bereitschaft. Witiko bestieg sein Pferd, und stellte sich an ihre Spitze.

Da kam auch der Befehl des Königs, mit ihm in das Lager des Pfalzgrafen zu reiten.

Witikos Reiter schlossen sich mit andern Waldreitern denen des Königs an. Der König führte die böhmischen Reiter, und sie ritten in der größten Schnelligkeit gegen das Lager Konrads. Und wie die Waldreiter gelernt hatten, durch Gebüsche und über Gebüsche hinweg zu reiten, so ritten sie jetzt auch über die Verwallungen der Weingelände, über Umfriedungen der Gärten und über das Ungleiche und Ungewohnte des Bodens dahin. Der [] König brach unter dem Schalle seiner Pauken in das Lager Konrads. Die Pferde sprangen an manchen Stellen über die Verrammlungen. Als die Männer Konrads den Schall der böhmischen Pauken hörten, erhoben sie ein Freudengeschrei, und kämpften ermutigter und fröhlicher. Witiko führte seine Männer geschlossen in die Feinde. Der König eilte ihm voraus, und stürzte in sie. Er brachte denen, die im Gedränge waren, schnell Hilfe, und kämpfte, und befahl. Er stieß mit seiner Lanze den Fahnenträger der Mailänder, Tazo von Mandello, zu Boden, und eben so den Vizegrafen Gerhard. Witiko drängte an die Seite des Königs, kämpfte und befahl auch, und die Reiter des Waldes waren mit ihren Waffen behende gegen die Mailänder wie sonst gegen die Bären ihrer Heimat. An der andern Seite des Königs waren Odolen und Welislaw und Kochan und Předbor und Bogdan. Sie drückten die Feinde rückwärts. Die Männer Konrads erhoben sich auch zu erneuertem Grimme, und wie die Tapferkeit der Mailänder auch leuchtete, so mußten sie doch weichen. Sie flohen gegen die Stadt. Der König verfolgte sie. Odolen rief, man dränge mit den Mailändern in die Stadt. Es war im Gelingen; aber da kam die Finsternis der Nacht, die den Mailändern zum Nutzen, den Böhmen zum Hindernis ward. Der Kampf mußte enden.

Man sorgte nun für die Verwundeten und Toten.

Manche Männer des Pfalzgrafen Konrad und manche des Königs Wladislaw hatten Wunden empfangen, und manche hatten ihr Leben verloren. In dem Morgengrauen brachten Reiter des Königs die entseelten Körper der edlen Herren Mikus, Otto, Zwestec und Herart in das Lager. Der Bischof Daniel bestattete sie mit dem Beistande seiner Priester und in der Gegenwart des Königs und seiner Führer und vieler Krieger in der Abtei Chiaravalle, neben der Stelle, wo der Graf Eckbert von Pütten ruhte.

[] An diesem Tage begannen die Mailänder an jenem Teile der Stadt, gegen welchen die Böhmen lagerten, die Befestigungen zu verstärken. Sie verschütteten dann die Tore mit Steinen, und ließen nur ein kleines Pförtchen an dem Tore frei, welches das neue Tor hieß.

Der Kaiser berief die Fürsten zu einem Rate. Manche waren bekümmert, wie man eine so große und wohlbefestigte Stadt werde einnehmen können.

Der Kaiser sagte: »Weil sie so groß ist, wird sie bald in unsere Hände fallen. Sie braucht täglich so viele Dinge, daß bald Mangel in ihr sein wird. Und weil sie so viele Landleute in sich aufgenommen hat, wird dieser Mangel eher kommen als sonst. An uns ist es nun, daß wir alles, was in sie gebracht werden könnte, ausschließen, und daß wir, wenn die Mailänder hervorbrechen, sie stets zurückschlagen. Darauf, meine ich, müssen wir unsern Ratschluß fassen.«

Wladislaw, der König von Böhmen, wurde zuerst um seine Meinung gefragt. Er stimmte dem Kaiser bei. Dann sprachen die Erzbischöfe, die Herzoge und Fürsten die nämliche Meinung aus.

Darauf wurde beraten, wie man die Lager zur Umschließung der Stadt stellen müsse.

Die Lager wurden nach dem Beschlusse enger an einander gerückt, und der Kreis um die Stadt wurde kleiner. Zwischen den Lagern und in der Umgebung streiften Scharen, die alles wegnahmen, was für die Stadt bestimmt war. Die böhmischen Männer zerstörten in der Umgegend Schlösser, machten Beute, und brachten Gefangene herein. Die Krieger von lombardischen Städten, gegen welche Mailand feindselig gewesen war, übten Rache, und zerstörten ringsum Felder und Gärten bis auf den Grund. Die Mailänder kamen oft heraus, und es waren an verschiedenen Stellen Kämpfe. Aber sie konnten den Kreis nicht durchbrechen oder zerstören.

[] Außerhalb der Stadt war ein starker Turm, welcher der römische Bogen genannt wurde, weil die Sage war, daß die Römer einmal den Turm zur Erinnerung ihrer Eroberung Mailands gebaut haben. Auf dem Turme waren Mailänder mit Kriegswerkzeugen und Schleudergeräten gegen die Belagerer aufgestellt. Die Zinnen des römischen Tores und des Tonsatores schützten den Turm. Seit dem Beginne der Belagerung suchten die Männer des Kaisers den Turm zu gewinnen; aber sie konnten nicht zu ihrem Ziele gelangen. Da stürmte eines Tages der Kaiser das römische Tor und das Tonsator, und andere Abteilungen kämpften gegen den Turm. Da mußten sich die Männer des Turmes ergeben.

Es war gleich darauf an diesem Tage ein großer Kampf der Mailänder gegen die Böhmen an dem neuen Tore. Die Mailänder wurden zurückgetrieben.

Es entstand auch noch an dem Tage ein erneuerter Kampf an dem römischen Tore.

An dem folgenden Tage, dem zwölften Tage des Erntemonates, sendeten die Mailänder Boten in das Lager des Kaisers, welche baten, daß man den Frieden verhandle. Der Kaiser ließ sich zur Nachsicht bewegen. Er ernannte zur Einleitung der Verhandlungen Peregrin, den Patriarchen von Aglei, Eberhard, den Bischof von Bamberg, und Daniel, den Bischof von Prag. Die Verhandler der Mailänder waren der Graf Guido von Biandrate, der Erzbischof Hubert von Pirovano, und die Konsuln.

Als die Verhandlungen eine Zeit gedauert hatten, wandten sich die Mailänder auch um Beratungen und um Vermittlung an Wladislaw, den König von Böhmen. Er gewährte ihnen mit dem Willen des Kaisers ihre Bitte. Er hielt über diese Angelegenheiten auch mit seinen Herren der Kirche und des Heeres Rat.

Nach dieser Zeit berieten sich die Mailänder auch mit dem Herzoge von Österreich, mit dem Erzbischofe von [] Köln, mit dem Bischofe von Bamberg, mit dem Bischofe von Prag, mit Otto, dem Pfalzgrafen in Baiern, und mit dem Kanzler Reinald.

Die Verhandlungen dauerten viele Tage.

An diesen Tagen war Waffenruhe zwischen den Lagern und der Stadt. Aber in die Umgegend geschahen noch verschiedene Züge, es waren Verwüstungen und mancherlei Kämpfe.

In dieser Zeit kamen auch manche Männer aus den Lagern zu einander, und schlossen Bündnisse und Freundschaften.

Witiko ging zu seinem Schwiegervater, Heinrich von Schauenberg, und zu dem Bruder desselben, Gebhart von Stauf. Und diese kamen auch wieder zu ihm. Er ging zu seinen Freunden aus Österreich, und diese gingen zu ihm. Er wurde durch sie zu Heinrich, dem Herzoge von Österreich, gebracht, und wurde von demselben mit Achtung und Freundlichkeit aufgenommen. Er ging auch zu seinen Freunden in das Lager des Kaisers, und diese gingen wieder zu ihm. Mit Welislaw, Odolen und den andern im Lager des Königs wurde die Freundschaft noch fester geknüpft, als sie früher gewesen war. Durch die Liebe des Königs von Böhmen zu ihm kam er vor das Angesicht des Kaisers und hoher Herren und Fürsten, und erhielt Ehren.

So ging die Zeit dahin.

Die Lager mußten aber immer in Bereitschaft sein, einen Überfall der Mailänder, den sie etwa machen könnten, abzuwehren.

Als die Friedensverhandlungen beendet waren, meldeten die Fürsten dem Kaiser die Zugeständnisse der Mailänder, und den Mailändern die Forderungen des Kaisers.

Wladislaw, der König der Böhmen, wurde zum Vermittler des Friedens bestellt.

Die Bedingungen des Friedens waren in dreizehn Abteilungen [] enthalten. Vincentius, der Kapellan und Schreiber des Bischofes Daniel, schrieb sie auf, und am siebenten Tage des Herbstmonates wurden sie angenommen. Die Stadt Mailand muß die Städte Lodi und Como, welche sie zerstört hatte, wieder aufbauen. Diese Städte sind dann von Mailand unabhängig. Jeder Mailänder von dem vierzehnten bis zu dem siebenzigsten Jahre schwört dem Kaiser Treue. Die Stadt Mailand zahlt neuntausend Mark Silber. Sie stellt dreihundert Geiseln aus den Vornehmen, aus den Rittern und aus dem Volke. Von dem Erzbischofe von Mailand, von dem Grafen von Biandrate, von dem Markgrafen von Montferrat und den Konsuln muß die Wahl der Geiseln als treu vorgenommen beschworen werden. Die jetzigen Konsuln leisten dem Kaiser den Amtseid. In dem nächsten Hornung aber werden neue Konsuln von dem Volke gewählt, und von dem Kaiser bestätigt. Ist der Kaiser in dem Lande, so schwören ihm die Konsuln selber, sonst reisen nur zwei zu ihm, den Eid für alle abzulegen. Die übrigen schwören den kaiserlichen Bevollmächtigten. Mailand zahlt hinfort alle Abgaben, welche den früheren Kaisern gegeben worden sind, es baut die Pfalzen des Kaisers wieder nach der gebührenden Würde auf, es muß die Ehre der Krone und des Reiches mit dem Schwerte schützen, und dem Kaiser Hilfsvölker zuführen, wohin er will. Die Gefangenen werden dem Könige von Böhmen gegeben, der Kaiser sendet die seinigen zurück, sobald die Geiseln gestellt sind. Die Mailänder leisten die öffentliche Sühnung. Es erscheinen zwölf Konsuln der Stadt, die der Kaiser selber bestimmt, barfuß, ein bloßes Schwert auf den Nacken gebunden, vor dem Throne des Kaisers, und flehen um Gnade. Auf diese Bedingungen wird Mailand wieder in die Gnade aufgenommen, und der Bann hört auf. Die Verbündeten Mailands sind in den Frieden einbegriffen.

Der achte Tag des Herbstmonates, der Tag der Geburt [] Marias, wurde bestimmt, daß die Geiseln gestellt werden, und die Sühnung erfolge.

Die Geiseln wurden an diesem Tage in das Lager des Königs von Böhmen geführt. Dann wurden die Gefangenen aus dieser Zeit und aus früheren Zeiten in das nämliche Lager geführt.

Als dieses geschehen war, wurden von dem Kaiser die Bischöfe Eberhard von Bamberg und Daniel von Prag auserlesen, daß sie den Erzbischof von Mailand, Hubert von Pirovano, vor den Kaiser führten.

Die sieben Züge des Heeres wurden um den Thron des Kaisers aufgestellt. Der König von Böhmen, die kirchlichen und weltlichen Fürsten des Reiches, die treuen Lehensträger des lombardischen Landes, die Vornehmeren aus den treuen Städten und die Führer fremder Krieger versammelten sich in kostbaren Gewändern neben dem Throne des Kaisers. Hinter den Kriegern stand ein unermeßliches Volk, welches aus allen Gegenden herbei gekommen war.

Als es die Zeit forderte, bestieg der Kaiser in kaiserlichem Schmucke den Thron, und alsbald näherte sich der Zug aus Mailand. Die Bischöfe von Bamberg und Prag führten den Erzbischof von Mailand. Dann kamen die Priester der erzbischöflichen Kirche, dann die der andern Kirchen, dann die der Klöster, alle mit Kreuzen, Rauchfässern und im kirchlichen Schmucke. Dann kamen die zwölf Konsuln, barfuß und mit einem bloßen Schwerte, das ihnen auf den Nacken gebunden war. Und eben so kam der Rat, und es kamen die Vornehmsten der Stadt, und es kam das Volk mit Stricken um den Hals.

Der Erzbischof mußte vor dem Kaiser versprechen, daß er seine Gewalt über die Stadt nicht mehr hart wie bisher, sondern mild und gerecht ausüben wolle. Und als er dieses versprochen hatte, wurde er von dem Kaiser in seine Gnade aufgenommen.

[] Dann trat der Konsul Hubert von Orto an die Stufen des Thrones, und kniete nieder, und alle andern knieten nieder, und Hubert sprach: »Mächtiger Kaiser und Herr, weltlicher Stellvertreter Gottes und Richter der Erde, wir haben gesündiget, wir haben Unrecht getan, und bitten um Gnade. Wir und alle Mailänder neigen unsere Schwerter vor deiner Macht, und wir und alle Mailänder legen unser Haupt unter dein Schwert.«

Darauf antwortete der Kaiser: »Es ist gut, daß die Mailänder den Frieden vorziehen, und daß ich ihnen von nun an nichts Übles mehr tun muß. Hätten sie von jeher diesen Teil gewählt, so wäre viel Böses vermieden und viel Gutes gestiftet worden. Ich belohne lieber als ich strafe, und merket euch, daß ich leichter durch Gehorsam als durch Krieg besiegt werden kann. Und so übe ich nun in dem Glauben, daß die Mailänder jetzt die rechten Wege wandeln werden, Gnade, nehme die Acht hinweg, und sage, daß wir alle versöhnt sind. Erhebet euch von der Erde.«

Und die Männer standen auf.

Der Kaiser sprach nun noch mehreres mit ihnen, und seine Worte waren gütig und freundlich.

Hierauf wurde diese ernste Angelegenheit des Friedensschlusses und der Versöhnung durch einen feierlichen Gottesdienst bekräftigt, welchen der Erzbischof von Mailand nach der ambrosianischen Weise abhielt.

Der Kaiser saß bei diesem Gottesdienste in seinem Gezelte auf dem Throne, und war mit der Kaiserkrone geschmückt. Um ihn war die Menge der deutschen und italienischen Fürsten. Und während dieses Gottesdienstes beschenkte er Wladislaw, den König von Böhmen, mit einer königlichen Krone sehr kostbarer Art, die er von dem Könige von England erhalten hatte. Dem Könige wurde an diesem Tage die Krone auf das Haupt gesetzt, da sonst in der Kirche die Königskronen nur an hohen [] Festtagen getragen wurden; die böhmische zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten und an den Festen des heiligen Wenzel und des heiligen Adalbert, an welchen Tagen sie die Bischöfe von Prag und Olmütz dem Könige aufsetzen durften.

Als der Gottesdienst geendet war, sprach der Kaiser zu den Fürsten: »Hocherlauchter König von Böhmen, erlauchte Kurfürsten kirchlichen und weltlichen Standes, Herzoge und Fürsten und Herren der Städte, nach dem allmächtigen Gotte danke ich euch für die Dienste, welche ihr dem Reiche und der Krone geleistet habt. Weshalb wir nach Italien ziehen mußten, das haben wir erreicht. Die Ehre und die Macht sind gewahrt. Es ist nun noch übrig, daß wir auf einem Reichstage alle Rechte und Pflichten festsetzen, und das ergründen, was einem jeden gebührt, und was er zu tun hat. Und ist die Ordnung aufrechtgestellt, dann möge uns eine ruhige Heimkehr zufallen. Wir sind gütiger gewesen, als die Worte Anselms, des hochehrwürdigen Erzbischofes von Ravenna, geraten haben. Er ist vor dieser Stadt aus unserer Mitte zu dem gerechten Gotte abgerufen worden, und wird nun wissen, ob seine Worte gegründet sind oder nicht.«

Die Fürsten antworteten durch den Erzbischof von Mainz: »Hocherhabener Herr, deine Weisheit hat die Dinge geleitet, und wir haben uns bestrebt, zu tun, was unsere Pflicht war. Wir danken dir für deine Guttaten gegen uns, und daß du auf unsern Rat gehört hast. Es gibt uns Freude, daß durch den Frieden mit Mailand und durch den Reichstag, der abgehalten werden wird, der Zug und das Wirrnis, das er unsern Ländern zu Hause bringt, geendet ist.«

Wladislaw, der König von Böhmen, sprach: »Hocherhabener Kaiser, du hast für das, was meine Männer getan haben, mich, meine Männer und unsere Länder mit unaussprechlichen [] Ehren geziert. Ich lege meinen Dank, den Dank meiner Männer und den Dank unserer Länder vor deinen Thron. Er wird nicht enden, so lange einer lebt, der geehrt worden ist, und er wird auf die Nachkommen vererben. Und weil das erste Ziel des Ritterzuges nach Mailand erreicht ist, die Wahrung der Würde durch die Strafe der Stadt, und weil das andere kein Ding der Waffen, sondern des Rates ist, so erlaube mir, daß ich mit den Meinigen heimziehe. Es sind Krankheiten unter meinen Männern, und sie würden sich schnell vermehren. Ich empfinde auch, daß ich in Italien durch die Luft und die Sonne erkranke.«

Der Kaiser antwortete: »Hocherlauchter König, du hast den Ritterzug erfüllt, ziehe in Frieden, wenn wir auch deines Rates sehr schwer entbehren. Heilet die Krankheiten, die uns von der Stadt gekommen sind, wie auch wir unverzüglich von hier fortziehen wollen, um die unsrigen zu heilen. Wenn der Ratschluß Gottes will, daß ich wieder deiner Hilfe bedürfte, so wirst du sie wohl nicht versagen.«

»Ich werde sie mit Freuden leisten«, antwortete der König.

Als dieses geschehen war, ließ sich der Kaiser die Krone und den Mantel abnehmen. Dann setzte er einen Helm zu seinem Kriegsgewande auf das Haupt, stieg von dem Throne, und ging vor das Gezelt. Dort bestieg er ein Pferd, ritt gegen das Heer der sieben Züge, und dankte mit der Spitze seines Schwertes gegen alle Krieger, die da standen. Die Krieger erhoben ein freudiges Rufen, und die Böhmen erneuerten es dreimal.

Dann begannen die Züge in ihre Lager zurückzukehren.

Der Kaiser aber feierte in einem großen offenen Gezelte mit den Fürsten ein Mahl.

Nach dem Mahle ritt Wladislaw zu dem Gezelte des Kaiser, um sich von ihm zu verabschieden.

[] Dann verabschiedete er sich von den Fürsten.

Hierauf ritt er mit den Seinigen in sein Lager. Dort ritt er zu allen Abteilungen seiner Männer, und dankte ihnen, wie er ihnen nach der Schlacht auf dem Berge Wysoka gedankt hatte. Er verkündete ihnen die Rückkehr in die Heimat, und hieß sie auf den folgenden Tag gerüstet sein. In jeder Abteilung sprachen Führer und Männer freudige und hochehrende Worte zu dem Könige.

Sie begannen sofort auch die Rüstungen zu dem Heimzuge.

Als der König in seinem Gezelte war, ritt der Kaiser mit einem geschmückten Gefolge zu demselben. Sie stiegen alle von den Pferden. Die Männer des Gefolges verteilten sich in die Zelte, die um das des Königs waren; der Kaiser aber ging allein in das Gezelt des Königs, der König entfernte diejenigen, die bei ihm waren, und die zwei Männer befanden sich nun allein in dem Gezelte. Sie setzten sich auf Stühle. Da sprach der Kaiser: »Was du getan hast, Wladislaw, wird bleiben, so lange die Menschen dessen gedenken, was auf der Erde geschehen ist, und davon erzählen. Du hast es dir getan, und dann auch andern. Ich habe dir aus dem Reichsgrunde schon gedankt, jetzt danke ich dir aus Freundschaft, daß du bist, der du bist.«

»Du hast die Sache zum Großen gelenkt«, sagte Wladislaw, »und ich habe mich erfreut. Es ist an der Seite eines ritterlichen Mannes leichter, nach Rittertum zu streben.«

»Wir haben durch eine Zeit einige Taten mit einander getan«, sprach der Kaiser, »jetzt sind wir wieder getrennt. Du bist in deinen Ländern und ich in Italien.«

»Wir werden Anteil an einander nehmen«, sagte der König.

»Wir werden ihn nehmen«, antwortete der Kaiser. »Die Fürsten und Herren, die Räte der Krone, sind oft ritterlichen [] Sinnes, und denken an das Gute. Sie denken auch, was ihren Ländern not tut, und reden und handeln darnach. Ich bitte dich, Wladislaw, lasse mir den Bischof Daniel, als einen Mann der Weisheit und des Rates, in Italien zurück.«

»Er wird meiner Kirche und meinen Ländern sehr mangeln«, sagte Wladislaw; »aber er bleibe bei dir.«

»Ich danke dir«, sagte der Kaiser, »ich werde ihn nur zu dem Nötigsten halten, und mögen wir uns bald auf einem fröhlichen Reichstage in dem fröhlichen Deutschland sehen.«

»Möge es sein«, sprach Wladislaw.

»Und erhalte mir deine Liebe«, sagte der Kaiser.

»Und du auch«, antwortete Wladislaw.

Dann schlossen sich die zwei Männer in die Arme.

Hierauf verließ der Kaiser das Gezelt, und Wladislaw geleitete ihn.

Vor dem Gezelte waren Diepold, Daniel und viele alte Lechen und Herren des böhmischen Lagers. Sie geleiteten den Kaiser ehrerbietig zu seinem Pferde; die Männer aber, die ferner standen, riefen ihm Glück und Segen zu, und er ritt mit seinem Gefolge wieder in sein Lager.

Der Kaiser sendete Geschenke an den König Wladislaw. Es wurden ihm von dem Golde der Mailänder tausend Mark gegeben. Dann waren in Fächern schöne Gewänder, goldene und silberne Geschirre, Schwerter, Helme, Panzer, Münzen, die des Kaisers Bildnis trugen, edle Steine, Gürtel, Waffenzieraten und andere kostbare Dinge. Es wurde auch eine Reihe schöner Pferde herbeigeführt.

An mehrere alte Lechen und an die Männer Odolen, Bernard, Witiko, Welislaw, Kochan, Bogdan und Předbor sendete der Kaiser eigene Geschenke.

Wladislaw teilte mehreres an seine Männer aus, besonders Dinge, die zur Erinnerung an Italien dienen konnten. [] Die große Verteilung der Dinge aus dem Kriege, sagte er, werde in Prag geschehen.

Es kam der Herzog von Österreich mit seinen besten Degen zu dem Könige, mit Hadmar von Chunring, Rudeger, Rudpert, Tibert, Chunrad von Asparn, Gotescalc von Heiligenkreuz und andern, es kam der Herzog von Kärnten, der Herzog von Schwaben, der Pfalzgraf am Rheine, der Herzog von Zähringen, der Pfalzgraf in Baiern, die Erzbischöfe und Bischöfe und alle andern Fürsten des Reiches und italienische Fürsten und Herren der Städte, um Abschied zu nehmen. Wladislaw ritt dann auch zu ihnen, und ritt noch einmal zu dem Kaiser, um ihm für den Besuch und für die Geschenke zu danken.

Am Abende war der Abschied des Königs und Diepolds von dem Bischofe Daniel.

Es nahmen auch die Lechen und Herren des böhmischen Lagers von dem Bischofe und den Seinigen Abschied.

Es waren viele Herren und Männer aus den Lagern in das böhmische Lager gekommen, um Abschied zu nehmen, und böhmische Herren und Männer waren in andere Lager geritten.

Witiko ritt an diesem Tage, da der Gottesdienst geendet worden war, und die Seinigen sich wieder in ihrem Lager versammelt hatten, zu allen Abteilungen derselben, und dankte ihnen, wie er ihnen nach jedem Kampfe und nach dem Ende jedes Krieges gedankt hatte. Als später die Nachricht von der Heimkehr verkündiget worden war, teilte er unter seine Männer Geschenke aus, die er jetzt austeilen konnte, und sagte ihnen, daß das andere in der Heimat ausgeteilt werden würde. Dann gab er ihnen die Weisung, daß sie sich rüsteten, um sich morgen dem Zuge anschließen zu können. Die Männer begannen nun alles vorzubereiten, daß bei dem Aufbruche kein Hindernis entstände. Jeder suchte auch das, was er an Geschenken, an Beute oder sonst wie erworben hatte, in einen Sack[] oder in Leder oder in ein Fell oder, was ihm zu Handen war, zu packen, damit es leichter fortgebracht werden könnte.

Witiko ritt nun zu seinem Schwiegervater Heinrich und zu Gebhart, um von ihnen Abschied zu nehmen. Er ritt dann zu allen seinen Freunden in die verschiedenen Lager. Heinrich und Gebhart und die Freunde kamen dann auch zu ihm. Es wurden vielerlei Erinnerungsgaben ausgetauscht.

Dann bereiteten seine Männer das Abendmahl, und dann war die Nachtruhe des Lagers.

Als noch die Sterne an dem Himmel glänzten, ertönten die Hörner in dem böhmischen Lager, es ertönten die Pauken der Reiter, und es ertönten dann die Bockhörner in dem Lager Witikos. Und als das erste Licht des Tages den Morgenhimmel säumte, stand das böhmische Heer in Zugsbereitschaft.

Der Bischof Daniel war mit seinen Priestern und seinen Männern herbei gekommen. Er segnete das Heer, man rief sich noch einmal Abschiedsgrüße zu, und der Zug setzte sich in Bewegung.

Mit dem Bischofe Daniel waren einige Männer des böhmischen Heeres in Italien zurückgeblieben. Unter ihnen war auch Sifrid von Milnet.

Der Zug des Königs Wladislaw ging von Mailand nach Brescia, von Brescia nach Verona, dann dem Etschflusse entgegen, dann durch Baiern, und dann durch den böhmischen Wald in die Fluren des eigenen Landes.

Dort lief das Volk in dichten Scharen an die Wege des Heeres, und staunte die Männer an, die so weit gewesen waren, und so Wunderbares getan hatten, wie durch die Boten aus Italien und durch Wanderer gemeldet worden ist. Es rief dem Heere zu, warf ihm Zweige, Bänder, Zieraten und andere Dinge zu, und sang ihm Lieder. Die Männer antworteten auf den Ruf, grüßten, und zogen singend weiter.

[] Es kamen Župane, Lechen und Ritter mit Männern herzu, und geleiteten den König bis nach Prag.

Am zweiundzwanzigsten Tage des Herbstmonates kam das Heer auf dem Pilsener Wege nach Prag.

Eine ungemein große Anzahl von Menschen ging dem Heere entgegen. Es waren Bewohner der Stadt Prag, es waren Leute, die aus allen Teilen des Landes herein gekommen waren. Sie warfen Zweige auf den Weg, und warfen dem Könige und den Führern Blumen, die die Jahreszeit noch spendete, und gewundene Kränze entgegen, und riefen ihnen und allen Kriegern Lob und Preis zu, und geleiteten das Heer in die Stadt. Die Stadt und die beiden Burgflecken waren geschmückt. Von den Türmen der Kirchen weheten Banner, auf Mauern und Häusern waren Banner, von den Fenstern hingen kostbare Stoffe, Gewinde verzierten Häuser und Wege, Blumen und Kräuter waren auf den Boden gestreut. Wšebor, Preda und alle alten Lechen hatten sich in Prag versammelt, und standen nun mit der Königin, den Priestern, den Nonnen, den Herren des Hofes, den Kmeten, vielen Rittern und Herren, den Vornehmsten der Stadt und unzähligem Volke vor dem Tore. Sie empfingen den König. Alle riefen dem Könige und dem Heere entgegen, und solche, welche heftig gegen den italienischen Zug geredet hatten, ließen Freudenrufe über den Ruhm der böhmischen Waffen erschallen. Als der König unter das Tor einritt, ertönten die Glocken auf den Kirchen der Stadt, und es ertönten alle Glocken der beiden Burgflecken. Der Propst von Prag gab den Segen, und man geleitete den König und das Heer die Stadt empor. Wladislaw ging zuerst mit der Königin, mit Diepold, mit den Priestern, den Lechen und Führern in die Kirche des heiligen Veit und dann in den Königshof.

Das Heer errichtete auf dem Marktplatze zwischen dem rechten Burgflecken und dem Wyšehrad ein Lager.

[] Am andern Tage war in dem Lager ein feierlicher Gottesdienst. Dann wurde das Heer von dem Könige und den Bewohnern von Prag und der Burgflecken bewirtet.

Und sieben Tage wurde das Heer bewirtet, und sehr viele Menschen kamen zu ihm, und brachten Geschenke, und redeten mit den Kriegern, und priesen sie, und ließen sich von ihnen erzählen.

Indessen teilte Wladislaw die Belohnungen des Zuges aus. Seine Männer waren reichlich mit Gold und Silber, mit Waffen und Pferden, mit Gewändern und kostbaren Dingen bedacht. Viele erhielten auch eine Begabung mit Land, darunter Witiko war.

Dann dankte er allen noch einmal, und entließ das Heer.

Die Männer nahmen nun Abschied von einander, Hohe und Niedere, sie weinten Tränen, gaben sich Erinnerungszeichen, und versprachen, wieder zusammen zu kommen. Weiber brachten ihre Kinder herzu. Die Väter küßten die Kinder, und wer kein Weib und kein Kind hatte, nahm doch ein Kind auf den Arm, und küßte es. Und weil sie nun erkannten, daß die, welche die Heimat nicht wieder gesehen hatten, nicht viele sind, so war ihnen das ein Trost, sie freuten sich darüber, und gingen von Prag den Fluren ihrer Angehörigen zu.

Witiko führt seine Männer gegen den mittäglichen Wald des Landes, und Rowno und Diet und Osel und die andern folgten mit den ihrigen seinem Zuge.

Er führte sie wieder wie in frühern Zeiten nach Plan. Eine weit größere Zahl von Menschen war zusammen gekommen, um die Männer zu begrüßen, als bei den sonstigen Zügen, weil von allen Stellen des Waldes Leute herzu gekommen waren. Sie verwunderten sich, daß die Männer gar so braune Angesichter bekommen hatten. Sie riefen ihnen zu, und konnten mit dem Rufen kaum enden. Und die Männer waren freudiger und fröhlicher, weil sie nicht ein bloßes Übel von sich abgewendet hatten, [] sondern weil sie in dem fernen Lande bei dem Kaiser gewesen waren, und die Geschicke der ganzen Welt entscheiden geholfen hatten. Der Pfarrer von Plan gab wieder seinen Segen, Witiko dankte den Leuten, und entließ sie. Die Männer aber sagten, die Schar wolle Witiko in seine Burg geleiten.

Und so ging der Zug an dem nämlichen Tage noch nach Friedberg. Eine große Menschenmenge ging den ganzen Weg mit. Die alte Susanna von der untern Moldau stimmte Waldlieder an, und die alte Willbirg rief, wenn es stille ward, Sprüche. Sie rief: »Ich habe es gesagt, daß Zeichen gewesen sind, und es sind wieder Zeichen gekommen, wir brauchen nicht mehr den alten Wossic von Wodnian und den alten Lubomir von Daudleb, wir haben jetzt einen, der mehr ist als Wossic und Lubomir.«

Bei Friedberg zogen die Mädchen rote Bänder über den Weg, und die Krieger mußten sich durch Geschenke aus der Fremde loskaufen.

In Friedberg wurde die Schar von dem Pfarrer und den Vorstehern und von den Menschen, die herbei gekommen waren, mit Freudenrufen empfangen, und der Pfarrer segnete sie.

Witiko dankte noch einmal allen, sie riefen ihm Dank entgegen, Wenhart sprach dann für alle, und hierauf zerstreuten sie sich. Ein Teil machte ein Lager, ein anderer Teil suchte noch die Heimat zu gewinnen.

Witiko ritt mit den Seinigen gegen die Burg hinan. Viele Krieger und andere Menschen geleiteten ihn.

Vor der Burg waren Bertha, Wentila und Hiltrut mit den Frauen, Mädchen, Dienern und Dienerinnen, es waren Benno, und es waren die Männer der Burg.

Sie riefen den Gruß entgegen, und Witiko grüßte mit seinem Schwerte.

Dann stieg er von dem Pferde. Bertha reichte ihm die Hand, Wentila umschlang ihn, und die Base rief: »Witiko, [] Witiko, du bist mit deinem Pferde durch das fürchterliche Wasser geschwommen.«

»Es war leicht«, sagte Witiko, »ich wußte, daß mein Pferd hinüber schwimmen wird.«

Dann gingen alle in die Burg, und die Krieger zogen hinter ihnen ein.

Bertha führte Witiko an der Hand in die Kammer der Kinder. Witiko küßte sie, dann schlossen sich Bertha und Witiko in die Arme, und küßten sich auf den Mund.

»Bertha, ich bringe dir den Gruß deines Vaters, er ist gesund, und wird bald zurückkehren«, sagte Witiko.

»Ich danke dir für diese Nachricht, Witiko«, sagte Bertha.

Die Männer der Burg suchten indessen die Pferde und die Habe und alles, was auf den Säumern gebracht worden war, in die Burg zu schaffen. Für manche Krieger wurde in der Burg eine Wohnung bereitet, für die andern begann man Gezelte zu errichten.

Bertha und Witiko gingen auf den Söller, und grüßten gegen die Menschen, die vor der Burg waren, hinunter. Die Menschen riefen Grüße hinauf.

Dann ließ Witiko Nahrung und Getränke hinausschaffen, die Menschen erquickten sich, und zerstreuten sich dann.

Dann ging Witiko mit den Seinigen und manchem seiner Männer in die Burgstube, und sie sprachen dort mit einander.

Dann war das Mahl, und dann die Nachtruhe.

Am andern Tage war ein feierlicher Gottesdienst in der Burg. Nach demselben dankte Witiko seinen Männern, gab ihnen Geschenke, die nur für sie bestimmt waren, und es zogen hierauf die, welche nicht in die Burg gehörten, ihren Wohnstätten zu, die in die Burg gehörten, traten wieder in ihre Dienste.

Hierauf belohnte Witiko Beda und die Männer, die unter [] ihm gewesen waren, für die treue Hut der Burg. Diejenigen von ihnen, die nicht in der Burg wohnten, gingen in ihre Heimat.

Nach einer Woche versammelte Witiko auf der Stelle an der Moldau, auf welcher die Kampfspiele nach seiner Vermählung gewesen waren, alle seine Krieger des Mailänderzuges, und es war wieder ein Fest, wie es nach dem mährischen Kriege bei Plan gewesen war. Es war ein feierlicher Gottesdienst unter dem offenen Himmel, es geschah dann die große Danksagung an die Krieger, dann war ein Mahl, und dann waren Gespräche und Tänze und Spiele und Lieder und Erlustigungen. Die vielen Menschen, die außer den Kriegern zugegen waren, erfreuten sich wie damals der Dinge. An dem nächsten Tage war die Verteilung alles dessen, was außer den Geschenken, die die Männer von Wladislaw erhalten hatten, ihnen nach dem Sinne Witikos aus dem Mailänderzuge noch zukam.

In der Zeit, die nun folgte, besorgte Witiko wieder seine Angelegenheiten, wie er sie vor dem Kriege besorgt hatte. Insbesonders suchte er sein neues Land nach der herkömmlichen Weise mit dem alten in Verbindung zu bringen. An Abenden, wenn sie in der Burgstube saßen, und wenn auch der eine oder der andere Mann aus der Umgegend zu ihnen gekommen war, erzählte er von dem Kriegszuge, und wie es in Italien ist, und was sich sonst dort ereignet hatte.

»Wenn mir Gott mein Leben nur so lange fristete«, sagte Benno, »daß ich auch die Taten dieses Kaisers aufschreiben könnte. Dieser Kaiser wird noch viele Taten tun.«

Und die Männer der Burg, die mit Witiko gewesen waren, erzählten auch von den Dingen in Italien, und die daheim geblieben waren, hörten ihnen zu, und fragten, und verlangten immer wieder Erzählungen.

Wolf erzählte unaufhörlich, und wenn man das Pferd, [] welches er gebracht hatte, und welches ihm Witiko ernährte lobte, sagte er: »Mein Herr hat mich nie auf ein schönes Pferd steigen lassen, jetzt habe ich ein so schönes Pferd, wie die seinigen sind, und ich reite darauf mit mehr Geschick, als ihr auf euern langhaarigen Tieren reitet, und ich reite nach der neuen Art, und ich bin auf dem Pferde geritten, als wir die Welschen an dem Wasser, da wir noch ganz naß waren, besiegt hatten, und als wir sie dann wieder besiegt hatten, und als wir sie immer besiegt hatten, und als wir in dem Lande hin und her zogen, und als wir mit den Pferden über den Zaun des Lagers jenes Herzogs sprangen, auf den die Welschen aus der großen Stadt Mailand heraus gekommen waren. Wenn ich nicht so herum geritten wäre, woher hätte ich denn die schönen Sachen und das schöne Gewand, und wenn nicht alle herum geritten wären, woher hätte denn Witiko den Reichtum und das Land, das ihm der König gegeben hat? Das wird in der Schlacht gewonnen. Und wenn ich euch von den Männern sage, die durch den Addastrom geschwommen sind, so ist unter allen böhmischen Männern nur einer, der gleich nach einander dreimal durch den Strom geschwommen ist.«

Huldrik war bei allen Erzählungen, und er sprach: »Ich habe gesagt, Witiko wird aus Italien die Rose bringen, und er wird sie einmal erst recht bringen.«

Und die andern Krieger des ganzen Waldes erzählten auch von Italien und von Mailand, und von dem Kriege, und bald war es so, daß die alten Frauen und die Mädchen und die Kinder des Waldes von Italien und Mailand redeten.

Als der König Wladislaw das Lager des Kaisers verlassen hatte, zog der Kaiser auch sogleich mit sei nem Hofgeleite nach dem Orte Bolzano, und ging dann mit seinem Heere nach Monza.

Der große Reichstag wurde auf den eilften Tag des Monates [] November auf die roncalischen Felder ausgeschrieben. Von Monza zog der Kaiser nach Trezzo, welches wohlbefestigt worden war, und in welches der Kaiser seine Schätze niederlegte. Dann ging er nach Brescia, Lodi, Cremona und Ferrara, dann wieder nach Mantua, Verona und in andere Städte, um zu ordnen, was überall zu ordnen war.

Indessen kam die Zeit zum Reichstage. Der Kaiser hatte alle italienischen Kirchenherren und die Fürsten und die Herren der lombardischen Städte dazu berufen, er hatte die vier vorzüglichsten Rechtsgelehrten Italiens aus der Stadt Bologna berufen: Bulgarus, Jacobus Hugolinus, Martinus Josias und Hugo de Porta Ravennate. Er zog im Geleite der deutschen Erzbischöfe, Bischöfe, Herzoge, Fürsten und Herren nach den roncalischen Feldern. Es kamen die italienischen Erzbischöfe und Bischöfe, viele italienische Herzoge, Markgrafen, Grafen und Ritter und die Konsuln der lombardischen Städte, und es kamen die Rechtsgelehrten.

Auf der großen Ebene wurde ein Lager errichtet. In der Mitte stand das schöne Gezelt des Kaisers. Dann standen die Gezelte der Herzoge und Fürsten je nach ihrer Würde entfernt. Die Deutschen lagerten auf der linken Seite des Po, die Welschen auf der rechten. Zwischen beiden Lagern war eine Brücke. Die Kaufherren, die Handwerker, die Künstler, die Nahrungsfrachter und ähnliche Leute hatten ein eigenes Lager. Außerhalb der Lager war eine große Menge Volkes.

Der Reichstag wurde begonnen.

Der Kaiser sagte zu den Rechtsgelehrten, sie möchten erklären, was in Hinsicht der Dinge zwischen dem lombardischen Könige und seinen Untertanen Rechtens sei.

Die Rechtsgelehrten aber antworteten, sie könnten ihre Untersuchungen nicht ohne die Richter der lombardischen Städte machen.

[] Der Kaiser wählte aus jeder von vierzehn lombardischen Städten zwei Richter, und befahl ihnen, zu kommen.

Sie kamen, und fingen mit den Rechtsgelehrten die Beratungen an.

Der Kaiser hielt sich von diesen Beratungen ferne. Er versammelte aber Bischöfe, darunter Daniel war, und Herren, die zu seinem Rate gehörten, und verhandelte mit ihnen über die Ruhe der Kirche und über königliche Gerechtsame, die nach und nach vergessen worden waren.

Als die Beratungen der Rechtsgelehrten geendiget waren, hielt der Kaiser wieder eine allgemeine Versammlung. Er saß auf einem erhöheten Platze, und sprach von demselben: »Durch die Gnade Gottes habe ich die Herrschaft erlangt, und durch sie ist mir aufgetragen, die Guten zu schützen, die Bösen zu zügeln und zu strafen. Ich habe durch den Krieg die Strafe vollzogen, jetzt muß ich im Frieden durch die Gesetze auch den Schutz vollführen. Kein Herrscher darf tun, was er nur immer will, er muß herrschen, daß jedem sein Recht unverkürzt verbleibt, dem Untertane und dem Könige. Das Recht der Untertanen zu den Untertanen ist durch die Bemühungen der Könige, der Richter, der Lehrer und durch die Anwendung geordnet, und niemand bestreitet es; die Rechte zwischen dem Könige und den Untertanen sind oft dunkel, und bedürfen der Erhellung und der Bekräftigung. Nach der Erhellung haben wir durch Untersuchungen gestrebt, die Bekräftigung werden wir durch die Verkündigung und durch die Beschwörung erlangen. Dann wird nicht mehr über die Gesetze allerlei geredet, sondern nach ihnen gehandelt werden.«

Es entstand ein großer Beifall über die Worte des Kaisers.

Dann erhob sich von den Welschen nach ihrer Art einer nach dem andern, um eine Rede zu halten, in der er den [] Kaiser ehrte, oder seine Redegabe zeigte. Zuerst redeten die Bischöfe, dann die Herren, dann die Konsuln und Abgesandten der Städte.

Zuletzt sprach der Erzbischof von Mailand: »Alles Recht der Gesetzgebung ist von dem Volke an dich, erhabener Kaiser, übertragen worden. Was immer der Kaiser durch einen Brief festgesetzt hat, oder in seiner Kenntnis verordnet hat, oder durch einen Erlaß vorgeschrieben hat, das ist, so besteht es, ein Gesetz. Wem die Last eines Dinges zukömmt, dem muß auch der Nutzen zukommen, und da du, erhabener Kaiser, alle schützen mußt, so darfst du auch alle beherrschen.«

Die Reden dauerten bis in die Nacht.

Dann wurde das, was über die Rechte und Pflichten der Könige und über die Rechte und Pflichten der Untertanen aus den Untersuchungen nach den jetzigen Dingen und nach den Dingen aus der Zeit des Kaisers Karl und nach den Dingen aus der Zeit der alten römischen Kaiser hervorgegangen war, verkündiget, und zu Recht beschworen.

Die Abgesandten der Stadt Mailand leisteten auch den Schwur.

An dem folgenden Tage hielt der Kaiser nach altem Brauche Gericht, und es kamen so viele Klagen, daß noch Richter bestellt werden mußten. Und es wurden die Sachen der Armen, der Herren und der Städte entschieden.

Und da alles geordnet war, wurde der Reichstag geschlossen, und die deutschen Fürsten und Herren und auch die italienischen hatten Freude über die Dinge, die geschehen waren.

Der Kaiser brachte auch noch die Stadt Genua, welche den roncalischen Beschlüssen nicht beigetreten war, zum Treuschwure, und sandte dann Abgeordnete in die lombardischen Städte, um dort die Obrigkeiten einzusetzen, wie es auf dem Reichstage auf den roncalischen Feldern [] beschworen worden war. Die Abgeordneten waren: Daniel, der Bischof von Prag, Reinald, der Kanzler, Hermann, der Bischof von Verden, Otto, der Pfalzgraf von Regensburg, und Guido, der Graf von Biandrate. Sie setzten in den Städten Pavia, Piacenza, Cremona, Lodi und in anderen die Vorsteher ein.

Am Anfange des Monates Jänner kamen sie nach Mailand; allein die Mailänder weigerten sich, daß ihnen der Kaiser ihre Vorsteher einsetze, und wilde Haufen des Volkes bedrohten das Leben der Abgeordneten des Kaisers. Sie waren von den Männern Martinanus Malaopera, Azo Bultrafus, und Castellus von Ermenulfis geführt. Die Abgeordneten wehrten durch Verrammlungen das Eindringen zu ihnen ab; aber durch die Fenster wurden Steine geworfen. Und in der nächsten Nacht entfloh Otto, und in der folgenden entflohen die andern. Sie berichteten alles dem Kaiser.

Der Kaiser hielt am zweiten Tage des Monates Hornung einen feierlichen Hoftag, auf welchem auch Gesandte von Frankreich und von Griechenland und von Ungarn waren, die ihm ihre Ehrfurcht bezeugten. Die ungarischen Gesandten erklärten dem Kaiser, daß ihr König wegen des Wunsches Wladislaws, des Königs von Böhmen, noch mehr Hilfsvölker senden wolle, als er früher gesendet habe. Der Kaiser stellte den Fürsten das Benehmen Mailands vor, und sprach: »Wilde Völker achten das Recht der Gesandtschaften, Mailand nicht, meine und eure Ehre ist befleckt, viele haben das Verbrechen begangen, an vielen muß es gestraft werden.«

Die Fürsten stimmten den Worten des Kaisers bei.

Der Bischof von Piacenza sagte, es gezieme sich aber doch, daß man auch die Mailänder höre.

»Sie sollen gehört werden«, sagte der Kaiser.

Die Mailänder wurden vorgeladen, und sie schickten Abgesandte.

[] Diese sagten, die Mailänder wollen dem Kaiser volle Genugtuung geben. Als Tag hiezu wurde der neunzehnte Tag des Monates April bestimmt. Den kaiserlichen Städten schwuren die Mailänder Frieden.

Nach dieser Zeit aber schloß Mailand mit Brescia, Piacenza und Bologna einen Bund.

Als der Kaiser das Osterfest zu Modena feierte, und am Osterdienstage den Waffenspielen zusah, kam die Nachricht, daß die Mailänder die Veste des Kaisers, Trezzo, belagerten. Die Spiele hörten auf, alle rüsteten sich, und bei dem ersten Lichte des nächsten Tages begann der Zug gegen Trezzo. Aber auf dem Wege begegnete dem Heere ein Bote, welcher sagte, daß Trezzo von den Mailändern erobert worden ist, und daß sie alle Schätze weggenommen haben. Der Kaiser zog nun nach Bologna, und belegte dort die Stadt Mailand mit dem Banne. Dann ging er nach Lodi, ein Heer zu sammeln. Er befahl allen Städten Italiens, Hilfsmänner zu dem Kampfe gegen Mailand zu stellen. Dann ging er wieder nach Bologna, um die Seinigen gegen Mailand zu führen.

Am siebzehnten Tage des Monates Mai kamen sie nach Melegnano, und am nächsten Tage vor Mailand. Hier wurden nun weithin ringsherum alle Saaten und Weinpflanzungen zerstört, die Ölbäume und Fruchtbäume wurden umgehauen, Häuser, Dörfer, Flecken, Burgen, Vesten wurden verbrannt.

Eine Belagerung unternahm der Kaiser aber nicht, weil sein Heer noch zu klein war.

Er zog im Monate Juni gegen den Mittag Italiens, um manche widerspenstige Städte zur Pflicht zu führen, oder zu strafen. Er belagerte Crema, und die Belagerung dieser Stadt dauerte von dem Heumonate bis zum fünfundzwanzigsten Tage des Monates Jänner des folgenden Jahres. An diesem Tage beschlossen die Bewohner von Crema die Übergabe der Stadt. Die Verhandlungen führte [] Peregrin, der Patriarch von Aglei, und der Vetter des Kaisers, Heinrich, der Herzog von Sachsen und Baiern. Am siebenundzwanzigsten Tage des Monates Jänner wurde die Stadt übergeben, und dann zerstört.

Die Mailänder suchten denen von Crema während der Belagerung Hilfe zu leisten, indem sie kaiserliche Städte angriffen; aber sie erlitten zwei Male durch Scharen des Kaisers schwere Niederlagen.

Weil die deutschen Fürsten schon lange über ihre Zeit auf dem Kriegsfelde waren, und weil die lombardischen Länder durch die Heere schon so gelitten hatten, daß der Bedarf nur mehr schwer geschafft werden konnte, so entließ der Kaiser die, welche es wollten, im Frühlinge mit reichen Geschenken. Sie versprachen in einem Jahre mit ausreichender Hilfe wieder zu kommen.

In der Zeit waren nun verschiedene Kämpfe der kaiserlichen Scharen mit den Mailändern an verschiedenen Stellen des Landes.

Der Kaiser erließ hierauf die Ladungen an die deutschen Fürsten, daß sie in dem nächsten Frühlinge zur Vollendung des Werkes kommen möchten.

Und die Fürsten begannen im Frühlinge ihren Zug nach Italien.

Wladislaw, der König von Böhmen, sandte seinen Bruder Diepold und seinen Sohn Friedrich mit einer auserlesenen Hilfsschar.

Witiko war mit jenen Waldleuten, die mit ihm in dem vorigen Kriege waren, nun zum zweiten Male bei dem Zuge nach Italien.

Als die geladenen Männer allgemach angekommen waren, schloß der Kaiser die Stadt Mailand ein. Die Mailänder kamen oft aus der Stadt hervor, und begannen tapfere Kämpfe gegen den Kaiser; aber sie konnten wie in dem ersten Kriege die Einschließung nicht brechen.

Der Kaiser errichtete auch ein Winterlager in Lodi, befestigte [] mehrere Schlösser, um das Einbringen von Nahrung in die Stadt Mailand zu hemmen. Er setzte für die, welche es taten, und überwiesen wurden, das Abhauen der Hände zur Strafe, und bestimmte ihren Angebern Belohnungen.

So wurde in Mailand die Not sehr groß, und Angst und Hoffnungslosigkeit und Zorn und Streit kam in die Gemüter. Der Erzbischof, welcher auf den roncalischen Feldern so unterwürfige Worte gegen den Kaiser gesprochen hatte, jetzt aber der eifrigste Kämpfer gegen ihn war, mußte vor dem Volke entfliehen. Und sie schickten Abgeordnete an den Kaiser, welche sagten, Mailand wolle seine Befestigungen niederreißen, es wolle alle seine Bündnisse lösen, es wolle dem Kaiser eine Burg bauen, es wolle ihm alle Hoheit übergeben, es wolle sich von ihm Obrigkeiten setzen lassen, es wolle ihm eine große Summe zahlen und für alles dreihundert Geiseln auf drei Jahre stellen, wenn er den Frieden gewähre.

Der Kaiser sagte: »Es stimmt mein Rat mit mir überein, daß ihr euch unbedingt unterwerfen müsset.«

Und nun verging wieder eine Zeit.

Da kamen an den ersten Tagen des Monates März des Jahres 1162 die Konsuln und die Vornehmen der Stadt Mailand in das Lager des Kaisers, knieten vor ihm und der Versammlung der Fürsten nieder, und schwuren, daß sie sich ohne Bedingung und ohne Vorbehalt unterwerfen, und daß sie den nämlichen Schwur von allen Mailändern bewirken wollen.

Nach drei Tagen kamen dreihundert ausgewählte Männer aus der Stadt in das Lager des Kaisers, und übergaben ihm die Schlüssel aller Tore, und übergaben ihm die sechsunddreißig Vorbanner der Stadt, und schwuren, wie die vor drei Tagen geschworen hatten.

Und wieder nach drei Tagen kam das ganze Volk. Es war in hundert Scharen abgeteilt. Sie hatten Stricke um den [] Hals, Asche auf dem Haupte, und Kreuze in den Händen. Sie brachten das Carrocio, das höchste Feldzeichen der Stadt. Es war ein Mastenbanner, das von einem eisernen Rüstwagen emporragte, und auf der Spitze das Kreuz und das Bildnis des heiligen Ambrosius trug. Das Carrocio wurde zertrümmert. Dann warf sich das Volk auf die Erde, und bat im Namen des Heilandes um Erbarmen.

Der Kanzler Reinald las ihnen die Unterwerfungsurkunde vor, und sie nahmen dieselbe an.

Dann sagte der Kaiser: »Ich schenke euch das Leben, das ihr verwirkt habt; aber ich werde sorgen, daß ihr eure Verbrechen nicht wieder begehen könnt.«

Das Volk durfte sich erheben und in die Stadt zurückkehren.

Dann leistete es vor zwölf Männern, die der Kaiser aus Deutschen und Italienern bestimmt hatte, den Unterwerfungseid, und mußte vierhundert Geiseln stellen.

Hierauf hielt der Kaiser in Pavia eine große Versammlung ab, damit das Schicksal der Stadt Mailand entschieden werde. Die Versammlung untersuchte die Lage der jetzigen Dinge, und untersuchte den Gang alles dessen, was geschehen ist, und machte die Entscheidung. Die Konsuln der Stadt Mailand wurden vorgeladen, daß ihnen der Spruch verkündiget werde. Der Spruch lautete: »Mailand soll wüst und leer sein, alle, die darin gewohnt haben, verlassen es in acht Tagen, und bauen sich an vier Stätten, die eine Meile von einander entfernt sind, neue Wohnungen.«

Dann ging der Kaiser wieder gegen Mailand, und zog am sechsundzwanzigsten Tage des Monates März durch eine Öffnung, welche man in die Mauern gerissen hatte, in die Stadt ein. Darauf wurden die Befestigungen der Stadt zerstört. Der Kirchen und der andern Gebäude schonte der Kaiser.

Als dieses geschehen war, zog der Kaiser wieder nach [] Pavia, und feierte in der Domkirche der Stadt ein großes Dankfest.

Nach demselben sagte er: »So ist vollbracht, was die Worte des seligen Erzbischofes Anselm geraten hatten. Die Barmherzigkeit des Himmels wird es mir verzeihen, daß ich in gutem Glauben früher nicht die Stadt Mailand, diesen Angel aller Empörung und Kirchenspaltung, vertilgt habe. Die andern Städte werden jetzt zu ihrer Pflicht kommen.«

Es war nun ein großes Mahl, zu welchem Herren, Gemeine und Fremde eingeladen wurden. Der Kaiser Friedrich und die Kaiserin Beatrix trugen bei demselben ihre Kronen auf den Häuptern.

In der Zeit darauf unterwarfen sich die Städte Brescia, Imola, Faenza, Bologna, Piacenza, und noch mehrere andere.

Die Erzbischöfe, Bischöfe und Priester und die Fürsten und Herren und Krieger brachten aus diesem Zuge Gebeine der Heiligen, geweihte Geräte, teure Gefäße, Kleinodien und merkwürdige Gegenstände und Gold und Silber, Gewänder, Waffen, Pferde und die verschiedensten Dinge in ihre Heimat.

Diepold und Friedrich führten das böhmische Heer nach Prag. Der König Wladislaw erstattete, wie er es immer nach den Kriegen tat, dem Heere seinen Dank, er teilte die Beute aus, und belohnte sonst noch die Krieger, und sie zogen wieder zu den Ihrigen.

Witiko und die Waldleute wurden mit noch mehr Freude, mit noch mehr Zusammenlauf des Volkes und mit noch mehr Zuruf empfangen als sonst, weil sie so lange entfernt gewesen waren. Die Kriegsmänner gingen mit Freuden zu ihren Angehörigen. Sie zeigten Dinge, die man nie gesehen hatte, deren Preiswürdigkeit man gar nicht kannte, und deren Menge so groß war, wie man nie ein Gleiches erfahren hatte. Und die Dankesfeier an der [] Moldau und die Austeilung war auch größer als jede frühere. Die Krieger teilten von dem, was sie hatten, an ihre Sippen, an ihre Freunde, an ihre Bekannten und an ihre Heimatgenossen mit, und machten Opfer in die Kirchen.

Sie erzählten jetzt noch mehr von dem Lande Italien, als das erste Mal, weil sie es nun viel besser kannten als früher.

Der Schmied von Plan erzählte von der außerordentlichen und weitgestreuten Stadt Mailand, die sie zertrümmert haben. Sie sind jetzt in ihr gewesen, und da sind wunderbare Kirchen und seltsame Türme und alte Bogen und unerhörte Heiligengestalten. Er erzählte auch von anderen großen Städten, in denen sie gewesen sind. Da sind auch wundersame Kirchen und Steinbauwerke und Burgen der Vornehmen, die mitten unter den Häusern stehen, und Dinge aus den Heidenzeiten. Da sind uralte zerfallene Kirchen, so groß, wie ein ausgerundeter Berg, oben offen, daß der Himmel hinein schaut, und viele tausend Steinbänke sind über einander, und da haben sie vor mehreren tausend Jahren gespielt, wie sie im Walde die Geburt Christi und die Engel und die Hirten und die heilige Jungfrau Maria spielen. In dem Lande sind ungeheure Schätze; weil es heiß ist, wächst dort das Gold. Und es sind Früchte da, die niemand gesehen hat, und die sich niemand vorstellen kann.

Und die andern Männer erzählten auch. Sie sagten, sie haben reden gehört, daß Diepold viele Säcke auf Saumrosse geladen habe, und daß lauter Goldmünzen in den Säcken gewesen seien. Und die Gebeine der Heiligen Drei Könige, der makkabäischen Brüder und ihrer Mutter, des heiligen Celsus und anderer Heiligen sind von Mailand fortgebracht worden. Und Diepold hat einen kirchlichen Leuchter nach Prag gebracht, auf dem Wunder und Gestalten gearbeitet sind, die die uralten Juden abgegossen [] haben, weil der Leuchter in der frühen Zeit in dem Tempel des Königs Salomon gestanden ist.

Tom Johannes redete darüber, was er getan hätte, wenn er in dem Lande Italien gewesen wäre, und was der Kaiser und der König und die Erzbischöfe und die andern Herren hätten tun sollen.

Wolf sagte, sie wären alle gestorben, wenn Witiko nicht gesorgt hätte. Die goldenen Äpfel mit dem süßen goldenen Safte und die rosenroten Feigen und die Johannishörner und andere Dinge schaden sehr, wenn man zu viel ißt. Witiko hat sie davor bewahrt.

Und aus diesem neuen Dinge, welches durch die Kriegsmänner in den Wald gekommen war, entstanden bald Lieder, die gesungen und oft gesungen wurden.

Witiko ging nun wieder an seine heimatlichen Geschäfte. Insbesonders suchte er sein neues Waldland mit dem alten in eine immer gleichere Gebarung zu bringen.

Benno führte einen jungen Priester zu Witiko, welcher der Kapellan der Burg wurde. Er selber war oft im Witikohause, oft in Přic, oft irgend wo anders, wie er es für die Abfassung der Schicksale der deutschen Kaiser ersprießlich erachtete.

Die Base Hiltrut ging nach dem zweiten italienischen Zuge wieder nach Landshut. Witiko kam mit den Seinigen zuweilen zu ihr. Als sie einmal auf dem Wege dahin im Hauzenberge ihr Mittagmahl einnahmen, erkannte der nunmehr sehr alte Wirt Witiko wieder, und rief seine Freude über dessen Gedeihen und Ansehen aus.

Huldrik war in dem Witikohause sehr rührig, und predigte seinen Jubel über das, was geschehen war. Seine Gattin hatte ihm ein Söhnlein geboren, und das selbe durfte mit Witikos Söhnen reiten und Waffen führen lernen.

Witiko wuchs in der Liebe und Neigung der Seinigen immer höher, er wurde oft zu dem Könige gerufen, um [] bei seinem Rate und bei seinen Taten zu sein, er war mit Bertha und seiner Mutter dabei, als die steinerne Brücke, welche die Königin Judith in Prag über die Moldau hatte bauen lassen, die feierliche kirchliche Weihe erhielt, er wurde von Rowno, von Diet, von Osel, von Hermann, von Witislaw und andern geachtet, Lubomir, der sehr alt wurde, achtete ihn sehr hoch, es achteten ihn die Söhne Lubomirs, es achteten ihn Ctibor, Nemoy und alle, die in der Nähe wohnten, und er war eine Ehre für den Stamm Jugelbach, für den Stamm Aschach, für den Stamm Schauenberg, für den Stamm Dornberg und für den Stamm Stauf.

Er begann nicht weit von dem Witikohause eine Kirche in der deutschen Art durch Eppo bauen zu lassen, und er gedachte der Mittel, ein Kloster in dem Walde zu gründen.

In den Zeiten, die nun nach und nach über die Wipfel des grünen Waldes dahin gingen, wie Gutes und Schweres sie auch brachten, da sich manche teure Häupter in die Grube legten, wurde er Župan von Prachem, Heerführer, Gesandter und oberster Truchseß des Königreiches Böhmen. Und wenn er in dem Witikohause verweilte, kamen oft des Abends Männer in Lammspelzen zu ihm, und er saß mit ihnen in Gesprächen in der Burgstube, wie er einst an der Leuchte des Häuschens in Plan oder im Wangetschlage gesessen war.

Bertha sagte oft freundlich zu ihm: »Witiko, jetzt ist dir keiner gleich.«

Er antwortete freundlich: »Es sind viele über mir; dir aber gleicht keine.«

In dem Jahre 1184 beschloß der Kaiser Friedrich einen sehr großen Reichstag abzuhalten. Er wollte ein Fest feiern, weil der Streit im Reiche, der mit der Kirche, und der in Italien geendet war. Er berief alle, die kommen wollten, auf Pfingsten nach Mainz. [] Witiko faßte den Entschluß, diesen Reichstag zu besuchen. Er lud den alten Benno ein, mit ihm zu gehen, daß er den Glanz des Kaisers schaue.

Er zog mit Benno, Bertha, seinen Söhnen und einem schön geschmückten Geleite von Přic gegen Mainz.

Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Priester, Herzoge, Fürsten, Grafen, Ritter waren da versammelt, es waren die fremden Gesandten da, die sich an dem Kaiserhofe befanden, es waren Herren und Ritter aus den Ländern England, Frankreich, Italien, Spanien, Ungarn, Illyrien da. Die Zahl der Ritter, welche in Geleiten oder für sich selber gekommen waren, war siebenzigtausend. Und ungemein große Scharen des Volkes hatten sich eingefunden. Auf der Ebene an dem Rheinstrome war eine schöne Pfalz für den Kaiser und eine Kirche erbaut worden. Ringsherum standen die Wohnungen der Fürsten, die in Schmuck und Zierde einander zu übertreffen suchten, und dann waren weithin die andern bunten Gezelte. Die Nahrungsmittel wurden durch eine Menge von Schiffen auf dem Rheine gebracht, und es waren eigene Häuser für sie errichtet. Alle, die gekommen waren, wurden von dem Kaiser bewirtet.

An dem ersten Pfingsttage war der Kirchenzug, es war das kirchliche Fest, und es war ein Mahl. Man erschaute da die Erhabenheit des Kaisers, die Holdseligkeit der Kaiserin, die Schönheit der Frauen, den Schimmer der Fürsten, die Herrlichkeit der Ritter, den Strahlenglanz der Gewänder, der Waffen und der Pferdeverzierungen. Bei der Kirchenfeier war die Heiligkeit und Pracht der kirchlichen Geräte und Gewänder. Bei dem Mahle taten Herzoge und Markgrafen Dienste bei dem Kaiser.

Am andern Tage waren die ritterlichen Spiele. Der Kaiser nahm selber daran Teil. Fürsten und Herren und Ritter in großer Zahl zeigten ihre Geschicklichkeit. Die Söhne des Kaisers, Heinrich und Friedrich, die schon an [] Macht und Ehren reich waren, taten ihre ritterlichen Tugenden kund, und wurden mit jeder gebührenden Feier zu Rittern geschlagen.

In den folgenden Tagen waren auch noch andere Spiele und andere Ergötzungen.

Die auf der Fiedel oder in Tönen des Erzes oder der Pfeifen erfahren waren, ließen ihre Kunst vor dem Kaiser, vor der Kaiserin, vor den Frauen, vor den Fürsten und Rittern erschallen, und ernteten den Dank. Die Männer aus dem Geleite des Kaisers oder der Kirchenfürsten oder anderer Herren, welche schon große heilige Bauwerke zum Dienste Gottes errichtet hatten, stellten Vorbilder zu neuen Bauwerken auf, und wurden geehrt. Dann waren die Sänger, Ritter und andere, die einzeln und abwechselnd ihre Worte und Weisen, oder zusammen singend oder einzeln die Worte und Weisen früherer Dichter in die Herzen der Männer und Frauen senkten. Sie wurden mit besonderen Ehren und Freuden geziert.

Es sagten damals einige, es werde ein großes Lied kommen, in welchem die Treue der Männer gegen ihren König und die Treue des Königs gegen seine Männer gepriesen werden wird.

Heinrich von Oftering, der noch die blonden Haare trug, sprach: »Es kann schon ein solches Lied kommen, das uns von alten Mären, von Helden voll der Ehren, von Müh und Festlichkeiten, von kühner Ritter Streiten, von Weinen und von Klagen, viel Wunders möge sagen.«

Dann waren die, welche in Erz oder Stein oder Holz bilden konnten, oder die Farbenwerke der Kirchen auf Glas oder auf Tafeln verstanden. Sie wiesen Gestalten Gottes, des Heilandes, der Jungfrau, der Engel, der Heiligen oder andere Weihedinge vor, und wurden mit hohen Ehren begabt.

Und viele, die irgend ein Schauding hervorgebracht hatten, waren gekommen, es vor die Augen zu stellen.

[] Und was sich sonst an Tugend der Leibesübungen und der Waffen und der Tänze und anderer Erlustigungen zeigte, wurde auch noch in Zierde und Sitte und Anmut ausgeführt.

Witiko kam mit manchen Fürsten und Herren zusammen, und gelangte auch vor das Angesicht des Kaisers. Bertha wurde von der Kaiserin in dem Kranze der Frauen, die um sie waren, geehrt.

Witiko und Bertha kamen auf dem Reichstage zu ihren Sippen, und ihre Sippen kamen zu ihnen.

Der Ritter vom Kürenberge und Heinrich von Oftering und andere kamen zu Witiko, und saßen in dem Gezelte bei dem Becher, und sagten und sangen von einer noch größern Vergangenheit, wie die Helden unverzagt in dem brennenden Saale gekämpft hatten

Witiko ging auch wieder zu ihnen.

Es kamen auch seine andern Freunde aus Böhmen und Mähren, aus dem Lande Österreich und aus andern deutschen Ländern zu ihm, und er kam zu ihnen.

Witiko sah auf diesem Reichstage auch Sifrid von Milnet der ein Reiterführer geworden war. Er hatte den goldenen Gürtel und die Reigerfeder.

Als der Reichstag geschlossen worden war, zogen Hohe und Niedere erfreuten Herzens über das, was sie erlebt hatten, von dannen. Weithin wurde von den außerordentlichen Festen in Mainz erzählt, und es entstanden Lieder darüber, die in Deutschland gesungen wurden.

Witiko zog mit den Seinigen und Benno zuerst in die Burg Schauenberg, und dann in seine Waldburg.

Er hatte in späteren Jahren noch eine große Freude, als sein Sohn Witiko auf dem Fels der krummen Au, die nun zu Witikos Stamme gehörte, eine Burg zu bauen begann.


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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2022). German Novel Corpus (ELTeC-deu). Witiko : ELTeC ausgabe. Witiko : ELTeC ausgabe. European Literary Text Collection (ELTeC). ELTeC conversion. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001B-D4C9-1