[30r]
Hoch- und Wohlgebohrner Freiherr!
Hochgebietender Herr Minister
besonders Hochzuverehrender Herr!

Ungeübt in der Rolle eines Bittstellers
habe ich mich auch jetzt nur mit widerstrebendem
Herzen entschlossen (Ew.)Euer Excellenz mit einem
Gesuche um Gehaltsvermehrung zu belästigen.

Als ich vor eilf Jahren, dem ehrenvollen
Rufe (Ew.)Euer Excellenz folgend, nach Breslau kam
hielt ich den mir damals bewilligten Gehalt
von 800 (rth)Reichsthaler für meine Bedürfnisse zureichend,
theils weil ich diese mehr nach dem früheren
als nach dem neuen Wohnorte abmaß, dessen
Verhältnisse mir unbekannt waren, theils
weil ich (zumal nach den mir gewordenen
tröstlichen Zusicherungen) eine gelegentliche
Verbesserung meiner Lage durch die Gnade
(Ew.)Euer Excellenz erwarten durfte. Bald aber
mußte es mir klar werden, wie ein
solcher Gehalt, in Ermanglung der reichen
Zuflüsse, die den mit ärztlicher Praxis
beschäftigten Collegen, und der bedeutenden
Honorare die dem Professor der Anatomie
zu Theil werden, nur bei der äußersten
Einschränkung die nöthigen Geldmittel
erübrigen läßt, um die litterarischen
Bedürfnisse meines Fachs, die bei dem
nahen Zusammenhange desselben mit der
gesammten Naturwissenschaft so bedeutend
sind, nothdürftig zu befriedigen.

[30v]

Es wäre schlechthin unmöglich gewesen, unter
solchen Verhältnissen an eine eheliche Verbindung
zu denken, wenn nicht ein von meinem Schwieger-
vater gewährter Zuschuß von jährlich 450 (rh)Reichsthaler
die Vermehrung der Bedürfnisse ausgeglichen hätte.

Durch den frühzeitigen Tod desselben ist
leider diese Quelle großentheils versiegt,
indem die Zinsen des, weit unter der Erwartung
gebliebenen Erbtheils, selbst dann, wenn sie
erst vollständig flüssig sind (was nicht eher
eintritt als bis die in Terminen zu bezahlenden
Kaufgelder der von Sr. Majestät dem Könige
angekauften Bibliothek und andern Sammlungen
zur Erhebung gekommen seyn werden)
noch nicht die Hälfte des Ausfalls decken,
der durch jenen Todesfall in meinen Einkünften
entstanden ist. Somit bin ich ganz außer
Stande fortan mit dem seit meiner Anstellung
nur um 100 (rh)Reichsthaler vermehrten Gehalte
zu bestehen.

Die durch die eingetretenen Verhältnisse
mir auferlegte Nothwendigkeit, das Wohlwollen
(Ew.)Euer Excellenz in Anspruch zu nehmen, würde
für mich noch um vieles drückender seyn,
wenn nicht das Bewußtseyn mich aufrichtete,
daß die erbetene Gnade keine ganz unverdiente
ist: denn ich darf mir schmeicheln,
in den eilf Jahren meiner breslauischen
Thätigkeit, theils als Lehrer der Physiologie
und Pathologie, theils als Schriftsteller,
theils endlich als Mitglied der hiesigen
patriotischen Gesellschaft mit Eifer
gewirkt zu haben, was auch nicht ohne
Erfolg und Anerkennung geblieben ist.

[31r]

Namentlich haben die von mir angestellten
und von wichtigen Entdeckungen begleiteten
eigenthümlichen Forschungen im Gebiete der
thierischen und Pflanzenphysiologie eine erfreu-
liche Würdigung gefunden, die auch in der
von mehreren gelehrten Instituten (unter
denen ich nur die berliner (Akad. d. W.)Akademie der Wissenschaften nennen
will) erfolgten Zusendung von Diplomen
sich ausgesprochen hat. Daß aber auch meine
Wirksamkeit bei der Universität eine anregende
war, beweisen mehrere hier erschienene
Doctordissertationen physiologischen Inhalts
(von Krauß, Valentin, Kroeker, Wendt (u. a.)und andere)
eine Frucht meiner physiologischen Experimental-
demonstrationen, wodurch unsere Universität vor
den meisten andern, wo dergleichen ganzlich
fehlen einen Vorzug behauptet.

Ich habe mich bemüht, die Billigkeit oder
Unbilligkeit meiner Wünsche mit aller möglichen
Unpartheilichkeit zu erwägen; ich habe
meinen Gehalt mit dem Gehalte meines
Vorgängers (Barte[l]s) verglichen (der
übrigens seine Hauptthätigkeit der ärztlichen
Praxis zuwendete und in dieser auch
die Hauptquelle seiner Einnahmen fand):
ich habe die Stellung anderer Collegen
von ungefähr gleich langer Wirksamkeit
in Betrachtung gezogen, immer schien es mir
als dürfte ich ohne Unbescheidenheit die Bitte wagen

(Ew.)Euer Excellenz wolle gnädigst geruhen
mir eine Vermehrung meiner
Bedürfnisse entsprechende Gehaltsvermehrung
zuzuwenden.

[31v]

Die Gunst, deren die Naturwissenschaften
bei (Ew.)Euer Excellenz von jeher sich zu erfreuen
hatten, so wie die wohlwollenden Zusicherungen
die mir insbesondere bei verschiedenen Gelegenheiten
von Seite (Ew.)Euer Excellenz zu Theil geworden sind,
lassen mich hoffen, daß diese durch den Drang
der Umstände mir abgenöthigte Bitte
keine Fehlbitte seyn werde.

Uibrigens habe ich der bestehenden Ordnung gemäß
dieses Gesuch gleichzeitig dem Universitätscuratorium
übergeben, und um Bevorwortung desselben
bei (Ew.)Euer Excellenz gebeten.

In hochachtungsvoller Unterwerfung
(Ew.)Euer Excellenz ergebenster Diener
JEv. Purkinje.
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Rechtsinhaber*in
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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 14. Dezember 1833. Purkinje an Altenstein. Z_1833-12-14_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-21CF-4