[111]

Im Chromatischen waren die entoptischen Phänomene an der Tagesordnung. Ich nahm zusammen was ich bis jetzt erfahren hatte, und trug es in einem kurzen Aufsatz vor, dessen bald gefühlte Unzulänglichkeit mich zu weitern Forschungen nöthigte und mich immer näher zu dem Wahrhaften hindrängte.

Professor Pfaff sandte mir sein Werk gegen die Farbenlehre, nach einer den Deutschen angebornen unartigen Zudringlichkeit. Ich legte es zur Seite bis auf künftige Tage, wo ich mit mir selbst vollkommen abgeschlossen hätte. Seinen eigenen Weg zu verfolgen bleibt immer das Vortheilhafteste: denn[112]dieser hat das Glückliche uns von Irrwegen wieder auf uns selbst zurückzuführen.

Dr. Schopenhauer trat als wohlwollender Freund an meine Seite. Wir verhandelten manches übereinstimmend mit einander, doch ließ sich zuletzt eine gewisse Scheidung nicht vermeiden, wie wenn zwei Freunde, die bisher mit einander gegangen, sich die Hand geben, der eine jedoch nach Norden, der andere nach Süden will, da sie denn sehr schnell einander aus dem Gesichte kommen.

Farbenversuche mit vegetabilischen Extracten dienten wiederholt die höchste Consequenz der Farbenlehre darzuthun

CC-BY-NC-SA-4.0

Editionstext kann unter der Lizenz „Creative Commons Attribution Non Commercial Share Alike 4.0 International“ genutzt werden.


Rechtsinhaber*in
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 1816. Goethe Annalen. Z_1816-12-31_z.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-0DD3-6